Predigt Pfr. Kuhn über Genesis 22,1-19 (BK )

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Transkript:

Predigt Pfr. Kuhn über Genesis 22,1-19 (BK 10.04.2011) 22 1 Nach diesen Geschichten versuchte Gott Abraham und sprach zu ihm: Abraham! Und er antwortete: Hier bin ich. 2 Und er sprach: Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du lieb hast, und geh hin in das Land Morija und opfere ihn dort zum Brandopfer auf einem Berge, den ich dir sagen werde. 3 Da stand Abraham früh am Morgen auf und gürtete seinen Esel und nahm mit sich zwei Knechte und seinen Sohn Isaak und spaltete Holz zum Brandopfer, machte sich auf und ging hin an den Ort, von dem ihm Gott gesagt hatte. 4 Am dritten Tage hob Abraham seine Augen auf und sah die Stätte von ferne 5 und sprach zu seinen Knechten: Bleibt ihr hier mit dem Esel. Ich und der Knabe wollen dorthin gehen, und wenn wir angebetet haben, wollen wir wieder zu euch kommen. 6 Und Abraham nahm das Holz zum Brandopfer und legte es auf seinen Sohn Isaak. Er aber nahm das Feuer und das Messer in seine Hand; und gingen die beiden miteinander. 7 Da sprach Isaak zu seinem Vater Abraham: Mein Vater! Abraham antwortete: Hier bin ich, mein Sohn. Und er sprach: Siehe, hier ist Feuer und Holz; wo ist aber das Schaf zum Brandopfer? 8 Abraham antwortete: Mein Sohn, Gott wird sich ersehen ein Schaf zum Brandopfer. Und gingen die beiden miteinander. 9 Und als sie an die Stätte kamen, die ihm Gott gesagt hatte, baute Abraham dort einen Altar und legte das Holz darauf und band seinen Sohn Isaak, legte ihn auf den Altar oben auf das Holz 10 und reckte seine Hand aus und fasste das Messer, dass er seinen Sohn schlachtete. 11 Da rief ihn der Engel des HERRN vom Himmel und sprach: Abraham! Abraham! Er antwortete: Hier bin ich. 12 Er sprach: Lege deine Hand nicht an den Knaben und tu ihm nichts; denn nun weiß ich, dass du Gott fürchtest und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont um meinetwillen. 13 Da hob Abraham seine Augen auf und sah einen Widder hinter sich in der Hecke mit seinen Hörnern hängen und ging hin und nahm den Widder und opferte ihn zum Brandopfer an seines Sohnes statt. 14 Und Abraham nannte die Stätte»Der HERR sieht«. Daher man noch heute sagt: Auf dem Berge, da der HERR sieht. 15 Und der Engel des HERRN rief Abraham abermals vom Himmel her 16 und sprach: Ich habe bei mir selbst geschworen, spricht der HERR: Weil du solches getan hast und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont, 17 will ich dein Geschlecht segnen und mehren wie die Sterne am Himmel und wie den Sand am Ufer des Meeres, und deine Nachkommen sollen die Tore ihrer Feinde besitzen; 18 und durch dein Geschlecht sollen alle Völker auf Erden gesegnet werden, weil du meiner Stimme gehorcht hast. 19 So kehrte Abraham zurück zu seinen Knechten. Und sie machten sich auf und zogen miteinander nach Beerscheba und Abraham blieb daselbst. Liebe Gemeinde, 1

wie soll man diese Geschichte eigentlich überschreiben? Die Opferung Isaaks, wie die Luther-Bibel es nennt? Die Bindung Isaaks, wie es die jüdischen Ausleger zurückhaltender formulieren oder im Anklang an Martin Bubers Übersetzung die Prüfung Abrahams? Und auf wen fällt in dieser Geschichte unser Blick? Auf Isaak, der zum Opfer bestimmt wird? Auf Abraham, der willens zu sein scheint, auf die gehörte Stimme hin seinen Sohn zu opfern? Oder auf Gott selbst, der - so meinen wir aus dem Text entnehmen zu müssen das Kindesopfer fordert? Lasst mich Euch diese Geschichte zunächst aus Sicht Isaaks erzählen... Isaak geht