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Transkript:

Der Beirat gemäß 3 des Bundesgesetzes über die Rückgabe von Kunstgegenständen aus den Österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen, BGBl. I 181/1998, i.d.f. BGBl. I 117/2009, (Kunstrückgabegesetz), hat in seiner Sitzung vom 22. September 2010 einstimmig folgenden BESCHLUSS gefasst: Der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur wird empfohlen, das im gegenständlichen Dossier der Kommission für Provenienzforschung angeführte Werk, nämlich Jakob Alt Die Cholerakapelle bei Baden, 1832 IN 3662 Öl/Lwd, 51x67,5 cm aus der Österreichischen Galerie Belvedere an die Rechtsnachfolger von Todes wegen nach Ludwig Neurath zu übereignen. Begründung Der Kunstrückgabebeirat befasste sich bereits in seiner Sitzung vom 20. November 2009 mit dem gegenständlichen Fall. Auf Grund der damals vorliegenden Unterlagen sah es der Beirat jedoch nicht als erwiesen an, dass das gegenständliche Gemälde aus dem Eigentum von Ludwig Neurath stammt. Dem Beirat liegen nun neben dem im Oktober 2009 ergänzten Dossier der Kommission für Provenienzforschung eine Zusammenstellung der Kommission zu den Termini zurück bleiben / zurück bleibt in den Ausfuhrformularen der Zentralstelle für Denkmalschutz, eine ausführliche Stellungnahme der Abteilung für Restitutionsangelegenheiten der Israelitischen Kultusgemeinde Wien vom 23. Februar 2010 samt den Kopien des von ihr aufgefundenen Aktenbestandes des Österreichischen Staatsarchives (ÖStA, AdR, 04 Verkehr, Spedition Reitter, Zl. 1.082/11.035, Karton 18, Zl. 460, Ludwig Neurath) sowie ein hierauf aufbauender Nachtrag zum Dossier der Kommission für Provenienzforschung vor. Auf Grund dieser Unterlagen hat sich wie im Folgenden gezeigt wird die Beweislage derart verdichtet, dass der Beirat die Angelegenheit erneut behandelt.

Es ergibt sich nun der folgende Sachverhalt: Ludwig Neurath (1866-1941) wurde von den nationalsozialistischen Machthabern als Jude verfolgt. In seiner Vermögensanmeldung vom 15. Juli 1938 gab er unter anderem nicht näher genannte Teppiche, Tafelsilber, Porzellan, Gläser, Uhren und Gemälde im Wert von RM 11.800,-- an. In einem nicht datierten und in den Akten des Bundesdenkmalamtes nur fragmentarisch erhaltenen Schreiben des im Jahr 1938 für die Zentralstelle für Denkmalschutz tätigen Ivo Hans Gayrsperg übermittelte dieser der Zentralstelle eine Liste, über gute Wiener Maler in jüdischem Besitz. In dieser Liste die auch weitere Verfolgte betraf nannte er bei Ludwig Neurath unter anderem ein mit Jakob Alt, Oel a. Lwd., Cholerakapelle (interess. Zeitbild) beschriebenes Gemälde. Aus den neu aufgefundenen Unterlagen ergibt sich, dass Ludwig Neurath offensichtlich im Zusammenhang mit der Vorbereitung seiner Flucht am 1. März 1939 durch die Spedition Reitter 17 Kunstwerke der Zentralstelle für Denkmalschutz zur Begutachtung vorlegte. Eine maschinschriftliche Liste nennt unter Position 14 Jakob Alt, Cholerakapelle. Diese Position trägt den offensichtlich durch die Zentralstelle erfolgten handschriftlichen Zusatz phot, elf Positionen tragen den Zusatz frei, drei Positionen den Zusatz bleibt und je eine Position den Zusatz Albertina? bzw. Oesterr. Galerie?. Am 15. März 1939 wurden zwölf Stück Bilder über die Spedition Reitter an Ludwig Neurath zurückgestellt. Am folgenden Tag, nämlich am 16. März 1939, erstellte Eugen Primavesi für Ludwig Neurath ein umfassendes Schätzgutachten über verschiedene Kunst- und Ausstattungsgegenstände in dessen Wohnung in Wien I. Dieses Gutachten nennt unter anderen zehn mit Maßangaben versehene Teppiche sowie 53 Werke verschiedener, zum Großteil österreichischer Maler, unter diesen auch ein Gemälde von Jakob Alt, Die Cholera-Kapelle, Öl auf Leinwand, signiert. Von den 53 Werken im Gutachten Eugen Primavesis sind zwölf in Aquarelltechnik, 16 in der Technik Öl auf Leinwand, zwölf in der Technik Öl auf Holz, vier in der Technik Öl auf Karton, ein Pastell, eine Farbstiftzeichnung, eine Radierung und drei Werke auf Elfenbein ausgeführt. Ein Werk (Amerling, Mädchenkopf) ist mit Öl-Leinwand auf Karton aufgezogen und zwei Werke (Wiesinger-Florian, Parkansicht, und Bürgel, Baumlandschaft) sind ohne Angaben zur Technik angeführt. Bei der Position des Gemäldes von Jakob Alt wurde wie auch bei anderen Positionen, worauf noch eingegangen wird die Wertangabe handschriftlich gestrichen und auf 0 gesetzt.

