PrsG-010.00 Begutachtung Erläuternde Bemerkungen I. Allgemeines: 1. Ziel und wesentlicher Inhalt: Mit dem vorliegenden Gesetzesentwurf sollen im Wesentlichen folgende Ziele erreicht werden: - Umsetzung der Entschließung des Vorarlberger Landtages vom 16. Dezember 2010 betreffend Elemente der direkten Demokratie weiter entwickeln (s. Punkt 1.1.) - Berücksichtigung der durch die Lissabon-Begleitnovelle bedingten stärkeren Einbindung des Landtages in den Europäischen Gesetzgebungsprozess im Rahmen der Subsidiaritätskontrolle (s. Punkt 1.2.) - Schaffung einer landesverfassungsgesetzlichen Klarstellung, dass die sich aus dem Österreichischen Stabilitätspakt ergebende Verpflichtung zur Festlegung von Haftungsobergrenzen für die Landesebene mit Landtagsbeschluss erfüllt wird (s. Punkt 1.3.) 1.1. Der Vorarlberger Landtag hat in seiner Sitzung vom 16. Dezember 2010 die Entschließung Elemente der direkten Demokratie weiter entwickeln (Beilage 131/2010) gefasst, um die auf Landes- und Gemeindebene bestehenden direkt demokratischen Instrumente aufzuwerten. In Punkt 1 lit. c dieser Entschließung wurde die Vorarlberger Landesregierung ersucht, eine Regierungsvorlage auszuarbeiten, die durch eine Änderung des Art. 33 Abs. 5 der Landesverfassung sowie des Landes-Volksabstimmungsgesetzes sicherstellt, dass ein vom Landtag abgelehntes Volksbegehren, das von wenigstens 10% der Stimmberechtigten gestellt wurde, der Volksabstimmung zu unterziehen ist. Mit dem vorliegenden Entwurf (s. Z. 2 bzw. Art. 33 Abs. 5) soll die dafür notwendige Änderung der Landesverfassung erfolgen. Entwürfe für Änderungen des Gemeindegesetzes und des Landes-Volksabstimmungsgesetzes, die ebenfalls der Umsetzung dieser Entschließung dienen, werden gleichzeitig zur Begutachtung versendet.
1.2. Mit der Lissabon-Begleitnovelle wurden Regelungen in die Bundesverfassung aufgenommen, die die parlamentarischen Mitwirkungsrechte an der EU- Gesetzgebung nach dem Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon betreffen. In der Novelle wurde u.a. auch eine stärkere Einbindung des Bundesrates und der Länder bzw. der Landtage in den europäischen Gesetzgebungsprozess vorgesehen. So kann etwa der Bundesrat gegenüber der Europäischen Union geltend machen, dass der Entwurf eines Gesetzgebungsaktes im Rahmen der Europäischen Union nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar ist. Vor Erstattung seiner Stellungnahme hat er den Landtagen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (vgl. Art. 23g B-VG). Mit den geplanten Änderungen (s. Z. 5 uns 6 bzw. Art. 55 Abs. 1 und 2) soll diese Möglichkeit des Landtages berücksichtigt werden. 1.3. Der Österreichische Stabilitätspakt (vgl. Art. 10 Abs. 1 und 3 des Österreichischen Stabilitätspaktes 2011) verpflichtet die Länder, rechtlich verbindliche Haftungsobergrenzen für die jeweilige Landesebene festzulegen. Weiters sind die Länder verpflichtet, das Verfahren bei Haftungsübernahmen zu regeln (vgl. Art. 10 Abs. 4 leg. cit.). Mit dem vorliegenden Entwurf soll auf Ebene der Landesverfassung ausdrücklich klargestellt werden, dass dieser Verpflichtung auf Landesebene mit einem Landtagsbeschluss nachgekommen wird (s. Z. 7 bzw. Art. 56 Abs. 7). 1.4. Darüber hinaus werden mit dem Entwurf der veraltete Ausdruck v.h. jeweils durch ein Prozentzeichen (s. Z. 1 und 2 bzw. Art. 30 Abs. 2 und 33 Abs. 5) ersetzt, die Acht-Wochen-Frist, innerhalb der nach Fassung eines Gesetzesbeschlusses eine Volksabstimmung verlangt werden kann, auf sechs Wochen verkürzt (s. Z. 3 bzw. Art. 35 Abs. 1), und ein legistisches Versehen bereinigt (s. Z. 8 bzw. Art. 76). 2. Kompetenzen: Der vorliegende Entwurf stützt sich grundsätzlich auf die Generalklausel des Art. 15 Abs. 1 B-VG. Die Änderung des Art. 76 stellt eine Regelung dar, die als solche der Gemeindeorganisation zu beurteilen ist (vgl. Art. 117 Abs. 8 B-VG), und ist daher kompetenzrechtlich auf Art. 115 Abs. 2 erster Satz B-VG zu stützen. 3. Kosten: 3.1. Durch den vorliegenden Entwurf könnten insofern Mehrkosten entstehen, als ein vom Landtag abgelehntes Volksbegehren bereits dann der Volksabstimmung zu
