FACING INDIA. Lehrer*innenmaterial

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Transkript:

Lehrer*innenmaterial FACING INDIA Vibha Galhotra (*1978), Bharti Kher (*1969), Prajakta Potnis (*1980), Reena Saini Kallat (*1973), Mithu Sen (*1971) und Tejal Shah (*1979)

1. DIE AUSSTELLUNG Die Ausstellung Facing India zeigt raumgreifende Werke, Installationen, Skulpturen und Zeichnungen von sechs zeitgenössischen indischen Künstlerinnen. Vibha Galhotra, Bharti Kher, Prajakta Potnis, Reena Saini Kallat, Mithu Sen und Tejal Shah lenken in ihren multimedialen Werken die Aufmerksamkeit auf unterschiedliche gesellschaftliche und soziale Spannungen. Das Thema der Grenzen bildet das Leitmotiv und zieht sich wie ein roter Faden durch die Ausstellung. Doch was verstehen die Künstlerinnen und auch wir unter dem Begriff Grenze? Im Duden lässt sich folgende Bedeutungsübersicht finden: 1. a) (durch entsprechende Markierungen gekennzeichneter) Geländestreifen, der politische Gebilde (Länder, Staaten) voneinander trennt b) Trennungslinie zwischen Gebieten, die im Besitz verschiedener Eigentümer sind oder sich durch natürliche Eigenschaften voneinander abgrenzen c) nur gedachte Trennungslinie unterschiedlicher, gegensätzlicher Bereiche und Erscheinungen o.ä. 2. Begrenzung, Abschluss[linie], Schranke Der Begriff Grenze ist ein vieldeutiger Begriff, der in den Werken der Künstlerinnen in jeglicher Hinsicht verhandelt wird seien es politische, territoriale, ökologische, religiöse, soziale, persönliche oder Geschlechtergrenzen. Die Geschichte dieser Grenzen, ihre Sichtbarkeit oder Unsichtbarkeit, ihre Legitimität und nicht selten ihre Auflösung sind das Thema der in Facing India gezeigten Werke. Dabei wird deutlich, dass sowohl negative, als auch positive Grenzen existieren. In einer zunehmend globalisierten Welt sozialisiert und ausgebildet, beschränken sich die Künstlerinnen in ihren Grenzkontrollen nicht mehr allein auf Indien, sondern greifen auf andere Länder und Kontinente aus. Staat, Gesellschaft und Individuum, Identitäts- sowie Umweltfragen werden hinterfragt. Was sind meine persönlichen Grenzen? Wodurch grenze ich mich von anderen ab? Kann ich eine eigene Identiät ohne Abgrenzung ausbilden? Was sind Grenzüberschreitungen? Die Ausstellung zeigt, dass Grenzen flexibler Natur und somit veränderbar sind. Grenzen können also nicht nur überquert, sondern auch überwunden werden.

2. DIE KÜNSTLERINNEN Vibha Galhotra Geboren 1978 in Chandigarh Lebt und arbeitet in Delhi Ausbildung 2001 Master of Fine Arts, Kala Bhavana, Visva - Bharati Santiniketan 1999 Bachelor of Fine Arts Government College of Art, Chandigarh Ich mache einfach meine Arbeiten, auch wenn mir das Wort Ökofeministin irgendwie gefällt. Bharti Kher Geboren 1969 in London Lebt und arbeitet in Neu-Delhi Ausbildung 1988-91 Bachelor of Fine Arts, Honors (Malerei), Newcastle Polytechnic 1987/88 Middlesex Polytechnic, Cat Hill London Indien fordert und ermüdet mich und gleichzeitig prägt es mich immer noch. Prajakta Potnis Geboren 1980 in Thane Lebt und arbeitet in Mumbai Ausbildung 2000-02 Master of Fine Arts (Malerei), Sir J.J. School of Art, Mumbai 2000 Film Appreciation Course, Film and Television Institute of Indi (FTII), Pune 1999-00 Bachelor of Fine Arts (Malerei), Sir J.J. School of Art, Mumbai Mir war klar, dass die Küche für die Weiterführung des Dialogs zwischen dem Persönlichen und Politischen ein Raum mit viel Potenzial ist.

