Tourentipp Foto: Ernst Zbären Proposte di gite Suggestions de courses Vier Täler in fünf Tagen Wandern im UNESCO- Weltnaturerbe Fünf Tage brauchts, um Joli-, Bietsch-, Baltschieder- und Gredetschtal an der Bietschhorn-Südseite zu erwandern. Die Ausgangsorte für diese stillen Täler sind mit Bahn und Postauto bestens erreichbar, die Wanderungen bieten vielfältige Einblicke in die wilde Bergnatur. Und wen noch mehr gelüstet, wandert gegenüber weiter, um den Überblick in diese Täler zu erlangen. Seit dem 13. Dezember 2001 darf sich die Region Jungfrau Aletsch Bietschhorn als UNESCO-Weltnaturerbe bezeichnen. Eine Auszeichnung, die nicht ohne weiteres verliehen wird. Die Jungfrau als Einzelgipfel oder zusammen mit Eiger und Mönch sowie der Grosse Aletschgletscher sind allgemein bekannt. Das Bietschhorn hingegen ist doch eher nur bei Alpinisten ein Begriff zu Unrecht. Das Bergmassiv ist eine der mächtigsten Berggestalten im ganzen Alpenbogen. Und dazu gesellt sich eine Umgebung, die nicht minder attraktiv ist. Wilde «Krächen» Nordseitig fallen die Flanken vom Bietschhorn und von seinen weniger hohen Nachbargipfeln steil ins Lötschental ab. In der Gegenrichtung zum Rhonetal hin, also südseitig, ist die Landschaft wesentlich reicher gegliedert. Vier Täler bieten hier einen Naturgenuss vom Feinsten für Leute, die sich für wilde «Krächen» begeistern können. Am häufigsten wird das Baltschiedertal begangen. Da der Aufstieg ab der Station Ausserberg an der Lötschberg-Südrampe zur Baltschiederklause gute sechs Stunden dauert, ist aber hier kein Wandererstau zu befürchten. Dies gilt erst recht für die übrigen drei Täler. Gelber Eisenhut im Gredetschtal, im Hintergrund das Nesthorn Von Hohtenn ins Jolital Wir verlassen den Zug in Hohtenn und zweigen nach zehn Minuten auf dem Südrampeweg gleich nach der Unterführung der Bahnlinie links auf den schmalen Hangweg ab. In angenehmer Steigung gehts über die Alp Tatz in Richtung Jolital. Wird die Alp Joli auf einem nur wenig ansteigenden Naturfahrweg erreicht, so gehts über die folgenden 300 Höhenmeter steiler nach oben, bis überraschend ein flacher Talboden, Chiemattbode, auftaucht. Wo weiter hinten die Steigung wieder zunimmt, fallen die Seitenmoränen auf, die der Joligletscher in gletscherfreundlicheren Zeiten geschaffen hat. Auf dem Rückweg folgen wir dem uns bekannten Pfad bis zur Abzweigung der «Ladu-Süe», etwa 200 m südwestlich von Punkt 1939. Obwohl die anschliessende Wegstrecke über Chalberwald Spilbielalpji und hinab zum Dorf Ladu in der LK als Wanderweg eingetragen ist, war die Wegmarkierung im Sommer 2004 schlecht oder überhaupt nicht vorhanden. So kann man diese Route nur Leuten empfehlen, die im Kartenlesen sattelfest sind. Schade, denn landschaftlich lohnt sich der direkt zur Station Hohtenn hinabführende Abstieg wirklich. Ein Abstecher ins Bietschtal Bereits auf der Karte sieht das Bietschtal viel versprechend aus. Ein weites, regelmässiges Halbrund von über einem Kilometer Durchmesser und gut 1000 m Höhe bildet im Talabschluss ein Amphitheater von einmaliger Grösse, das «Reemi». 1 Und darüber thront die noch einmal fast 1000 m höhere Pyramide des Bietschhorns. Zwischen seinem höchsten Punkt und der Einmündung des Bietschbachs in den Rotten bei Raron liegen nur zehn Kilometer Distanz, aber nicht weniger als 3300 Höhenmeter 1 Vgl. ALPEN 10/2002 «Bergarena Reemi: Vom Lötschental ins Bietschtal» DIE ALPEN 10/2005 17
