AUFSÄTZE. Das jüngste theologische Fach im Umbruch Von der Missionswissenschaft zur Interkulturellen Theologie. Martin Reppenhagen



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AUFSÄTZE Das jüngste theologische Fach im Umbruch Von der Missionswissenschaft zur Interkulturellen Theologie Martin Reppenhagen Als es Ende des 19. Jahrhunderts zur Besetzung der weltweit ersten Lehrstühle für Missionswissenschaft an den Universitäten Edinburgh und Halle durch Alexander Duff bzw. Gustav Warneck kam, war das große Zeitalter der Mission bereits über 100 Jahre alt. Die Missionswissenschaft war in den Kanon der theologischen Disziplinen aufgenommen, auch wenn ihre genaue Verortung und Bezeichnung bis auf den heutigen Tag umstritten blieb. Nach dramatischen gesellschaftlichen und weltpolitischen sowie missionstheologischen Wandlungen im 20. Jahrhundert befindet sich das jüngste theologische Fach über 100 Jahre nach seinem Entstehen im Umbruch. Die unterschiedlichen Positionen reichen von der Abschaffung der Missionswissenschaft als theologischer Disziplin über die Wandlung zu einer Interkulturellen Theologie bis hin zum Erhalt der theologischen Missions- und Religionswissenschaft. In diesen Umbrüchen kann es zweifelsohne als ein wichtiger Fortschritt angesehen werden, dass nach intensiven Gesprächen und Diskussionen die EKD und der Evangelisch-Theologische Fakultätentag eine gemeinsame Rahmenordnung verabschiedet haben, mit der die theologische Teildisziplin Missionswissenschaft bzw. Interkulturelle Theologie als für das Theologiestudium verpflichtend gewertet wurde. Allerdings provoziert die Verbindung von Missionswissenschaft und Interkultureller Theologie durch ein eher unbestimmtes bzw. die Frage nach der Zuordnung. Ist mit der Zuordnung eine gleichberechtigte Verbindung beider gemeint? Oder bestimmt die Interkulturelle Theologie nun inhaltlich die Missionswissenschaft? Ist damit das beziehungsweise gar im Sinne eines von zu zu verstehen? Dann wäre die Missionswissenschaft eher im historischen Sinne zu verstehen und die Interkulturelle Theologie angesichts einer weltweiten Christenheit für Gegenwart und Zukunft zu beziehen. Die Namensänderung der Zeitschrift für Mission in Interkulturelle Theologie. Zeitschrift für Missionswissenschaft lässt eine Überordnung Interkultureller Theologie vermuten, ohne dabei die Missionswissenschaft ganz zu verabschieden, als ob es nun darum ginge, weg von der Mission und hin zur Interkulturalität oder gar Interreligiosität zu kommen. 1 Dabei wird man nicht übersehen dürfen, dass es die christliche Mission durchaus nicht leicht hat. Der Philosoph Herbert Schnädelbach zählt sie zu den sieben Geburtsfehlern der Christenheit und löste eine Debatte aus. 2 Mission wird mit westli- 1 Vgl. Andreas Feldtkeller: Missionswissenschaft und Interkulturelle Theologie. Eine Verhältnisbestimmung, in: ThLZ 138.1 (2013), 3 12, hier: 4f. 2 Vgl. Herbert Schnädelbach: Der Fluch des Christentums. Die sieben Geburtsfehler einer alt gewordenen Weltreligion. Eine kulturelle Bilanz nach zweitausend Jahren, in: DIE ZEIT Nr. 20, 11.05.2000. theologische beiträge 45. Jg. (2014), 85 98 85

chem Imperialismus und Kolonialismus in der Vergangenheit und mit Fundamentalismus und Intoleranz in der Gegenwart gleichgesetzt. Im universitären Kontext stellt sich die Frage nach der Eigenständigkeit der jüngsten theologischen Disziplin. So muss sich eine dezidiert theologische Religionswissenschaft gegenüber der allgemeinen Religionswissenschaft begründen und sich fragen lassen, ob die Missionswissenschaft nicht sinnvollerweise ihren Ort in der Praktischen Theologie finden sollte, wie dies bereits der Vater der Praktischen Theologie Friedrich Schleiermacher tat. Most theological encyclopedias have dealt with mission in the framework of practical theology, kann Jan A.B. Jongeneel zusammenfassen. 3 Katholischerseits kann auf Karl Rahner verwiesen werden: Missiologie ist ein innerer Wesensbestandteil der praktischen Theologie oder Pastoraltheologie. [ ] Nun ist evident, daß zu den wesentlichen Selbstvollzügen der Kirche ihre missionarische Sendung gehört. 4 Wie kann sich also ein eigenständiges Fach im Fächerkanon der theologischen Disziplinen begründen? Ergebnis der jüngsten Diskussion ist die Kombination aus Missionswissenschaft und Interkultureller Theologie, auf die im Folgenden eingegangen werden soll. Dabei geht es angesichts der Entwicklungen in diesem Aufsatz auch um die bleibende Bedeutung missionswissenschaftlicher und missionstheologischer Fragestellungen. Die Bedeutung einer Interkulturellen Theologie Kulturübergreifende Begegnungen bringen besondere Herausforderung mit sich und führen durchaus auch zu Befremden oder Missverständnissen. Gerade aufgrund weltweiter Migrationsbewegungen kommt es in zunehmender Weise zu Begegnungen mit dem kulturell anderen im eigenen Land. Umgekehrt geht man im Zuge einer kulturübergreifenden Mission der Frage nach einer Inkulturation bzw. Kontextualisierung nach. So besitze ich eine indische Christusdarstellung, die Christus als Yogi zeigt. Deutlich sind der Lotussitz, das OM-Zeichen und der Strahlenkranz der Erleuchtung zu erkennen. Christus wird als der Erleuchtete mit Merkmalen aus der indisch-hinduistischen Tradition gezeigt. Was für die einen eine gelungene Form der Inkulturation ist, kann für andere schon eine abzulehnende Form von Synkretismus sein. Eines ist auf alle Fälle deutlich: Eine solche Christusdarstellung in einer deutschen Kirche würde in den meisten Fällen eher Befremden auslösen. Man wüsste nicht so genau, was man davon halten sollte. In Indien ist es der Versuch, mit Mitteln einer aus dem Hinduismus stammenden Symbolik, Christus zu inkulturieren. Doch selbst in Indien gibt es dazu widersprüchliche Aussagen. Da sind zum einen die christlichen Ashrams, die ganz bewusst den Geist des klassischen Indiens 5 3 Jan A. B. Jongeneel: Philosophy, Science, and Theology of Mission in the 19th and 20th Centuries. A Missiological Encyclopedia, Part II: Missionary Theology, Frankfurt/M. u. a. 1997, 10. 4 Karl Rahner: Sämtliche Werke, Bd. 19: Selbstvollzug der Kirche. Ekklesiologische Grundlegung praktischer Theologie, Solothurn u. a. 1995, 343f. 5 Raja Savarirayan: Christliche Ashrams, in: Hugald Grafe: Evangelische Kirche in Indien. Auskunft und Einblicke, Erlangen 1981, 295. 86

