In rauer See: Perspektiven der Stromerzeugung in Großkraftwerken Joachim Rumstadt Ruhr-Universität Bochum Institut für Berg- und Energierecht, 23. April 2015
Politik hat klare Zielsetzungen formuliert, deren Umsetzung enorme Herausforderungen darstellt Klimaschutz und Erneuerbare Ziele Herausforderungen Ausbau Erneuerbare Energie 40-45 % Anteil erneuerbaren Energien bis 2025 Im Jahr 2035 sind 55-60 % das Ziel Reduzierung Treibhausgas-Emissionen Bis zum Jahr 2020 mindestens 40 % Im Jahr 2050 sind 80-95 % das Ziel Fluktuierende Einspeisung Begrenzung der Kosten Netzausbau dringend erforderlich Föderalismus noch als Hemmschuh einer deutschlandweiten einheitlichen Herangehensweise Ziele in Deutschland gemäß Koalitionsvertrag 2013 der CDU/CSU und SPD Speichertechnologie 2 2
Marktsituation für konventionelle Kraftwerke in Deutschland verschärft sich Ausbau Erneuerbare 1 Deckungsbeiträge konventionelle Erzeugung 2 [GW] 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 1990 1995 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 Wasserkraft Biomasse und Gase PV Windenergie [ /kw.a] 200 150 100 50 0 Quellen: EEX, ICE; ohne Brennstofftransportkosten und sonstige variable Erzeugungskosten -50 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 CDS Peak - Steinkohlekraftwerk (η=45%) CSS Peak - Gaskraftwerk (η=58%) [TWh] 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober 2013 2014 November Dezember Geothermie Schneller Ausbau EE durch Förderung (EEG) erhöht den Anteil stark fluktuierender Erzeugung aus Erneuerbaren in Deutschland. Trotz EEG-Novelle im Jahr 2014 ist der Zubau von EE weiter mit großem Tempo vorangeschritten. Deckungsbeiträge für Kohle- und Gaskraftwerke geraten dadurch immer stärker unter Druck. Die Beschäftigung / Auslastung der konventionellen Kraftwerke ist im Jahr 2014 weiter rückläufig; gesicherte Leistung wird jedoch weiterhin benötigt. 1 Quellen: BMWi; 2 Meldungen Transparenzplattform nach Destatis, BDEW bzw. PointCarbo; Wert November und Dezember vorläufig 3
Marktentwicklung führt zu ersten Stilllegungsanzeigen konventioneller Leistung Stilllegungsanzeigen bei der Bundesnetzagentur (Stand 10.04.2015) RWE Gersteinwerk Emsland Westfalen GKM (40 % RWE) 1.673 MW 1.586 MW 284 MW 405 MW E.ON Gersteinwerk Ingolstadt Emsland Irsching (Block 3 und 4) Westfalen Irsching 5 (50 % E.ON) GKM Staudinger (40 % RWE) Scholven Knepper Grafenrheinfeld GKW Veltheim (67 % E.ON) 1.673 772 MW 1.586 960 MW 284 846 MW 622 405 MW 1.366 MW 345 MW 1.275 MW 758 MW EnBW Marbach Walheim HKW Heilbronn 424 MW 244 MW 220 MW Quelle: Bundesnetzagentur, Liste der Kraftwerksstilllegungsanzeigen Sonstige Sonstige davon Kaltreserve STEAG 2.295 MW 262 MW 4
Flexibilität durch Steinkohlekraftwerke wird weiterhin benötigt Steinkohle bedient Flexibilität und verliert an Erzeugungsmenge 1 [in GWh/h] 80 70 60 50 40 30 20 10 12. November 2014 2 : Ausnahmesituation in Deutschland 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 0 00:00 01:00 02:00 03:00 04:00 05:00 06:00 07:00 08:00 09:00 10:00 11:00 12:00 13:00 14:00 15:00 16:00 17:00 18:00 19:00 20:00 21:00 22:00 23:00 Solar Wind Laufwasser Pumpspeicher Erdgas Steinkohle Braunkohle Kernenergie Solar Wind Konventionelle 3 Steinkohlekraftwerke gleichen Fluktuation der erneuerbaren Energien aus Konventionelle Erzeugung zur Nachfragedeckung weiter unverzichtbar 1 Elektrizitätserzeugung während einer Januarwoche im Jahr 2015 (KW 3); 2 Tageslastprofil am 12.11.2014 (Tag der Jahreshöchstlast); 3 inkl. Pumpspeicher, Laufwasser und Biomasse Quellen: gemeldete Erzeugung gemäß Transparenzplattform EEX; Destatis; eigene Berechnung 5