mit geht auch noch mit als, die Knechte und der Esel zurückbleiben läst sich das Holz für die Opferung auf den Rücken legen - hört die Antwort Abrahams auf seine Frage nach dem Opfertier, dass Gott sich eines ersehen werde. Geht schweigend mit dem Vater sie gehen miteinander. Und dann erlebt er schließlich, dass er auf den vom Vater gebauten Altar gebunden wird und dieser das Messer empor hält. Was soll er nun von seinem Vater halten und von dessen Gott, selbst wenn der sich nun doch noch auf die eingreifende Botschaft des Engels einen Widder als Opfertier ersehen hat. Eine traumatische Erfahrung für das ganze Leben! Das Kind in mir schreit auf, wenn das Urvertrauen zerstört wird, wenn der Vater sich vom Liebenden zum Gewalttäter wandelt. Das Kind in mir stirbt in diesem Augenblick, und manche fragen zu Recht, ob nicht Isaak wirklich dort gestorben und geopfert wurde. Zumindest in dieser Geschichte wird seine Rückkehr nämlich nicht erzählt. Mit dem letzten Vers: So kehrte Abraham zurück zu seinen Knechten. Und sie machten sich auf und zogen miteinander nach Beerscheba und Abraham blieb daselbst. Deshalb sprechen die jüdischen Midraschim auch vom Tod und der Auferstehung Isaaks, sie sagen, er war tot, und er wurde wieder lebendig. Und schreibt es der Hebräerbrief nicht ähnlich: 11 17 Durch den Glauben opferte Abraham den Isaak, als er versucht wurde, und gab den einzigen Sohn dahin, als er schon die Verheißung empfangen hatte 18 und ihm gesagt worden war (1.Mose 21,12):»Was von Isaak stammt, soll dein Geschlecht genannt werden.«19 Er dachte: Gott kann auch von den Toten erwecken; deshalb bekam er ihn auch als Gleichnis dafür wieder. So sterben wir nicht nur am Ende des Lebens einen Tod, wir sterben im Glauben viele Tode schon mitten im Leben. Immer, wenn die Liebe nicht mehr zu spüren ist. Immer wenn wir verlassen werden, immer wenn wir für ein ungewisses Schicksal gebunden werden, immer wenn wir scheinbar geopfert werden sollen wie Schlachtschafe, schreibt der Apostel Paulus in Römer 8. Gott, was wirst Du Isaak antworten? Ihm und dem Kind in uns? 2

Lasst mich diese Geschichte nun aus der Sicht Saras erzählen... Von Sara scheint in dieser Geschichte nicht die Rede zu sein. Aber sie ist da. Sie ist die Mutter, die den Sohn schweren Herzens ziehen lässt. Den Sohn, dessen Geburtsanzeige sie ungläubig lachen ließ, den Sohn, den Sie nach dem Lachen des Jubels benannte, der ihr am Ende in den Schoß gelegt wart. Sara, die Frau, die Ismael samt seiner Mutter vertrieb, um ganz den einen Isaak zu haben und ihn nun verlieren sollte. Die späten jüdischen Auslegungen erzählen, dass Satan Sara in der Gestalt des Issak erschien und ihr berichtete, was Abraham bereit gewesen war zu tun. Und als ihr vom dem erhobenen Schlachtmesser berichtet wird, da verließ Sara ihre Seele, heißt es dort. Und so suchen sie zu erklären, warum es gleich im Anschluss an unsere Erzählung heißt: 23 1 Sara wurde hundertsiebenundzwanzig Jahre alt 2 und starb in Kirjat-Arba das ist Hebron im Lande Kanaan. Da kam Abraham, dass er sie beklagte und beweinte. Die Mutter in uns kann es nicht fassen, dass Gott seine Verheißung fallen zu lassen scheint, dass an ihr vorbei, über sie hinweg entschieden wird, dass Gott und Abraham einen mörderischen Weg beschreiten und es ihr überlassen bleibt, die Folgen zu tragen. Ist er denn nicht auch ihr Gott? Hat er denn kein Wort für ihr Ohr und kein Ohr für ihre Wehklagen? So brach ihr Herz... Gott, was willst Du Sara antworten, ihr und der Mutter in uns? Lasst mich die Geschichte zum dritten