Reena Saini Kallat Geboren 1973 in Delhi Lebt und arbeitet in Mumbai Ausbildung 1996 Bachelor of Fine Arts (Malerei), Sir J.J. School of Art, Mumbai Wir sind eine komplexe Ansammlung von Unvollkommenheiten und Dualitäten. Mithu Sen Geboren 1971 in Westbengalen Lebt und arbeitet in Neu-Delhi Ausbildung 2000/01 Postgraduierten-Programm (Gast), The Glasgow School of Art, Mumbai 1997 Master of Fine Arts (Malerei), Kala Bhavana, Visva-Bharati, Santiniketan Ich möchte necken, provozieren und Unbehagen hervorrufen, ich möchte spielen. Tejal Shah Geboren 1979 in Bhilai Lebt und arbeitet in Neu-Delhi Ausbildung 2016 Meister buddhistische Philosophie in der Nalanda-Tradition, Tibet House, N.-D. 1999-00 Austauschstudentin (Fotografie, Video, Film) School of the Art Institute o Chicago 1998-00 Bachelor of Fine Arts (Fotografie), Royal Melbourne Institute of Technology Für mich kann und darf kein Etikett die eigene Entfaltung einschränken oder die Möglichkeit, etwas zu werden beziehungsweise nicht mehr zu sein.

Zur Orientierung: Die Geburtsorte der Künstlerinnen

3. THEMEN DER AUSSTELLUNG 3.1 MENSCH UND UMWELT Indiens Wirtschaft wächst und das Land entwickelt sich rasant schnell. Viele Bewohner*innen verlassen die ländlichen Gegenden und ziehen in die großen Metropolen, wie die Hauptstadt Indiens Neu-Delhi oder Mumbai. Durch die Verstädterung und Industrialisierung steigt die Umweltbelastung, obwohl Indien über eine moderne Umweltgesetzgebung verfügt. Neu-Delhi wurde 2014 als Metropole mit der stärksten Luftverschmutzung weltweit von der Weltgesundheitsorganisation eingestuft. Neben der Luftverschmutzung werden die Flüsse durch giftige Industrieabfälle und Tonnen von Haushaltsmüll stark verunreinigt. Eine umweltverträgliche Gestaltung des Wachstums Indiens ist für das globale Klima jedoch von entscheidender Bedeutung. Die Künstlerin Vibha Galhotra weist in ihren Arbeiten auf die unterschiedlichen Umweltprobleme hin. Im Winter 2008 war die Stadt Delhi in einer Wolke aus Smog gehüllt, woraufhin die Menschen das Gefühl hatten zu ersticken. Die Medien nahmen dieses zum Anlass auf den Weltuntergang im Jahr 2012 zu verweisen. Die Künstlerin begann daraufhin mit ihren Recherchen und stieß dabei auf eine Prophezeiung des Mediziners und Gelehrten Nostradamus (1503-1566), in der dieserer darauf verwies, dass Menschen zukünftig Schweinschnauzen wachsen werden. Durch den Einsatz von Sauerstoffmasken realisiert sie dieses Bild in ihrer Arbeit und verweist dabei auf eine Zukunft, in der das Tragen von Sauerstoffmasken zur Realität wird. Vibha Galhotra: Acceleration, 2017, Ghungroos, Stoff, Holz, Stahl Vibha Galhotra: Negotiated Necessities, 2008, Fotografie 2004 publizierte der amerikanische Forscher Prof. Will Steffen seine Forschungsergebnisse unter dem Titel Great Acceleration. Dabei handelt es sich um Grafiken, die den Klimawandel von 1750 bis 2004 darstellen. Dabei ist eine deutliche Veränderung des Ökosystems und der Atmosphäre der Erde durch den Wandel des sozioökonomischen Handelns und des menschlichen Konsumverhaltens ab 1950 feststellbar. Das Jahr 1950 stellt eines der möglichen Anfangsdaten des Anthropozäns, dem Zeitalter, in dem der Einfluss der Menschen auf das Ökosystem am deutlichsten ist, dar. Die Graphen dieser Studie bilden die Grundlage für die Arbeit Acceleration von 2017 und verschmelzen in dieser zu einer Welle, bestehend aus kleinen Glöckchen, den sogenannten Ghungroos, die indische Tänzerinnen an den Fußfesseln tragen. Die schimmernden Glöckchen verweisen auf unser Konsumverhalten und ästhetisieren so das Resultat des unverantwortlichen menschlichen Handels bezüglich der Umwelt. Die Arbeit Neo-Camouflage kann als ironischer Kommentar der Künstlerin in Hinblick auf die Urbanisierung der Welt gedeutet werden: Ich stelle mir vor, dass es notwendig ist, die militärische Camouflage neu zu erfinden, da sich diese nun in den Betondschungel und weniger in eine natürliche Umwelt einfügen muss. Vibha Galhotra: Neo Camouflage, 2008, Digitaldruck auf Stoff, Vinyl, Schaufenstepuppen, Schuhe, Gürtel

