Kompendium Wunde und Wundbehandlung. medicaledition



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Kompendium Wunde und Wundbehandlung medicaledition

Kompendium Wunde und Wundbehandlung

Herausgegeben von der PAUL HARTMANN AG 89522 Heidenheim Deutschland http://www.hartmann.info Konzeption, Gestaltung, redaktionelle Bearbeitung und Herstellung: cmc centrum für marketing und communication gmbh 89522 Heidenheim Wissenschaftliche Beratung: Prof. Dr. med. Pavel Brychta Prof. Dr. med. Günther Germann Dr. med. Andreas Gericke Prof. Dr. med. Walter O. Seiler Dr. med. Jörg Tautenhahn Prof. Dr. med. Helmut Winter 3. überarbeitete und erweiterte Aufl age März 2008 PAUL HARTMANN AG ISBN 978-3-929870-60-2 gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier

Inhaltsübersicht Vorwort 5 Haut und Wunde Funktionen und Aufbau der Haut Wunde und Wundarten Die Prozesse der Wundheilung Die Phasen der Wundheilung Quantitative Einteilung der Wundheilung Einfl üsse auf die Wundheilung Störungen der Wundheilung Die Wundinfektion Prinzipien der Behandlung akuter Wunden Die akute, traumatisch bedingte Wunde Komplexe traumatische Defekte Thermische Verletzungen/Verbrennungswunden Inzisionen/OP-Wunden Epithelwunden Prinzipien der Behandlung chronischer Wunden Das Ulcus cruris venosum Das Ulcus cruris arteriosum Das diabetische Ulkus Das Dekubitalulkus Die chronisch posttraumatische Wunde Chronische Strahlenschäden Wunden bei Tumorpatienten Der Wundverband Aufgaben und Anforderungen Trockene Wundbehandlung Feuchte Wundbehandlung Der Verbandwechsel Glossar und Stichwortverzeichnis Literatur und Bildnachweis 6 7 27 34 35 50 54 61 65 80 81 85 88 94 94 96 105 110 116 126 130 132 134 136 137 144 148 177 194 199 Inhaltsübersicht [2.3]

Vorwort Die Wundheilung ist ein natürliches Phänomen. Dabei folgt die Natur im physiologischen Fall einem einheitlichen Schema, das mit der Blutgerinnung beginnt, in katabolen Prozessen die Wunde von untergegangenem Gewebe, Fremdkörpern und Keimen reinigt und schließlich neues Gewebe zur Defektfüllung aufbaut, das sich mit der Zeit in belastbares Narbengewebe umwandelt. Längst ist jedoch nicht alles über die Physiologie der Wundheilung bekannt, was insbesondere im Falle einer gestörten Wundheilung manches Problem mit sich bringt. Dennoch lassen sich aus dem aktuellen Wissen therapeutische Maßnahmen ableiten, die die körpereigenen Bemühungen, die Kontinuität der Hautdecke wieder herzustellen, in sinnvoller Weise unterstützen. Mit diesem Kompendium wurde der Versuch unternommen, den komplexen Themenkreis Wunde und Wundbehandlung in Grundzügen darzustellen. Beschrieben werden Aufbau und Funktionen der Haut, die Prozesse der Wundheilung, Einfl üsse auf die Wundheilung und mögliche Störungen daraus, Prinzipien der Behandlung akuter und chronischer Wunden sowie die Verbandbehandlung als wesentliche lokal therapeutische Maßnahme. Besondere Berücksichtigung fand die Darstellung moderner, hydroaktiver Wundaufl agen, deren phasengerechte Anwendung vor allem bei der Behandlung chronischer Problemwunden die Palette der Therapieoptionen erweitert. Die Wundbehandlung berührt alle praktischen Disziplinen der Medizin und Pfl ege. Das vorliegende Kompendium möchte dazu beitragen, Ärzten und Pfl egefachkräften die Information und Weiterbildung zu diesem vielschichtigen Thema zu erleichtern. Vorwort [4.5]

Haut und Wunde Die Heilung von Hautwunden beruht auf der Fähigkeit der Haut zur Regeneration von Epithelien und zur Reparation von Hautbindegewebe. Regeneration bedeutet dabei, dass die verletzte Haut narbenlos abheilt, und sie ist möglich, wenn nur die oberste Hautschicht geschädigt ist. Reparation hingegen heißt, dass Ersatzgewebe aufgebaut werden muss, um den Hautdefekt zu schließen. Dies ist immer dann der Fall, wenn die Verletzung tiefe Hautschichten mit betrifft. Basis für das Verständnis des aktuellen Wissens über die Wundheilung sind also zunächst Grundkenntnisse über das Organ Haut als Ort des Geschehens.

Funktionen der Haut Mit einer Fläche von 1,6 bis 2 qm bei einem Erwachsenen und einem Gewicht von bis zu einem 1/6 des Körpergewichtes ist die Haut das größte menschliche Organ. Sie bildet die äußere Grenzschicht zwischen dem Menschen und seiner Umwelt und fungiert an dieser exponierten Stelle einerseits als Barriere zur Außenwelt, andererseits aber auch als Verbindung zwischen der Außenwelt und den inneren Organen. Dabei hat sie eine Vielzahl lebenswichtiger Aufgaben zu erfüllen, weshalb ihre Unversehrtheit für den Menschen ein so hohes Gesundheitsgut bedeutet. Bei intakter Oberfl äche verhindert die Haut den Verlust von Körperfl üssigkeiten und bietet Schutz vor dem Eindringen von Mikroorganismen ins Körperinnere. Ihre mechanische Belastbarkeit beispielsweise bei Druck, Schlag oder Stoß ist erstaunlich hoch, wodurch sie die inneren Organe vor Schädigungen bewahrt. Bis zu einem bestimmten Grad kann die Haut die schädlichen Auswirkungen von Chemikalien und ultraviolettem Licht abwehren. Sie ist entscheidend an der Wärmeregulation beteiligt durch situationsgerechte Weit- und Engstellung der Blutgefäße sowie durch das Schwitzen und trägt damit zur Aufrechterhaltung der lebensnotwendigen Körpertemperatur von 37 C bei. Als Sinnesorgan ermöglicht die Haut die Wahrnehmung von mechanischen Reizen wie Druck, Berührung und Vibration sowie von Temperatur und Schmerz. Viele charakterprägende Empfi ndungen werden nur durch die Haut aufgenommen, sodass der menschliche Entwicklungsprozess ohne die Haut gar nicht stattfi nden könnte. Von ganz besonderer Bedeutung ist schließlich, dass die Haut zur Regeneration und Reparation fähig ist, was nichts anderes heißt, als dass sie sich im Falle einer Durchtrennung bzw. Verletzung selbst heilen und ihre Kontinuität wieder herstellen kann. Haut und Wunde [6.7]