Der Strommix in Deutschland 2014* Fast die Hälfte der Erzeugungskapazität entfällt auf die Energieträger Wind, Fotovoltaik und Wasser, die nur rd. 18% zur Bruttostromerzeugung beitragen Netto-Engpassleistung allgemeine Versorgung (insgesamt 186 GW)* Bruttostromerzeugung (insgesamt 614 Mrd. kwh) Wasser 6% [11 GW] Sonstige 7% [14 GW] Kernenergie 6% [12 GW] Braunkohle 11% [21 GW] Sonstige 13% [82 Mrd. kwh] Fotovoltaik 6% [35 Mrd. kwh] Wasser 3% [21 Mrd. kwh] Wind 9% [56 Mrd. kwh] Steinkohle 15% [27 GW] Gas 10% [58 Mrd. kwh] Steinkohle 18% [109 Mrd. kwh] Braunkohle 25% [156 Mrd. kwh] Fotovoltaik 21% [38 GW] Wind 21% [39 GW] Gas 13% [24 GW] Kernenergie 16% [97 Mrd. kwh] Quellen: AGEB, BDEW, VGB, Bundesnetzagentur, AGEE Stat * vorläufig 6
EEG 2.0 Ziele und beibehaltene Prinzipien Ziele des EEG 2.0 Sicherung Energiewende durch Ausbauziele Zubau-Steuerung durch Ausbaukorridore Reduktion Förderkosten Konzentration auf effizientere Technologien Bessere Marktintegration Wegbereiter zu Ausschreibungen Breitere Kostenverteilung (EEG-Umlage); Begrenzung Umlageverschonung für stromkostenintensive Unternehmen Einklang mit EU-Kommissionsvorgaben zu Beihilfeverbot Beibehaltene Prinzipien Vorrangprinzip Gesetzliches Schuldverhältnis Finanzielle Förderansprüche Degressive Vergütung, konstante Vergütungssätze Konstante Vergütungsdauer Besondere Förderung kleiner Anlagen Fortgeltung Mindestvergütung für Bestandsanlagen 7
EEG 2.0 Wesentliche Elemente zur Verbesserung der Marktintegration Kosten der Markt- und Systemintegration den EE zuordnen und so Innovationen fördern Förderung einer bedarfsgerechten Erzeugung, keine EEG-Förderung bei negativen Strompreisen Verpflichtung des EE-Anlagenbetreibers zur gesicherten Lieferung mit Bilanzkreisverantwortung Kein Wechsel von Direktvermarktungsmodell zurück in die Einspeisevergütung auch nicht bei Bestandsanlagen Keine Benachteiligung von Großanlagen gegenüber kleinen Anlagen (bezüglich Fernsteuerbarkeit, Direktvermarktung etc.) 8
EEG 2.0 Rechtliche Aspekte Aspekte Europarecht Beihilfeverbot Warenverkehrsfreiheit, Art. 34 AEUV Vorreiterrolle bei Klimaschutz vs. Wettbewerbsverzerrung durch massive EE- Förderung: Wie verhält sich das zu Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 AEUV) und Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie? Aspekte Verfassungsrecht Vereinbarkeit der EEG-Umlage mit Grundsätzen der Finanzverfassung, Art. 105 ff GG 9
Zentrale Vorhaben Energiewende* (Fortschreibung des 10-Punkte-Plans des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, Stand 27.02.2015) 26% 80% 20% Heute Ziel 2050 * plus Regelungsvorschlag KWK (mit Ziel KWKG-Novellierung) und Regelungsvorschlag CO2-Emissionen fossiler Kraftwerkspark ( 22 Mio.t-Lücke gem. Aktionsprogramm Klimaschutz 2020), Vorlagen gemeinsam mit dem Weißbuch Strommarktdesign im Juni 2015 Quelle: BMWi, Zentrale Vorhaben Energiewende für die 18. Legislaturperiode (10-Punkte-Energie-Agenda des BMWi) 10