3.2 GRENZEN Reena Saini Kallat: Cleft, 2017, Tusche, Stromkabel auf handgeschöpftem Papier 1947 wurde Britisch-Indien im Zuge der Unabhängigkeit in Indien und Pakistan geteilt. Mehrere Millionen Menschen wurden vertrieben, mussten fliehen und fielen den damit einhergehenden Gewaltexzessen zum Opfer. Territorialkonflikte sind ein menschliches Problem und finden in der Naturwelt keine Entsprechung. So entwirft die Künstlerin Reena Saini Kallat in ihrer Arbeit Hyphenated Lives ein Naturkundemuseum mit Zeichnungen und Collagen unterschiedlichster Pflanzen und Tiere, die erst auf den zweiten Blick als Hybride zu erkennen sind. So vereint die Künstlerin die Nationaltiere verfeindeter Länder und kreiert neue Kreuzungen (z.b. TI- KHOR vereint Tiger und Markhor (Schraubenziege), die Nationaltiere Indiens und Pakistans). Der eingefügte Stacheldraht verweist auf die realen territorialen Grenzen. Dass Grenzen für die indische Gesellschaft von besonderer Bedeutung sind, wird anhand des Zitats der Schriftstellerin Arundhati Roy deutlich: Ganz Indien dreht sich um Grenzen. Im Westen hält man Indien fälschlicherweise für eine anarchische, chaotische Gesellschaft. Dabei ist Indien ein Meister im Grenzenziehen. (...) die Gesellschaft ist strikt in 4000 unterschiedliche Kasten geteilt. Weniger als fünf Prozent heiraten jemanden aus einer anderen Hauptkaste. Wer als Hindu einen Moslem oder einen Angehörigen der Dalit-Kaste heiratet, wird in der Regel mit dem Tod bestraft. Jenseits des chaotischen Verkehrs ist die Gesellschaft durch ein eisernes Gatter aus Kasten, Regionen, Religionen getrennt. Reena Saini Kallat: Hyphenated Lives, 2014-17 Reena Saini Kallat: Woven Chronicle, 2015, Leiterplatten, Lautsprecher, Stromkabel, Befestigungsmaterial; Ein-Kanal-Ton Identität wird in der pluralistischen Gesellschaft Indiens durch die Abgrenzung vom Anderen definiert. Dabei ist dieses nicht nur als indisches, sondern vielmehr als ein weltweites Phänomen aufzufassen, welches auch schon bei Jugendlichen denkt man an die diversen Subkulturen zu beobachten ist. Die Künstlerinnen weiten ihren Blick von ihrem Heimatland auf andere Kontinente aus. In der Arbeit Woven Chronicle ist eine Weltkarte mit unterschiedlichsten Migrationsrouten aus Kabeln dargestellt. In einer globalisierten und vernetzen Welt dienen die Kabel als Sinnbild für Kommunikation. Die Stacheldrahtoptik der Kabel hingegen verweist auf bestehende Konflikte. Die Doppeldeutigkeit der Kabel, als Transmitter und Stacheldraht, verweisen laut Kallat auf die Widersprüchlichkeit der Globalisierung: Wir leben in einer Welt, die durch Kommunikation hochgradig vernetzt ist, und doch scheint die Kommunikation zu scheitern (...). Prajakta Potnis: Sewing, 2018, Fäden, Klebstoff Prajakta Potnis geht es hingegen um die Grenzen zwischen dem Öffentlichen und Privaten bzw. dem Innen- und Außenraum. In ihrer ortsspezifischen Arbeit Sewing stellt die Museumswand eine Grenze zwischen der Öffentlichkeit und dem Inneren des Museums dar. Die Wand ist durchzogen von Rissen, also brüchig und durchlässig. Die Künstlerin hinterfragt die Grenzen des Museums und seine Eigenschaft als Öffentlicher Raum. Die dargestellten Risse sind an reale Ländergrenzen (Syrien, Israel, Palästina) angelehnt, so dass diese sich zu einer abstrakten Landkarte formieren.