aufnehmen und die damit verbundenen Formen des Lebensstils übernehmen. Sie kleiden sich mit ockerfarbenen Gewändern, gehen barfuß, sitzen auf dem Boden. In einem christlichen Ashram in Pune steht das Holztabernakel auf einer Truhe, die mit einer Strohmatte aus Kuschagras und einem Rehfell bedeckt ist. Für jeden, der sich in der Bhagavad-Gita auskennt, ist dies ein deutliches Zeichen für einen Yogi. Nur mit diesem Hintergrundwissen ist es möglich, die entsprechenden Zeichen zu dechiffrieren. Ähnlich verhält es sich mit der Darstellung der christlichen Trinität mithilfe von Darstellungsmustern der hinduistischen Trimurti aus Brahma, Vishnu und Shiva ein weiterer Versuch christliche Vorstellungen zu inkulturieren und mithilfe von indisch-hinduistischer Symbolik christliche Aussagen zu machen. 6 Dazu gesellen sich nun zwei innerindisch-kritische Stimmen. Zum einen sind es Hindu-Aktivisten, die ein hohes Interesse daran haben, den christlichen Glauben weiterhin als eine fremde Religion darzustellen. Das Christentum sei eine westliche Religion. Zum anderen sind es christliche Stimmen, die eine solche Inkulturation des Evangeliums ablehnen. Sie kommen aus dem Bereich der Dalits, die etwa 80% der indischen Christen ausmachen. Dalits (Zerstoßene, Zertretene) ist die Selbstbezeichnung der Adivasi, jener indischen Ureinwohner, die als Unberührbare jenseits des indischen Kastenwesens stehen. Als Unreine dürfen sie keine heiligen Orte betreten und dürfen nur niedere Arbeiten leisten. So deutet der Dalit-Theologe Arvind P. Nirmal (1936 1995) Jesus als Dalit und damit als Antwort auf die Not und Ausgrenzung der Adivasi. Seinen Kreuzestod stirbt Jesus von Nazareth als ein Dalit, denn immerhin wird er draußen vor dem Tor gekreuzigt, außerhalb der heiligen Stadt Jerusalem. 7 Hier wird die Kreuzestheologie zu einer Konterkulturation, die zwar kontextuell ist, aber eben gezielt nicht inkulturiert. An diesem Beispiel zeigt sich recht deutlich, dass Kultur an sich niemals neutral ist, sondern dass Inkulturation des Evangeliums mit Ausübung oder Kritik an gesellschaftlicher Macht im Medium kulturell-religiöser Symbolisierungen verbunden ist 8. Eine kurze Geschichte der Missionswissenschaft Als Ende des 19. Jahrhunderts erste Lehrstühle für Missionswissenschaft entstanden, lebte die Mehrzahl der Christen in westlichen Ländern. Die missionarische Dynamik zumindest in der Wahrnehmung westlicher Theologen und Kirchen ging vom Westen aus. Aus Europa und Nordamerika kamen die Missionare, und sie gingen nach Afrika und Asien. Auch die Inhalte der Mission waren relativ klar definiert. Folgt man Gustav Warnecks Grundlagenwerk Evangelische Missionslehre (erschienen 1892 1903), so war das Ziel von Mission die Weltchristianisierung und Kirchenpflanzung in heidnischen Gebieten durch gesandte Missionare. Der Aufruf von William Carey von 1792, mit dem das große Zeitalter der Mission begonnen hatte, An Enquiry 6 Vgl. Henning Wrogemann: Interkulturelle Theologie und Hermeneutik. Grundfragen, aktuelle Beispiele, theoretische Perspektiven, Gütersloh 2012, 100 119 (insbesondere die Abb. 1 3 zwischen den S. 112 und 113). 7 Wrogemann: Interkulturelle Theologie, 116. 8 Wrogemann: Interkulturelle Theologie, 118. 87

into the Obligations of Christians to use Means for the Conversation of the Gospel among the Heathens, galt weiterhin konfessionsübergreifend. 9 Mission war ein Gehorsamsakt der Kirche gegenüber ihrem auferstandenen Herrn. Dazu war der Missionsbefehl aus Matthäus 28 biblischer Hauptreferenztext. Obwohl sich die Missionsgeschichtler darüber einig sind, dass die westliche Missionsbewegung relativ begrenzt und klein war, wurden Missionare als die wahren Diener der Kirche angesehen und in der Gesellschaft sehr geachtet. 10 Die westlichen Missionswerke sandten oftmals in ökumenischer Verbundenheit Tausende von Missionaren nach Afrika, Indien und China. Hudson Taylor, Ludwig Nommensen, Samuel Moffett sen. und jun., Eric Liddell, Johann Ludwig Krapf und Fritz Becher stehen für viele bekannte und unbekannte Missionare, die sich mit einem hohen Sendungsbewusstsein aussenden ließen. 11 Diese kurz skizzierten westlichen Missionsbewegungen haben weltweit zu einer Vielzahl unterschiedlichster Kirchen geführt. Aus missionarischen Bewegungen von Nord nach Süd, West nach Ost, sind ökumenische Begegnungen geworden. Durch die stärkere Frage nach einer Kontextualisierung oder Inkulturation des Evangeliums entstanden lokale oder kontextuelle Theologien. Damit veränderte sich auch der Fokus der Missionswissenschaft, indem immer stärker weltweit ökumenische Aspekte Berücksichtigung fanden. 