Brich dem Hungrigen dein Brot Predigt über Jes.58, 7-12 Mascherode, Erntedank 2011

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PRESSESTELLE Textservice zur Pressemitteilung Nr. 176/2017

Der Text also, beim Propheten, der damals empfing, was uns heute, zum Empfang, zu hören und zu denken gibt:

Nächstenliebe. Predigt zum Erntedankfest 2017 Jesaja 58, 7 12

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Predigt zum Erntedankfest 2011 zu Jesaja 58,7-12 Danken - teilen - beschenkt werden

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Johannesevangelium 1,1

Transkript:

Brich dem Hungrigen dein Brot Predigt über Jes.58, 7-12 Mascherode, Erntedank 2011 Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus! Wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn, und entzieh dich nicht deinem Fleisch und Blut! 8 Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Heilung wird schnell voranschreiten, und deine Gerechtigkeit wird vor dir hergehen, und die Herrlichkeit des HERRN wird deinen Zug beschließen. 9 Dann wirst du rufen und der HERR wird dir antworten. Wenn du schreist, wird er sagen: Siehe, hier bin ich. Wenn du in deiner Mitte niemand unterjochst und nicht mit Fingern zeigst und nicht übel redest, 10 sondern den Hungrigen dein Herz finden lässt und den Elenden sättigst, dann wird dein Licht in der Finsternis aufgehen, und dein Dunkel wird sein wie der Mittag. 11 Und der HERR wird dich immerdar führen und dich sättigen in der Dürre und dein Gebein stärken. Und du wirst sein awie ein bewässerter Garten und wie eine Wasserquelle, der es nie an Wasser fehlt. 12 Und es soll durch dich wieder aufgebaut werden, was lange wüst gelegen hat, und du wirst wieder aufrichten, was vorzeiten gegründet ward; aund du sollst heißen:»der die Lücken zumauert und die Wege ausbessert, dass man da wohnen könne«.

Liebe Schwestern und Brüder, uralt ist die Mahnung: wenn du zu essen hast und es dir gut geht, dann kümmere dich auch um die, die wenig oder gar nichts haben. Schon im Alten Testament gibt es soziale Gebote, z.b. wird da gesagt: Wenn du Korn erntest, dann lass ein bisschen was stehen, damit die Armen es sich abholen können. Jesus nimmt unseren Jesaja-Text auf und zählt die christlichen Werke der Nächstenliebe auf: Hungrige speisen, Durstigen zu trinken geben, Fremde aufnehmen, Nackte kleiden, Kranke und Gefangene besuchen. Almosen zu geben zählt zu den fünf Säulen des Islam. Dass die Armen mit versorgt werden sollen, findet sich in den Heiligen Schriften fast aller Religionen. Und das ist ja auch verständlich, zumindest war es verständlich in der Zeit, in der das Alte und das Neue Testament und dann auch der Koran geschrieben wurden. Bevor es also den Sozialstaat gab und Arme, Arbeitslose und Witwen keinerlei gesetzlich geregelte Unterstützung bekamen, sondern auf Wohltätigkeit angewiesen waren. Aber die Frage ist: gilt das auch noch in unserer Zeit, in der die soziale Fürsorge ja längst staatlich geregelt ist? Gilt das auch in unserem Land, wo Armut ja nicht bedeutet, dass man verhungert, sondern dass man sozial benachteiligt ist? Gilt das auch in Europa, wenn es etwa um die Frage geht, ob wir als Deutsche Griechenland finanziell unterstützen sollen, das reiche Land das ärmere? Ich habe da einige Schwierigkeiten. Wenn ich auf die Idee gekommen wäre, mich im Alter von 55 Jahren pensionieren

