stol-per-stein-e Verlegung von Stolpersteinen 12. Dezember 2007 Berlin Wedding Ostender Straße 2 und 2A Tana Schwarz Leew Schwarz

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Transkript:

stol-per-stein-e Tana Schwarz Leew Schwarz Vera Schwarz Emil Schwarz Toni Schwarz Verlegung von Stolpersteinen 12. Dezember 2007 Berlin Wedding Ostender Straße 2 und 2A

stol-per-stein-e. Verlegung von Stolpersteinen am 12. Dezember 2007 in Berlin, Ostender Straße 2 und 2A - Ev. Kirchengemeinde Kapernaum - Seestraße 35-13353 Berlin - Tel. 453 83 35 / Fax. 454 12 95 - e-mail kapernaum@web.de - Satz und Redaktion: Constanze Kraft V.i.S.d.P. 2

GEDANKEN Was hier dokumentiert wird, ist Vergangenheit. Ist es das? Manchmal ahnen wir anderes. Da begegnen uns Beschimpfungen, Überheblichkeiten, Ausgrenzungen wieder. Da erklingen längst totgeglaubte Parolen erneut am Brandenburger Tor, werden Menschen nicht-deutscher Herkunft überfallen und gejagt, sitzen Vertreter rechtsextremistischer Parteien in den Parlamenten. Da stolpern wir über Unrecht. Am liebsten würden wir schnell daran vorübergehen. Es ist nebensächlich, meinen wir. Ist es das? Derlei Unrecht wiegt schwer wie ein Stein. Er kann uns die Zukunft verbauen. Darum sollten wir mit Besorgnis und Wachsamkeit an solche Menschen wie die aus der Ostender Straße 2 und 2A denken. Wenn sie es noch könnten, würden sie uns darin zustimmen. Ev. Kirchengemeinde Kapernaum 12. Dezember 2007 3

WEGWEISER Was mich mutlos macht ist dass es so schwer ist zu sehen wohin ein Weg geht zum Recht und zur sicheren Zukunft aber was mir dann wieder Mut macht ist dass es so leicht ist zu sehen wo Unrecht geschieht und das Unrecht zu hassen Und auch wenn es nicht leicht ist gegen das Unrecht zu kämpfen so verliert man dabei doch nicht so leicht seine Richtung denn das Unrecht leuchtet so grell und verbreitet so starken Geruch dass keiner die Spur des Unrechts verlieren muss Wenn der Weg zum Recht und zur Zukunft dunkel ist und verborgen dann halte ich mich an das Unrecht das liegt sichtbar mitten im Weg und vielleicht wenn ich noch da bin nach meinem Kampf mit dem Unrecht werde ich dann ein Stück vom Weg zum Recht erkennen Erich Fried 4

VERORDNUNGEN 1933-1945 1933 18. März Jüdische Anwalte und Notare dürfen in Zukunft nicht in Rechtsangelegenheiten der Stadt Berlin tätig sein. 31. März Jüdische Richter werden beurlaubt. 31. März Nach dem 1.4.33 entstandenen Kosten für die Behandlung bei einem jüdischen Arzt werden nicht mehr erstattet. 1. April Jüdische Lehrkräfte an den städtischen Schulen sind sofort zu beurlauben. 7. April Jüdische Beamte werden aus dem Staatsdienst entlassen. 25. April Ausschluss von Juden aus Sport- und Turnvereinen 28. Juni Deutsch ist ein Film, der in Deutschland von deutschen Staatsbürgern deutscher Abstammung hergestellt wurde. 9. Juli Juden werden aus dem großdeutschen Schachbund ausgeschlossen. 16. August Juden werden aus Gesangsvereinen ausgeschlossen 22. August Badeverbot für Juden im Strandbad Wannsee 13. September Vererbungslehre und Rassenkunde werden in allen Schulen als Prüfungsgebiete eingeführt 1. Oktober In den Deutschen Automobilclub werden keine Juden aufgenommen. 1934 5. März Berufsverbote für jüdische Schauspielerinnen und Schauspieler 1935 März Jüdischen Schriftstellern wird alle schriftstellerische oder literarische Tätigkeit in Deutschland untersagt. Jüdischen Kunsthändlern wird die Ausübung ihres Berufs verboten. 31. März Berufsverbot für jüdische Musiker. 10. Juli Wanderungen jüdischer Gruppen von mehr als 20 Personen sind verboten. 15. September Eheschließungen zwischen Staatsangehörigen deutschen Blutes und Juden sind verboten 5