Die Haut besteht aus der gefäßlosen Epidermis (1) und der Dermis (2), einem gefäß- und nervenreichen Bindegewebe. Daran schließt sich die Subcutis (3) aus lockerem Bindegewebe mit eingelagertem Fettgewebe an. Die Dicke der Haut variiert je nach Beanspruchung in den verschiedenen Körperbereichen von 1-4 mm; sie ist am kräftigsten in den Handinnenfl ächen und an den Fußsohlen. 1 2 3 Aufbau der Haut Wie jedes Organ hat auch die Haut ihren spezifi schen Feinaufbau, um ihre vielfältigen Aufgaben erfüllen zu können. Sie ist dazu als Schichtenorgan mit unterschiedlichen Gewebetypen ausgebildet: Von außen nach innen unterscheidet man die Oberhaut (Epidermis), die Lederhaut (Dermis oder auch Corium) und die Unterhaut (Subcutis). Oberhaut und Lederhaut bilden zusammen die Cutis, d. h. die Haut im eigentlichen Sinne. Zur Haut zählen auch die Hautanhangsgebilde wie Haare, Nägel und die verschiedenen Drüsen. Die Epidermis Die Epidermis stellt ein verhornendes Plattenepithel aus fünf unterschiedlichen Zellschichten dar, das durch seine Festigkeit und Dichtigkeit bestens für Schutzaufgaben gerüstet ist. Die Zellteilung als Voraussetzung für Wachstum und Regeneration erfolgt dabei in den beiden untersten Zelllagen. Von dort aus schieben sich die Zellen zur Hautoberfl äche vor, wobei es im Verlauf dieser Zellwanderung zur vollständigen Verhornung (Keratinisierung) der Zellen kommt. Die oberste Hornschicht wird in einem ständigen Prozess der Abschuppung abgestoßen. Unter physiologischen Bedingungen nimmt die Erneuerung der Oberhaut von der Zellteilung bis zum Abstoßen der verhornten Zellen

2 1 3 5 4 Querschnitt durch die Epidermis an der Fingerkuppe, der deutlich die fünf unterschiedlichen Zellschichten zeigt: 1) Keimschicht Stratum basale (auch Stratum germinativum genannt) 2) Stachelzellschicht Stratum spinosum 3) Körnerzellschicht Stratum granulosum 4) Glanzschicht Stratum lucidum 5) Hornschicht Stratum corneum etwa 30 Tage in Anspruch. Die Epidermis ist gefäßlos und wird durch Diffusion von Nährstoffen aus den Blutgefäßen der Dermis versorgt. Blutet die Haut beispielsweise bei einer Abschürfung, sind bereits die Kapillaren der Lederhaut mit eröffnet. Die Epidermis hat die Hauptlast bei den Schutzaufgaben der Haut zu tragen, einschließlich der Abwehr ultravioletter Strahlen. Dementsprechend wird auch eine Wundheilung erst als abgeschlossen betrachtet, wenn sich ein neues, belastbares Epithel gebildet hat, das den Körper wieder nach außen schützen kann. Der dominierende Zelltyp der Epidermis sind Keratinozyten, die diese Bezeichnung durch ihre Fähigkeit zur Keratinsynthese erhalten haben. Keratine sind unlösliche Strukturproteine mit hoher Temperatur- und ph-resistenz, die nur sehr schwer enzymatischen Abbauvorgängen zugänglich sind. Sie werden im Wesentlichen in harte und weiche Keratine unterteilt: Harte Keratine bilden Haare und Nägel, weiche Keratine sind Hauptbestandteil der verhornten Zellen der äußeren Epidermisschichten. Haut und Wunde [8.9]

Außer den Keratinozyten enthält die Epidermis weitere Zellen, die als so genannte Wanderzellen das sind Zellen, die ohne feste Bindung an gleichartige Zellen in den Geweben verteilt sind spezielle Funktionen der Epidermis sichern. Wichtige Zellen sind: Melanozyten produzieren den braun-schwarzen Hautfarbstoff Melanin, den sie in Form von Melanosomen an die Keratinozyten abgeben. Diese speichern das Pigment, was sich in einer sichtbaren Färbung der Haut äußert. Mit diesem Vorgang sollen die sich in der Zellteilung befi ndlichen Keratinozyten vor Schädigung durch UV- Licht geschützt werden. Je mehr UV-Licht-Einstrahlung gegeben ist, umso stärker ist die Melanosombildung, was letztlich zur Sonnenbräune der Haut führt. Menge und Verteilung des Melanins sind aber auch für die unterschiedlichen Haut- und Haarfarben verantwortlich. Merkel-Zellen, auch als Merkel-Tastscheiben bezeichnet, sind fl ächenhaft ausgebreitete Nervenendigungen. Sie wirken als langsam adaptierende Druckrezeptoren, d. h. durch sie erfolgt die Wahrnehmung längerer Berührungen. Dementsprechend kommen sie gehäuft in der Haut der Fußsohlen und Handfl ächen vor. Langerhans-Zellen spielen eine wichtige Rolle bei der Immunfunktion der Haut. Sie erkennen das fremde Antigen, nehmen es auf und verarbeiten es, bevor sie mit immunkompetenten T-Lymphozyten in Wechselwirkung treten. Stratum basale Basalschicht (1) Die Basal- oder Keimschicht bildet die innerste Zellschicht der Epidermis. Sie besteht aus zylindrischen Keratinozyten, die zur Zellteilung (Mitose) befähigt sind und die fortlaufende Regeneration der Epidermis gewährleisten. Die Zellteilung unterliegt der Steuerung durch zahlreiche Substanzen wie z. B. verschiedene Wachstumsfaktoren, Hormone und Vitamine. Insbesondere scheinen hier die so genannten Chalone eine wichtige Rolle zu spielen, die durch ihren hemmenden Effekt auf das offensichtlich unbegrenzte Mitosepotenzial der Basalzellen den Regenerationsvorgang

Schnitt durch die Epidermis: Oben ist das Stratum corneum (braun) mit den Lagen an Korneozyten sichtbar. Daran schließen die Schichten mit den lebenden Zellen an (lila). Unten links ist die Dermis (gelb) erkennbar, durch die die Epidermis ernährt wird. konstant halten. Umgekehrt kommt es bei einem Verlust der Epidermis, der mit dem Absinken des Chalonspiegels verbunden ist, zu einer raschen Regeneration durch eine enthemmte mitotische Aktivität der Basalzellen. Die Basalschicht verläuft wellenförmig entlang den zapfenartigen Vorstülpungen (Papillen) der Dermis. Zwischen der Basalschicht und der Dermis liegt die gefäßlose Basalmembran. Sie trennt beide Hautschichten voneinander, dient aber zugleich auch der Verankerung der Basalzellen und steuert in einem gewissen Umfang den Transport von Proteinen. Stratum spinosum Stachelzellschicht (2) Die Stachelzellschicht enthält bis zu sechs Lagen unregelmäßig gestalteter Zellen, die Keratin-Peptide synthetisieren und noch eine geringe mitotische Aktivität aufweisen. Sie sind durch Zellbrücken (Desmosomen) miteinander verbunden, die den Zellen ihr stacheliges Aussehen verleihen. Zwischen den Zellbrücken wird Flüssigkeit gespeichert. Stratum granulosum Körnerzellschicht (3) Die allmähliche Verhornung beginnt in der Körnerzellschicht. Sie umfasst je nach der Dicke der Hornschicht ein bis drei Lagen fl acher Zellen, die grobe Körnchen (Granula) aus Keratohyalin aufweisen. Die Granula enthalten u. a. ein Vorläuferprotein, das vermutlich am Aufbau von Keratinfasern im Interzellularraum beteiligt ist. Haut und Wunde [10.11]