TOURENTIPP was schon einiges über die schroffe Wildheit des Bietschtales aussagt. Im untersten Abschnitt wird die enge Talfurche von einem technischen Meisterwerk gequert, der 107 m langen doppelspurigen Brücke der Lötschbergbahn. Dieser Brücke entlang führt der bekannte Höhenweg der Lötschberg-Südrampe. Wer mehr als die vierstündige Wanderung Hohtenn Ausserberg leisten will, kann mit einem Abstecher ins Bietschtal seine Leistungsfähigkeit testen. Der Talweg ist ohne Probleme für alle Bergwanderer begehbar. Zwei Tage im Baltschiedertal Mit sechs Stunden ist der Aufstieg ab Ausserberg zur Baltschiederklause angegeben. Nur die erste Wegstunde muss man auf der Güterstrasse ansteigend auf Asphalt zurücklegen. Nachher folgen Naturwege unterschiedlicher Art in durchwegs grandioser Landschaft. Entlang der oberen Suone 2 von Ausserberg, dem «Niwärch», ist jeder Misstritt und jedes Stolpern zu unterlassen! Im weiteren Anstieg beidseits des Baltschiederbachs wechseln unterschiedlich steigende Abschnitte mit flachen Wegpartien. Manchmal liegt über dem Bachlauf noch im Sommer meterhoher Lawinenschnee. Nach Chiemattu werden über Martischipfa bis Hohbitzu im Zickzack weitere 2 Als «Suonen» bezeichnet man die Wasserleiten, das alte Bewässerungssystem im Wallis, durch das das Wasser von den Gletscherbächen zu den Kulturregionen geführt wird. 600 Höhenmeter gewonnen. Im Vorfeld von Üssra und Innra Baltschiedergletscher macht das Grün am Wegrand den Steinen Platz. Noch einmal 500 m höher wird unter dem Jägihorn das Tagesziel sichtbar. Höhepunkt einer Übernachtung in der Baltschiederklause ist oft der Morgen. Der Blick in der Morgensonne hinüber zum Bietschorn würde in einer Fotos: Ernst Zbären Die Bäume ganz links oben stehen mehr als 1000 m über dem Wanderweg im Bietschtal. Strahlhorn und Hohgleifa stehen im hinteren Jolital. Arven und Lärchen bestocken den Hang im Vordergrund. 18 DIE ALPEN 10/2005
Rangliste der schönsten Ausblicke von SAC-Hütten einen Spitzenplatz belegen. Der Abstieg bietet Gelegenheit, die wilde Schönheit des Baltschiedertales noch einmal ausgiebig zu geniessen. Empfehlenswert ist ein Abstecher zum ehemaligen Molybdänbergwerk in der Galkichumma. Wählt man für die Rückkehr nach Ausserberg den «Undra Suon», ist Informationen Anreise: Mit BLS nach Hohtenn oder Ausserberg. Postauto ab Brig bis Mund und zurück ab Birgisch Karten/Wegmarkierung: LK 1:25 000, Blatt 1268 Lötschental, 1269 Aletschgletscher, 1288 Raron, 1289 Brig; LK 1:50 000, Blatt 264 T Jungfrau, 274 T Visp; Wegmarkierungen gut bis sehr schlecht Jahreszeit/Ausrüstung: Nach der Schneeschmelze bis Herbst; normale Bergwanderausrüstung für alle Wetterverhältnisse Wanderzeiten/Schwierigkeit: Joli-, Bietschund Baltschiedertal je fünf bis acht Stunden, abhängig davon, wie weit man in die Täler hineingeht. Aufstieg Baltschiederklause sechs Stunden, Abstieg vier Stunden. Schwierigkeit gemäss SAC-Wanderskala T2 bis T4 Aufgepasst: Die Wanderungen entlang den Suonen sind nur für trittsichere und schwindelfreie Leute geeignet! Urtümliche Bergwelt im hinteren Baltschiedertal mit Gredetschhorli (Bildmitte) und Nesthorn Herbststimmung im unteren Bietschtal. Blick aufs Rhonetal DIE ALPEN 10/2005 19
