Speicher - und Flexibilitätstechnologien Von kurzfristigen Notwendigkeiten hin zu zukünftigen Strategien Dirk Uwe Sauer, RWTH Aachen Düsseldorf, 20.09.2016 Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina acatech Deutsche Akademie der Technikwissenschaften Union der deutschen Akademien der Wissenschaften 1
Energiesysteme der Zukunft 2 2
Herausforderungen für Politik, Gesellschaft und Wissenschaft Regulatorische Eingriffe ins Energiesystem haben oft unerwartete Effekte. Im Idealfall sind energiepolitische Instrumente entsprechend anpassungsfähig. Klimaschutz ist nur wirksam, wenn die Staaten gemeinsam handeln. Das nationale Projekt Energiewende erfordert daher ein integriertes und abgestimmtes Vorgehen in Europa. Die Energiewende ist ein Gemeinschaftswerk. Sie kann nur gelingen, wenn sie von den Bürgerinnen und Bürgern mitgetragen und aktiv unterstützt wird. Die wissenschaftsbasierte Politikberatung muss bei der Erarbeitung von Handlungsoptionen eine Systemperspektive einnehmen. 3 3
Energiesysteme der Zukunft Ziele und Aufgaben Das Projekt ESYS bündelt Expertise aus der Energieforschung in Deutschland unter dem Dach der Wissenschaftsakademien. In interdisziplinären Arbeitsgruppen erarbeiten rund 80 Expertinnen und Experten Handlungsoptionen für den Weg zu einer umweltverträglichen, sicheren und bezahlbaren und Energieversorgung. In verschiedenen Dialogformaten werden die Positionen von Akteuren aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft erhoben und anschließend wissenschaftlich ausgewertet. Projektlaufzeit: Phase I 2013-2016 (Förderer: BMBF, Robert Bosch Stiftung) Phase II 2016-2019 (Förderer: BMBF) 4 4
Aufbau des Akademienprojekts Kuratorium Direktorium Das Kuratorium trägt die Gesamtverantwortung. Das Direktorium hat die Inhaltlich-strategische Leitung. Geschäftsstelle Projektmitglieder aus Sektionen Technikwissenschaften Naturwissenschaften Wirtschaftswissenschaften Geistes- und Sozialwissenschaften Rechtswissenschaft Die Geschäftsstelle unterstützt die Projektarbeit. Die Projektmitglieder erarbeiten energiepolitische Handlungsoptionen. 5 5
Kuratorium Vorsitz Prof. Dr. Reinhard F. Hüttl Präsident acatech Prof. Dr. Jürgen Gausemeier Universität Paderborn, acatech Präsidium Prof. Dr. Jörg Hacker Präsident Leopoldina Prof. Dr. Bärbel Friedrich Altpräsidialmitglied Leopoldina Prof. Dr. Dr. Hanns Hatt Präsident Akademienunion Prof. Dr. Dr. Martin Grötschel Präsident Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften Prof. Dr. Andreas Löschel Universität Münster, Vorsitzender der Expertenkommission zum Monitoring-Prozess Energie der Zukunft Prof. Dr. Klaus Töpfer ehem. Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen Gast Dr. Georg Schütte Staatssekretär Gast Rainer Baake Staatssekretär Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Bundesministerium für Bildung und Forschung 6 6
Direktorium (seit März 2016) Prof. Dr. Robert Schlögl (Vorsitz) Max-Planck-Gesellschaft Prof. Dr. Christoph M. Schmidt Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung Prof. Dr. Eberhard Umbach acatech Präsidium Prof. Dr. Dirk Uwe Sauer RWTH Aachen Prof. Dr. Dr. Carl Friedrich Gethmann Universität Siegen 7 7