Die Glanzschicht schützt vor der Einwirkung wässriger Lösungen. Stratum lucidum Glanzschicht (4) Die Glanzschicht besteht aus kernlosen Zellen, in denen intensive enzymatische Aktivitäten stattfi nden. Hier wird die Keratinisierung fortgesetzt, was auch den Abbau der Keratohyalin-Granula der Körnerzellenschicht zu Eleidin mit einschließt. Das Eleidin ist eine fett- und eiweißreiche, azidophile Substanz mit stark lichtbrechenden Eigenschaften. Sie erscheint als homogene, glänzende Schicht woher die Bezeichnung Glanzschicht stammt und schützt die Epidermis vor der Einwirkung wässriger Lösungen. Stratum corneum Hornschicht (5) In dieser Schicht ist der Vorgang der Verhornung abgeschlossen: Die Keratinozyten sind mit der Hornsubstanz Keratin angefüllt und werden jetzt als Korneozyten bezeichnet. Sie liegen dachziegelartig übereinander und sind durch Keratohyalin sowie feinste Fasern (Tonofi brillen) fest miteinander verbunden. Die Zellschicht umfasst etwa 15 bis 20 Zelllagen, wobei die oberste Schicht als Hautschuppen verloren geht. Der obere Hautschnitt lässt die Dicke der Hornschicht erkennen. Die SEM-Aufnahme der Korneozyten zeigt ihre dachziegelartige Schichtung. Die Hornschicht ist zusammen mit den Sekreten der Schweiß- und Talgdrüsen am Aufbau des Oberfl ächenfi lms (Hydrolipidfi lm) beteiligt, der auch als Säureschutzmantel bezeichnet wird. Er trägt u. a. dazu bei, die Besiedelung der Haut durch Mikroorganismen in einem physiologischen Gleichgewicht zu halten. Ist die Hornschicht durch Ekzeme oder Verletzungen geschädigt, können Keime und schädliche Substanzen ungehindert in die Haut eindringen.

Die Dermis ist ein gefäß- und nervenreiches Bindegewebe, das histologisch in zwei Schich ten, die Zapfen- und Netzschicht, unterschieden wird. Die Dermis An die Basalmembran der Epidermis schließt innen die Dermis an. Sie ist ein gefäß- und nervenreiches Bindegewebe, das histologisch in zwei Schichten unterteilt wird: in die äußere Zapfenschicht (Stratum papillare) und in die innere Netzschicht (Stratum reticulare). Die Schichten unterscheiden sich durch Dichte und Anordnung ihrer Bindegewebsfasern, sind aber nicht voneinander abgegrenzt. Stratum papillare Zapfenschicht Die Zapfenschicht ist durch vorgestülpte Bindegewebszapfen, die Papillen, fest mit der Epidermis verbunden. Im Bereich der Papillen befi nden sich Kapillarschlingen, die die Versorgung der gefäßlosen Epidermis sicherstellen, sowie freie Nervenendigungen, Sinnesrezeptoren und initiale Lymphgefäße. Das Bindegewebe selbst besteht aus einem Gerüst von Fibrozyten (Ruheform der Fibroblasten), durchzogen mit elastischen Kollagenfasern. Der Zellzwischenraum ist mit einer gallertigen Grundsubstanz (extrazelluläre Matrix) gefüllt, in der sich mobile Blut- und Gewebezellen bewegen können. Haut und Wunde [12.13]

Stratum reticulare Netzschicht Die Netzschicht besteht aus miteinander verfl ochtenen, kräftigen kollagenen Faserbündeln, zwischen denen elastische Fasernetze eingelagert sind. Diese Struktur gibt der Haut ihre Elastizität, sodass sie sich Bewegungen und Volumenschwankungen des Organismus anpassen kann. Sie ist außerdem in der Lage, in einem dynamischen Prozess Wasser aufzunehmen und wieder abzugeben. Bei Inzisionen ist für kos me tisch unauffällige Narben mög lichst der Verlauf der Langer schen Hautspaltlinien zu berücksichtigen. Die Kollagenfasern verlaufen in allen Richtungen, orientieren sich aber überwiegend schräg zur Epidermis aufsteigend oder parallel zur Körperoberfl äche. Die natürlichen, in Richtung der geringsten Hautdehnbarkeit verlaufenden Spaltlinien der Haut, die senkrecht zu den Hautspannungslinien verlaufen, werden als Langer sche Hautspaltlinien bezeichnet. Ihr Verlauf ist bei Inzisionen nach Möglichkeit zu berücksichtigen. Hautschnitte entlang dieser Hautspaltlinien klaffen nicht auseinander und ergeben fast unsichtbare Narben, während quer dazu verlaufende Inzisionen wesentlich breitere Narben hinterlassen. Zelluläre Bestandteile der Dermis Vorherrschender Zelltyp des Hautbindegewebes ist der Fibrozyt, der in seiner aktivierten Form als Fibroblast bezeichnet wird. Er stellt eine Reihe von Substanzen zum Aufbau neuen Gewebes bereit: Fibroblasten synthetisieren und sezernieren Vorstufen von Kollagen, Elastin und Proteoglykanen, die außerhalb der Zellen zu Kollagen- und Elastinfasern ausreifen und in nichtfaseriger Form die gelartige Grundsubstanz der extrazellulären Matrix bilden. Des Weiteren fi nden sich in der Dermis Mastzellen, deren Granula u. a. Heparin und Histamin enthalten, Makrophagen, die aus den Monozyten des Blutes hervorgehen, sowie Lymphozyten. Die Zellen sind an den unspezifi schen bzw. spezifi schen Abwehrmechanismen (Phagozytose bzw. humorale und zellvermittelte Immunität) des Körpers beteiligt,

Für den Aufbau von Hautbindegewebe stellen die Fibroblasten die wichtigsten se zer nie ren den Zellen dar (Zellkerne blau, Zellskelett orange). sezernieren aber auch biochemisch wirksame Substanzen, die vermittelnde und regulierende Funktion haben und damit für den Fortgang der Reparationsprozesse unerlässlich sind. Faserbestandteile der Dermis Die Bindegewebsfasern der Dermis bestehen aus dem Strukturprotein Kollagen, das ein äußerst widerstandsfähiges biologisches Material darstellt und ungefähr 60 bis 80 % des Trockengewichtes des Gewebes ausmacht. Die Bezeichnung Kollagen geht darauf zurück, dass diese Proteine beim Kochen quellen und einen Leim, griechisch Kolla, ergeben. Von den vier genetisch unterschiedlichen Kollagen-Typen, die in menschlichen Körpergeweben vorkommen, fi ndet sich in der Dermis überwiegend der faserbildende Kollagen-Typ I. Der Aufbau von Kollagenfasern erfolgt in einem intrazellulären und einem extrazellulären Schritt und beginnt in den Fibroblasten. Zunächst werden in der Zelle die charakteristischen Aminosäuren des Kollagens, Glyzin und Prolin/ Hydroxyprolin sowie ein weiteres Drittel anderer Aminosäuren zu einer Dreifach-Helix als Prokollagen verbunden und nach außen in den extrazellulären Raum abgegeben. Haut und Wunde [14.15]

Elektronenmikroskopische Darstel lun g des Haut bin de ge we bes mit Kol la gen bün deln und ela s- ti schen Fa sern. Die zum Aufbau der Fa ser pro tei ne erforderlichen Sub stan zen werden von den Fibroblasten bereitgestellt. Sie synthetisieren Vorstufen von Kollagen und Elastin, die in den extrazellulären Raum abgegeben werden und hier über verschiedene enzymatische Vorgänge zu Kollagen- und Elastinfasern ausreifen. Hier erfolgen weitere enzymatische Modifi kationen, wodurch das noch lösliche Prokollagen in unlösliche Kollagenfi brillen überführt wird, die dann schließlich zu Kollagenfasern zusammengesetzt werden. Ein weiteres Faserprotein der Dermis ist das fl exible Elastin, das ebenfalls von den Fibroblasten synthetisiert und sezerniert wird. Elastin stellt sich als spiralige Polypeptid-Kette mit hochelastischen Eigenschaften dar, aus der extrazellulär ein zweidimensionales Gebilde ähnlich einem Trampolinnetz aufgebaut wird. Diese Struktur ermöglicht die reversible Dehnung der Haut, sodass eine Überdehnung und ein Zerreißen weitgehend vermieden werden. Nichtfaserige Grundsubstanz der Dermis Die Faserzwischenräume des Hautbindegewebes sind mit amorpher Grundsubstanz, Salzen und Wasser ausgefüllt. Wesentlicher Bestandteil der Grundsubstanz sind Proteoglykane. Dabei handelt es sich um eine Verbindung von Mehrfachzuckern (Polysaccharide) und Proteinen mit einem hohen Anteil an Kohlenhydraten, die früher als Mucopolysaccharide bezeichnet wurden.