12 Zum klassischen Verständnis von Mission als einem Sendungsgeschehen kamen hermeneutische Aspekte hinzu. Wegweisend für ein Verständnis von Missionswissenschaft als einer hermeneutischen Wissenschaft ist hier vor allem Theo Sundermeier mit seiner Hermeneutik des Fremden. Der damit verbundene Leitbegriff der Konvivenz, des miteinander Lebens, Arbeitens und Feierns, beschreibt diese Vorstellung recht zutreffend. Sundermeier nennt hierzu drei Grundpfeiler der Konvivenz, die in einer Hilfs-, Lern- und Festgemeinschaft bestehen. Ein so verstandenes gemeinschaftliches Zusammenleben ermöglicht dann auch einen interkulturellen hermeneutischen Prozess, der darauf angelegt ist, die Phantasie und Neugier zu wecken, sich dem Fremden mit Offenheit und Vorsicht, mit Zugewandtheit und Umsicht zu nähern, Unbekanntes zu entdecken und verstehend zu erleben. 13 Dabei ist es wichtig, die Multivalenz des Verstehens zu erkennen. So darf sich Verstehen nicht nur auf Texte konzentrieren. 14 Es bedarf, wie es Theo Sundermeier betont, einer transkulturelle[n] und transreligiöse[n] Kompetenz. 15 9 William Carey: An Enquiry into the Obligations of Christians to Use Means for the Conversation of the Gospel among the Heathens, London (Faksimile-Ausgabe) 1792 (1961). 10 Vgl. Andrew Walls: The Missionary Movement. A Lay Fiefdom?, in: ders.: The Cross- Cultural Process in Christian History, Maryknoll/Edinburgh 2002, 215 235. 11 Vgl. u. a. Otto Becher: Das erste Opfer der Basler Mission in Kamerun. Leben und Sterben des Missionars Fritz Becher, Basel 1911, 32. 12 Lehrstühle für Missions- und Religionswissenschaft wurden durch die Ökumenik ergänzt, wie z. B. in Berlin und Wuppertal/Bielefeld. 13 Vgl. Theo Sundermeier: Den Fremden verstehen. Eine praktische Hermeneutik, Göttingen 1996, 190f. 14 Vgl. Theo Sundermeier: Mission Geschenk der Freiheit. Bausteine für eine Theologie der Mission, Frankfurt/M. 2005, 81. 15 Vgl. Theo Sundermeier: Religionen Mission Ökumene, in: VuF 50.1 2(2005), 137 146, hier: 140. 88

Dieses neue Verständnis von Missionswissenschaft verbindet sich mit der zunehmenden Erkenntnis einer global ausdifferenzierten Christenheit. Es entsteht ein Mosaikbild der weltweiten Christenheit, zu dem jede Kultur und jeder Kontext seinen genuinen Bildteil beiträgt. 16 Oder es wird von Christenheit im Plural gesprochen: World Christianities. 17 Mit den Worten des aus Gambia stammenden und in Yale unterrichtenden Missionsgeschichtlers Lamin Sanneh: Christianity is the religion of over two thousand different language groups in the world. More people pray and worship in more languages in Christianity than in any other religion in the world. Furthermore, Christianity has been the impulse behind the creation of more dictionaries and grammars of the world s languages than any other force in history. 18 Konnte noch vor etwa 100 Jahren vom Zentrum der Christenheit im Westen gesprochen werden, wird nun der polyzentrische, multi-traditionelle und plurimorphe Charakter der Christenheit wahrgenommen und herausgearbeitet. 19 Es gibt kein Zentrum und keine Peripherie mehr. Wenn überhaupt von Zentrum die Rede sein soll, dann nur im Plural. Das verbindet sich mit der zunehmenden Wahrnehmung verschiedener lokaler Theologien. 20 Dass dabei vor allem Kirchen und Theologien aus nicht-westlichen Teilen der Welt Beachtung finden, darf angesichts eines shift of centre of gravity 21 nicht verwundern. Denn seit den 1970er Jahren gibt es mehr Christen außerhalb der westlichen Welt mit besonderen Aufbrüchen in Afrika südlich der Sahelzone und China. The era of Western Christianity has passed within our lifetimes, and the day of Southern Christianity is dawning. The fact of change itself is undeniable: it has happened, and will continue to happen. 22 Zweifelsohne kann der Eindruck entstehen, dass der fahrende Platzregen von Gottes Wort und Gnade (Martin Luther) weitergefahren ist und sich eine Vermutung von Nikolaus Graf von Zinzendorf aus seinen Zeister Reden von 1746 in unseren Tagen bestätigt: Vielleicht wenn alle die lande, darinnen die Christen itzo wohnen, ganz wieder zu Heidenthum worden sind: alsdenn wird die stunde von Africa, Asia und America kommen. 23 Und selbst wenn Walter Hollenweger durchaus 16 Vgl. Sebastian Kim / Kirsteen Kim: Christianity as a World Religion, London/New York 2008, 225. 17 Hugh McLeod (Hg.): World Christianities, c. 1914 c. 2000, Cambridge 2006. 18 Lamin Sanneh: Whose Religion is Christianity? The Gospel beyond the West, Grand Rapids 2003, 69. 19 Kim / Kim: Christianity, 210. 20 Vgl. Robert J. Schreiter: Constructing Local Theologies, Maryknoll 15 2008. 21 Vgl. Todd M. Johnson / Sun Young Chung: Tracking Global Christianity s Statistical Centre of Gravity, AD 33 AD 2100, in: IRM 93.369 (2004), 166 181; Todd M. Johnson / Kenneth R. Ross (Hg.): Atlas of Global Christianity, Edinburgh 2009. 22 Philip Jenkins: The Next Christendom. The Coming of Global Christianity, Oxford 2 2007, 3. Für eine kritische Auseinandersetzung mit Jenkins These vgl. Frans Jozef Servaas Wijsen / Robert J. Schreiter (Hg.): Global Christianity. Contested Claims, Amsterdam u. a. 2007. 23 Nikolaus Graf von Zinzendorf: Die an den Synodum der Brüder, in Zeyst vom 11. May bis den 21. Junii 1746, gehaltene Reden, Nebst noch einigen anderen zu gleicher Zeit in Holland geschehenen Vorträgen, in: Erich Beyreuther / Gerhard Meyer (Hg.): Nikolaus Ludwig von Zinzendorf: Hauptschriften, Bd. 3: Reden während der Sichtungszeit 89