zu lassen, dann hätte ich auch nicht erwartet, das gleiche zu bekommen wie jemand, der mit 65 in den Ruhestand geht. Oder wenn ich in der Fußgängerzone von jungen Männern und Frauen angesprochen werden, die völlig gesund sind und ganz fröhlich fragen: Hast du mal ne Spende? Da möchte ich dann auch sagen: Klar, aber nur für Leute, die das Geld wirklich brauchen. Also das hat schon zwei Seiten: auf der einen Seite die Verpflichtung abzugeben, zu teilen mit denen, die es wirklich brauchen. Euer Überfluss diene ihrem Mangel heißt es im Neuen Testament. Besitz verpflichtet, sich um die Besitzlosen zu kümmern. Das kann man aber nicht umkehren und sagen: Dann kümmere ich mich als gläubiger Mensch nicht um meinen Lebensunterhalt und lass die Anderen für mich sorgen. Die Arbeitenden und Besitzenden. Paulus hat in seinen Briefen sehr viel Wert darauf gelegt, dass er den Gemeinden, in denen er gepredigt, nie auf der Tasche gelegen hatte, sondern seinen Beruf als Zeltmacher weiterhin ausgeübt hätte. Es kann also nicht darum gehen, allen das Gleiche zu geben. Das mag in besonderen Gemeinschaften funktionieren, zum Beispiel in Klöstern (obwohl ich gehört habe, auch da gibt es schnell man Streit, wer sich was leisten darf). Aber unserer menschlichen Natur entspricht eben doch mehr der Wettbewerb. Wer etwas leistet, möchte dafür auch mehr bekommen. Der Egoismus ist ein fester Bestandteil unseres Wesens. Auch Jesus geht davon aus, wenn er sagt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Damit ist ja nicht gemeint: du sollst erst mal anfangen, dich selbst zu lieben, und dann kannst du auch deinen Nächsten lieben (das

ist ja dieser beliebte pseudopsychologische Schnack: Du musst erst mal dich selbst lieben, dann kannst du auch die Anderen lieben), sondern gemeint ist natürlich: So selbstverständlich, wie du dich selbst liebst, sollst du nun auch deinen Nächsten lieben. Dass wir etwas aus uns machen wollen, dass wir auch uns etwas verdienen wollen, ist Grundbestandteil unseres Wesens. Daran ist etwa die sozialistische Idee gescheitert. Die ehemaligen kommunistischen Länder haben längst angefangen, den Privatbesitz und die Eigeninitiative zu fördern. Nun auch offiziell, denn die Machthaber hatten ja schon vorher durchaus nichts gegen Privilegien einzuwenden gehabt. Und dahinter steckt auch nicht nur materielles Denken. Es ist auch das Bedürfnis nach Freiheit, nach Selbstentfaltung, nach Erfolg und Ansehen. Wer sich nach Kräften bemüht, möchte auch etwas davon haben, möchte auch sehen, dass es sich lohnt. Allerdings mag es sein, dass nun in den nächsten Jahren der Kapitalismus scheitert, weil zu viele Menschen, die überhaupt nichts produzieren, sondern nur spekulieren, zu leicht an Geld kommen. Es ist absolut nicht einzusehen, dass jemand, der an der Börse wettet (und zwar mit anderer Leute Geld) ein Hundertfaches verdient von dem, was ein Arbeiter am Fließband verdient oder was eine Pflegerin im Altenheim mit harter Arbeit verdient. Es geht also nicht nur um Almosen, um soziale Hilfe, es geht auch und in erster Linie um Gerechtigkeit. Und da muss man sich den Predigttext noch einmal genauer ansehen. Auch den