Projekt Energiesysteme der Zukunft Kuratorium Prof. Dr. Reinhard F. Hüttl Prof. Dr. Jörg Hacker Prof Dr. Dr. Hanns Hatt Prof. Dr. Bärbel Friedrich Prof. Dr.-Ing. Jürgen Gausemeier Prof. Dr. Martin Grötschel Prof. Dr. Andreas Löschel Prof. Dr. Klaus Töpfer Staatssekretär Dr. Georg Schütte (Gast) Staatssektretär Rainer Baake (Gast) Prof. Robert Schlögl Vorsitzender des Direktoriums 8
Ad-hoc Working group Flexibility Concepts Organisation: Sauer, Elsner 11 expert groups, more than 100 experts Power Generation and Flexibility Technologies Photovoltaics Lead Rech Fluctuating Renewables (FEE) Wind Lead Reuter Bio mass Lead Weidner Geothermal power generation Flexible Lead Clauser Power Generation Technologies Solarthermal power generation Lead Pitz-Paal (net power generators) Conventional power plants Lead Görner, Sauer Storage Technologies Lead Elsner, Sauer Demand Side Management (power) Flexibility Lead Styczynski, technologies Sauerfor shift in time Demand Side Management (heat) Lead Henning, Sauer Grids Lead Weinhold, Sauer Flexibility technologies for regional shift Energy scenarios scenarios Lead Fischedick 9
Grundprinzip der elektrischen Energieversorgung: Erzeugung muss gleich Verbrauch sein Szenario 2050 (eines von vielen) 200 150 Leistung in GW 100 50 0 2424 2448 2472 2496 2520 2544 2568-50 -100-150 Anteil fluktuierender Stromerzeugung an Gesamterzeugung: 83% Stunde des Jahres Grafik: Wuppertal Institut Laufwasser Wind onshore Wind offshore PV Last Residuallast PV: 151 GW, Wind onshore: 82 GW, Wind offshore: 20 GW, Stromverbrauch: 602 TWh, FEE-Anteil: 83 % 10
Stromerzeugung in Deutschland Mai 2016 11
Speicherbedarf durch Netzrestriktionen Generation wind photovoltaic Electricity grid 220 / 380 kv 110 kv 10/20 kv 400 V Storage Centralized storage Modular storage for grid use only Modular storage with double use 12
Flexible Erzeugungstechnologien (Nettostromerzeuger) Concentrated Solar Power mit Speicher Thecrygroup / Wikimedia Commons Flexible konventionelle Kraftwerke Imaginis / Fotolia Stromgeführte KWK-Anlagen Visual Concepts / Fotolia Geothermie mit Speicher visdia/ Fotolia Bedarfsgesteuerte Biogasanlagen 13
Flexibilitätstechnologien zur zeitlichen oder räumlichen Verschiebung Markus Gössing / Fotolia Andrei Merkulov / Fotolia Demand Side Management (Industrie) Power-to-Gas (Chemicals) Gert Skriver / Wikimedia Commons vege / Fotolia Hanno Böck / https://hboeck.de/ Doppelnutzenspeicher Vladislav Kochelaevs / Fotolia Petair / Fotolia Netzausbau Speicher Intelligente Netze coppiright / Fotolia exclusive design / Fotolia Demand Side Management (Haushalte) Power-to-Heat Abschaltung von EE-Anlagen 14
Rolle der Speicher Speicher sind ein Element im Portfolio der Flexibilitätstechnologien Speicher müssen Gesamtpotential der Flexibilitätstechnologien reicht auch für 100% erneuerbare Energien Betriebswirtschaftlich erfolgreich betreibbar sein Volkswirtschaftlich sinnvoll sein CO 2 -Bilanz so wenig wie möglich belasten geringe Umweltbelastung aufweisen gesellschaftliche Akzeptanz haben 15
Residuallast [GW] 100 50 0-50 -100 Schnelle Leistungsänderungen Bedarfsspitzen ca. 6 Wochen Zusätzlicher Bedarf Überschuss -150 800 1000 1200 1400 1600 Stunde des Jahres PV: 151 GW, Wind onshore: 82 GW, Wind offshore: 20 GW, Stromverbrauch: 602 TWh, FEE-Anteil: 83 % 16