übertreibt, kann die Dynamik und Vielzahl von Migrationsgemeinden in Europa nicht übersehen werden: In many European cities there are more black, yellow and brown Christians coming together on a Sunday morning than white Christians. 24 Daher muss auch das Fazit nicht verwundern, das John Flett im Princeton Theological Review zieht: Mission becomes third-world theology, or popularly world Christianity. 25 Die Gründung des Andrew F. Walls Centre for the Study of Asian and African Christianity an der Liverpool Hope University ist nur ein Beispiel für die zunehmende Bedeutung der Erforschung der Weltchristenheit mit Schwerpunkt auf der nicht-westlichen Christenheit. Ob allerdings die Interkulturelle Theologie die Begriffe Mission oder Missionswissenschaft in vielen Fällen fast vollständig abgelöst hat, wie Werner Ustorf meint, wird man weltweit gewiss nicht sagen können. 26 Es bleibt vornehmlich ein europäisches Phänomen. Der Begriff Interkulturell bzw. Interkulturelle Theologie lässt sich dabei auf die 1970er Jahre zurückführen. Hier taucht der Begriff intercultural zuerst in sprachwissenschaftlicher und internationaler Pädagogik auf und wurde dann von Missionswissenschaftlern wie Hans Jochen Margull, Walter Hollenweger und Richard Friedli aufgenommen. Übereinstimmend lehnten sie kolonialistische und hegemoniale Haltungen ebenso ab wie nationales und völkisches Gedankengut. Die treibenden Kräfte waren u. a. der nachkoloniale demographische Wandel in der Welt-Christenheit ( shift in centre of gravity ) und die Begegnung mit Andersreligiösen sowie das Hören auf jene weltweiten theologischen Stimmen, die aufgrund westlicher Dominanz bislang überhört wurden. 27 Zur jüngeren Begründung kann auf das gemeinsame Papier des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für Missionswissenschaft (DGMW) und der Fachgruppe für Missions- und Religionswissenschaft der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie von 2005, in dem Interkulturelle Theologie zum Leitbegriff wird, verwiesen werden: Das Fach in seiner heutigen Ausrichtung widmet sich in einer breiten theologischen Perspektive der Begegnung und Auseinandersetzung des Christentums mit nicht-christlichen Religionen sowie der theologischen Reflexion nicht-westlicher kultureller Dialekte des Christentums in engem Bezug auf allgemeine ökumenische Fragestellungen. 28 in der Wetterau und in Holland, Homilien über die Wundenlitanei, Zeister Reden, Hildesheim 1963, 189. 24 Walter Hollenweger: Intercultural Theology. Some Remarks on the Term, in: Martha Frederiks (Hg.): Towards an Intercultural Theology. Essays in Honour of J.A.B. Jongeneel, Zoetermeer 2003, 89 95, hier: 94. 25 John Flett: A Bastard in the Royal Family. Wither Mission?, in: The Princeton Theological Review 16.42 (2010), 17 30, hier: 19. 26 Werner Ustorf: The Cultural Origins of Intercultural Theology, in: Mission Studies 25 (2008), 229 251, hier: 233. Ustorfs prominentes Beispiel der Namensänderung der School of Mission am Fuller Theological Seminary in School of Intercultural Studies verfängt hier allerdings nicht, da politische und nicht theologische Gründe zur Namensänderung führten. 2 7 Vgl. ebd. 28 Missionswissenschaft als Interkulturelle Theologie und ihr Verhältnis zur Religionswissenschaft, Papier der Fachgruppe Religions- und Missionswissenschaft der Gesellschaft 90

Hierbei handelt es sich um ein Konsenspapier, das versucht, zwei Positionen miteinander zu verbinden, die im Rahmen der deutschen Diskussion ausgemacht werden können. Zum einen ist dies das Verständnis einer hermeneutischen Missionswissenschaft (Theo Sundermeier) und zum anderen das einer Interkulturellen Theologie (Volker Küster, Klaus Hock) oder gar Interreligiösen Theologie (Perry Schmidt-Leukel). Folgt man Werner Ustorf, wäre Missionswissenschaft nicht mehr Bestandteil der Theologie. Vielmehr plädiert er dafür, dass Missionswissenschaft als Forschungsthematik verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen zuzuordnen sei. Diese Position konnte sich allerdings allgemein nicht durchsetzen, sodass das Fach nun heißen soll: Missionswissenschaft bzw. Interkulturelle Theologie, wobei das Positionspapier die Verbindung beider durch ein als näher erklärt. Ansätze einer Interkulturellen Theologie Die neue Rahmenordnung zum Theologiestudium für Pfarramt und Magister sieht also mindestens ein Modul Missionswissenschaft bzw. Interkulturelle Theologie vor. Damit ist nun die Thematik von Mission und Ökumene im Theologiestudium fest verankert und ein deutlicher Fortschritt zur bisherigen Verortung des Fachs Missions- und Religionswissenschaft zu erkennen. Zur Beschreibung des neuen Fachs beziehe ich mich im Folgenden auf den ersten Band des auf drei Bände angelegten Lehrbuchs von Henning Wrogemann Interkulturelle Theologie und Hermeneutik. 29 Dabei fällt auf, dass Wrogemann den Begriff Interkulturelle Theologie zunächst auf die Wahrnehmung und das Wissen um das Christentum als einer globalen Religionsformation in vielen kulturell-kontextuellen Varianten bezieht. Dabei wird Wrogemann die Theologie interreligiöser Beziehungen in einem weiteren Band verhandeln, sodass allgemein von drei Bereichen der Interkulturellen Theologie die Rede sein kann: 1. Die Theologie- und Christenheitsgeschichte außerwestlicher Kontexte; 2. Die kontextuellen Theologien, Missionstheologie, Migrationsbewegungen, shift in gravity ; 3. Interreligiöse Beziehungen sowie Theologie der Religionen. Dabei werden in der aktuellen Diskussion die verschiedenen Teilbereiche unterschiedlich gewichtet. So versteht Perry Schmidt-Leukel Interkulturelle Theologie als interreligiöse Theologie. 30 Bei Wrogemann geht es um die Kenntnisnahme fremder Geschwister weltweit. Dabei ist in Gestalt von Migrantengemeinden eine Vielzahl von Christentümern bereits vor Ort präsent ist 31. Interkulturelle Theologie bestünde dann aus deskriptiven Methoden wie religionswissenschaftliche[n] und kulturwissenschaftliche[n] Analysemethoden sowie aus der theologischen Perspektive, mit der werthafte (normative) Aspekte zum Tragen kommen. Dabei bleiben beide Perspektiven methodisch voneinander getrennt. 32 für Wissenschaftliche Theologie und des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für Missionswissenschaft, ZMiss (2005), 376 382, hier: 379. 29 Wrogemann: Interkulturelle Theologie, a.a.o. 30 Perry Schmidt-Leukel: Interkulturelle Theologie als interreligiöse Theologie, in: ET 71 (2011), 4 16. 31 Wrogemann: Interkulturelle Theologie, 13. 32 Vgl. Wrogemann: Interkulturelle Theologie, 24f. 91