aus der Sicht Abrahams erzählen... Da ist Gott, den er kennt, und Gott, der ihn kennt, der alles weiß und alles ausspricht in einem einzigen Satz: Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du lieb hast, und geh hin in das Land Morija und opfere ihn dort zum Brandopfer auf einem Berge, den ich dir sagen werde. Kann man diesen Satz falsch verstehen? Abraham tut, was ihm geboten wird aber immer in der Hoffnung, dass er aus diesem Albtraum aufwachen wird. Er gibt andere Botschaften von sich, als er gehört hat. Er sagt zu den Knechten, die er zurücklässt: Ich und der Knabe wollen dorthin gehen, und wenn wir angebetet haben, wollen wir wieder zu euch kommen. Und zu Isaak sagt er ich erwähnte es schon: Mein Sohn, Gott wird sich ersehen ein Schaf zum Brandopfer. Und dann bindet er Isaak auf das Holz, dass dieser zuvor herauf getragen hat, und er reckt am Ende das Messer zur Schlachtung in die Höhe. Den Sohn opfern? 3

Abraham, weißt Du da wirklich noch, was Du tust? Als wenn er einem Zwang folgen würde, fremd gesteuert, mit einem Tunnelblick, der anhält, bis das grausige Schauspiel in letzter Sekunde vom Engel des Herrn unterbrochen wird: Abraham! Abraham! Er antwortete: Hier bin ich. 12 Er sprach: Lege deine Hand nicht an den Knaben und tu ihm nichts... Hat Abraham zuvor richtig gehört? Oder hatte er sich verhört? Ihr müsst wissen: Das Wort Opfere heißt wörtlich übersetzt: Lasse aufsteigen! Opfern heißt demgemäß höhen und das Opfer meint die Darhöhung, wie Martin Buber es übersetzt hat. Und Rabbi Acha schreibt dazu als erklärendes Wort Gottes an Abraham nach dem Abbruch der versuchten Opferung: So habe ich dir gesagt: Schlachte ihn? Nein, lasse ihn aufsteigen. Du hast ihn aufsteigen lassen, jetzt lasse ihn herabsteigen. - Ging es also nur darum, zum Gebet auf den Berg zu steigen und wieder zurückzukehren statt um eine wirkliche Opferung? War alles alles nur ein grausames Missverständnis? - Kann man Gott so missverstehen, liebe Gemeinde? Was für eine Prüfung war das für Abraham, und hat er sie bestanden? Was sagt der Engelsbote zu Abraham: denn nun weiß ich, dass du Gott fürchtest und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont um meinetwillen. Ist das Abrahams Glaube, hat er deshalb die Prüfung bestanden? Oder stimmt, was ein ultra-orthodoxer Jude in Jerusalem zu dieser Geschichte gesagt hat: Haben sie je darüber nachgedacht, warum Gott selbst zu Abraham spricht, wenn er ihm den Befehl gibt, Isaak zu opfern, aber einen Engel sendet, die Erlassung mitzuteilen? Gott hat sich über Abraham geärgert. Abraham hat die Prüfung nicht bestanden. Er ist durchgefallen. Als er Abraham befahl, Issak zu opfern, wollte er Abrahams Weigerung. Er wollte nicht Ja, sondern Nein. Oder wie ist diese Prüfung sonst zu verstehen? Gott, was wirst Du Abraham antworten, wenn er die Prüfung zu verstehen sucht und Dein Urteil über ihn. Was willst Du ihm antworten und uns, wenn wir glauben wollen von ganzen Herzen, von ganzer Seele, mit aller unserer Kraft? Lasst mich Euch zum Schluss diese Geschichte aus der Sicht Gottes erzählen, wie ich ihn verstehe,... Ja, Gott prüft Abraham. Versuchen, das wäre schamlos beten wir nicht zurecht: Führe uns nicht in Versuchung? Aber Prüfungen, die gibt es! In ersten Buch Mose, der Genesis, Kapitel 11-25 ist die Rede von wiederholten Prüfungen und immer wieder erneuten Verheißungen von Nachkommenschaft, Land und Segen. Am Anfang steht der Aufbruch Abrahams aus seiner Heimat Ur in Chaldäa. Mit seiner Frau Sara und seinem 4