Proteoglykane sind sehr hydrophil und können ein großes Volumen an Wasser binden, sodass eine klebrige bis gelartige Substanz entsteht. Sie sind offenbar nicht nur reine Strukturproteine, sondern scheinen zudem Einfl uss auf die Zellwanderung und Zellhaftung sowie auf die Differenzierung von Zellen zu haben. Außerdem fi nden sich in der Grundsubstanz eine Reihe weiterer Glykoproteine mit geringerem Kohlenhydratanteil wie Thrombospondin, Laminin-/Nidogen-Komplex, K-Laminin und Gewebsfi bronektin, die eine ähnliche Funktionsvielfalt wie Proteoglykane aufweisen. Fibronektin z. B. ist ein Haftprotein, das in der Dermis insbesondere zur Bindung von Zellen an Kollagen dient und damit auch bei der Wundheilung eine wichtige Rolle spielt. Extrazelluläre Matrix Im Gewebe gehen die Zellen mit den von ihnen selbst ausgeschiedenen Substanzen gewöhnlich eine enge Bindung ein. Dazu bilden die Makromoleküle der extrazellulären Substanzen komplexe dreidimensionale Netzwerke, die als extrazelluläre Matrix (Extra Cellular Matrix = ECM) bezeichnet werden. Eine solche Matrix ist in jedem Körpergewebe vorzufi nden, wobei Struktur und Zusammensetzung jeweils gewebsspezifi sche Unterschiede aufweisen und vom Typ der matrixproduzierenden Zellen sowie der Gewebefunktion abhängen. Wachstumsfaktoren / Zytokine Hormone / Vitamine Zell-Zell-Kontakte Differenzierungszustand Zell-Matrix- Bindungen Zellwachstum / Proliferation Zellform biochemische Produkte / extrazelluläre Matrix Schematische Darstellung des Informationsfl usses Zelle extrazelluläre Matrix Haut und Wunde [16.17]

Wenn auch noch längst nicht alle Funktionen der ECM bekannt sind, geht man heute davon aus, dass sie nicht nur als Füllsubstanz zwischen Einzelzellen, Geweben und Organen dient, sondern auch vielfältige Aufgaben im Rahmen der Informationsübermittlung zwischen den in sie eingebetteten Zellen erfüllt. Die Subcutis Die Subcutis stellt die innerste Schicht der äußeren Körperdecke dar. Sie besteht aus lockerem Bindegewebe und weist keine scharfe Begrenzung zur Dermis auf. In der Tiefe verbindet sie sich mit den Muskelfaszien bzw. mit der Knochenhaut. Von wenigen Körperstellen abgesehen, kann in der gesamten Unterhaut Fettgewebe eingelagert werden, das isolierende, speichernde und modellierende Funktionen hat. Eine Vielzahl sensorischer Rezeptoren macht die Haut zum lebenswichtigen Sinnesorgan. Einige Beispiele dazu: 1) Meißner-Körperchen 2) freie Nervenendigungen 3) Vater-Pacini-Körperchen Sensorische Rezeptoren in Cutis und Subcutis Die Haut wird innerviert von verschiedenartigen freien Nervenendigungen und reizaufnehmenden Rezeptoren, die ihre Funktion als Sinnesorgan ermöglichen. Durch die Merkel- Zellen in der Epidermis kann die Wahrnehmung längerer Berührung erfolgen. Entlang des Papillarkörpers der Dermis liegen reihenförmig die Meißner-Körperchen, die als Berührungsrezeptoren für feinste Druckempfi ndungen dienen. 1 2 3

Sie sind dementsprechend an den Fingerspitzen in großer Dichte vorhanden. Die Kraus schen Endkolben sind für die Wahrnehmung von Kälte von Bedeutung, die Ruffi ni-körperchen der Subcutis fungieren als Wärmerezeptoren. Freie Nervenzellen nahe der Hautoberfl äche vermitteln Schmerzempfi ndungen. Die Vater-Pacini-Körperchen der Subcutis reagieren auf mechanische Deformation und Vibration. Hautanhangsgebilde Zu den Anhangsgebilden der Haut gehören Haare und Nägel sowie Talg-, Schweiß- und Duftdrüsen. Haare sind biegsame und zugfeste fädige Strukturen aus der Hornsubstanz Keratin. Sie entwickeln sich aus nach innen wachsenden Ausstülpungen der Oberhaut, reichen aber mit ihrem schräg zur Hautoberfl äche stehenden Haarschaft bis tief in die Lederhaut. Ihr Wachstum erfolgt in einem endogenen Zyklus, der für jede Haarwurzel spezifi sch ist. Es fi ndet also kein synchrones Wachstum benachbarter Haare statt. Haarwurzeln können nicht regeneriert werden, weshalb ein Narbengewebe stets unbehaart bleibt. Von Haarwurzelresten, d. h. von verbliebenen Epithelien eines geschädigten Haarschaftes, kann jedoch eine Reepithelisierung ausgehen. Finger- und Zehennägel sind durchscheinende Hornplatten, die von der Nagelwurzel zum freien Rand vorwachsen. Das Wachstum beträgt monatlich etwa drei Millimeter und steht in enger Beziehung zu vielen Organfunktionen. Der Zustand der Nägel kann deshalb wichtige diagnostische Hinweise liefern. Haare in mikroskopischer Aufnahme (oben). Die Abbildung unten zeigt Haarwurzeln mit deutlich erkennbaren Epithelien. Bei Verletzungen kann von den verbliebenen Epithelien gegebenenfalls eine Reepithelisierung ausgehen. Die Haarwurzeln selbst können nicht regeneriert werden, weshalb Narben immer unbehaart bleiben. Haut und Wunde [18.19]

Elektronenmikroskopische Aufnahmen einer Talgdrüse (links) und einer Schweißpore (rechts). Außer in der unbehaarten Haut der Fußsohlen und Handfl ächen fi nden sich Talgdrüsen an allen Körperstellen, besonders zahlreich kommen sie im Gesicht und auf der Kopfhaut vor. Hier können sich bis zu 900 Talgdrüsen pro Quadratzentimeter konzentrieren. Auch über Schweißdrüsen verfügt der Mensch mit etwa 2,5 Millionen reichlich. Talgdrüsen münden in die Haartrichter der Haarbälge, weshalb ihr Vorhandensein mit wenigen Ausnahmen an die Haarfollikel gebunden ist. Ihr Talg, ein Gemisch aus Fetten, Zellen und freien Säuren, fettet Haut und Haare und schützt sie vor Austrocknung. Die Steuerung der Talgproduktion ist ein komplexer Vorgang, der noch nicht in allen Einzelheiten erforscht ist. Schweißdrüsen entstehen ebenfalls aus Zellen der Oberhaut, die dann in die Tiefe der Lederhaut sprossen, sodass die eigentliche Drüse in der Dermis liegt. Die Ausführungsgänge münden in die Hautporen an der Hautoberfl äche. Schweiß ist ein saures Sekret, das u. a. aus Wasser, Salzen, fl üchtigen Fettsäuren, Harnstoff und Ammoniak besteht und die Hautoberfl äche mit einem schützenden Säuremantel überzieht. Die Schweißsekretion dient hauptsächlich der Wärmeregulation. Duftdrüsen produzieren im Gegensatz zu den Schweißdrüsen alkalische Sekrete. Duftdrüsen befi nden sich vor allem in den Achselhöhlen, um die Brustwarzen und im Genitalbereich. Sie nehmen ihre Sekretionstätigkeit mit Beginn der Pubertät auf.

