David Theodor Schmidt

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Transkript:

K l a v i e r a b e n d Samstag 16. November 2013, 18 Uhr, Haus Oberallgäu David Theodor Schmidt Programm: Johann Sebastian Bach Partita Nr. 2, c-moll, BWV 826 Joh. Seb. Bach / Franz Liszt Drei Präludien und Fugen BWV 546/547/543 Johann Sebastian Bach Partita Nr. 1, B-Dur, BWV 825 Franz Liszt Variationen Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen 114

Der deutsche Pianist David Theodor Schmidt, Jahrgang 1982, gehört zu den Musikern der jungen Generation, die bereits große Anerkennung in der Musikwelt finden. Geboren in Erlangen, studierte er zunächst in Karlsruhe bei Sontraud Speidel und später am Royal College of Music London bei Kevin Kenner. Er ist Preisträger und Stipendiat bedeutender Organisationen, wie des DAAD, der Zeit-Stiftung, der Mozart Gesellschaft Dortmund und der Chopin Gesellschaft Hannover. Im November 2009 wurde ihm zudem der renommierte Bayerische Kunstförderpreis des Staatsministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst verliehen. Zahlreiche Einladungen zu Soloabenden wie auch zu Orchesterkonzerten führten ihn in bedeutende Säle in Deutschland und im europäischen Ausland. Dazu zählen das Konzerthaus Berlin, der Gasteig in München, das Konzerthaus Dortmund, das Gewandhaus zu Leipzig und das Tschaikowsky Konservatorium Moskau. Ebenso wirkte er bei renommierten Festivals mit wie der Schubertiade Schwarzenberg/Hohenems, der Ansbacher Bachwoche und wie dem Piano aux Jacobins Festival in Toulouse. Seine Auftritte werden von der Presse hervorragend beurteilt. Der Rezensent der russischen Zeitung Molwa lobt seine pianistische Kultur und die Vielfalt seiner pianistischen Ausdrucksmöglichkeiten, seine Reife und seine glänzende Technik. Neben Rundfunk- und Fernsehaufnahmen erregten die CDs des jungen Pianisten besondere Aufmerksamkeit. Sie erschienen bei Sony Classical und Profil Edition Günter Hänssler mit Werken von Joh. Seb. Bach und der deutsch-österreichischen Romantik, die neben der Wiener Klassik die Schwerpunkte seines Repertoires bilden. Die Aufnahmen wurden in Presse und Rundfunk im In- und Ausland hoch gelobt. Das Fachmagazin Fono Forum zeichnete seine CD mit Werken von Mendelssohn, Schubert und Brahms mit dem Stern des Monats aus, und die ZEIT schrieb über seine 2011 zuletzt erschienene CD: Von allen Aufnahmen, die im vergangenen Jahr Franz Liszt in den Blick nahmen, ist das eine der feinsten. Die nächste Veröffentlichung für Profil-Edition Günter Hänssler mit Werken von Liszt, Brahms und Schumann ist für Anfang 2013 geplant. Zum Programm: Johann Sebastian Bachs (1685 1750) Beitrag zur Klaviermusik steht sowohl hinsichtlich des Umfangs als auch hinsichtlich des musikalischen Rangs im Zentrum aller musikalischen Kultur. Auch wenn sein Schaffen nach seinem Tod bis zur Wiederentdeckung im 19. Jahrhundert fast völlig in Vergessenheit geriet, so blieben vor allem Werke wie das Wohltemperierte Klavier einem kleinen Kreis von Kennern immer bekannt und stets höchster Maßstab und Vorbild. Philipp Spitta, Autor der großen zweibändigen Bach-Biographie aus den Jahren 1873 und 1880, sieht in ihm den letzten großen Suitenkomponisten: Er ist auch der größeste, den es überhaupt gegeben hat, der Vollender dieser Form nach allen Richtungen hin; als er gewesen war, gab es in der Claviersuite nichts neues mehr zu sagen, daher denn auch das jähe Verschwinden derselben aus der Kunstübung nach 1750. Nicht weniger als dreiundzwanzig solcher vielsätziger Werke sind vollständig auf uns gekommen. (*1, Bd.II, S. 632) 115