Weiters findet sich in dem neu aufgefundenen Bestand eine von Ludwig Neurath handschriftlich auf einem Vordruck der Spedition Reitter erstellte Liste von Gegenständen, die für die Übersiedlung bestimmt waren. Die Liste, die einen Datumsstempel mit 15. Mai 1939 trägt, der möglicherweise als Eingangsstempel der Spedition Reitter zu interpretieren ist, nennt sieben mit Maßangaben versehene Teppiche sowie nach den Ausführungstechniken gegliedert die Stückzahlen der Bilder. Aus den Maßangaben der sieben angeführten Teppiche ist zu schließen, dass es sich um jene handelte, die im Gutachten von Eugen Primavesi nicht gestrichen wurden. Bei den Bildern wurden die ursprünglich höhere Stückzahlen je Technik später korrigiert (ausgenommen Miniaturen auf Elfenbein, die unverändert mit zwei angegeben blieben). Konkret werden genannt zwölf (korrigiert von 14) Bilder in der Technik Öl auf Holz, 15 (korrigiert von 18) Bilder in der Technik Öl auf Leinwand, zwei (korrigiert von drei) Bilder in der Technik Öl auf Karton, elf (korrigiert von zwölf) Aquarelle, zwei Miniaturen auf Elfenbein, ein (korrigiert von zwei) Pastell. Als Zeitpunkt der Anschaffung wird in einer gesonderten Spalte für alle Bilder zwischen 1902 und 1919 angegeben. Am 12. Mai 1939 ersuchte die Direktion der Österreichischen Galerie beim Reichsstatthalter um Genehmigung, ein Ölgemälde von Ferdinand Georg Waldmüller verkaufen zu dürfen, um zwei andere Werke Waldmüllers und eine Landschaft von Jakob Alt erwerben zu können. Die Gemälde sind nicht näher genannt. Die Genehmigung zum Verkauf wurde mit Schreiben des Reichsstatthalters vom 19. Mai 1939 erteilt. Bereits zuvor, nämlich am 13. Mai 1939, hatte die Kunsthändlerin Marie Wolfrum den Erhalt von RM 650,-- für das heute in der Österreichischen Galerie befindliche Gemälde von Jakob Alt, Die Cholarakapelle bei Baden, bestätigt. Mit diesem Gemälde, das in der Technik Öl auf Leinwand ausgeführt, signiert und mit 1832 datiert ist, war offensichtlich die im Schreiben vom 12. Mai 1939 genannte Landschaft gemeint. Am 21. Juni 1939 teilte Ludwig Neurath der Spedition Reitter weitere Änderungen seines Umzugsguts mit. (Die Mitteilung trägt einen Datumsstempel vom selben Tag, der jenem auf dem handschriftlich ausgefüllten Vordruck der Spedition Reitter gleicht, und daher ebenfalls als Eingangsstempel interpretiert werden kann.) Aus dieser Mitteilung ergibt sich, dass nun elf Aquarelle, zwölf Bilder Öl auf Leinwand, elf Bilder Öl auf Holz, ein Pastell, zwei Miniaturen auf Elfenbein und zwei Bilder Öl auf Karton ausgeführt werden sollen. Diese Stückzahlen entsprechen jenen Stückzahlen, die sich nach den erwähnten Streichungen im Gutachten von Eugen Primavesi ergeben, lediglich bei der Technik Öl auf Holz verbleiben dort 14 Bilder (statt zwölf). Ein Teil des Eigentums von Ludwig Neurath wurde am 23. Juni 1939 von der Spedition Reitter für den Transport nach Hamburg übernommen, die Ausfuhr von einem Aquarell, fünf Ölbildern und einem Pastell, welche offensichtlich für diese Sendung vorgesehen waren, war von der