Optionen zur Weiterentwicklung des deutschen Strommarkt Industriebrille - Im Kern: Bestandswerke sind bedroht. - Versorgungssicherheit / Systemstabilität in Gefahr und langfristig der Strompreis! Umweltbrille - Im Kern: Betrieb/Neubau von GuDs ist wirtschaftlich nicht möglich - Umweltrelevante Energiewendeziele in Gefahr und deutsche Glaubwürdigkeit in der Welt Option A: Option B: Option C: Option D: Marktregeln anpassen (EOM 2.0) plus vollständige Marktintegration der Erneuerbaren; politische Ziele überprüfen Ggf. akzeptieren, dass EE-Ausbautempo geringer wird, wenn sinnvoll Einführung dezentraler Leistungsmarkt (Ggf. Reserve für Notfälle) Weiterentwicklung EOM Annahmen: EE-Ausbau bleibt unverändert, Preis für Versorgungssicherheit bildet sich Netz übernimmt mehr Aufgaben für Versorgungssicherheit (~Reservekraftwerksverordnung, Fangnetz) Annahme: EE-Ausbau bleibt unverändert, kleiner werdender Markt ohne Preissignal Umbau der Energieversorgung vorantreiben mit fokussiertem Kapazitätsmarkt, staatlichen Eingriffen Ziel: deutsche CO 2 - Mengen reduzieren (ohne Preisrestriktionen), Sicherheit importieren Markt Staat 11
Darstellung und Funktionsweise des Klimabeitrags nach Anlagenalter gem. BMWi bzw. laut Gutachter Öko-Institut & Prognos Je Kraftwerksblock festgelegter, brennstoffneutraler Emissionsfreibetrag je GW installierter Leistung pro Jahr, keine Übertragbarkeit von Freibeträgen zwischen Kraftwerksblöcken Vollständige Befreiung bis 20 Jahre nach IBN, danach Absenkung des Freibetrags linear von 7 Mio.t CO 2 /GW im 21. Jahr um 200.000t/a auf einen Sockel von 3 Mio.t CO 2 /GW ab 41. Jahr Für über den Freibetrag pro Jahr hinausgehende Emissionen Abgabe zusätzlicher ETS-Zertifikate im Wert von 18-20 /t, die dann gelöscht werden ( Klimabeitrag ) Fristenbeginn mit IBN des Kessels bzw. grundlegenden Modernisierungen, die wie Neubau wirken Im Ergebnis Belastung von lediglich 10 % der fossilen Stromerzeugung, KWKund Industrie-KWe sollen vollständig von Belastungen ausgenommen bleiben Durch Klimabeitrag prognostizierter Strompreisanstieg: ca. 2 /MWh im Jahr 2020 Quellen: BMWi, BNetzA/UBA-Kraftwerksdatenbank 12
Klimabeitrag wäre weiterer massiver Eingriff in die Stromerzeugung und stellt die Gleichrangigkeit der Ziele des energiepolitischen Dreiecks in Frage Vier wesentliche Aspekte sind bei der Detaillierung des Klimabeitrags zu berücksichtigen: 1 2 3 4 Das Alter von Kraftwerken ist kein geeignetes Kriterium. Flexibilisierung und Effizienzverbesserungen müssen einbezogen werden. Unternehmerische Freiheitsgrade zur Kostensenkung sind sicherzustellen. Sonderanforderungen von Anlagen (z.b. KWK oder Bahnstrom) müssen beachtet werden. Energiebranche darf auch zukünftig nicht zur Kompensation von Zielverfehlungen anderer Branchen herangezogen werden. 13
Klimabeitrag - Rechtliche Bewertung und konkrete Regelungen fehlen Eingriff in das EU-Emissionshandelsrecht? Emissionsgrenzwerte neben dem Emissionshandel sind ausgeschlossen Beihilferechtliche Relevanz? Eingriff in eigentumsrechtlich geschützte Position Einschränkung der Freiheit der Berufsausübung? Verstoß gegen das Gleichheitsgebot? Unzulässige Sonderabgabe? Maßstab für die Verhältnismäßigkeit? Nationale Alleingänge schaden dem ETS Weiterhin sind viele konkrete Regelungen zum Klimabeitrag unklar. 14
Problemlösungsversuche durch weiteren Dirigismus 1 Redispatch-Festlegungen der BNetzA 2 Hoheitliche Eingriffe in Stilllegungsentscheidungen 3 Netzreserve 4 Kapazitätsreserve 15