Johann Sebastian Bachs Klavierwerke gliedern sich in die beiden Teile des Wohltemperierten Klaviers mit Präludien und Fugen, die Unterrichtswerke der Inventionen und Sinfonien und auf der anderen Seite die drei sechsteiligen Zyklen der Französischen- und Englischen Suiten sowie der Partiten. Die Partiten bilden den ersten Teil der vierteiligen Clavierübung. Als Grundgerüst weisen Suiten und Partiten die vier stilisierten Tanztypen Allemande, Courante, Sarabande und Gigue auf. Darüber hinaus sind als besonderes Merkmal der Partiten die freien Eingangssätze wie Praeludium, Sinfonia, Fantasia, Ouverture oder Toccata zu nennen. Sowohl bezüglich der Französischen Suiten als auch der Inventionen und Sinfonien existieren Paralipomena (Anm.: Ergänzungen), die beweisen, mit welcher Sorgfalt der Meister für die Zyklen das Beste auswählte. Die Französischen Suiten entstanden noch in Koethen und sie erhielten ihren Namen erst später, höchstwahrscheinlich ohne Zutun von Bach wegen der knappen Formen ihrer Bestandteile...und des engen Anschlußes an den zu Grunde liegenden Tanztypus. (*2, Bd.I, S.767) Die Englischen Suiten wurden für einen vornehmen Engländer komponiert. Dies berichteten die Bach-Söhne dem bedeutenden Musikhistoriker Johann Nikolaus Forkel (1719 1818). Hiermit übereinstimmend steht in der Handschrift der Englischen Suiten von Johann Christian Bach auf dem Titel der A-Dur-Suite fait pour les Anglois. Nach Abschluß der Arbeiten an den Französischen Suiten im Jahr 1725 begann Bach sofort mit den Partiten, die den ersten Teil der Clavierübung bilden und die 1790 im Verzeichniß aller Musikalien, welche zu Berlin beim J.C. Rellstab zu haben sind, auch als Deutsche Suiten bezeichnet wurden. Im zweiten Teil der Clavierübung (1735) sind dann das Italienische Konzert und eine weitere Partita zusammengefaßt. Letztere bezeichnete Bach auch als Ouvertüre h- Moll, BWV 831. Orchesterpartien wurden üblicherweise nach ihren Anfangsstücken benannt, und Bach wollte, nach Spitta, keine neue Claviersuite schreiben, sondern ein Stück, in welchem die Orchesterpartie auf das Clavier übertragen erscheint. (*3) Der dritte Teil der Clavierübung (1739) sollte ursprünglich nur Orgelmusik enthalten, aber Bach fügte im Anhang noch vier Clavierstücke in Inventionenform an, die er hier aber Duette nannte. Spitta kommentiert:...sie sind außerdem aber in der offenliegenden Absicht geschrieben, zu zeigen, daß sich auch im zweistimmigen Clavierstück der größeste harmonische Reichthum mit voller Deutlichkeit entfalten lasse. (*4) Der vierte Teil der Clavierübung (1742) enthält die berühmten Goldberg-Variationen, die uns der italieni- 116