TOURENTIPP Das Bietschhorn, seit 2001 Teil des UNESCO-Weltnaturerbes, ist eher bei Alpinisten denn bei der grossen Masse ein Begriff, obwohl es zu den mächtigen Gestalten im Alpenbogen gehört. Hier seine Ostflanke An der Suon «Wyssa». Sie führt Gredetschwasser auf die Wiesen von Mund. Kare frühere Gletschermulden prägen die rechte Talseite im Baltschiedertal. Im Hintergrund Bietsch- und Stockhorn (ganz rechts) die Wegstrecke auf Asphalt kürzer und weniger steil, als wenn man wieder dem «Niwärch» folgt. Schnurgerade das Gredetschtal Sein Name sagt es deutlich, das Gredetschtal ist ein Tal ohne Kurven: «Gredetsch» heisst im Deutschwalliserdialekt nichts anderes als «gerade gerichtet». Langeweile kommt aber deswegen beim Durchschreiten des Tales nicht auf. Um die tausend Meter ragen beide Talflanken steil empor, durchzogen von Klüften in unterschiedlicher Breite. Der hinterste Talabschnitt vor dem Hang, der zum Nesthorn ansteigt, ist ein gletschergeschaffenes Trogtal, wie man es nicht allzu oft sieht. Der heutige Gredetschgletscher in sonnenreicher Südlage unter dem Nesthorn ist eine kläglich magere Sache im Vergleich zu jenen Eismassen, die einst das Tal geformt haben. Und trotzdem bildet er mit dem Nesthorn einen harmonischen Talabschluss. Als Ausgangspunkt für eine Gredetschwanderung empfiehlt sich Mund, bekannt durch seine Safranfelder, die einzigartig in den Schweizer Alpen sind. Nach einem einstündigen Aufstieg über offenes Land wird die «Wyssa» erreicht. Entlang dieser Suone geht es taleinwärts. Der weitere Weg weist kaum steilere Abschnitte auf. Man sollte so weit ins Tal hineinwandern, bis seine Trogform frei sichtbar wird. Für den Rückweg empfiehlt sich die Suon «Obersta» an der orografisch linken Talseite. In Birgisch endet ein weiterer Wandertag im UNESCO-Welterbe Jungfrau Aletsch Bietschhorn. Übersicht gewinnen So eindrücklich die Wanderungen in den Tälern an der Bietschhorn-Südseite auch sind, so können sie eines nicht bieten: den offenen Blick über die Region. Diesen gewinnt man am besten, wenn man zwischen den Wandertagen in den vier Tälern je einen Tag an der südlichen Talseite des Rhonetals einschaltet. Als Touren geeignet sind die Wanderung Moos- 20 DIE ALPEN 10/2005
Auf Sommerfrische: Eringerkuh im Gredetschtal Fotos: Ernst Zbären alp Grat Augstbordhorn ab der Moosalp ob Bürchen, ab Visperterminen mit dem Sessellift bis Giw und dann zum Gibidumsee und weiter zum P. 2317, dem «Antennenwald» auf Gibidum, oder vom Simplonpass nach Weng und aufs Spitzhorli, 2737 m. Alle Ausgangsorte sind ab Brig oder Visp per Postauto erreichbar. Und aus «Vier Täler in fünf Tagen» wird ganz einfach «Vier Täler mit Übersicht in acht Tagen». Es lohnt sich! a Ernst Zbären, St. Stephan Schnurgerade zieht sich das von Eiszeitgletschern geformte Gredetschtal in Richtung Rhonetal. DIE ALPEN 10/2005 21