Blutversorgung der Haut Die stufenförmige Gefäßverteilung in der Haut entspricht dem geschichteten, fl ächigen Aufbau dieses Organs. Von den unter der Subcutis liegenden Adern gehen reichlich Gefäße aus, die zwischen Unterhaut und Lederhaut ein kutanes Gefl echt bilden. Überall dort, wo die Haut stärker verschiebbar ist, sind die Gefäße stark geschlängelt. Aus dem kutanen Gefl echt verlaufen einzelne Arteriolen senkrecht nach außen und verzweigen sich am Fuß der Zapfenschicht in das subpapillare Gefl echt. Von hier aus reichen feinste schlingenförmige Kapillaren bis in die Papillen der Lederhaut hinein und stellen so auch die Versorgung der gefäßlosen Oberhaut sicher. Blutgefäße der Haut (elektronenmikroskopische Aufnahme) Die Zapfenschicht ist reichlich mit Gefäßen versehen, während sich die Netzschicht relativ gefäßarm zeigt. Der Abtransport von Stoffwechselprodukten erfolgt über die entsprechenden Venennetze, teilweise auch über das Lymphgefäßsystem. 1 3 2 Schematische Darstellung der Blutversorgung in der Haut. Aus dem subkutanen Gefl echt zwischen Subcutis und Dermis (1) verlaufen einzelne Arteriolen (2) senkrecht nach außen und verzweigen sich am Fuß der Zapfenschicht in das subpapillare Gefl echt (3), das die Versorgung der Oberhaut sicherstellt. Haut und Wunde [20.21]

Bestandteile des Blutes Das Blut, auch als fl üssiges Organ des Körpers bezeichnet, dient als Transportmedium für Atemgase, Nährstoffe, Stoffwechselprodukte usw. Des Weiteren zirkulieren im Blut die Zellen des Abwehrsystems sowie Bestandteile des Gerinnungssystems, die im Falle verletzter Blutgefäße zum raschen Verschluss der undichten Stellen beitragen. Durch Zentrifugieren lassen sich die löslichen (Plasma) und die zellulären Bestandteile (weiße und rote Blutkörperchen, Blutplättchen) des Blutes voneinander trennen. Zusammensetzung Blutplasma Wasser (90 %) Elektrolyte Kationen: Anionen: Magnesium Chlorid Kalium Bikarbonat Calcium Phosphat Natrium Sulfat organische Bestandteile Proteine (7-8 %) Albumine, Globuline Blutplättchen Fibrinogen (Faktor I) Lipide Glucose Aufgaben Aufrechterhaltung und Regulation des Wasserund Elektrolythaushalts Aufrechterhaltung des onkotischen Drucks, Protein reserve, Transportproteine Blutgerinnung Blutgerinnung weiße Blutkörperchen rote Blutkörperchen Granulozyten Monozyten Lymphozyten Träger des roten Blutfarbstoffes Hämoglobin körpereigene Abwehr Transport der Atemgase Sauerstoff und Kohlendioxid

Blutplasma Blutplasma ist eine gelbliche, klare Flüssigkeit aus Wasser (90 %), Proteinen (7-8 %), Elektrolyten und Nährstoffen (2-3 %). Von den Proteinen sind ca. 60 % Albumine und 40 % Globuline. Ein für die Wundheilung wichtiger Bestandteil des Plasmas ist Fibrinogen (Faktor I), das für die Blutgerinnung unerlässlich ist. Blutplasma, das nach erfolgter Blutgerinnung kein Fibrinogen mehr enthält, wird als Blutserum bezeichnet. Rote Blutkörperchen (Erythrozyten) Etwa 95 % der Blutzellen sind rote Blutkörperchen: kernlose, scheibenförmige Zellen mit einer zentralen Delle, die hohe Konzentrationen des roten Blutfarbstoffes Hämoglobin enthalten. Ihre Hauptaufgabe ist der Transport der Atemgase Sauerstoff und Kohlendioxid, die durch Hämoglobin reversibel gebunden werden. Der Gasaustausch selbst wird durch die seitlichen Eindellungen der Zellen begünstigt, weil damit eine Oberfl ächenvergrößerung der kleinen Blutkörperchen erreicht wird. Außerdem erleichtert diese Gestalt die Verformung der Zellen bei der Passage feinster Kapillaren. Bildungsort der Erythrozyten ist das rote Knochenmark. Ihre Lebensdauer beträgt ca.120 Tage, danach werden sie vorrangig in der Milz wieder abgebaut. Die Form der roten Blut kör per chen mit ihrer zentralen Delle begünstigt den Aus tausch von Sau er stoff und Koh len di oxid und erleichtert die Kapillarpassage. Haut und Wunde [22.23]

Leukozyten dienen der unspezifi schen bzw. spezifi schen Abwehr und sind maßgeblich an der Beseitigung von Bakterien und Detritus (geschädigte bzw. denaturierte Zellund Gewebesubstanz) beteiligt. Eine Voraussetzung zur Erfüllung ihrer Aufgaben ist dabei ihre Fähigkeit zur amö- Falschfarbendarstellung eines weißen Blutkörperchens, das durch das Endothel eines Blutgefäßes auswandert. Durch ihre Fähigkeit zur Fortbewegung können die Leukozyten zum Ort des Geschehens wandern und z. B. in ein verl etztes Hautgebiet gelangen, um dort als Abwehr- zell en tätig zu werden. Weiße Blutkörperchen (Leukozyten) Im Gegensatz zu den Erythrozyten enthalten die weißen Blutkörperchen einen Zellkern. Sie stellen keine einheitliche Zellart dar, sondern werden nach ihrer Form bzw. nach der Form des Zellkerns, nach Funktion, Anfärbbarkeit der zytoplasmatischen Granula sowie nach ihrem Bildungsort in Granulozyten, Monozyten und Lymphozyten unterteilt. Granulozyten und Monozyten entstehen aus Stammzellen des Knochenmarks. Vorläuferzellen der Lymphozyten entstehen ebenfalls im Knochenmark, vermehren sich aber später in lymphatischen Organen wie Milz und Lymphknoten. Von den insgesamt im Körper vorhandenen Leukozyten zirkulieren nur etwa 5 % im Blut, der überwiegende Teil ist in Organen und Geweben gespeichert oder locker mit den Gefäßwänden assoziiert. Klassifi zierung von weißen Blutkörperchen (Leukozyten) Lymphozyten Granulozyten Monozyten Neutrophile Eosinophile Basophile