zeitgeschichtlichen Hintergrund. Es ist die Zeit nach dem Babylonischen Exil. So um 520 vor Christus. Der Perserkönig Darius I hat kurz zuvor die Juden aus der Gefangenschaft nach Haus ziehen lassen. Nach 70 Jahren! Nur die Ältesten erinnern sich überhaupt noch an ihr Heimatland Israel. Aber die ganze Zeit über hat man diese Hoffnung von Generation zu Generation weitergegeben: Irgendwann kehren wir zurück in unser Land, in das Heilige Land. Man hat sich ausgemalt, wie schön das wird, wenn man wieder Jerusalem und den Tempel besuchen kann. Und wenn man wieder das eigene Land beackern kann. Und jetzt ist diese Zeit endlich da, und sie sind wieder zu haus. Nur: nichts ist so schön, wie man sich das ausgemalt hatte. Der Tempel liegt immer noch in Trümmern, die Stadtmauer ist nicht aufgebaut, auch der Palast des Königs steht noch nicht wieder, diejenigen, die nicht in die Kriegsgefangenschaft geführt wurden, haben in den letzten 70 Jahren nicht allzu viel getan. Nur eins haben sie getan, sie haben natürlich das ganze Land unter sich aufgeteilt. Und die, die zurückkommen, müssen sehen, wie sie sich wieder eine Existenz aufbauen. Sie brauchen Land, sie brauchen ein Dach über den Kopf, sie brauchen etwas zu essen. Und das bedeutet zumeist: sie müssen sich als Tagelöhner verdingen bei denen, die nun das Land haben. Und die zahlen natürlich nicht besonders viel, denn es gibt viel mehr Arbeitssuchende als Arbeit. Das heißt: es herrscht eine große soziale Ungerechtigkeit, viele sind bettelarm, haben wirklich kein Dach über dem Kopf und nichts anzuziehen. Aber auch den Besitzenden geht es

nicht besonders gut, denn das Land liegt in einem tiefen Unfrieden, es geht nicht aufwärts. Und die Frommen fragen: Warum? Warum hilft uns Gott nicht endlich? An dieser Stelle meldet sich nun der Prophet zu Wort und sagt, was zu tun ist: Brich dem Hungrigen dein Brot, führ den Obdachlosen in dein Haus, wenn du jemand nackt siehst, dann kleide ihn Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte und deine Heilung schnell voranschreiten und deine Gerechtigkeit wird vor die hergehen. Es geht nicht um Almosen, es geht um Gerechtigkeit. Eine Gesellschaft, in der jeder das Recht und die Möglichkeit hat, etwas aus seinem Leben zu machen. Auch das Recht, für harte Arbeit guten Lohn zu erhalten. Ich habe das Gefühl: Bei uns wird immer eine Seite stillschweigend weggelassen. Entweder die Leistung oder der Lohn. Es gibt Menschen, wenn die das Wort Leistung hören, fragen sie immer gleich: Wo kann ich die beantragen? Leistung ist dann immer Sozialleistung. Nach dem Motto: die Gesellschaft schuldet mir das. Nur: die Gesellschaft, das sind wir alle. Man kann nicht mehr aus dem Kuchen rausschneiden, als man reingebracht hat. Und das Andere ist: diejenigen, die arbeiten, dürfen auch nicht das Gefühl haben, die Dummen zu sein. Und wer Arbeit will, muss auch die Möglichkeit haben, Arbeit zu bekommen. Wer Kinder hat und damit die Zukunft des Landes sichert, muss auch angemessen unterstützt werden. Und wer nur spekuliert und damit Arbeitsplätze gefährdet, muss auch zur Rechenschaft gezogen werden und mit seinem eigenen Vermögen haften, wenn er andere um ihr Geld oder um ihre Arbeitsplätze gebracht hat. Wo ungerechte Strukturen sind,

wo die Gesetze keinen Schutz vor Willkür bieten, da kann nichts heil werden. Unter einem schmutzigen Verband wird die Wunde nicht heilen. Die Worte des Propheten Jesaja erreichen uns aus einer Entfernung von 2500 Jahren. Immer noch feiern wir Erntedankfest. Immer noch freuen wir uns über Gottes Gaben. Und immer noch hören wir die Ermahnung: Teilt die Gaben Gottes gerecht, nur dann wird aus Reichtum auch Segen. Amen.