Bereits zu Beginn seines Lehrbuchs beschreibt Wrogemann die daraus resultierenden Herausforderungen für das Wahrnehmen und Verstehen fremder Praktiken am Beispiel des Exorzismus eines lutherischen Pastors in Dar-es-salam, Tansania. Bei ökumenischen Besuchern kann dies sehr wohl zu kritischen Fragen führen, ob es sich denn dabei um Überreste animistischen Glaubens handle, die so gar nicht mit dem christlichen Glauben zu verbinden seien. Umgekehrt lässt Wrogemann den lutherischen Pfarrer bei einem Besuch Deutschlands kritische Fragen zur Wissenschaftsund Technikgläubigkeit von Christen in Deutschland stellen. Dabei kommt er zum Schluss: Die Relevanz des Faches Interkulturelle Theologie / Missionswissenschaft liegt denn auch darin, diese unterschiedlichen Perspektiven zu analysieren und miteinander ins Gespräch zu bringen. Es geht um interkulturelles und interreligiöses Verstehen als Voraussetzung gegenseitiger Wertschätzung und des Friedens und der Zusammenarbeit in Gesellschaften mit großer und zunehmender kultureller Pluralität. 33 Es geht um den Versuch des interkulturellen Verstehens gegen jedes Missverstehen oder stereotypes Verurteilen auf beiden Seiten, damit es eben nicht zu einem clash of civilization (Samuel Huntington) kommt, wie ihn Lamin Sanneh zwischen dem christlichen Norden und dem christlichen Süden prognostiziert. 34 Die Konflikte in der Wahrnehmung von Zwischenwelten angesichts dualistischer oder monistischer Weltbilder im Westen sowie gegenseitige Verwerfungen in ethischen Fragen sind jedenfalls offenkundig. Welche Normen lassen sich in diesen und anderen Fragen als universell geltend erheben? Auf eher amüsante aber nicht minder bedeutungsvolle Weise verweist John Mbiti mit der fiktiven Geschichte eines afrikanischen Pastors, der nach seinem Studium in Europa in sein Heimatdorf zurückkehrt, auf die Unterschiede westlichen und afrikanischen Denkens. Nachdem der Pastor die großen westlichen Theologen studiert hatte, war er in sein Dorf zurückgekehrt. Während des Dorffestes anlässlich seiner Heimkehr wird seine ältere Schwester von einem epileptischen Anfall zu Boden gerissen. Er verlangt sofort nach dem Krankenhaus. Doch andere aus dem Dorf rufen, dass sie von einem bösen Geist befallen sei. Beide Seiten schaukeln sich hoch, während sich die Schwester von Anfällen gezeichnet auf dem Boden wälzt. Bultmanns Entmythologisierung und die Rufe nach einer Dämonenaustreibung stehen sich unversöhnt gegenüber. Mbiti endet mit der Bemerkung: Fantasy? No, for these are the realities of our time. 35 Und er wirbt für einen Dialog beider Seiten, durch den beide von den Erkenntnissen der anderen Seite lernen können. Was bei Sanneh als Schisma hervortritt, verknüpft sich bei Mbiti mit der Forderung nach einem Dialog beider Positionen. Die Herausforderung des 21. Jahrhunderts wäre daher ein dialogisches Theologisieren angesichts der globalen Struktur christlichen Glaubens mit verschiedenen Zentren. 36 33 Wrogemann: Interkulturelle Theologie, 23. 34 Lamin Sanneh: The Current Transformation of Christianity, in: Lamin Sanneh / Joel A. Carpenter: The Changing Face of Christianity. Africa, the West, and the World, Oxford 2005, 220. 35 Zitiert in Kwame Bediako: Jesus and the Gospel in Africa. History and Experience, Maryknoll 2004, 110. 36 Vgl. Wilbert R. Shenk: Recasting Theology of Mission. Impulses from the Non-Western World, in: IBMR 25.3. (2001), 98 107, hier: 105. 92

Wen hier ein magisches Weltbild abschreckt, das dann aufgeklärt überwunden werden muss, sei hier an Karl Barths Weitsicht erinnert, wenn er in den Fragmenten zur Kirchlichen Dogmatik IV/4 festhält: Magisches Weltbild? Ob uns wohl unsere Mitchristen aus den jungen Kirchen von Asien und Afrika, die ja in dieser Sache noch von frischerer Anschauung herkommen, hier eines Tages zu Hilfe kommen könnten? Hoffen wir nur, daß sie sich unterdessen von unserem Weltbild nicht allzu sehr imponieren und dann ihrerseits von der Augenkrankheit, an der wir in dieser Hinsicht leiden, anstecken lassen. 37 Auf dem Weg des Verstehens verweist Wrogemann auf die Bedeutung der Semiotik, dabei geht es nicht nur darum, die Zeichen zu deuten, sondern eben auch danach zu fragen, wie etwas für Menschen (...) überhaupt zu Zeichen werden kann 38 So hilft der kultursemiotische Ansatz kulturelle Selbstverständlichkeiten zu erheben. Ergänzend muss ein weiterer hermeneutischer Schritt hinzukommen, mit dem diskurstheoretisch stilisierende Fremd- und Eigenzuschreibungen analysiert und kritisch hinterfragt werden. Wrogemanns Hinweis auf die konstruierte Identitätsbildung des Volkes der Ewe in Westafrika verdeutlicht die Bedeutung dieser Schritte. 39 Mit der Wahrnehmung von Komplexität tun sich allerdings auch Schwierigkeiten der Einordnung auf. Was gern als evangelikal im Sinne eines Differenzbegriffs bezeichnet wird, gehört plötzlich mit Blick auf viele Mainlinekirchen in Afrika zum gängigen Frömmigkeitsstil, und umgekehrt haben viele Kirchen in Afrika, die aus der Arbeit evangelikaler Missionen hervorgegangen sind, oftmals volksreligiöse Praktiken. 