boiden Fortbewegung, die je nach Zellart unterschiedlich stark ausgeprägt ist. Aktiviert durch chemotaktische Reize können die Leukozyten aus den Blutgefäßen auswandern und in das umliegende Gebiet, den Ort des Geschehens, einwandern. Granulozyten stellen 60-70 % aller Leukozyten. Sie werden nach dem Färbeverhalten ihrer Granula in eosinophile (mit sauren Eosinfarbstoffen anfärbbare), basophile (mit basischen Farbstoffen anfärbbare) oder neutrophile (farblich neutrale) Granulozyten eingeteilt. Von den Granulozyten bilden die neutrophilen Zellen mit etwa 70 % die größte Gruppe. Sie spielen eine wichtige Rolle bei der Wundreinigung und Infektabwehr. Ihre Kerne enthalten eine Reihe proteolytisch wirksamer Enzyme, die sie befähigen, in großem Ausmaß Detritus aufzulösen und Bakterien zu phagozytieren. Monozyten sind die größten Blutzellen. Im Bereich einer Verletzung verlassen sie die Blutbahn und wandern in das geschädigte Gebiet ein. Dort reifen sie zu gewebetypischen Makrophagen aus und sorgen durch Phagozytose (Eliminierung großer Partikel) bzw. durch Pinozytose (Eliminierung gelösten Materials) für die Beseitigung devitalisierten Gewebes. Die Vorgänge der Phagozytose sowie die weiteren Funktionen der Makrophagen, denen eine Schlüsselrolle in der Wundheilung zukommt, sind im Kapitel Die Prozesse der Wundheilung ab Seite 34 ausführlich beschrieben. Lymphozyten sind kugelförmige Zellen mit einem runden oder ovalen Kern, die trotz geringer amöboider Beweglichkeit zur Migration befähigt sind. Sie stellen die Funktionsträger der spezifi schen Abwehr dar: B-Lymphozyten dienen der humoralen Abwehr und T-Lymphozyten der zellulären Abwehr. Haut und Wunde [24.25]

Kernlose Blutplättchen im Querschnitt: Deutlich er kenn bar sind ihre zahlreichen Gra nu la, die die ver schie den sten Gerinnungsfaktoren ent hal ten. Blutplättchen lei ten die Blut ge rin nung ein und wirken bei der Throm ben bil dung mit. Blutplättchen (Thrombozyten) Blutplättchen sind runde, kernlose Scheibchen, die durch Zytoplasma-Fragmentierung aus Riesenzellen des Knochenmarks hervorgehen. Sie stellen die kleinsten Zellelemente des Blutes dar. Ihr bedeutendstes Aufgabengebiet ist die Blutstillung: Sie leiten die Blutgerinnung ein und sind an der Thrombusbildung beteiligt. Dementsprechend fi nden sich in ihren zahlreichen Granula wichtige Blutgerinnungsfaktoren (Plättchenfaktoren). Die Vorgänge der Blutgerinnung sind ebenfalls im Kapitel Die Prozesse der Wundheilung ab Seite 34 beschrieben.

Wunde und Wundarten Unter einer Wunde versteht man die Trennung des Zusammenhangs von Geweben der Körperhülle, die meist mit einem Verlust an Substanz verbunden ist. Tiefer gehende Schädigungen, die das Muskelgewebe, das Skelettsystem oder innere Organe betreffen, werden defi nitionsgemäß als komplizierte Wunden bezeichnet. Nach ihrer Entstehung, aber auch nach Tiefe und Ausdehnung des Defektes werden Wunden in verschiedene Wundarten unterschieden: mechanische bzw. traumatische Wunden thermische und chemische Wunden Geschwürswunden Mechanische / traumatische Wunden Mechanische Wunden entstehen durch die unterschiedlichsten Kraft- und Gewalteinwirkungen und umfassen z. B. die geplant gesetzte Operationswunde, die unfallbedingte Zufalls- oder Gelegenheitswunde oder auch die kriegsbedingte Wunde. Die Art der traumatisierenden Einwirkung und das Ausmaß der Schädigung dienen auch hier wiederum der weiteren Klassifi zierung für Prognose und Behandlung. Insbesondere lässt die Wundentstehung von vornherein eine Beurteilung zu, ob die Wunde als sauber oder verschmutzt und/oder als primär infi ziert einzustufen ist. Diese Beurteilung ist für das nachfolgende Wundmanagement von grundsätzlicher Bedeutung. Geschlossene Wunden sind durch Schädigungen der unter der Haut liegenden Gewebe- und Knochenstrukturen, Blutgefäße und Nerven gekennzeichnet, ohne dass es durch die Gewalteinwirkung zur Durchtrennung der Haut gekommen ist. Beispiele für geschlossene Wunden sind gedeckte Hirnverletzungen mit Gehirnerschütterung, geschlossene Frak- Haut und Wunde [26.27]

turen oder Distorsionen und Luxationen. Sichtbare Auswirkungen der Traumen sind zumeist Weichteilschwellungen und Hämatome, begleitet von starken Schmerzen. Oberfl ächliche oder epitheliale Wunden betreffen immer nur die gefäßlose Epidermis. Da die Epidermis zur Regeneration befähigt ist, heilen die Wunden narbenlos ab; die Hautoberfl äche unterscheidet sich später in nichts von ihrem früheren Aussehen. Die Schürfwunde ist eine epitheliale Wunde. Auch Spalthautentnahmestellen sowie Entnahmestellen von Reverdin-Transplantaten sind dem Wesen nach als oberfl ächliche Wunden anzusehen. Perforierende Wunden liegen vor, wenn die Durchtrennung der Haut die Epidermis und die Dermis sowie gegebenenfalls auch die Subcutis betrifft. Beispiele für perforierende Wunden, die auch als penetrierende Wunden bezeichnet werden, sind Schnitt- und Stichwunden, Riss-, Platz- und Quetschwunden, Biss- und Schusswunden usw. Je nach Art des Traumas können zudem Muskelgewebe und innere Organe in Mitleidenschaft gezogen sein, sodass die Übergänge zur komplizierten Wunde oftmals fl ießend sind. Entsprechend der Entstehungsursache differieren auch Wundzustand und Heilungstendenz erheblich. Komplizierte Wunden, wie z. B. ausgedehnte Weichteiltraumatisierungen, offene Frakturen, schwere Quetschungen mit Décollement, Amputations- und Ausrissverletzungen, können die Folge perforierender und stumpfer Gewalteinwirkung oder auch thermischer bzw. thermo-mechanischer Verletzungen sein. Zusätzlich besteht bei solch komplexen Verletzungsmustern in ausgeprägter Weise das Problem weiterer sekundärer Schädigungen, beispielsweise durch Gefäßverletzungen mit konsekutiver Ischämie, Reperfusionsphänomenen oder Kompartmentsyndromen, aber auch durch Infektionen oder eine inadäquate Primärversorgung.