1936 3. April Jüdische Tierärzte dürfen keine Praxis eröffnen. 15. April Journalisten müssen ihre "arische" Herkunft bis ins Jahr 1800 nachweisen. 4. Oktober Taufe und Übertritt zum Christentum haben keinen Einfluss auf die Rassenfrage 1937 15. April Promotionsverbot für Juden 8. Juni Mit Jüdinnen verheiratete Postbeamte werden in den Ruhestand versetzt. 1938 1. Januar Arischen und nichtarischen Kindern wird das Spielen miteinander untersagt. Juden können nicht Mitglied des Deutschen Roten Kreuzes sein. 22. März Nur ehrbare Volksgenossen deutschen oder artverwandten Blutes können Kleingärtner werden. 26. April Juden müssen ihre Vermögensverhältnisse offen legen 25. Juli Jüdische Ärzte dürfen nicht mehr praktizieren. 27. Juli Straßen, die Namen von Juden tragen, werden umbenannt. 31. Juli Testamentarische Zuwendungen an Juden sind nichtig, wenn das gesunde Volksempfinden missachtet wird. 17. August Juden müssen den Namen "Israel", Jüdinnen den Namen "Sara" als zusätzlichen Vornamen führen. 5. Oktober Reisepässe von Juden müssen mit einem "J" gestempelt werden. 12. November Der Besuch von Kinos, Theater, Oper und Konzerten wird Juden verboten. 12. November Juden dürfen kein selbständiges Handwerk betreiben. 12. November Juden dürfen keine Einzelhandels- oder Versandgeschäfte mehr betreiben. 15. November Jüdische Kinder dürfen keine öffentlichen Schulen mehr besuchen. Dezember Jüdische Verlage und Buchhandlungen sind bis zum Jahresende aufzulösen. 3. Dezember Führerscheine und Kfz-Zulassungen von Juden werden für ungültig erklärt und die Ablieferung angeordnet. 6

3. Dezember Berliner Badeanstalten und Schwimmbäder dürfen von Juden nicht betreten werden. 3. Dezember Bestimmte Bereiche der Stadt Berlin dürfen Juden nicht mehr betreten. 21. Dezember Die Anerkennung als Hebamme ist einer Jüdin zu versagen. 1939 16. Januar Bei Auswanderung dürfen Schmuck und Wertsachen nicht mitgenommen werden. 17. Januar Berufsverbot für jüdische Zahnärzte, Zahntechniker, Apotheker, Heilpraktiker und Krankenpfleger. 21. Februar Juden müssen Schmuck, Gegenstände aus Gold, Silber, Platin und Perlen abliefern. 24. März Die jüdischen Kultusvereinigungen haben für die Beseitigung der Synagogenruinen zu sorgen. 30. April Juden kann ohne Angabe von Gründen und ohne Einhaltung von Fristen die Wohnung gekündigt werden. 1. September Juden dürfen nach 8 Uhr abends (im Sommer 9 Uhr) ihre Wohnungen nicht mehr verlassen. 23. September Juden müssen ihre Rundfunkgeräte abliefern. Dezember Juden erhalten keine Kleiderkarten mehr. 1940 4. Juli Juden dürfen nur zwischen 4 und 5 Uhr nachmittags Lebensmittel einkaufen. 29. Juli Die Post kündigt Telefonanschlüsse von Juden. 1941 4. März Alle Juden müssen Zwangsarbeit leisten 26. Juni Juden sollen keine Seife und Rasierseife mehr erhalten. 2. August Juden dürfen Leihbüchereien nicht benutzen. 1. September Alle Juden über 6 Jahren müssen einen gelben Stern mit der Aufschrift "Jude" tragen. 13. September Juden dürfen die öffentlichen Verkehrsmittel nur noch für Fahrten zur Arbeit benutzen. 18. September Bei großem Andrang dürfen Juden die öffentlichen Verkehrsmittel nicht benutzen. 7