40 An verschiedenen Stellen plädiert Wrogemann für eine neue Offenheit angesichts der Vielfalt und Vielschichtigkeit der weltweiten Christenheit. Könnte es sein, dass hinter manchem Ansatz einer Interkulturellen Theologie eine westliche, durch Hellenismus und Aufklärung geprägte Theologie sowie ein westliches Welt- und Menschenbild stehen, die dann erneut als normativ für die Beurteilung nicht-westlicher Theologien erklärt werden? In Anlehnung an Karl Barth könnte man auch sagen: Interkultureller müssten mir die Interkulturell-Theologischen sein! 41 So wird Wrogemann nicht müde, auf Verständnisschwierigkeiten zu verweisen und für die Weitung der eigenen theologischen Grenzen zu werben. Für die Wahrnehmung der ganzen Ökumene jedoch sind hier deutliche Verstehensbarrieren zu konstatieren. Die theologische Positionierung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung im so genannten Konziliaren Prozess zum Beispiel führte leicht dazu, andere Ausprägungen des christlichen Glaubens und Lebens, der gemeindlichen Aktivitäten und kirchlicher Strukturen entweder einseitig zu kritisieren oder schlicht zu ignorieren. [...] Typische Beispiele sind etwa die Stereotypen, die im Be- 3 7 Zitiert in: Werner Kahl: Die gemeinsame missionarische Berufung der Mainline Churches und Migrantenkirchen. Eine theologische Perspektive, Transparent-Extra 64 (2002), 1 16, 14. 38 Wrogemann: Interkulturelle Theologie, 45. 39 Vgl. Wrogemann: Interkulturelle Theologie, 141 159. 40 Vgl. Wrogemann: Interkulturelle Theologie, 186. Vgl. auch Klaus Fiedler: Ganz auf Vertrauen. Geschichte und Kirchenverständnis der Glaubensmissionen, Gießen/Basel 1992. 41 Kritischer müssten mir die Historisch-Kritischen sein!, in: Karl Barth: Der Römerbrief, Zürich 2 1922, XII. 93

reich von europäischen Christen/innen gegenüber Kirchen aus der Pfingstbewegung bestehen. 42 Oder was meinen wir mit Theologie? Manifestiert sich Theologie in rationalen Lehrsätzen und schriftlichen Texten? Oder drückt sich Theologie in Sprichwörtern des alltäglichen Lebens, in bestimmten Riten wie etwa Festen, Prozessionen, Meditationsformen und anderem 43 aus? Welche theologische Bedeutung wird christlichen Sozialformen beigemessen? Es gehört zu den grundlegenden Aufgaben des Faches Interkulturelle Theologie/Missionswissenschaft die Weite der Weltchristenheit in den Blick zu nehmen, was eine Verengung auf den Begriff einer Konfessionsökumene ebenso verbietet wie die Verengung auf bestimmte Formen des Christlichen im Umfeld des Ökumenischen Rates der Kirchen (so bedeutend diese auch sind). Auch das Differente, das Andere, das Anstößige, etwa fundamentalistische Bewegungen, Gemeinden oder Kirchen müssen auf die ihnen eigene Sicht hin befragt werden. Hier greifen bisherige Ansätze Interkultureller Theologie nicht selten zu kurz. 44 Über das Verstehen hinausgehend sollte nun auch auf den bedeutenden Aspekt einer weltweit ökumenischen Lerngemeinschaft verwiesen werden. No church can demand total autonomy for itself. If it does it becomes a mere service station for its own clientele and thus a pseudo-church, konnte David J. Bosch festhalten. 45 So hat auch der katholische Systematiker Robert Schreiter die Bedeutung von lokalen Theologien hervorgehoben, aber auch ihren ökumenischen Bezug. Lokale bzw. Kontextuelle Theologien sind eben keine von anderen Theologien getrennte Einheiten, sondern aufeinander und gemeinsam auf das Zeugnis der Schrift bezogen. Sie entstehen in konkreten Kontexten und sind damit auf diese bezogen, sind aber auch Teil einer ökumenischen Lerngemeinschaft. Im Dialog mit anderen erhalten sie Impulse und werden auch kritisch hinterfragt. 46 Lesslie Newbigin meint hier gar, dass die Christen im Westen die Korrektur durch nicht-westliche Christen und Theologien mehr brauchen. Wir brauchen das Zeugnis der ganzen ökumenischen Familie, wenn wir authentische Zeugen Christi für unsere eigene Kultur sein wollen. [ ] Wir brauchen ihr Zeugnis, um unseres zu korrigieren, wie sie natürlich auch unseres brauchen, um ihres zu korrigieren. Zur Zeit aber brauchen wir es nötiger, denn sie sind sich der Gefahren des Synkretismus, einer illegitimen Allianz mit falschen Elementen ihrer Kultur, bewusster, als wir es waren. Aber ob wir oder sie, wir brauchen uns dringend gegenseitig, wenn wir treue Zeugen Christi in unseren vielen unterschiedlichen Kulturen sein wollen. 47 Will Interkulturelle Theologie allerdings nicht nur wahrnehmende und vergleichende Theologie sein, stellt sich die Frage nach dem Normativen. Klassisch wird 42 Wrogemann: Interkulturelle Theologie, 31. 43 Vgl. Wrogemann: Interkulturelle Theologie, 33. 44 Wrogemann: Interkulturelle Theologie, 34; vgl. auch 185. 45 David J. Bosch: Towards True Mutuality. Exchanging the Same Commodities or Supplementing Each Others Needs?, in: Miss. 6.3 (1978), 283 296, hier: 294. 46 Vgl. Schreiter: Constructing Local Theologies, a.a.o. 47 Lesslie Newbigin: Den Griechen eine Torheit. Das Evangelium und unsere westliche Kultur, Neukirchen-Vluyn 1989, 130. 94