Zentralstelle für Denkmalschutz mit Bescheid vom 7. Juli 1939 bewilligt worden. Das übrige Eigentum wurde durch die Spedition Reitter Ende August 1939 versendet. Ludwig Neurath, der ab 19. Juni 1939 in einer Pension in Wien VIII. gemeldet war, meldete sich am 22. August 1939 nach London ab. In einem Schreiben vom 29. August 1939 teilte die Spedition Reitter Ludwig Neurath (bereits an eine Londoner Adresse gerichtet) mit, dass der Lift via Bremen erfolgen soll. Aus den übrigen Unterlagen scheint sich zu ergeben, dass die Versendung schließlich via Triest erfolgte. In einer Liste zu diesem Lift sind lediglich sieben P.Bilder genannt. Die Bewilligung der Zentralstelle für Denkmalschutz vom 21. August 1939 nennt 27 Ölbilder, zwei Miniaturen, zehn Aquarelle, ein Pastell, sieben Teppiche, zwei Bronzen, zwei Gipsplastiken. Mit dem Vermerk zurück bleiben werden in der Bewilligung genannt: 1.) Aquarell, Zigeunermädchen v. Pettenkofen 2.) Ölskizze: Karl V als Mönch v. P. Fendi 3.) Joh. Ender 1847: ital. Auswanderer 4.) Fr. Eybl: Männerporträt, Aquarell 5) Jakob Alt: Cholerakapelle, Aquarell 1832. Ludwig Neurath verstarb 1941 im Exil. Da in der ursprünglichen Liste, welche die Vorlage an die Zentralstelle für Denkmalschutz begleitete, zum Werk Jakob Alts der Vermerk phot. gesetzt wurde, wurde durch das Büro der Kommission für Provenienzforschung nachgefragt, ob im Bundesdenkmalamt eine Fotografie dieses Werkes vorhanden sei. Eine entsprechende Fotografie konnte jedoch nicht gefunden werden. Weiters ergibt sich aus der erwähnten Zusammenstellung des Büros der Kommission für Provenienzforschung zu den Begriffen zurück bleibt / zurück bleiben in den Ausfuhrformularen der Zentralstelle für Denkmalschutz, dass mit diesen der Zentralstelle bekannte Werke bezeichnet wurden, welche jedoch im Zeitpunkt des Ausstellens der Bewilligung nicht mehr Gegenstand eines Ausfuhrbewilligungsansuchens waren. Der Beirat hat erwogen: Aus dem nun vorliegenden Gutachten von Eugen Primavesi ergibt sich eindeutig, dass Ludwig Neurath am 16. März 1939 Eigentümer eines Gemäldes von Jakob Alt, Die Cholerakapelle, ausgeführt in der Technik Öl auf Leinwand und signiert, war. Da Eugen Primavesi im Gutachten ausdrücklich von einer Besichtigung der Gegenstände in der Wohnung Ludwig Neuraths spricht,

ist davon auszugehen, dass dieses Gemälde zu jenen zwölf Bildern zählte, die am Vortag von der Zentralstelle nach der ausfuhrrechtlichen Überprüfung zurückgestellt worden waren. Zu prüfen ist allerdings, ob das im Eigentum von Ludwig Neurath gestandene Gemälde ident ist mit jenem, welches im Mai 1939 von der Österreichischen Galerie erworben wurde und sich noch heute dort befindet. Der Beirat setzt voraus, dass Ludwig Neurath wie andere Verfolgte auch Teile seiner Kunstsammlung zur Vorbereitung der Flucht veräußerte. Im Gutachten von Eugen Primavesi sind bei einigen Positionen Streichungen vorgenommen. Es liegt nahe, dass diese Streichungen jene Gegenstände bezeichnen, die nicht der Spedition übergeben wurden, etwa weil sie von Ludwig Neurath verkauft wurden. Diese Annahme wird bestätigt, wenn man die Streichungen mit den Stückzahlen je Technik jener Bildern vergleicht, die laut der Mitteilung Ludwig Neuraths vom 21. Juli 1939 an die Spedition Reitter gingen: Es zeigt sich nicht nur, dass Ludwig Neurath weniger Kunstwerke zur Versendung übergab, als er laut dem Gutachten von Eugen Primavesi (am 16. März 1939) besessen hatte, sondern dass diese Stückzahlen mit den im Gutachten nicht gestrichenen Bildern in Einklang zu bringen sind. (Lediglich bei der Technik Öl auf Holz sind um zwei weniger Bilder gestrichen, als in der Mitteilung genannt.) Eine dieser Streichungen betrifft das laut den Angaben Eugen Primavesis in der Technik Öl auf Leinwand ausgeführte und signierte Gemälde von Jakob Alt, welches die Cholerakapelle darstellt. Die Beschreibung dieses Gemäldes bei Eugen Primavesi trifft auf das im Mai 1939 von der Österreichischen Galerie aus dem Kunsthandel erworbene Gemälde zu. Als eine weitere Übereinstimmung ergibt sich, dass das heute in der Österreichischen Galerie befindliche Gemälde im Mai 1914 im Auktionshaus Wawra zur Veräußerung gelangt war und Ludwig Neurath für sein Gemälde gegenüber der Spedition Reitter einen Anschaffungszeitraum zwischen 1902 und 1919 angab. Da das Gutachten von Eugen Primavesi am 16. März 1939 erstellt wurde und die Änderungen im Umzugsgut bis 21. Juni 1939 stattfanden, fällt der Ankauf des Gemäldes durch die Österreichische Galerie im Mai 1939 in jenen Zeitraum, in welchem die Streichung des Gemäldes im Gutachten erfolgt sein musste. (Da bereits die handschriftlich ausgefüllte, mit dem Datumsstempel vom 15. Mai 1939 versehene Liste Veränderungen dokumentiert, die auch Bilder in der Technik Öl auf Leinwand betreffen, spricht auch diese Liste nicht gegen die Identität des von der Österreichischen Galerie erworbenen Bildes mit jenem aus dem Eigentum Ludwig Neuraths.)