18. September Juden benötigen zum Verlassen des Wohnorts einen polizeilichen Erlaubnisschein. 18. Oktober Erste Massendeportationen Berliner Juden. 23. Oktober Auswanderungsverbot für Juden. 1942 Januar Juden müssen Pelze und Wollsachen abliefern. 14. Februar Kuchen wird an Juden und Polen nicht mehr verkauft. 15. Februar Juden dürfen keine Haustiere halten. 17. Februar Juden dürfen keine Zeitungen und Zeitschriften kaufen. 24. März Juden dürfen öffentliche Verkehrsmittel nur noch benutzen, wenn ihre Arbeitsstätte weiter als 7 Kilometer entfernt ist. 24. März Jüdische Kinder dürfen öffentliche Verkehrsmittel nur noch benutzen, wenn die Schule mehr als 5 Kilometer entfernt ist. 24. März Kennzeichnungszwang für Wohnungen jüdischer Familien durch den "Judenstern". 11. Juni Kein Verkauf von Zigaretten und Zigarren an Juden 19. Juni Juden müssen ihre elektrischen und optischen Geräte, Fahrräder, Schreibmaschinen und Schallplatten abliefern. 22. Juni Juden erhalten keine Eier mehr. 10. Juli Keine Frischmilch für Juden. 11. Juli Erste Direktdeportationen in das Vernichtungslager Auschwitz 7. August Juden und Polen werden vor Gericht nicht als Zeugen gegen Deutsche gehört. 18. September Die Versorgung von Juden mit Fleisch, Fleischprodukten und anderen zugeteilten Lebensmitteln wird eingestellt. 9. Oktober Juden dürfen keine Bücher kaufen. 16. Februar 1945 Akten, deren Gegenstand anti-jüdische Tätigkeiten sind, sind zu vernichten. 8

Jüdische Kultusvereinigung zu Berlin e.v. Berlin N 4, den 16.10.1942 Herrn Frau Fräulein Transport - Nr. Betr.: Abwanderung Ihre Abwanderung ist für Montag, den 19.10.1942 behördlich angeordnet worden. Diese Anordnung gilt für Sie, Ihre Ehefrau und Ihre unverheirateten Familienangehörigen, soweit sie zur Abgabe der Vermögenserklärung aufgefordert worden sind. Sofern Sie inzwischen einen schriftlichen Zurückstellungsbescheid erhalten haben, ist diese Mitteilung mit allen Angaben der Jüdischen Kultusvereinigung zu Berlin ev., Berlin N 4, Oranienburger Straße 31, zurückzusenden. Am Sonnabend, den 17.10.1942 können Sie Ihr Reisegepäck in der Zeit von 9 bis 13 Uhr in der Sammelunterkunft Levetzowstraße 7/8 abgeben. Am Sonntag, den 18.10.1942, ab 6 Uhr morgens, wird Ihre Wohnung durch einen Beamten versiegelt werden. Sie müssen sich zu diesem Zeitpunkt bereithalten, Wohnungs- und Zimmerschlüssel sind dem Beamten auszuhändigen. Für die Verpflegung in der Sammelunterkunft und während der Bahnfahrt wird von uns gesorgt werden. Jedoch sollen die im Haushalt befindlichen Lebensmittel, insbesondere auch Abendbrotstullen, im Handgepäck mitgebracht werden. Inder Sammelunterkunft und während der Bahnfahrt stehen Krankenbehandler und Pflegepersonen zur Verfügung. Eine Verabreichung etwa erforderlicher Medikamente findet ausschließlich durch das Sanitätspersonal statt. In der Anlage ist ein Merkblatt beigefügt, das alle zu beachtenden Anweisungen enthält. Wir bitten Sie herzlich, diese Anweisungen genauestens zu befolgen und die Transportvorbereitungen in Ruhe und Besonnenheit zu treffen. Unsere von der Abwanderung betroffenen Mitglieder müssen sich bewusst sein, dass sie durch ihr persönliches Verhalten und die ordnungsgemäße Erfüllung aller Anweisungen entscheidend zur reibungslosen Abwicklung des Transports beitragen können. Es ist selbstverständlich, dass wir, soweit dies zugelassen ist, alles tun werden, um unseren Gemeindemitgliedern beizustehen und ihnen jede mögliche Hilfe zu leisten. Jüdische Kultusvereinigung zu Berlin e.v. D e r V o r s t a n d 9