diese mit Verweis auf die Heilige Schrift beantwortet, was sich jedoch angesichts einer Pluralisierung hermeneutischer Ansätze als zunehmend schwierig erweist und sehr wohl zu diametralen Antworten führen kann. Sollen auch normative Aussagen gemacht werden, wird man sich daher auch der hermeneutischen Frage stellen müssen: Wie legen wir die Heilige Schrift aus? Der Verweis auf eine von der Aufklärung oder der hellenistischen Philosophie herkommende Theologie als weltweite Norm nimmt dabei die Kontextualität und Diversifikation von Theologie und Kirche nicht ernst und kann bestenfalls als ein Gesprächsbeitrag angesichts anderer Traditionen und Stimmen in der weltweiten Christenheit gewertet werden. Die bleibende Bedeutung der Missionswissenschaft Nach den vielen und hoffentlich guten Gründen für eine Interkulturelle Theologie fragt man sich, ob denn nun die Missionswissenschaft abgewickelt sei. Folgen wir Werner Ustorf, handelt es sich hier um einen Akt theologischer Buße wegen der hegemonialen Bestrebungen der modernen Missionsbewegung. 48 Ulrich Dehn verweist hier stärker auf die interdisziplinäre Vermittelbarkeit eines Fachs, das sich seinen Verbleib im Kanon der theologischen Disziplinen immer wieder aufs Neue erkämpfen muss, und traut dies einer Interkulturellen Theologie eher zu als der Missionstheologie alter Schule 49. In seinem jüngsten missionswissenschaftlichen Lehrbuch schreibt der Presbyterianer Stanley Skreslet: More negatively, intercultural theology represents a defensive response to the ambivalence many Western Christians feel about some past practices and theologies of mission. 50 Bereits 1982 schrieb David J. Bosch über das schlechte Gewissen, das westliche Kirchen dazu verleitete, sich vermehrt auf den kirchlichen Entwicklungsdienst zu konzentrieren und damit auch ihr Interesse an Mission zu schmälern. Mission und Missionswissenschaft wird dann verwandelt into comparative theology [...], ecumenical studies, Third World theology or world Christianity 51. Hier sieht Bosch die große Gefahr, die tiefe Verbindung von Kirche und Mission bzw. Mission und Kirche zu verlieren. Ohne die Partnerschaft mit der Missionstheologie steht Interkulturelle Theologie in der Gefahr, zu einer rein vergleichenden Theologie zu werden, es käme faktisch zu einer Verengung auf den innerchristlichen Dialog zwischen verschiedenen Kontextuellen Theologien 52. Es mag schon verwirrend erscheinen, dass die Kirchen in Deutschland die Mission entdecken und sich Teile der deutschen Missionswissenschaft davon verabschieden oder Mission nur noch interkulturell erforschen. 48 Vgl. Ustorf: The Cultural Origins, 229. 49 Ulrich Dehn: Neue Wege der Missionstheologie?, in: VF 57.2 (2012), 94 106, hier: 106. 50 Stanley H. Skreslet: Comprehending Mission. The Questions, Methods, Themes, Problems, and Prospects of Missiology, Maryknoll 2012, 93. 51 David J. Bosch: Theological Education in Missionary Perspective, in:miss. 10.1 (1982), 13 34, hier: 19. 52 Henning Wrogemann: Theologie und Wissenschaft der Mission, in: Christoph Dahling- Sander u. a. (Hg.): Leitfaden Ökumenische Missionstheologie, Gütersloh 2003, 17 31, hier: 22. 95

Auch international hält man weiterhin an Begriffen wie Mission Studies oder Missiology fest. Während in Europa die Tendenz in Richtung Interkulturelle Theologie geht, haben Mission und Missionswissenschaft auf den anderen Kontinenten nicht an Bedeutung verloren, sondern eher noch gewonnen. Und dies gilt gerade auch da, wo der shift in gravity zu neuen Forschungsprojekten und Lehrstühlen für die Erforschung der Weltchristenheit führte. Gerade angesichts der Bedeutung von Mission in außereuropäischen Kontexten macht Wrogemann darauf aufmerksam, dass Interkulturelle Theologie auch zu der Erkenntnis beiträgt, dass die Missionskritiker/innen in europäischen Kontexten [...] nur eine verschwindend geringe Minderheit innerhalb der globalen Christenheit aus[machen]. Auch in Europa fragen Kirchen jedweder Konfession oder Denomination immer intensiver nach Mission. 53 Ähnlich J. A. B. Jongeneel, wenn er eine missiological agenda for theology mit dem Hinweis fordert, dass [ ] Third World theologies are missionary theologies, whereas First World theologies are not 54 So verweist Francis Anekwe Oborji in der aktuellen Diskussion um Missionswissenschaft oder Interkulturelle Theologie darauf, dass die mit dem Titel Interkulturelle Theologie verbundenen Inhalte bereits zu den Inhalten der Missionswissenschaft zählen. Mit einer Interkulturellen Theologie sieht er die Gefahr der Entwicklung einer parochialen oder gar ethnischen Theologie, die zu einer erneuten Fragmentierung der Welt und der Theologie führt. Hinzu kommt für ihn die Gefahr einer erneuten Dominanz westlicher Theologie, die gegen den Fluss der Zeit schwimmt und die Bedeutung der weltweiten Mission übersieht. 55 Und selbst falls man am Missionsverzicht festhalten wollte, würde man mit diesem einer Ethnisierung der Religion einschließlich des Christentums Vorschub 56 leisten. So schreibt Andreas Feldtkeller in seinem Plädoyer für die Bedeutung von Mission und Missionswissenschaft von einem dringenden Bedarf, eine eventuell vorhandene eigene antimissionarische Einstellung nicht unreflektiert für andere verbindlich zu machen, sondern sie in ein kritisches Gespräch auf gleicher Augenhöhe einzubringen 57. Dabei geht Feldtkeller auf die Missionsgeschichte ein und hält fest, dass christliche Mission bereits auf eine Geschichte von fast 1.500 Jahren zurückblickte, als die Geschichte des europäischen Kolonialismus begann 58. So bedarf es weiterhin einer kritischen 53 Wrogemann: Interkulturelle Theologie, 40. Wrogemann nennt es ein lokal ausgesprochen begrenztes (eben europäisches) Phänomen. 54 Jongeneel: Philosophy, Science, and Theology of Mission, 10. 55 Vgl. Francis Anekwe Oborji: Missiology in its Relation to Intercultural Theology and Religious Studies, in: Mission Studies 25 (2008), 113f. So auch Feldtkeller: Missionswissenschaft und Interkulturelle Theologie, 8: Wenn man sich anschicken wollte, das heutige Christentum weltweit für einen Verzicht auf Mission zu gewinnen, wäre dies erneut ein Prozess, bei dem die Vorgabe hauptsächlich in Europa entwickelt wurde und davon ausgehend Menschen in anderen Teilen der Welt gesagt würde, was sie zu tun und zu lassen hätten. 56 Christine Lienemann-Perrin: Konversion im interreligiösen Kontext. Eine missionswissenschaftliche Perspektive, in: ZMiss 3 (2004), 216 231, hier: 217. 57 Feldtkeller: Missionswissenschaft und Interkulturelle Theologie, 8. 58 Feldtkeller: Missionswissenschaft und Interkulturelle Theologie, 9. Vgl. auch Heinrich Balz: Der Anfang des Glaubens. Theologie der Mission und der jungen Kirchen, Neuen- 96