sche Pianist Andrea Bacchetti vor einigen Jahren so eindrucksvoll dargeboten hat und über deren Entstehungsgeschichte ich damals ausführlich berichtete. Spitta faßt zusammen: Wenn Bach in den Partiten aus der Entwicklung der Suitenform, in dem Italiänischen Concert aus der Form des Violinconzerts, in den Duetten aus der Invention seine letzten Consequenzen gezogen hatte, so that er es mit dem vierten Theile der Clavierübung aus der Variationenform. Dieser Theil enthält eine Arie mit 30 Veränderungen für Cembalo mit zwei Manualen. (*5) Ich bin Ihnen noch die Erläuterung schuldig geblieben, warum Bach für so bedeutende Werke den bescheidenen Begriff der Clavierübung verwendete und die Kompositionen des zweiten Teils der Clavierübung Partiten, und nicht wie oben erwähnt, Deutsche Suiten genannt hat. Bach nahm sowohl in seinen Kirchenkompositionen als auch in früheren Klavierwerken immer wieder Bezug auf seinen Vorgänger im Leipziger Amt, Johann Kuhnau (1667 1722). Dieser hatte schon 1689 und 1695 zwei damals sehr geschätzte Werke mit je sieben Clavier- Partien (Partiten) als Clavierübung veröffentlicht, so daß die Übernahme der Titel als Hommage aufzufassen ist und Bach auch öffentlich vor der Welt als Kuhnaus Nachfolger erscheinen wollte.(*6) Bach gab ab 1726 jedes Jahr eine Partita im Selbstverlag heraus und faßte sie 1731 als Opus 1 zusammen. Er verlegte sein Opus 1 und den dritten Teil der Clavierübung selbst. Nirgendwo ist der Name eines Kupferstechers angegeben. Daher darf man annehmen, daß Bach auch den Stich besorgte oder zumindest leitete. Die Teile zwei und vier der Clavierübung erschienen in Nürnberg. Zum Abschluß dieser Einführung möchte ich noch einmal Philipp Spitta zitieren: Die Mitwelt zeigte sofort für den Werth dieser köstlichen Gabe Verständniß. (Anm.: gemeint sind die Partiten) Die Neuheit der Gedanken und der Clavierthechnik erregten Staunen und Bewunderung. Ihnen gerecht werden zu können galt bald als höchstes Ziel der Clavierspieler, und `wer einige Stücke daraus recht gut vortragen lernte, konnte sein Glück in der Welt damit machen (Forkel). (*7) Wir dürfen uns darauf freuen, die ersten beiden Partiten zu hören. Das Gesamtschaffen von Franz Liszt (1811 1886) umfaßt circa 686 Werke. Darunter sind 350 eigene Kompositionen und 336 bearbeitete Werke anderer Komponisten. Unter diesen Bearbeitungen finden sich die partitions de piano, worunter Transkriptionen ursprünglich unterschiedlicher instrumentaler oder vokaler Besetzungen zu verstehen sind, die sich meist sehr genau an den Originaltext halten. Veränderungen und freie Bearbeitungen von Themen und Ideen anderer Komponisten nannte Liszt Fantasien. Natürlich gibt es zwischen den Transkriptionen und Fantasieen auch Werke, die dazwischen angesiedelt sind. Bereits im Text zum vierten Konzert habe ich auf die Bedeutung der Transkriptionen in der Musikpraxis des 19. Jahrhunderts hingewiesen. Wenn Liszt also das Publikum auf andere Komponisten und ihre Werke aufmerksam machen wollte, dann mußte er den Text so 117

übersetzen, daß er ihn auf dem Klavier realisieren konnte. Liszt verehrte ganz besonders Bach, Beethoven, Schubert und Berlioz, und so ist es nicht verwunderlich, daß er sie bei seinen Transkriptionen mit besonderer Aufmerksamkeit bedachte. Ich stütze mich bei diesem Artikel auf das zweibändige Standardwerk über Franz Liszt (*8) von Peter Raabe, das übrigens auch bei unserem Kuratoriumsmitglied, Prof. Hans Schneider, verlegt wurde, sowie auf die Biographie des französischen Forschers Serge Gut (*9). Dieser zitiert Liszts Gedanken zu den Transkriptionen und Liszts Begründung für seine Motive: Denn die Arrangements, welche bisher von großen Vokal- und Instrumentalkompositionen verfaßt wurden, verraten durch ihre Dürftigkeit und eintönige Leere das geringe Vertrauen, welches man in die Möglichkeiten dieses Instruments setzte. Schüchterne Begleitung, schlecht verteilte Melodiestimmen, verstümmelte Passagen und kümmerliche Akkorde verrieten eher den Geist Mozarts und Beethovens, als daß sie ihn übersetzt hätten. Wenn ich nicht irre, habe ich in der Klavierpartitur der `Symphonie fantastique zuerst den Entwurf eines anderen Verfahrens vorgelegt. Ich habe mich gewissenhaft bemüht, als ob es sich um die Übersetzung eines heiliges Textes handelte, auf das Klavier nicht nur das musikalische Gerüst der Symphonie zu übertragen, sondern auch alle Einzeleffekte und die Vielfalt harmonischer und rhythmischer Kombinationen. Die Schwierigkeit hat mich nicht abgeschreckt. Die Freundschaft und die Liebe zur Kunst gaben mir doppelten Mut. Obgleich ich mir nicht schmeichle, daß dieser erste Weg vorzeichnet und es in Zukunft nicht mehr erlaubt sein wird, die Werke der Meister so armselig zu arrangieren, wie man es bisher getan hat.[..] Was ich für die Symphonie von Berlioz unternommen habe, setze ich jetzt mit denen Beethovens fort. Wenn die meisten Arrangements, oder besser gesagt `Dérangements, nicht mehr möglich sind, wird diese Bezeichnung von Rechts wegen der Unzahl von Capricen und Fantasien zukommen, von denen wir überschwemmt werden und die nur aus wahllosen Anhäufungen bunt zusammengewürfelter Motive bestehen. Am Ende seines Lebens schrieb Liszt im Bewußtsein seiner Leistung auf dem Gebiet der Transkription, in einem Brief an Graf Zichy: `Die 50jährige Praxis des Handwerks der Transkiption (das ich beinahe erfunden habe) hat mich vielleicht gelehrt, wie man in dieser Gattung den richtigen Mittelweg zwischen dem Zuviel und dem Zuwenig halten muss. (*10) 118

