Scharfe Fotos. mit der Digitalkamera. Sam Jost

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Transkript:

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Scharfe Fotos mit der Digitalkamera Sam Jost www.samjost.de 2

Copyright: 2014 Sam Jost, Flensburg Verlag: Sam Jost, Wilhelm-Mensinga-Str.12, 24937 Flensburg www.samjost.de E-Mail: Sam@SamJost.de Version 1.2, Stand November 2014. Kompakte Erklärungen zur Fotografie. Geschrieben und veröffentlicht von Sam Jost, Flensburg. Fotografien: Sam Jost Cover-Model: Jana Lektorat: Clemens Born Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, auch ausschnittsweise, außerhalb der Urheberrechtsgesetze ist nur mit schriftlicher Zustimmung des Autors erlaubt. Weitere Bücher von Sam Jost: Manuell belichten mit der Digitalkamera - Farbräume & Farbmanagement was ein Fotograf darüber wissen sollte Hier! Lightroom 5 für Einsteiger Fotos verwalten und bearbeiten 3

Scharf ist sachlich. Unscharf ist emotional. Leseprobe 4

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1. Ein ganzes Buch über Schärfe? Es scheint übertrieben, ein komplettes Buch nur über Schärfe zu schreiben, doch der Vormarsch der Digitalfotografie hat etwas mit sich gebracht, das dieses Thema aktueller denn je macht: die Möglichkeit, sowohl vor Ort als auch später am Rechner in Fotos hineinzoomen und jeden noch so kleinen Ausschnitt beurteilen zu können. In der Digitalfotografie gibt es viele Möglichkeiten, die Schärfe zu verbessern. Leider gibt es aber auch einige Faktoren, die sich nachteilig auswirken können. Da ich gern großformatige Fotos mit vielen Details drucken lasse, habe ich mich ausführlich mit Schärfe und Bilddetails auseinandergesetzt und hier ein kleines Buch über dieses eine Thema Schärfe geschrieben. Mit diesem Buch möchte ich nicht nur erklären, wie Du Fotos von vorne bis hinten scharf bekommst, sondern auch, wie Du die Verteilung von Schärfe und Unschärfe im Foto kontrollierst. Wie Du hinsichtlich Schärfe nicht Opfer von Umständen und Technik wirst, sondern selber entscheidest, was scharf wird und was nicht. Wie Du erkennst, was in einer Situation an Schärfe möglich ist und wann Kompromisse eingegangen werden müssen. 1.1. Was ist Schärfe überhaupt? Grundsätzlich lässt sich sagen, dass ein Bild oder ein Bereich eines Bildes umso schärfer ist, je mehr Details sich unterscheiden lassen. Wann aber ist der Punkt erreicht, ab dem ein Bild oder ein Bereich eines Bildes dem Auge als scharf erscheint? Dies ist genau dann der Fall, wenn das Bild oder der Bereich des Bildes dem Auge nicht mehr als unscharf erscheint. Das folgende Foto mit Blume und Zollstock zeigt sowohl scharfe als auch unscharfe Bildbereiche. Die Beschriftung auf dem Zollstock ist in der Mitte bei der 150 scharf, nach links und rechts wird sie immer unschärfer. Das hat allerdings nichts mit links oder rechts zu tun, sondern damit, dass der Zollstock links näher an der Kamera dran und rechts weiter von ihr entfernt ist als die 150. Alles, was sich wie die Blüte im Abstand der 150 befindet, ist scharf. Die rote Blüte ist scharf, sie hebt sich klar umrissen vom Hintergrund ab. Die Blätter im Hintergrund verschwimmen, sind nicht klar abgegrenzt, sie sind unscharf. Wie Du auf ein bestimmtes Objekt innerhalb des gewählten Motivs scharfstellen kannst, beschreibe ich in Kapitel 2. 6

1.2. Was Du bereits wissen solltest Ich verwende in diesem Buch den Zusammenhang zwischen Blende, ISO und Belichtungszeit. Außerdem verwende ich den Begriff Blende zur Beschreibung von Helligkeitsunterschieden, ohne dies näher zu erklären. Falls Du hierzu Erläuterung brauchst oder Dein Wissen auffrischen möchtest, empfehle ich mein Buch "Manuell belichten mit der Digitalkamera" (Siehe Anhang B). Du solltest wissen, dass es Objektive mit weiten Bildwinkeln gibt, die Weitwinkel-Objektive genannt werden und die kurze Brennweiten haben, und dass es Objektive mit engen Bildwinkeln gibt, die Tele-Objektive genannt werden und die lange Brennweiten haben. Bei Zoom-Objektiven spricht man je nach eingestellter Brennweite vom Weitwinkelbereich oder vom Telebereich. 7