Auseinandersetzung gerade mit der westlichen Missionsgeschichte und ihren Querverbindungen zu Hegemonialbestrebungen und Superioritätsdenken, die nicht zu entschuldigen sind. Aber eine Gleichsetzung von Mission und Imperialismus sollte mindestens kritisch hinterfragt, wenn nicht gar in Frage gestellt werden dürfen. Hier weist Feldtkeller deutlich darauf hin, dass die Werte, für die heute die Anhänger einer missionsfreien Interkulturellen Theologie eintreten, ursprünglich genau durch die missionarischen Religionen in die Welt gebracht wurden 59. Dabei wird sich zeigen, ob Ulrich Dehn Recht behält, wenn er darauf verweist, dass der neue Name eben keinen Verzicht auf evangelisations- und konversionsorientierte Konzepte 60 intendiert. Die in seinem Forschungsbericht zu neuen Wegen der Missionstheologie benannten Veröffentlichungen verweisen dabei auf die auffällig hohe Zahl von missionsbezogenen Veröffentlichungen in den letzten Jahren, 61 sagen aber m.e. noch nichts darüber aus, ob der Missionstheologie innerhalb einer Interkulturellen Theologie ein bedeutender Platz eingeräumt bleibt. Vielleicht ist es hier von Bedeutung, auf das zu hören, was der Erzbischof von York, der Ugander John Sentamu, 2005 in seiner Antrittspredigt sagte: My late parents always said to me whenever you meet a group of people who may be interested in hearing what you have to say, always tell them how grateful we are for the missionaries who risked their lives to bring the good news of God s salvation to Uganda. It is because of that missionary endeavor that I am standing in front of you. A fruit of their risk-taking and love. 62 Das macht eine selbstkritische Auseinandersetzung mit der ambivalenten Geschichte westlicher Mission niemals obsolet, sollte aber zu schnelle und einfache Negativbesetzungen von Mission wenigstens kritisch hinterfragen dürfen. Gewiss wird man Klaus Hock zustimmen können: Es gibt nicht mehr die großen Missionserzählung, auf die sich alle beziehen könnten vermutlich nicht einmal im Plural. 63 Damit ist aber noch kein Verzicht auf Mission oder Missionswissenschaft verbunden. Vielmehr gilt es angesichts einer weltweiten Christenheit festzuhalten: Together in mission local and global. 64 dettelsau 2010, 17: Das Wesen christlicher Mission ist überhaupt nicht allein aus ihrer neuzeitlichen, vom Westen dominierten Wirklichkeit heraus zu bestimmen. Es gab Mission und Ausbreitung des Christentums in vormoderner Zeit im Altertum und im Mittelalter [...], und es gibt sie auch in nach-westlicher Zeit.. 59 Feldtkeller: Missionswissenschaft und Interkulturelle Theologie, 11. Vgl. auch Andreas Feldtkeller: Mission und Religionsfreiheit, in: ZMiss 3 (2002), 261 275. 60 Dehn: Neue Wege, 94. 61 Dehn: Neue Wege, 95. 62 Zitiert in Stephan Bates: A Cleric s Journey, in: Guardian 18.06.2005. Vgl. auch Lamin Sanneh: Christliche Mission und westliche Schuldkomplexe, in: ZMiss 17.3 (1991), 146 152. Nach Sannehs These haben die Missionare durch ihre Übersetzungstätigkeiten zum Erhalt von Kulturen beigetragen. Indem sie die Bibel in die jeweilige Sprache übersetzten und damit auch häufig erstmals verschriftlichten, wurden diese Sprachen und damit auch die Kulturen erhalten. 63 Klaus Hock: Einführung in die Interkulturelle Theologie, Darmstadt 2011, 108. 64 Kirsteen Kim: Joining in with the Spirit. Connecting World Church and Local Mission, London 2009, 282. 97

Schlussbemerkungen War im Untertitel dieses Artikels noch zu lesen Von der Missionswissenschaft zur Interkulturellen Theologie, muss man spätestens hier fragen, ob es nicht vielmehr Missionswissenschaft und Interkulturelle Theologie hätte heißen müssen. Denn es sollte eben keine Transformation oder Rekonfiguration nahegelegt, 65 sondern die bleibende Bedeutung von Missionswissenschaft und die relativ neue Bedeutung einer Interkulturellen Theologie angesichts einer weltweit höchst ausdifferenzierten Christenheit aufgezeigt werden. So verstanden kann dann auch von beziehungsweise gesprochen werden oder ein Schrägstrich zwischen Missionswissenschaft und Interkultureller Theologie stehen. Summary The rather young theological discipline of Missiology is in a process of transition. Against the backdrop of a shift in gravity of the global church s geographical centre, and considering the rising number of contextual theologies and Christianities as well as a continuously bad reputation of mission in the Western world, the discourse has shifted and is focussing on the term Intercultural Theology. Will Intercultural Theology replace Missiology, and how important is the issue of mission in this debate? Martin Reppenhagen Jg. 1964; Dr. theol.; Studium der Evangelischen Theologie in Wuppertal, Tübingen, Pune/ Indien und Heidelberg; Gastdozent am Union Biblical Seminary Pune; Gemeinde- und Bezirksjugendpfarrer in der Evangelischen Landeskirche in Baden; seit 2004 wissenschaftlicher Mitarbeiter und stellvertretender Direktor am Institut zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung der Universität Greifswald; Promotion über Auf dem Weg zu einer missionalen Kirche. Die Diskussion um eine missional church in den USA (Neukirchen-Vluyn 2011). 65 So etwa Hock: Interkulturelle Theologie, 21ff; s. auch Volker Küster: Einführung in die interkulturelle Theologie, Göttingen 2011, 28ff. 98