LEBEN Was wir über Emil, Toni und Vera Schwarz wissen Die Familie Schwarz wohnte in einer der Wohnungen des Hauses Ostender Str. 2. Emil Schwarz wurde am 10. September 1883 in Großdorf / Birnbaum geboren. Er war zum Zeitpunkt der Deportation einundsechzigeinhalb Jahre alt. Er besaß bis Oktober 1938 (?) ein Textilgeschäft in der Reinickendorfer Straße 4 / Müllerstraße 30. Seine Ehefrau Toni Schwarz, geb. Finkenstein, wurde am 24. August 1892 in Lautenburg geboren. Sie war zum Zeitpunkt der Deportation fünfzigeinhalb Jahre alt. Die Tochter Vera wurde am 31. Dezember 1917 geboren. Zum Zeitpunkt der Deportation war sie 25 Jahre alt. Die Kinder Hildegard (Jahrgang 1915, verheiratet) und Günter (Jahrgang 1920) konnten im März 1939 über Triest nach Shanghai emigrieren. Hildegard hatte bis zu diesem Zeitpunkt im Geschäft des Vaters gearbeitet. Seit dem 1.April 1934 wohnte die Familie Schwarz in der Ostender Straße. Nach ihrer Enteignung mussten Eltern und Tochter Zwangsarbeit leisten. Emil und Toni arbeiteten in der Firma P. Schützler und Co., Pappelallee 26, Prenzlauer Berg, die Flaschenverschlüsse herstellte. Sie verdienten etwa 20 Reichsmark wöchentlich. (Zum Vergleich: Tochter Hildegard erhielt im Geschäft des Vaters einen Wochenlohn von 60 Reichsmark.) Vera arbeitete in einer der Niederlassungen von Spindler und Co. Spindlersfeld und erhielt einen Wochenlohn von ca. 18 RM wöchentlich. Zum Zeitpunkt der Vermögenserhebung betrug der Wert des Inventars der Wohnung ca. 2.250 Reichsmark. Emil verfügte über keinerlei Werte mehr. Alle drei mussten am 13. März 1942 folgende Erklärung unterschreiben: Mir ist eröffnet worden, dass mein gesamtes Vermögen und das meiner Familienangehörigen als beschlagnahmt gilt. Ich habe mich jeder Verfügung über das Vermögen zu enthalten. Zuwiderhandlungen werden mit schärfsten staatspolizeilichen 10

Maßnahmen geahndet. Die mir und meinen Familienangehörigen übergebenen Vermögenserklärungen habe ich genauestens auszufüllen. Es ist mir bekannt, dass die Nachprüfung der Vermögenserklärung noch vor dem Abtransport vorgenommen wird, und dass ich bei einem Verstoß gegen diese Anordnung auf keine Nachsicht zu rechnen habe. Berlin, den 13. 3. 1942 - Emil Israel Schwarz. Ebenfalls am 13. März 1942 gab Vera der Jüdischen Gemeinde in der O- ranienburger Straße über ihren Verbleib mit folgenden Worten Bescheid: Infolge Krankheit bin ich am Erscheinen verhindert. Mein Vater Emil Israel Schwarz soll mich in allen Angelegenheiten vertreten. (geschrieben von Emil, unterschrieben von Vera). Inwiefern diese Nachricht die Jüdische Kultusvereinigung Berlin erreichte oder erreichen sollte, ist ungewiss. Emil, Toni und Vera wurden am 30. März 1942 nach Piaski deportiert. Im jüdischen Schtetl Piaski bestand ein Ghetto, in das mehrere tausend Juden aus dem Lubliner Ghetto sowie aus dem Deutschen Reich transportiert wurden. Von hier erfolgten regelmäßige Transporte in die Vernichtungslager Belzec und Sobibor. Viele Menschen wurden direkt in Piaski ermordet. Am 8. Mai 1945 ist der Tod von Emil, Toni und Vera Schwarz offiziell festgestellt worden. 11