Die Identität der Gemälde wird auch durch den Umstand gestützt, dass auf das Gemälde im Eigentum von Ludwig Neurath bereits durch das Schreiben von Ivo Hans Gayrsperg an die Zentralstelle für Denkmalschutz aufmerksam gemacht wurde: Darin kann zumindest ein Indiz für die Bedeutung des Gemäldes von Ludwig Neurath für die öffentlichen Sammlungen gesehen werden. Weiters folgt der Beirat den Erläuterungen zur Verwendung der Termini zurück bleibt / zurück bleiben in den Ausfuhrformularen der Zentralstelle für Denkmalschutz. Die Erklärung dieser Termini stimmt mit der Annahme überein, dass im Zeitpunkt der Ausstellung der Ausfuhrbewilligung, nämlich am 21. August 1939, das Gemälde bereits von Ludwig Neurath verkauft war. Die Bezeichnung des Gemäldes in dem Formular als Aquarell ist damit z.b. als Abschreibefehler erklärbar, weil das Werk der begutachtenden Beamtin der Zentralstelle nicht mehr vorliegen konnte. (Die irrtümliche Annahme, dass es sich bei einem Werk von Jakob Alt um ein Aquarell handelt, ist im Hinblick auf dessen Bedeutung als Aquarellist durchaus naheliegend. Jedenfalls geht aus keinem der vorliegenden Dokumente hervor, dass Ludwig Neurath auch ein derartiges Aquarell gehörte. Die im Ausfuhrformular angegebene Datierung mit 1832 stimmt wiederum mit jener des von der Österreichischen Galerie erworbenen Gemäldes überein.) Der Beirat sieht es daher als erwiesen an, dass das am 16. März 1939 im Eigentum von Ludwig Neurath gestandene Gemälde ident mit jenem Gemälde ist, welches von der Österreichischen Galerie im Mai 1939 aus dem Kunsthandel erworben wurde. Die Veräußerung des Gemäldes durch den von den nationalsozialistischen Machthabern verfolgten Ludwig Neurath im Frühjahr 1939 ist jedenfalls als ein nichtiges Rechtsgeschäft im Sinne des 1 Nichtigkeitsgesetz 1946 zu qualifizieren. Der Beirat sieht somit den Tatbestand des 1 Abs. 1 Zif. 2 Kunstrückgabegesetz als erfüllt an. Die Übereignung des gegenständlichen Gemäldes an die Rechtsnachfolger von Todes wegen nach Ludwig Neurath war daher zu empfehlen. Wien, am 22. September 2010 Univ.Prof. Dr. Dr.h.c. Clemens Jabloner (Vorsitzender) Mitglieder: Ersatzmitglieder:

Ministerialrätin Dr. Ilsebill BARTA Mag. Dr. Christoph HATSCHEK Univ.Doz. Dr. Bertrand PERZ Univ.-Prof. Dr. Artur ROSENAUER Dr. Franz Philipp SUTTER Generalanwalt i.r. Dr. Peter ZETTER