1) Zeichne Tiere, die aus zwei verschiedenen bestehen. Ergänze hierfür die vorgegebene Hälfte und füge Details, wie Augen, Mund, Krallen, usw. ein. Male die Tiere aus und gestalte einen Hintergrund. Fällt dir auch ein Name für eines deiner Wesen ein?

2) Viele von uns haben einen Migrationshintergrund, das heißt, dass mindestens ein Elternteil aus einem anderen Land stammt. Versuche herauszufinden welches das Nationaltier des Landes deiner Vorfahren ist (oder denk dir ein Nationaltier für das Land aus). Das Nationaltier Deutschlands ist der Adler. Jetzt kannst du daraus ein Hybridtier zeichnen. Viel Spaß!

3.3 FRAU UND GESELLSCHAFT Obwohl Frauen vor dem Gesetz gleichgestellt sind, sind sie noch immer Opfer von Diskriminierung und Gewalt. Entgegen der biologischen Norm stellen Frauen eine Minderheit in Indien dar. Insbesondere in den agrarisch und patriarchial geprägten Teilen im Zentrum und Norden Indiens wird dieses besonders deutlich, dort kommen ca. 850 Mädchen auf 1000 Jungen. Trotz dieser Entwicklung, gibt es nicht nur die eine Situation der Frau, sondern widersprüchliche Realitäten, die die Frauenrechtlerin Urvashi Butalia mit folgenden Worten beschreibt: Die Geschichte der indischen Frauen ist weder einfach noch singulär. Sie ist mannigfaltig, enthält Überschneidungen, ist oft paradox und widersprüchlich. Die andere Realität zeigt nämlich erfolgreiche und starke Frauen, die sich für jene engagieren, denen es nicht möglich ist. Zu diesen starken Frauen gehören feministische Künstlerinnen wie Nalini Milani, Arpita Singh und Nilima Sheikh, um nur einige Namen zu nennen. Diese Künstlerinnen stellen die erste feministische Künstlerinnengeneration Indiens dar. Im Vergleich zu der Entwicklung der Feminitischen Kunst des Westens, verlief diese ohne eine öffentliche Deklaration - wie etwa bei den Guerilla Girls in den USA. Bei den Künstlerinnen der Ausstellung Facing India handelt es sich bereits um die dritte Künstlerinnengeneration Indiens. Doch wie gehen die Künstlerinnen mit dem Erbe ihrer Vorreiterinnen um? Wie nutzen die Künstlerinnen heute ihre Stimme? Welche Sprache verwenden sie für das Unausgesprochene? Bharti Kher begreift sich selbst als feministische Künstlerin und scheut sich nicht vor klaren gesellschaftskritischen Aussagen. Die Künstlerin geht dabei über die gesetzten Grenzen des traditionellen Frauenbildes hinaus und verleiht den Frauen multiple Identitäten, vor allem als starkes Geschlecht. In ihrer künstlerischen Praxis überführt sie Alltagsobjekte in neue Sinnzusammenhänge. Weiblich konnotierte Gebrauchsobjekte, wie Bindis, Saris oder Glasarmreifen verwendet Kher als künstlerisches Material und suggeriert trotz der Absenz des Körpers die Anwesenheit des Weiblichen. Glasarmreifen erfreuen sich bei indischen Frauen als modisches Accessoire großer Belibtheit und zieren zahlreich ihre Handgelenke, so dass bei jeder Bewegung ein klirrendes Geräusch entsteht. Die Arbeit Bloodline misst insgesamt 16,7 Meter und verbindet den Boden des Museums mit dem Dach, wie eine tragende Säule. Das Museumsgebäude versteht die Künstlerin als Körper, so dass die Arbeit als Arterie oder Wirbelsäule gedeutet werden kann. Das Werk selbst besteht aus hunderten Glasarmreifen, die auf das Weibliche verweisen. Die Arbeit kann laut Bharti Kher als Hommage an die Frau gedeutet werden: Der häusliche soziale Raum ist mit Ängsten, aber auch mit gesellschaftlichen politischen und ökonomischen Fragen befrachtet, doch in den meisten häuslichen Räumen sind Frauen und ihre Präsenz als weibliche Energie auch das Rückgrat oder eine tragende Säule. Das ist etwas, was erinnert, erkannt und gefeiert werden soll. Bharti Kher: Flying, Falling, Dreaming, 2014, Holz, Bronze, Edelstahl, Licht Bharti Kher: Bloodline, 2000-18, Acrylröhren, Glasarmreifen, Edelstahl, Holz, Leuchtdioden Für ihre skulpturalen Portraitarbeiten verwendet die Künstlerin Saris und drapiert diese zu abstrakten Formen, die nicht mehr der weiblichen Figur entsprechen. Im Gegensatz zu den fließenden Saris als Kleidungsstücke, sind die Stoffe in den Arbeiten erstarrt. Die Entfremdung der Saris, kann auch als Dekonstruktion des Weiblichen gedeutet werden. Die Künstlerin hinterfragt in ihren Portraitarbeiten das traditionelle Rollenbild der Frau. Bharti Kher: Portrait Manju, 2013 / Portrait Nirmila, 2017, Saris, Kunstharz, Beton