unterziehen ist, wenn es von 10% und nicht wie bisher von 20% der Stimmberechtigten gestellt wird (s. Z. 2 bzw. Art. 33 Abs. 5). Ein allfälliger diesbezüglicher Mehraufwand liegt im Interesse der direkten Demokratie. 3.2. Umgekehrt könnte der Entwurf insofern zu Einsparungen bzw. Nicht- Ausgaben führen, als das Land die Möglichkeit zur rascheren Kundmachung von Gesetzesbeschlüssen erhält(s. Z. 9 bzw. 32 Abs. 2 erster Satz Verkürzung der Frist nach Fassung eines Gesetzesbeschlusses). Die Regelung ist im Zusammenhang mit allfälligen finanziellen Sanktionen (Pauschalbetrag, Zwangsgeld) zu sehen, die dem Land im Falle eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes wegen verspäteter Umsetzung von EU-Recht drohen. 4. EU-Recht: Der vorliegende Entwurf dient teilweise der Umsetzung europarechtlicher Vorgaben: Eine Bestimmung des Entwurfes (s. Z. 7 bzw. Art. 56 Abs. 7) dient der Konkretisierung von Vorgaben des Österreichischen Stabilitätspaktes, der wiederum die unionsrechtlichen Regeln über die Haushaltsdisziplin der Mitgliedstaaten umsetzt. 5. Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche: Der vorliegende Entwurf hat keine spezifischen Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche. 6. Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens: Da mit dem vorliegenden Entwurf die Landesverfassung geändert werden soll, muss das Gesetz als Verfassungsgesetz bezeichnet werden und mit zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden. II. Zu den einzelnen Bestimmungen: Zu Z. 1 (Art. 30 Abs. 2): Der Ausdruck v. H. ist heute kaum noch gebräuchlich. Er soll daher durch das Prozentzeichen ersetzt werden.
Zu Z. 2 (Art. 33 Abs. 5): Mit der Reduktion von 20% auf 10% wird Punkt 1 lit. c der Entschließung des Landtages vom 16. Dezember 2010 betreffend Elemente der direkten Demokratie weiter entwickeln Rechnung getragen (s. Punkt 1.1.). Ein vom Landtag abgelehntes Volksbegehren ist daher künftig bereits dann der Volksabstimmung zu unterziehen, wenn es von 10% (und nicht wie bisher von 20%) der Stimmberechtigten gestellt wird. Auch in dieser Bestimmung soll der Ausdruck v. H., der heute kaum noch gebräuchlich ist, durch das Prozentzeichen ersetzt werden. Zu Z. 3 (Art. 35 Abs. 1): Die Acht-Wochen-Frist, innerhalb der nach Fassung eines Gesetzesbeschlusses eine Volksabstimmung verlangt werden kann, soll auf sechs Wochen reduziert werden, da dies zu einer Beschleunigung des Verfahrens bzw. zur Möglichkeit einer rascheren Kundmachung von Gesetzesbeschlüssen beiträgt. Die aktuelle Acht-Wochen-Frist orientiert sich an der Frist, die der Bundesregierung zur Erhebung eines Einspruchs gegen einen Gesetzesbeschluss zur Verfügung steht (vgl. Art. 98 Abs. 2 B-VG). Allerdings ist die Kundmachung vor Ablauf der Einspruchsfrist zulässig, wenn die Bundesregierung ausdrücklich zustimmt (Art. 98 Abs. 3 B-VG). Dies ist in der Praxis häufig der Fall. Die Möglichkeit zur rascheren Kundmachung von Gesetzesbeschlüssen hat einige Vorteile, insbesondere im Hinblick auf eine rechtzeitige Umsetzung europarechtlicher oder grundsatzgesetzlicher Vorgaben. Zu Z. 4 (Überschrift von Art. 55): Mit dem Vertrag von Lissabon wurde die Europäische Gemeinschaft durch die Europäische Union abgelöst. Dies soll auch in der Überschrift von Art. 55 zum Ausdruck kommen.