Neffen Lot zieht er in ein unbekanntes Land, ein Land, das Gott ihm zeigen wird. In Kanaan angelangt, muss er vorübergehend nach Ägypten ausweichen, um einer Hungersnot zu entgehen, bevor er sich in Mamre/Hebron niederlassen kann. Trotz wiederholter göttlicher Verheißungen bleibt die Kinderlosigkeit Abrahams und Saras eine große Belastung und Herausforderung. Die Not und der Konflikt spitzen sich zu, als Sara Abraham die Sklavin Hagar zuführt, woraus Ismael hervorgeht. Beim Besuch der drei Männer bei Abraham wird erneut die Sohnesverheißung ausgesprochen, die sich mit der Geburt Isaaks erfüllt. Auf ihm ruht die Nachkommensverheißung Gottes an Israel. So ist die Forderung Gottes an Abraham seinen einzigen Sohn Isaak, den geliebten, zu opfern, die größte denkbare Herausforderung Abrahams in seiner Beziehung zu Gott. Opfert er Isaak, opfert er nicht nur seinen Sohn, sondern sich selbst, sein Leben und seine Zukunft. Was aber meint hier prüfen? Ich denke, die Prüfung eines Menschen stellt ihn in eine lebensentscheidende Situation. Indem Gott Menschen wie Abraham oder auch uns in eine kritische Situation führt, geht es darum, uns zu einer Entscheidung herauszufordern. Die Frage ist nur, was Abraham tun soll und was nicht! Was wir tun sollen und was nicht! Ich meine, Gottes Prüfung zielt nicht auf eine Opferung hin, sondern auf eine Erkenntnis! Eine Erkenntnis, die Abraham anfangs erhofft, dann verliert, erst ganz am Ende wieder gewinnt, als sich der Tunnelblick löst und er nicht mehr den Stimmen folgt, die ihn jagen und mögen sie auch wie die Stimme Gottes klingen ha elohim, die Gottheit heißt es wörtlich am Anfang - dunkel und missverständlich wie am Anfang der Hiobgeschichte, als Gott Satan Hiob in dessen Hände gibt um ihn zu versuchen. Am Ende unserer Geschichte erklingt es anders, die Botschaft des rettenden Gottes, der sich im Munde des Engels als der HERR in seinem heiligen Namen erweist, der zum Einhalten aufruft, der den Widder schickt, der wahr macht, was Abraham in seinem lichten Momenten erhofft hatte. Deshalb gibt Abraham dem Berg einen Namen, der den Gottesnamen in sich trägt. Abraham nannte die Stätte Der HERR sieht. Sieht das Leid, sieht den Schmerz, sieht die Angst, sieht die Hoffnungslosigkeit, sieht die Verzweiflung, sieht die Schuld, sieht den Kummer.»Der HERR sieht«und lässt Abraham teilhaben, indem auch er plötzlich sieht : Da hob Abraham seine Augen auf und sah einen Widder hinter sich in der Hecke mit seinen Hörnern hängen und ging hin und nahm den Widder und opferte ihn zum Brandopfer an seines Sohnes statt. Ich meine, die Prüfung ist erst zu Ende, wenn Abraham das begreift, dass nicht er in vorauseilendem Gehorsam das Ende seines Sohnes herbeizuführen hatte, sondern zu warten hatte, bis Gott selber handelt, bis er sich sein Opfer ersieht, das zu binden und zu schlachten und zu verbrennen 5

war. Es ist wie in der inhaltlich und sprachlich verwandten Geschichte von Hagar und Ismael im Kapitel zuvor, in Gen.21, als die verbannte Hagar mit ihrem Sohn Ismael dem Verdursten nahe ist und das Sterben des Kindes nicht mit ansehen will. Doch der Engel des Herrn spricht sie an: Was ist dir, Hagar? Fürchte dich nicht; denn Gott hat gehört die Stimme des Knaben, der dort liegt. 18 Steh auf, nimm den Knaben und führe ihn an deiner Hand; denn ich will ihn zum großen Volk machen. 