1 2 1) Hämatom bei geschlossener Fraktur 2) Schürfwunde oder ober fl äch - li che (epitheliale) Wunde 3) Spalthautentnahmestelle, die als oberfl ächliche Wunde einzustufen ist 4) Perforierende Wunde (Schnittwun de) als geplant ge setz te OP- Wunde 5) Quetschwunde am Daumen 6) Komplizierte Wunde, Frak tur mit erheblicher Weich teil schädi gung 7) Komplexe offene Un ter schen - kel frak tur nach Ver kehrs un fall mit schwerster Weich teil schä di gung 8) Quetschwunde mit aus ge - dehn ter Gewebezerstörung 3 4 5 6 7 8 Haut und Wunde [28.29]

Thermische und chemische Wunden Thermische und chemische Wunden entstehen durch Einwirkungen von Hitze und Kälte, gewebeschädigenden Strahlen, Säuren oder Laugen. Sie weisen je nach Dauer, Einwirkungsintensität der verschiedenen Medien sowie Höhe der Temperatur Gewebezerstörungen unterschiedlichster Art auf. Die Einteilung von Verbrennungsschäden und Erfrierungen in drei bzw. vier Schweregrade dient der prognostischen Beurteilung und Therapieplanung. 9 % je 18 % 9 % 1 % 9 % Die vier Schweregrade der Verbrennung sind: Grad I: funktionelle Schädigung der oberen Epidermisschicht (Stratum corneum), die sich als Erythem manifestiert Grad IIa: Zerstörung der Epidermis bis zur Basalschicht mit Blasenbildung Grad IIb: tief dermale Verbrennung, die die Epidermis und fast die gesamte Tiefe der Dermis betrifft Grad III: Nekrose mit vollständiger, irreversibler Zerstörung von Epidermis, Dermis und oft teilweise der Subcutis ( fullthickness-burn ) Grad IV: Verkohlung, die die Muskeln, Sehnen und gegebenenfalls die Knochen mit betrifft. Die Einteilung in Grad IV ist heute allerdings allgemein nicht mehr gebräuchlich. 18 % 18 % Neuner-Regel nach Wallace zur Flächenbewertung einer Verbrennung Der Schweregrade einer thermischen Verletzung bezieht sich nur auf die Tiefe der Verletzung. Ein mindestens ebenso wichtiges Kriterium für Prognose und Therapieplanung ist jedoch auch die fl ächenmäßige Ausdehnung der Verbrennung. Sie wird insbesondere in der Notfallsituation üblicherweise nach der so genannten Neuner-Regel nach Wallace geschätzt und in Prozenten ausgedrückt. Möglich ist aber auch eine Flächenabschätzung mithilfe des Vergleichs der Handfl äche des Brandverletzten, die circa

1) Verbrennung Grad III mit Nekrosen der Epidermis, Der mis und Teilen der Subcutis 2) Verbrennung Grad III und IV 3) Erfrierung 4) Laugenverletzung ( chemische Verbrennung ) 1 2 3 4 einem Prozent seiner Körperoberfl äche (KOF) entspricht. Eine exaktere Flächenbewertung erfolgt dann nach entsprechenden Tabellen, in denen auch die Besonderheiten der Körperdimensionen von Kindern Berücksichtigung fi nden. Auch Erfrierungen werden, je nachdem welche Hautanteile zerstört sind, in vier Schweregrade eingeteilt: Grad I = Erythem, Grad II = Blasenbildung, Grad III = Nekrose und Grad IV = Thrombenbildung und Gefäßverschlüsse. Verletzungen durch Säuren oder Laugen sind nach ihrem Schädigungsmuster wie Verbrennungswunden einzustufen ( chemische Verbrennung ). Sie werden nach der Neutralisation der einwirkenden Säure oder Lauge wie Verbrennungswunden klassifi ziert und behandelt. Haut und Wunde [30.31]

Geschwürswunden Eine weitere Gruppe mit besonderer Wundheilungsproblematik stellen die Geschwürswunden dar, die in der Fachsprache als Ulzera bezeichnet werden. Im Gegensatz zu akuten Wunden entstehen sie zumeist nicht durch traumatische Ereignisse von außen, sondern durch lokale Ernährungsstörungen in der Haut, hervorgerufen durch venös, arteriell oder neuropathisch bedingte Gefäßschädigungen oder durch lokale, anhaltende Druckeinwirkungen. Ein Ulkus kann aber auch als symptomatisches Geschwür aus einer Systemerkrankung resultieren, z. B. infolge bestimmter Tumoren, infektiöser Hauterkrankungen oder Bluterkrankungen. Entsprechend der Schwere der trophischen Störung kann die Schädigung alle Hautschichten betreffen und bis auf die Knochen reichen. Ulzera benötigen zu ihrer Heilung meist länger als acht Wochen und gelten deshalb defi nitionsgemäß auch als chronische Wunden. Unter dieser Klassifi zierung werden die wichtigsten chronischen Wundzustände im Kapitel Prinzipien der Behandlung chronischer Wunden ab Seite 96 beschrieben.

1 2 1) Fersendekubitus mit geschlossener Nekrosekappe 2) Sakraler Dekubitus mit Nekrosen und Wundtaschen 3) Ulcus cruris venosum, das als so genanntes Gamaschenulkus den ganzen Unterschenkel erfasst hat 4) Ulcus cruris, verursacht durch ein Basaliom 5) Diabetisches Ulkus (Mal perforans) 6) Strahlenulkus 3 4 5 6 Haut und Wunde [32.33]

Die Prozesse der Wundheilung Die Regeneration von Epithelien und erst recht die arbeitsintensive Reparation von Hautbindegewebe sind biologisch wie zeitlich wohl organisierte Gemeinschaftsleistungen der verschiedensten Blut-, Immun- und Gewebezellen. Sie treiben den Heilungsprozess Schritt für Schritt in so genannten Wundheilungsphasen voran.

Die Phasen der Wundheilung Unabhängig von der Art der Wunde und vom Ausmaß des Gewebeverlustes verläuft jede Wundheilung in Phasen, die sich zeitlich überlappen und nicht voneinander zu trennen sind. Die Phaseneinteilung orientiert sich an den grundsätzlichen morphologischen Veränderungen im Laufe der Reparationsprozesse, ohne die eigentliche Komplexität der Vorgänge widerzuspiegeln. Üblich sind Einteilungen in drei bzw. vier Wundheilungsphasen, wobei hier für die nachfolgenden Darstellungen die Systematik von drei Grundphasen benutzt wird: Infl ammatorische bzw. exsudative Phase zur Blutstillung und Wundreinigung Proliferative Phase zum Aufbau von Granulationsgewebe Differenzierungsphase zur Ausreifung, Narbenbildung und Epithelisierung In der Praxis werden die drei Wundheilungsphasen verkürzt auch als Reinigungs-, Granulations- und Epithelisierungsphase bezeichnet. Schematische Darstellung des Zeitablaufes der Wundheilungsphasen: infl ammatorische Phase proliferative Phase Differenzierungsphase 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 Prozesse der Wundheilung [34.35]

Inflammatorische/exsudative Phase Die infl ammatorische/exsudative Phase setzt mit dem Moment der Verletzung ein und dauert unter physiologischen Bedingungen etwa drei Tage. Die ersten Gefäßund Zellreaktionen bestehen in der Blutstillung und Blutgerinnung und sind nach ca.10 Minuten abgeschlossen. Durch Gefäßerweiterung (Vasodilatation) und Erhöhung der Kapillarpermeabilität kommt es dann zur verstärkten Exsudation von Blutplasma in das Interstitium. Damit wird die Einwanderung von Leukozyten, vor allem neutrophiler Granulozyten und Makrophagen, in das Wundgebiet gefördert. Sie haben die Aufgabe, Infektionen abzuwehren und die Wunde durch Phagozytose zu reinigen. Gleichzeitig geben sie biochemisch wirksame Mediatorsubstanzen ab, durch die Zellen aktiviert und stimuliert werden, die bereits für die nächste Phase wichtig sind. Eine Schlüsselrolle kommt dabei den Makrophagen zu. Ihre Anwesenheit in ausreichender Zahl ist für den Fortgang der Wundheilung von entscheidender Bedeutung. Blutgerinnung und Blutstillung Erstes Ziel der reparativen Vorgänge ist es, die Blutung zu stillen. Durch die Verletzung werden aus den geschädigten Zellen vasoaktive Substanzen freigesetzt, die eine Engstellung der Gefäße (Vasokonstriktion) zur Vermeidung größerer Blutverluste bewirken, bis durch Thrombozytenaggregation ein erster Gefäßverschluss hergestellt ist. Die im Blutplasma zirkulierenden Blutplättchen heften sich am Verletzungsort an die geschädigten Gefäße und bilden einen Pfropf, der die Gefäße zunächst provisorisch verschließt. Mit dem komplexen Vorgang der Thrombozytenaggregation wird das Gerinnungssystem aktiviert, um die Verletzungsstelle dauerhaft zu verschließen. Die in Stufen ablaufende Blutgerinnung (Gerinnungskaskade), an der etwa 30 verschiedene Faktoren beteiligt sind, führt zur Bildung