LEBEN Was wir über Leew und Tana Schwarz wissen Leew und Tana Schwarz wohnten in einer der Wohnungen des Hauses Ostender Str. 2A. Sie waren 65 und 67 Jahre alt, als sie in den Tod geschickt wurden. Leew gibt an, er sei Arbeiter. Er leistete zum Zeitpunkt der Vermögenserhebung am 28. Februar 1943 Zwangsarbeit bei der Deutschen Gummiwarenfabrik Weißensee und erhielt einen Wochenlohn von 28 Reichsmark. Beide müssen wohlhabend gewesen sein. Ihr gesamtes Vermögen von 16.000 Reichmark wurde im Februar 1943 eingezogen. Zuletzt wohnten sie in einem möblierten Zimmer zur Untermiete. Sie wurden mit dem 33. Osttransport vom 3. März 1943 deportiert. Das Ziel war Auschwitz. Auf Leew Schwarz war eine Reichsfluchtsteuer festgesetzt worden, die nach dem sog. Reichsfluchtsteuerbescheid vom 26. Mai d. J. 5.286 Reichsmark betrug. Die verpfändeten Wertpapiere von Leew Schwarz wurden aufgrund dessen im Juni 1943 zum Ausgleich und also zur Wertschöpfung für den Faschismus freigegeben. Auschwitz Vor der Selektion 12

OHNE ANTWORT Berlin, 22. Juni 2007 Sehr geehrter Günter Schwarz, ich schreibe Ihnen als Pfarrerin einer Berliner evangelischen Kirchengemeinde. Wir beschäftigen uns immer wieder mit der deutschen Vergangenheit, da wir denken, dass das wichtig ist für unsere Zukunft. Bei der Erforschung der Geschichte des Nationalsozialismus in unserer unmittelbaren Umgebung sind wir auf Ihre Familie gestoßen auf Ihre Eltern Emil und Toni Schwarz und auf Ihre Schwester Vera. Wir wissen, dass sie von deutschen Faschisten in Polen umgebracht worden sind. Das beschämt uns nach wie vor. Zugleich haben wir erfahren, dass Sie in den USA leben. Wir freuen uns sehr, dass wir in Ihnen noch einem Angehörigen der Ermordeten begegnen können. Darum würden wir gern mit Ihnen in Verbindung treten. Wir haben herausgefunden, dass Ihre Eltern und Ihre Schwester zuletzt in der Ostender Straße 2 im Berliner Wedding lebten. Von dort sind sie 1942 nach Piaski deportiert worden. Es war auch zu erfahren, dass Sie und Ihre andere Schwester Hildegard rechtzeitig emigrieren konnten. Als Kind bereits mussten Sie die Trennung von Ihren Eltern erleben. Dieses wird Ihre weitere Lebensgeschichte sehr beeinflusst haben. Es ist uns ein Bedürfnis und eine Verpflichtung, an Ihre Familie zu erinnern und sie der Vergessenheit zu entreißen. Dazu gibt es in Deutschland die Stolpersteine. Stolpersteine sind kleine Betonsteine mit einer 10x10 cm großen Messingoberfläche. Sie werden vor den Haustüren der ehemaligen Wohnhäuser in den Boden eingelassen. In die Messingplatte sind der Name, die Lebensdaten und der Todesort eines Menschen eingraviert. So kann auf die vielen jüdischen und nicht-jüdischen Opfer aufmerksam gemacht werden, die in den Lagern der Faschisten namenlos verschwanden. In Deutschland liegen jetzt ca. 7.500 Stolpersteine. Wir möchten Sie, lieber Herr Schwarz, fragen, ob Sie damit einverstanden sind, dass wir für Ihre Familie einen Stolperstein verlegen. Möglicherweise ruft das in Ihnen Erinnerungen wach, die Ihnen wehtun. Dann werden wir das respektieren und die Geschichte ruhen lassen. Möglicherweise aber können Sie es bejahen, dass wir in dieser Form an Ihre Eltern und Ihre Schwester denken. Dann helfen Sie uns hier in Deutschland sehr. 13

Zugleich möchten wir jedoch nicht nur die Namen in Erinnerung rufen, sondern auch von ihrem Leben etwas erfahren. Können Sie sich vorstellen, dass Sie uns etwas von Ihren Eltern und Ihrer Schwester erzählen? Würden Sie uns dabei helfen, ihnen ein Stück ihrer Identität wiederzugeben? Würden Sie vielleicht auch von Ihrem Schicksal ein wenig erzählen wollen? In der Hoffnung, dass dieser Brief Sie nicht beunruhigt, sondern dass Sie ihn als eine Brücke verstehen können, über die wir gern zu Ihnen kommen möchten, grüßen wir Sie aus Berlin Pfarrerin Constanze Kraft 14

15

Ev. Kapernaumkirche Berlin Wedding 16