Kraft-Wärme-Kopplung: Bestand sichern, Ausbau fördern 25%-KWK-Ziel im Koalitionsvertrag ist sinnvoller Ausdruck der Wertschätzung von KWK als Teil der Energieeffizienzpolitik! Synchronisierung mit Effizienzzielen sinnvoll KWKG-Novelle erforderlich, um Nachteile aus Erneuerbaren Ausbau teilweise zu kompensieren! Aber: Der Subventionswettbewerb ist kritisch X Fokus auf Gas-Technologie ist falsch (z.b. offene Gasturbinen nicht effizient und derzeit unwirtschaftlich, GuD-KWK derzeit ebenfalls unwirtschaftlich, Kohle-KWK lt. KWK- Studie spätestens ab 2017 unwirtschaftlich) STEAG-Position: Technologieoffenheit, keine Brennstoffdifferenzierung im KWKG! Effizienzvorteile erwachsen brennstoffunabhängig auf der Wärmeseite 16
Die wesentlichen Fragen der Energiewende müssen beantwortet werden 26% 74% Konventionelle Stromerzeugung Wie passt die deutsche Energiewende in den europäischen Markt? Wie können die Erneuerbaren Energien kompatibel zum Strommarkt gefördert werden? Wie können Anreize zum (Weiter-)Betrieb bzw. Bau von flexiblen Kraftwerken gesetzt werden? Wie kann Kraft-Wärme-Kopplung wirtschaftlich bleiben? Wie muss der Netzausbau gestaltet werden, um die energiepolitischen Ziele zu erreichen? Wie werden die finanziellen und energiewirtschaftlichen Lasten verteilt? Wie kann der wettbewerbliche Rahmen der Energiewirtschaft dauerhaft erhalten und staatliche Eingriffe möglichst vermieden werden? Regenerative Stromerzeugung Heute Wie können Rechtsunsicherheiten durch rechtskonforme Ausgestaltung vermieden Ziel 2050 werden (EU-Recht, Verfassungsrecht, etc.)? 80% 20% 17
Widersprüchlichkeit der Zielstruktur der Energiewende im Stromsektor auflösen Reduktion CO 2 -Emissionen (-40% bis 2020) X Deutscher Teil des EU-Ziels (völkerrechtlich bindend, Kyoto- Prozess): 33% bis 2020 EE-Ausbau Strom (40-45% bis 2025) X Ausstieg aus der Kernenergienutzung (bis 2023) Wettbewerbsfähigkeit? Versorgungssicherheit? Industrie? Was wird im Zweifel höher gewichtet: Atomausstieg bis 2023 oder Erreichen des nationalen 40%-Emissionsziels ohne wirksame Auswirkungen auf die CO 2 -Gesamtemissionen in Europa? 18
WIR. In Zahlen und Fakten WIR sind ein technologieoffener Spezialist für die Erzeugung von Strom und Wärme sowie deren Vermarktung Mit 9 Steinkohlekraftwerken und 2 Raffineriekraftwerken in Deutschland und 3 Steinkohlekraftwerken in Kolumbien, in der Türkei und auf den Philippinen Mit über 200 dezentralen Anlagen zur Energieerzeugung aus Erneuerbaren Energien bzw. für die Industrie und zur Wärmeversorgung Mit einer installierten Leistung von 8.300 MW im Inland und 2.000 MW im Ausland Mit 3.700 Mitarbeitern im Inland und 2.700 Mitarbeitern im Ausland Mit einem Umsatz in 2014 von 3,1 Milliarden Euro und einem EBIDTA von 390 Millionen Euro Mit einem Investitionsvolumen in 2014 von rund 481 Millionen Euro 19
STEAG nimmt die Herausforderungen der Energiewende an Dienstleistungen ausweiten Speicher / Dezentrale Erzeugung Kostenstrukturen optimieren Ausbau KWK/ Fernwärmeschiene Rhein/Ruhr Handel weiterentwickeln Gezielte Wachstumsinvestitionen 20
STEAG vertritt klare Position bei der Diskussion zum zukünftigen Strommarktdesign Markt erhalten = Marktorientierung auch für Erneuerbare Energieversorgung europäisch ausrichten Umweltorientierte Ziele ergänzen durch industrielle Wertschöpfung Wenn Kapazitätsmarkt, dann technologieoffen und diskriminierungsfrei Kraft-Wärme-Kopplung technologieneutral fördern, Bestand über KWKG-Novelle sichern Wettbewerblicher, europäischer CO 2 -Zertifikatehandel, keine Absolutsetzung des rein nationalen 40%-CO 2 - Minderungsziels mit staatlichen Eingriffen in den Markt Eine erfolgreiche Energiewende benötigt Marktmechanismen; EE müssen mehr Verantwortung übernehmen, damit gesicherte Leistung im Markt einen angemessenen Wert erzielen kann 21