Blutstillumg Thrombozyten Gerinnungsfaktoren Bildung eines Fibringerinnsels als Wundverschluss Matrix für Kollageneinbau Entzündung und Reinigung Freisetzung von Wachstumsfaktoren, stimulieren Einstrom von Entzündungszellen Mastzellen, Lymphozyten neutrophile Granulozyten Makrophagen Immunabwehr / Phagozytose Freisetzung von Wachstumsfaktoren und Zytokinen, stimulieren... Proliferation Fibroblasten Kollagensynthese Gefäßendothelzellen Keratinozyten Angiogenese Epithelisierung Ablaufschema der physiologischen Wundheilung. Im Idealfall wird in einer Wunde über verschiedene voneinander abhängige Prozesse wie Blutgerinnung, Entzündung und Abbau devitalisierten Gewebes, Gefäßneubildung, Aufbau von Granulationsgewebe, Epithelisierung und Ausreifung das fehlende Gewebe durch ein funktionelles Narbengewebe ersetzt. Damit die Wundheilungskaskade regulär ablaufen kann, ist das chronologisch korrekte Auftreten der beteiligten Zellen unerlässlich. Kommt es zur Störung nur eines Teilschrittes, kann dies die gesamte Wundheilung beeinflussen. Differenzierung Defektauffüllung durch Granulationsgewebe Kontraktion, Narbenbildung, Epithelisierung, Ausreifung Prozesse der Wundheilung [36.37]

Blutgerinnsel bestehend aus Blutplättchen, roten Blut kör per chen und Fibrinfäden eines unlöslichen Fibrinnetzes aus Fibrinogen. Es entsteht ein Gerinnsel, das die Blutung stoppt, die Wunde verschließt und gegen weitere bakterielle Kontamination und Flüssigkeitsverlust schützt. Um den Gesamtorganismus dabei nicht durch sich ausbreitende thrombotische Prozesse zu gefährden, müssen Thrombozytenaggregation und die Vorgänge der Blutgerinnung lokal auf den Ort der Verletzung beschränkt bleiben. Im strömenden Blut wird der Gerinnungsvorgang deshalb ständig durch Substanzen des fi brinolytischen (gerinnselaufl ösenden) Systems kontrolliert. Entzündungsreaktionen Die Infl ammation oder Entzündung stellt die komplexe Abwehrreaktion des Organismus auf die Einwirkung unterschiedlichster Noxen mechanischen, physikalischen, chemischen oder bakteriellen Ursprungs dar. Ziel ist es, die Noxen zu eliminieren bzw. zu inaktivieren, das Gewebe zu reinigen und die Voraussetzungen für die nachfolgenden proliferativen Vorgänge zu schaffen. Entzündungsreaktionen sind somit bei jeder Wunde, auch bei einer geschlossenen Wunde mit intakter Hautoberfl äche, vorhanden. Sie treten jedoch verstärkt auf, wenn

bei offenen Hautwunden, die immer bakteriell verunreinigt sind, die eingedrungenen Mikroorganismen eliminiert und Detritus sowie sonstige Fremdkörper abgeräumt werden müssen. Die Entzündung ist durch die vier Symptome Rötung (Rubor), Wärme (Calor), Schwellung (Tumor) und Schmerz (Dolor) charakterisiert. Die zu Beginn der Verletzung kurzfristig eng gestellten Arteriolen erweitern sich durch vasoaktive Substanzen wie Histamin, Serotonin und Kinin. Dies führt zur verstärkten Durchblutung des Wundgebietes und zu der für die Eliminierung der Noxen notwendigen Steigerung des lokalen Stoffwechsels. Der Vorgang zeigt sich klinisch als Rötung und Erwärmung um das Entzündungsgebiet. Durch die Gefäßerweiterung kommt es gleichzeitig zu einer Steigerung der Gefäßpermeabilität mit verstärkter Exsudation von Blutplasma in das Interstitium. Ein erster Exsudationsschub fi ndet etwa zehn Minuten nach der Wundsetzung statt, ein zweiter etwa ein bis zwei Stunden später. Es entsteht ein als Schwellung sichtbares Ödem, an dessen Ausbildung zusätzlich die verlangsamte Blutzirkulation, aber auch die örtliche Azidose (Verschiebung des Säure-Basen-Gleichgewichtes in den sauren Bereich) im Wundgebiet Anteil hat. Es wird heute davon ausgegangen, dass durch die örtliche Azidose die katabolen Vorgänge verstärkt und durch die Vermehrung der Gewebsfl üssigkeit die toxischen Zerfallsprodukte von Gewebe und Bakterien verdünnt werden. Entzündete Wunden mit dem deutlich sichtbaren Symptom der Rötung, oben eine Verbrennungswunde, unten eine OP-Naht nach gefäßchirurgischem Eingriff Der Wundschmerz entwickelt sich als Folge freigelegter Nervenendigungen und der Schwellung, aber auch durch bestimmte Entzündungsprodukte wie z. B. Bradykinin. Starker Schmerz kann eine Funktionseinschränkung (Functio laesa) zur Folge haben. Prozesse der Wundheilung [38.39]

Phagozytose und Infektabwehr Etwa 2-4 Stunden nach der Verletzung beginnt im Rahmen der Entzündungsreaktionen die Einwanderung von Leukozyten, die als so genannte Phagozyten (Fresszellen) zur Phagozytose von Detritus, körperfremdem Material und Keimen befähigt sind. In der initialen Entzündungsphase überwiegen hierbei neutrophile Granulozyten, die verschiedene entzündungsfördernde Botenstoffe, so genannte Zytokine, in die Wunde sezernieren, Bakterien phagozytieren, aber auch eiweißspaltende Enzyme (Proteinasen) freisetzen, die beschädigte und avitale Bestandteile der extrazellulären Matrix beseitigen. Dies bedeutet eine erste Reinigung der Wunde. Im Gefolge der Granulozyten wandern etwa 24 Stunden später Monozyten in das Wundgebiet ein, die sich dann im Wundgebiet zu Makrophagen ausdifferenzieren, die Phagozytose fortsetzen, aber auch durch Sezernierung weiterer Zytokine und Wachstumsfaktoren entscheidend in das Geschehen eingreifen. Ablauf der Phagozytose: Nach der Opsonierung des Fremdkör pers ( Schmackhaftmachen ) bewegt sich der Phagozyt zielgerichtet auf den Fremdkörper zu (1), und es kommt zur Adhäsion (2). Im nächsten Schritt um schließt der Phagozyt den Fremd kör per mit Pseudopodien (3). Durch erneutes Verschmelzen der Pseudopodien (4) entsteht eine Vakuole (Phagosom), die mit Ly so so men zum Phagolysosomen verschmilzt (5), in dem dann die Verdauung des Fremdkörpers stattfi ndet (6). 1 2 3 4 5 6