Liszt hat Sechs Präludien und Fugen für die Orgel (BWV 543 548) von Johann Sebastian Bach ganz textnah übertragen, wobei er lediglich die Stimmen, die auf den Orgelpedalen gespielt werden, auf die Tastatur des Klaviers übertrug. Wir hören aus dieser Gruppe die Präludien und Fugen BWV 546/547 und 543. Nachdem er im Jahr 1853 die Arbeit an seiner bedeutenden h-moll-sonate abgeschlossen hatte, schrieb Liszt fast zehn Jahre lang nichts mehr für das Klavier. Lediglich 1859 legte er in Weimar ein bedeutendes Klavierwerk vor: das Präludium über Weinen, Klagen nach Johann Seb. Bach nach der gleichnamigen Kantate BWV 12. Dies wurde drei Jahre später, 1862, Ausgangspunkt für eine noch viel größere Komposition, die wir zum Abschluß unseres Konzerts hören werden: die Variationen über Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen von Joh. Seb. Bach. Liszt legte diesen Variationen den basso ostinato aus dem ersten Satz der gleichnamigen Kantate, BWV 12, zugrunde. Das kurze chromatische Motiv f-e-es-d-des-c, das auch in der h-moll-messe vorkommt. Aus diesem absteigenden Tetrachord mit lamento-charakter baut Liszt eine großartige Chaconne. Darin werden die sechs `schicksalhaften Noten jeweils in einem anderen harmonischen Kontext unerbittlich wiederkehren. Hier mehr noch als in dem imposanten Orgelwerk über B-A-C-H treibt der Komponist die chromatischen Kühnheiten bis zum Äußersten, so daß es an mehreren Stellen unmöglich ist, die jeweiligen Tonarten zu bestimmen...das Übermaß an Chromatik mündet wie die entsprechende Bachsche Kantate in den ruhigen diatonischen Choral `Was Gott tut, das ist wohlgetan, der das Werk abschließt ein Sinnbild der Macht des Glaubens, des wiedergefundenen Friedens und Vertrauens. Diese groß angelegte Komposition hinterläßt einen tiefen Eindruck. Liszt hat sie auch für Orgel transkribiert, und in dieser letzten Fassung wurde sie noch erfolgreicher als in der Urfassung. Übrigens ist nicht sicher, ob er die Klavierfassung als Vorstufe für die Orgelfassung gedacht hat. (*8) Wenn Sie mir wieder bis hierher durch dieses Heft gefolgt sind, so möchte ich mich sehr herzlich für Ihr Interesse und Ihre Geduld bedanken. Besonderen Dank schulde ich Herrn Prof. Dr. Dr. h.c.mult. Hans Schneider, bei dem ich alles finde, was ich für eine gründliche und fundierte Recherche benötige. Ebenso danke ich Frau Dr. Anne Seckel für ihr großes Interesse, Ihre Geduld und ein wohlwollendes `Lektorat. Zuletzt danke ich meiner Frau, die wie immer mit großer Geduld und Nachsicht meine `Schreiberei begleitete. Ich wünsche Ihnen noch einmal beglückende und berührende Konzerterlebnisse. *1 Philipp Spitta: Johann Seb. Bach, II. Bd., S. 632 *2 ebenda *3 ebenda Bd II, S. 644 *4 ebenda Bd II, S. 647 *5 ebenda Bd II S. *6 ebenda Bd.II, S. 635 *7 ebenda Bd.II, S. 643 *8 Serge Gut: Franz Liszt, Studio-Verlag, 2011 119