Zu den Z. 5 und 6 (Art. 55): Zu Abs. 1: Mit der geplanten Änderung soll die Möglichkeit des Landtages berücksichtigt werden, sich im Rahmen der Subsidiaritätskontrolle am europäischen Gesetzgebungsprozess zu beteiligen und sich zur Erfüllung dieser Aufgabe eines Ausschusses zu bedienen (s. Punkt 1.2.). Die schon bisher vorgesehene Mitwirkungsmöglichkeit des Landtages durch die Erstattung von Stellungnahmen an die Landesregierung bleibt inhaltlich unverändert. Zu Abs. 2: Zur Ersetzung des Begriffes europäische Integration durch den Begriff Europäische Union vgl. die Ausführungen zu Z. 4. Zu den Abs. 3 und 4: Mit den vorgesehenen Änderungen werden die Änderungen in den Abs. 1 und 2 berücksichtigt. Zu Z. 7 (Art. 56 Abs. 7 letzter Satz): Der Österreichische Stabilitätspakt verpflichtet die Länder, rechtlich verbindliche Haftungsobergrenzen für die jeweilige Landesebene festzulegen sowie das Verfahren bei Haftungsübernahmen zu regeln (vgl. derzeit Art. 10 Abs. 1, 3 und 4 des Österreichischen Stabilitätspaktes 2011). Die entsprechenden Regelungen sollen in einem Landtagsbeschluss getroffen werden. Die vorgesehene Bestimmung soll die Grundlage für einen solchen Landtagsbeschluss schaffen. Haftungen im Verantwortungsbereich des Landes sind einerseits Haftungen des Landes selbst und andererseits Haftungen von Rechtsträgern (wie z.b. Gesellschaften), die vom Land beherrscht werden und dem öffentlichen Bereich zuzuordnen sind (sogenannte Sektor-Staat-Einheiten). Soweit sich der Landtagsbeschluss auf andere Haftungen als solche des Landes selbst bezieht, hat die Landesregierung im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten (wie etwa Gesellschafterrechte) dafür zu sorgen, dass der betreffende Rechtsträger den Landtagsbeschluss beachtet.
Im Rechnungsabschluss des Landes müssen die Haftungen der betreffenden Rechtsträger ausgewiesen werden. Zu Z. 8 (Art. 76): Mit der Novelle der Landesverfassung LGBl. Nr. 22/2008 wurde Unionsbürgern nichtösterreichischer Staatsangehörigkeit, die in Vorarlberg ihren Hauptwohnsitz haben, in Ergänzung zum schon bisher bestehenden Wahlrecht auf Gemeindeebene ein Stimmrecht bei Volksbegehren, Volksabstimmungen und Volksbefragungen nach dem Gemeindegesetz eingeräumt. Dies soll nunmehr auch im Art. 76 berücksichtigt werden. Ob jemand Stimmberechtigter einer Gemeinde ist, ist nicht nur aufgrund Art. 13 Abs. 4, sondern auch anhand Art. 13 Abs. 7 der Landesverfassung (Ausschluss vom Wahlrecht) zu beurteilen. Zu den näheren Voraussetzungen vgl. 2 Abs. 3 des Landes- Volksabstimmungsgesetzes.