Kurzzeitige Flexibilität Option 1 Flexible Erzeuger wie Gasturbinen (Erdgas, Biogas, Wasserstoff) Weitere Erhöhung der Flexibilität bis 2050 erwartet Option 2 Batteriespeicher Wichtige Technologie für die Transformationsphase des Stromsystems Option 3 Demand-Side-Management in Haushalten (inkl. Elektrofahrzeuge, PV-Speichersysteme, Haushaltsverbrauch & Wärmebedarf) und in der Industrie Sehr hohe Potenziale für 2050 erwartet. Kostengünstig, da wenig zusätzlicher Invest. 17 User:LSDSL / Wikimedia Commons Vladislav Kochelaevs / Fotolia Petair / Fotolia
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Preisverfall und Zunahme der Zahl der Anbieter am deutschen Primärregelungsmarkt - 30% Angebotspreis + 50% Anbieter innerhalb eines Jahres! 19
Exkurs: Betriebsweisen von PV-Speichern Eigenverbrauchsoptimierung: Möglichst frühes Laden des Batteriespeichers Netzdienlicher Betrieb: Vorhalten von Speicherkapazität zur Reduzierung der Mittagsspitze Eigenverbrauchsoptimierung Netzdienlicher Betrieb 50% 50% (5 kwp PV) 20
Dezentrale Speicherkapazitäten in Deutschland ISEA / RWTH Aachen 2015 21
Anteile von Lithium-Ionen und Bleibatterien, nach der nutzbaren Kapazität 22
Motivation zur Investition in ein PV- Speichersystem 23
Monitoring program Entwicklung der Endverbraucherpreise Price per usable capacity [ /kwh] ~7%/a ~20%/a ISEA / RWTH Aachen 2016 Li:1.500 /kwh Pb:1.200 /kwh End of 2016: Li systems below 1000 /kwh are expected in the market 20.09.2016 24
Optionen für Contractoren Neue Geschäftsmodelle Mobilfunk+Internet Mobilität Strom Wärme 6% 13% 18% 63% Strom Versorgung aus einer Hand 25
Herausforderung 2: Mehrwöchige Perioden mit geringer solarer Einstrahlung und geringem Windaufkommen ( Dunkelflauten ) 26
Residuallast [GW] 100 50 0-50 -100 Dunkelflaute (ca. 14 Tage): wenig Wind und Sonne ca. 6 Wochen Zusätzlicher Bedarf Überschuss -150 800 1000 1200 1400 1600 Stunde des Jahres PV: 151 GW, Wind onshore: 82 GW, Wind offshore: 20 GW, Stromverbrauch: 602 TWh, FEE-Anteil: 83 % 27
Überbrückung Dunkelflauten Option 1 Flexible konventionelle Kraftwerke Wenn es das CO 2 -Ziel des Stromsektors zulässt Option 2 Flexible Biogaskraftwerke Biomassepotenzial kritisch (Flächenkonkurrenz, Akzeptanz) Option 3 Langzeitspeicher, d.h. Rückverstromung von Wasserstoff Wenn genügend Überschüsse vorhanden sind, um den Speicher aufzufüllen Alle Optionen haben im Kern Gasturbinen, Gesamtkapazität 40 bis 60 GW 28 Imaginis / Fotolia Hanno Böck / https://hboeck.de/
Herausforderung 3: Zeitweise hohe Überschüsse aus fluktuierender Erzeugung 29
Residuallast [GW] 100 50 0-50 -100 Verwendung von Überschüssen -150 1500 1700 1900 2100 2300 Stunde des Jahres PV: 151 GW, Wind onshore: 82 GW, Wind offshore: 20 GW, Stromverbrauch: 602 TWh, FEE-Anteil: 83 % Zusätzlicher Bedarf Überschuss 30
Wie können Überschüsse verwendet werden? Option 1 Speicherung Wenn Speichereinsatz ökonomisch sinnvoll Option 2 Elektrische Wärmeerzeugung (Power-to-heat in Hybridheizsystemen) Sehr hohes Potenzial, geringe Investitionskosten Option 3 Erzeugung von Stoffen und Gasen zur Verwendung außerhalb des Stromsektors (Power-to-X) Hohe Stundenzahl mit Überschüssen für wirtschaftlichen Betrieb notwendig (frühestens bei >80% Stromerzeugung aus PV und Wind) Option 4 Abregelung Wirtschaftlich, wenn Investkosten für Alternativnutzung zu hoch 31 vege / Fotolia Hanno Böck / https://hboeck.de/ coppiright / Fotolia Vladislav Kochelaevs / Fotolia