2. Scharfstellen Das Scharfstellen des Motivs, das Festlegen der Schärfeebene nennt man Fokussieren. Man sagt: Der Fokus liegt auf der vorderen Person. Dies drückt aus, dass die Schärfeebene auf dem Abstand der vorderen Person zur Kamera liegt. Wie die Schärfe sich mit der Tiefe verändert, erkläre ich in Kapitel 3. Es gibt kaum eine Sache, die so grundlegend wichtig für die Schärfe ist wie der Fokus! Um beim Fokussieren zu helfen, haben sich im Laufe der fotografischen Geschichte die Kamerahersteller die verschiedensten Hilfsmittel ausgedacht. Einige von diesen Hilfsmitteln stelle ich diesem Kapitel vor. 2.1. Manuelles Scharfstellen mit Fokussierungshilfen In den Anfängen der Fotografie konnte nur manuell fokussiert werden, und da dies auch heutzutage noch bei vielen Kameras möglich ist, machen die manuellen Methoden in diesem Kapitel den Anfang. 2.1.1. Entfernungsskala am Objektiv An manchen Objektiven befindet sich eine Skaleneinteilung, an der Du ablesen und damit auch einstellen kannst, in welchem Abstand der Fokus liegt. Mit diesem Hilfsmittel kannst Du den Abstand der Kamera zum Motiv messen oder schätzen und dann am Objektiv einstellen. Allerdings ist diese Skaleneinteilung meist recht grob und damit kaum genau einstellbar. So verfügt das folgende Objektiv über Markierungen für 0,7 m, 1 m und 2 m. Die Zwischenwerte muss man schätzen. 8

Anstatt zu schätzen, könnte man ein Lasermessgerät wie das Leica Disto verwenden. Aber die Skaleneinteilung auf dem Objektiv bleibt ungenau, und zusätzlich ist fraglich, wie genau diese Skala überhaupt geeicht ist. Das geht natürlich auch andersherum: Die Schärfe wird am Objektiv auf den Abstand von 1 m eingestellt, und anschließend wird das Objekt, das fotografiert werden soll, in einem Abstand von 1 m positioniert. Dieses umgekehrte Vorgehen ist in der Streetfotografie üblich: Dort stellen viele Fotografen ihre Kamera auf einen festen Abstand ein und halten die Kamera mehr oder weniger unauffällig in geschätzt diesem Abstand vor ihr Motiv. Allerdings ist in der Streetfotografie der Moment meist wichtiger als perfekte Schärfe. Fokussieren über den Abstand ist in der Fotografie heutzutage eher unüblich. Dies Verfahren wird eher noch im Videobereich verwendet. So haben hochwertige CZ.2-Objektive von Zeiss für Videofilmer eine sehr fein eingeteilte und geeichte Skala zum Einstellen des Abstands. 2.1.2. Schnittbildindikator und Mikroprismenring Ein Hilfsmittel, das in Messsucherkameras von Leica im Einsatz ist und auch zum Nachrüsten für Spiegelreflexkameras immer mal wieder ins Gespräch kommt, ist der Schnittbildindikator. Der Schnittbildindikator, üblicherweise in der Mitte des Suchers, ist ein Feld, in dem sich der Bildausschnitt in zwei Hälften teilt. Diese zwei Halbkreise verschieben sich gegeneinander, wenn Du den Fokus am Objektiv verstellst. Passen diese beiden Hälften zusammen, das heißt gehen durchgängige Linien ohne Versatz ineinander über, dann ist der Fokus auf diesen Ausschnitt scharf gestellt. In meinen analogen Zeiten hatte meine Spiegelreflexkamera so einen Schnittbildindikator und zusätzlich einen Mikroprismenring drumherum, der so ähnlich funktionierte, nur mit mehr Bildausschnitten als nur 9