1. Was sind typisch weibliche und männliche Gegenstände unserer Gesellschaft? Zeichne mindestens drei typisch männliche und weibliche Alltagsobjekte. Findet euch danach in Kleingruppen (3-5 Personen) zusammen und vergleicht eure Gegenstände. Warum gibt es überhaupt typisch männliche und weibliche Objekte? VARIATION: Anstatt zu zeichnen könnt ihr auch Collagen anfertigen oder Gegenstände fotografieren.

Tragt die Geburtsdaten der Künstlerinnen der Ausstellung Facing India ein und ergänzt so die nächste Künstlerinnengeneration. 1. Künstlerinnengeneration Indiens 2. Künstlerinnerngeneration Indiens Amrita Sher-Gil 1913-41 erste bekannte Künstlerin indiens Arpita Singh *1937 Gogi Saroj Pal *1945 Nilima Sheikh *1945 1950 Inkrafttreten Verfassung indische Republik Nalini Malani *1946 Anita Dube *1958 Sheba Chhachhi *1958 Pushpamala N. *1956 2017 wurde eine Arbeit von Nilima Sheikh auf der documenta 14 gezeigt 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2018 1913 Rabindranath Tagore (1861-1941) - bengalischer Dichter, Philosoph, Maler und Komponist - erhält Nobelpreis für Literatur und war der erste asiatische Nobelpreisträger 1945 Muslimische Bevölkerung fordert Trennung von Indien und Pakistan 1947 Kschmirkonflikt: Territorialkonflikt um das Gebiet des ehemaligen, indischen Fürstenstaats Jammu und Kashmir 1947 Unabhängigkeit Indiens von England Sheela Gowda *1957 1948 Ermordung Mahatma Ghandis - Vater der Nation und Symbolfigur des friedlichen Wiederstandes Dayanita Singh *1961 2012 wurde eine Arbeit von Nalini Malani auf der documenta 13 gezeigt Auf der documenta 13 wurde auch eine Arbeit von Tejal Shah präsentiert

Kubismus EXPRESSIONISMUS 1916 formulierte der Künstler Mrcel Duchamp die Idee des DADA EXPRESSIVER REALISMUS NEUE SACHLICHKEIT KONSTRUKTIVISMUS Joseph Beuys 1921-1986 SURREALISMUS Andy Warhol 1928-1987 Vater Pop_Art Nam June Paik 1932-2006 Begründer Video- und Gerhard Richter *1932 Teuerster zeitgenössischer POP ART ABSTRAKTER EXPRESSIONISMUS INFORMEL ARTE POVERA CONCEPTUALART MINIMAL ART APPROPRIATION ART 1985 Gründung Guerrilla Girls - anonyme feminitische Künstlerinnengruppe USA Ergänzt den Zeitstrahl um Daten, die ihr als wichtig empfindet. Welche Künstlerinnen kennt ihr? Recherchiert ihre Geburtsdaten und tragt diese in den Zeitstrahl ein. 1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010 2018 1917 Fountain von Duchamp, Schlüsselwerk der modernen 1945 Ende 2. Weltkrieg 1955 documenta 1 1961 Bau der Berliner Mauer 1989 Fall der Berliner Mauer 1918 Ende 1. Weltkrieg 1927 erste kommerzielle Tonfilme 1941 Zuse Z3 erster Computer 1952 Fernseher als Massenmedium 1992 erstes Mobiltelefon 2003 erste Digitalkamera 2007 erstes Smartphone MODERNE POSTMODERNE