Warum ist die Nutzung der Überschüsse so gering? 5000 120 Stunden mit Überschüssen 4000 3000 2000 1000 Überschussenergie [TWh] 100 80 60 40 20 0 0 0% 20% 40% 60% 80% 100% 0% 20% 40% 60% 80% 100% Anteil fluktuierender Erneuerbarer Anteil fluktuierender Erneuerbarer 32
100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 0 CO 2 reductioncomparedwith1990 (Germany) 80% 90% 90% 90% 100% 100% DSM Industrie Industry DSM Haushalt Households Wasserstoffspeicher Hydrogen storage Industrielle Industrial CHP KWK Gasturbinen turbines - Biogas biogas GuD Gas and - Biogas steam biogas Gasturbinen turbines - Erdgas natural gas GuD Gas & - Erdgas steam natural gas Steinkohle Coal Braunkohle Lignite with CCS Braunkohle Lignte 33 mit Braunkohle (67 % FEE) mit Bioenergie, Referenzszenario (67 % FEE) mit Braunkohle CCS (67 % FEE) FEE und Speicher (95 % FEE) FEE, Bioenergie und Speicher (95 % FEE) Überinstallation FEE (136 % FEE) Installed power of needed flexibility technologies [GW]
60 50 40 30 20 10 CO 2 -Minderung ggü. 1990-80 % -90 % -100 % 0 DSM Industrie DSM-Haushalt inkl. Elektrofahrzeugbatterien und PV-Speicher Wasserstoffspeicher 34 S2-45 % S3-67 % S7-68 % S1-57 % S3-67 % S4-95 % S5-91 % S6-83 % S7-68 % S3-67 % S4-95 % S5-91 % S6-83 % S7-68 % installierte Entladeleistung [GW] Szenarionummer und Anteil Fluktuierender Erneuerbarer
Power togas später direkt, heute durch Power toheat Wasserstofferzeugung Methanisierung Methan / Erdgas Invest. > 1000 /kw Wirkungsgrad ~ 60% fluktuierende Stromerzeugung (Wind od. PV) Invest. < 50 /kw Wirkungsgrad ~ 93% Stromnetz Hybride Heizsysteme mit Erdgas & Strom 35
Klassifikation von Speichern Kurzzeitspeicher (Minuten bis wenige Stunden) vs. Langzeitspeicher (Tagen bis Wochen) Power to X-Technologien als -Speicher im Sinne des elektrischen Systems ( Strom zu Strom, Gasspeichersystem) -Last im Sinne des elektrischen Systems ( Strom zu irgendwas, Energiebereitstellung für andere Energiesektoren) 36
Zusammenfassung Bereitstellung von Kurzzeitflexibilität stellt kein technisches Problem dar. Problem sind fallende Preise und schwindender Strompreisspreads Langzeitspeicher werden gebraucht bei hohen Anteilen erneuerbarer Energien (> 80% des Strombedarfs) Power-to-X kann früher wirtschaftlich sein als es ökologisch sinnvoll ist Rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen müssen so geändert werden, dass Gemeinschafts-PV-Speicheranlagen auch in Mehrfamilienhäusern oder Quartieren möglich werden Wasserstofferzeugung, Wasserstoffspeicherung und Wasserstoffverarbeitung zu C-haltigen Energieträgern werden Technologien von zentraler Wichtigkeit 37
Speicher - und Flexibilitätstechnologien Von kurzfristigen Notwendigkeiten hin zu zukünftigen Strategien Dirk Uwe Sauer, RWTH Aachen 20.09.2016, Düsseldorf Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina acatech Deutsche Akademie der Technikwissenschaften Union der deutschen Akademien der Wissenschaften 38