zweien. Solange das Muster der Mikroprismen sichtbar war, war das Bild unscharf. Wenn das Muster kaum noch zu sehen war, war das Bild scharf. Dieser Weg zu fokussieren ist zuverlässig, hat aber den Nachteil, dass das Motiv klare Linien oder Struktur aufweisen muss, damit Du erkennen kannst, ob die Ausschnitte verschoben sind. Außerdem befindet der Schnittbildindikator sich immer an der gleichen Stelle im Bild, üblicherweise in der Mitte. Man kann sich behelfen, indem man das gewünschte Motiv in die Mitte nimmt, scharfstellt und anschließend die Kamera so schwenkt, dass der gewünschte Bildausschnitt gezeigt wird. Diese Technik des Verschwenkens beschreibe ich in Kapitel 2.2 ausführlich. Für den Einstieg in das manuelle Fokussieren waren diese Hilfsmittel für mich gut, mit der Zeit habe ich sie allerdings immer weniger verwendet und mich stattdessen auf eine andere Möglichkeit zur Beurteilung der manuellen Schärfe an der Spiegelreflexkamera eingeschossen: 2.1.3. Scharf sehen mit der Spiegelreflexkamera Das Besondere an einer Spiegelreflexkamera (kurz SLR für Single Lens Reflex ) ist, dass Du durch den Sucher das Bild so siehst, wie es nachher auch fotografiert wird. Du siehst direkt durch das Objektiv, und dadurch siehst Du auch die Schärfe so, wie sie nachher aufgenommen wird (jedenfalls bei einer hochwertigen und gut eingestellten SLR). Heutzutage geht das mit jedem Handy, aber zu Analogzeiten war das ein Durchbruch. Im Sucher einer SLR kannst Du also vor der Aufnahme auch die Schärfeebene dort sehen, wo sie bei der Aufnahme sein wird. Um die Lage des Fokus noch stärker hervorzuheben (und damit Du ein helleres Sucherbild siehst), bedient sich die Kamera eines zusätzlichen Tricks: Sie schließt die Blende des Objektivs erst bei der Aufnahme. Beispiel: Wenn ich mit einem 50-mm- Objektiv ein Foto bei Blende f/5,6 mache, dann lässt die Kamera die Blende für das Fokussieren auf der maximal möglichen Blende f/1,8 offen stehen. Erst beim Auslösen schließt sie die Blende auf f/5,6, macht das Foto und öffnet die Blende anschließend wieder. Im Sucher ist also durch die offene Blende eine geringere Schärfentiefe zu sehen. Dies macht es einfacher zu beurteilen, wo der Fokus liegt. Um schon im Sucher die endgültige Schärfentiefe zu sehen, gibt es eine Abblendtaste, mit der die Blende auf die Aufnahmeblende (in meinem Fall hier f/5,6) geschlossen wird, damit Du die Auswirkung auf die Schärfentiefe schon im Sucher beurteilen kannst (wobei ich das Sucherbild in der Praxis zu klein finde, um dies wirklich gut beurteilen zu können). 10

Wenn Du bei einer SLR den Fokus verdrehst, siehst Du im Sucher, wie die Schärfe durchs Bild wandert. Damit ist es theoretisch ganz simpel, das Foto manuell zu fokussieren: Dreh so lange an der Schärfe, bis das gewünschte Objekt im Sucherbild scharf ist. Praktisch ist es nicht ganz so einfach, denn man weiß ja nicht, ob das Motiv beim nächsten Dreh vielleicht noch ein wenig schärfer oder doch wieder unschärfer wird. Bei dieser Art, manuell zu fokussieren, gehe ich so vor, dass ich erstmal den Fokus so drehe, dass das Motiv schärfer wird, bis es über den schärfsten Punkt hinaus wieder unscharf wird. Dann drehe ich zurück, vielleicht wieder ein wenig über die perfekte Schärfe hinaus, und mit immer kleiner werdenden Hin- und Herbewegungen finde ich schließlich die hoffentlich schärfste Einstellung. Manuelles Fokussieren braucht gute Augen, Zeit und Übung, zumal die Sucher der modernen Spiegelreflexkameras nicht dafür ausgelegt sind. Die Hersteller erwarten, dass die Fotografen sich auf den Autofokus, also die Automatiken zum Scharfstellen verlassen. Wer den Blick durch eine ältere, analoge Spiegelreflexkamera ohne Autofokus mit dem durch eine moderne mit Autofokus vergleicht, wird feststellen, dass das Bild in den alten Kameras oft dunkler ist und das Sucherbild irgendwie gröber aussieht, man dafür aber besser erkennen kann, was im Bild scharf ist. Bei modernen Kameras mit Autofokus wurde mehr Wert darauf gelegt, dass das Sucherbild hell und detailreich ist, als dass man die Schärfe beurteilen kann. Deshalb ist manuelles Scharfstellen mit neuen Spiegelreflexkameras meist schwieriger ist als mit alten analogen Geräten. Damit diese Hilfsmittel korrekt funktionieren, muss die Kamera natürlich justiert sein. Falls eine Kamera beispielsweise durch einen Sturz dejustiert wurde oder einfach ab Werk eine Gurke ist, kann der Fokus durchaus jedes Mal eine feste mm-zahl daneben liegen. Mit meiner analogen SLR habe ich ausschließlich manuell fokussiert, selbst bei meinen ersten digitalen SLR (DSLR) habe ich über Jahre den Autofokus nicht benutzt, weil er bei den damaligen Modellen bei schlechtem Licht so unzuverlässig war, dass ich lieber immer manuell fokussiert habe, um in Übung zu bleiben. Doch selbst in diesen Zeiten, in denen ich in Übung war, hatte ich beim manuellen Fokussieren regelmäßig Fotos, die nicht so scharf waren, wie ich es gern gehabt hätte. Ich besitze noch ein paar alte manuelle Objektive, bei denen ich den manuellen Fokus nach Auge verwende. Ansonsten kommt es nur ganz selten vor, dass der Autofokus bei einem Motiv Probleme hat und ich auf diese Art des Scharfstellens zurückgreife. Moderne DSLR-Kameras und auch digitale Kompakt- oder Systemkameras haben teilweise bessere Möglichkeiten, manuell scharfzustellen: 11