19 Und Gott tat ihr die Augen auf, dass sie einen Wasserbrunnen sah. Da ging sie hin und füllte den Schlauch mit Wasser und tränkte den Knaben. Sehen und verstehen, Gott ersieht und vollzieht dort die Rettung mit einem Wasserbrunnen und in nserer Geschichte mit einem Widder, er ist der liebende, der rettende Gott. Er ist nicht der Gott, der ein Opfer braucht, sondern der Gott, der sich selbst anstelle unserer als notwendig erachteten Opfer hingibt. Der Kirchenvater Origenes hat es beschrieben in seiner Predigtauslegung des Genesisbuches, worauf es ankommt, als er in dem Widder Christus sah, der unseren Platz einnimmt, damit wir keiner dunklen Macht zum Opfer werden. Und Christus, so schreibt er, ist gleichzeitig auch in Isaak auf das Holz gebunden, um geschlachtet zu werden, d.h. er leidet mit unserem und all dem namenlosen Leiden in dieser Welt! Diese Stätte heißt: Der HERR sieht und wir dürfen sehen und staunen und verstehen. Abraham hat geglaubt wie Petrus auf dem See, aber dann wurden bei Petrus die Wellen übermächtig und lähmten ihn vor Angst und bei Abraham war es der Rausch der schon verinnerlichten Tat, die ihn zuletzt zum willenlosen Werkzeug werden ließ bis er den mahnenden und warnenden Ruf des Engelsboten hörte... Der HERR sieht... Er sieht, wir dürfen ihn sehen. An Gott festhalten darum geht es, aber am Gott der Liebe festhalten gegen die Gottesbilder eines dunklen Gottes, der über Kinderleichen geht. Mit Gott gegen sei Zerrbild ankämpfen, darum geht es, das lehrt uns Christus! Hat Abraham die Prüfung bestanden, liebe Freundinnen und Freunde? Ja, aber nur solange, wie er noch darauf zu sehen vermochte, dass Gott sich das Opfer ersieht, das er das Opfer selber gibt und wir nicht vorzugreifen haben. Ist Abraham am Ende durch die Prüfung gefallen? Am Ende hat Christus hat für ihn bestanden, Christus, der sich wie Isaak binden und der sich wirklich schlachten ließ für uns, Christus, der selbst den Platz des Widders eingenommen hat, er ist das Lamm Gottes für uns geworden. Und das, damit keiner mehr geopfert werden muss, damit wahr bleibt, was immer schon galt und immer gelten wird, dass wir von Gott nicht zum Opfern, sondern zum Geliebt-Werden bestimmt sind. 6

Gott bleibt sich immer treu bleibt, sonst wäre er nicht, der er ist. Deshalb hat er z.b. das überlegene Israel seinen Zorn spüren lassen, als in einer Schlacht der König der Moabiter zur Rettung seines Volkes seinen eigenen Sohn opferte (2.Kön.3,27) oder er hat Israel verwehrt, den Kanaanäern gleich dem Moloch die eigenen Kinder zu opfern (2. Kön.23,10). Nein, Gott will keine Kinder geopfert bekommen, er gibt sich selber hin, damit uns nicht das Messer trifft sondern ihn, in Christus rettet er uns, damit wir befreit von den Todesbedrückungen unseres Lebens erkennen, was wir vor ihm sein dürfen, Töchter und Söhne des Gottes, die leben sollen und dürfen vor ihm und mit ihm in Ewigkeit. Mit dieser Gewissheit dürfen wir uns aufmachen mit unsren Träumen und unseren Albträumen im Gepäck auch wenn der Weg noch ins finstere Tal führt... Das Entscheidende bleibt wahr: Der HERR sieht Gott wird sich die Rettung ersehen ja, und zuletzt werden auch wir ihn, den Retter sehen: Geht und sagt meinen Brüdern, sie sollen nach Galiläa gehen, dort werden sie mich sehen sagt Jesus im letzten Kapitel des Mathäus-Evangeliums zu den Frauen (Mt. 28,10). Es sind die gleichen Leitwörter, gehen und sehen, sich aufmachen im Vertrauen, dass es am Ende des Wegs ein Ziel gibt, wo sich Gott zeigt als er Herr. Abraham sah den Ort und als seine Rettung den Widder, die Jünger werden am See die unglaubliche Tatsache der Auferstehung erfahren und wir dürfen ihnen folgen voller Zuversicht aus der bedrückenden Dunkelheit des Todes in den leuchtenden Morgen der Ewigkeit Gottes. Amen. Andres Michael Kuhn 7