2.1.4. Manueller Fokus im Live-View Mobiltelefone und nahezu alle Kompakt- und Systemkameras haben keinen Sucher, stattdessen zeigen sie das aktuelle Bild auf dem Display. Dies wird Live-View genannt. Auch digitale Spiegelreflexkameras haben inzwischen Live-View. Nicht jede Kompaktkamera und schon gar nicht jedes Handy kann manuell fokussiert werden, aber für die, die manuellen Fokus können, gibt es Hilfsmittel, um die Schärfe besser auf dem kleinen Bildschirm beurteilen zu können. Ein sehr übliches Hilfsmittel ist, in dieses Live-View-Bild hineinzuzoomen, so dass dank Vergrößerung im Detail sichtbar ist, ob es scharf ist oder nicht. Allerdings habe ich mich dabei ziemlich gewundert: Das Live-View- Bild meiner Nikon D800E, immerhin eine Profikamera, ist in der Vergrößerung selbst bei gutem Licht so verrauscht und körnig, dass es mir schwer fällt, die Schärfe zu beurteilen. 2.1.5. Spiegellose Systemkameras Langsam setzen sich auf dem Markt Kameras durch, die keinen Spiegel und oft sogar keinen optischen Sucher mehr haben. Stattdessen haben sie nur noch einen Bildschirm und manchmal einen elektronischen Sucher. Dies ist ebenfalls ein Bildschirm, nur dass er nicht außen auf dem Gerät sitzt, sondern man durch den Sucher auf ihn schaut. Bei diesen Kameras ist die Qualität des Live-View-Bildes üblicherweise besser als bei den DSLR-Kameras, denn dort ist es ja nicht nur ein Zusatz, sondern die einzige Möglichkeit zu fokussieren. Diese Kameras bieten teilweise weitere Methoden, um bei der Beurteilung der Schärfe zu helfen. Das einfachste Hilfsmittel ist auch hier das Hineinzoomen in den Live- View, in dem sich die Schärfe im Detail besser erkennen lässt. Fuji hat in seine neueren spiegellosen Kameras eine Technik eingebaut, die dem Schnittbildindikator (siehe Kapitel 2.1.2) ähnelt. Hier müssen horizontal verschobene Bildausschnitte in Deckung gebracht werden, damit das Bild scharf ist. Allerdings gelten die gleichen Einschränken wie bei dem Schnittbildindikator in der Mattscheibe: Das Motiv braucht vertikale Linien, damit Du erkennen kannst, ob die Teilbilder verschoben sind, und sie befinden sich meist auch nur in der Mitte des Bildes. Hilfreicher finde ich das Fokus Peaking, eine Technik, die im Videobereich schon lange im Einsatz ist. Beim Fokus Peaking werden die scharfen Kanten im Bild besonders hervorgehoben, teilweise mit einer wählbaren Farbe, damit Du beim Fokussieren sehen kannst, was scharf ist und wie sich die Schärfe beim Fokussieren verändert. 12

Doch längst nicht alle Kompaktkameras können manuell fokussieren. Oder sie bieten nur den einfachsten Weg, den Fokus über ein Menü fest auf einen Abstand einzustellen und dann die Kamera hin- und herzubewegen, bis das Gewünschte scharf ist. Dies ist zum Beispiel beim Mobiltelefon Lumia 1020 möglich. Der Vorteil des Scharfstellens im Live-View ist, dass der Sensor wirklich genau das aufnimmt, was eingestellt wurde. Bei optischen Suchern hingegen muss die Kamera richtig justiert sein, damit die Schärfe im Sucher mit der des Sensors übereinstimmt. Falls Du beim optischen Sucher also das Gefühl hast, dass die Schärfe auf dem Foto nicht so sitzt wie sie im Sucher aussah, solltest Du es mit dem Fokussieren im Live-View versuchen. Wenn ich den Live-View zum manuellen Fokussieren verwende, zoome ich üblicherweise in das Bild hinein und drehe die Schärfe über den schärfsten Punkt hinaus so lange hin und her, bis mir das Bild am schärfsten erscheint (und wie ich es in ähnlicher Weise im Sucher einer DSLR machen würde). Genug manuell fokussiert! Kommen wir nun zu den Autofokus-Systemen, von denen es ohne Übertreibung Dutzende verschiedener Varianten gibt. Ende der Leseprobe. 13