Vom Kraftwerk zum Denkmal-Museum

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Transkript:

Vom Kraftwerk zum Denkmal-Museum Das erste sächsische Großkraftwerk ging 1911 in Betrieb. Es lieferte fortan und ohne Unterbrechung Oberlausitzer Strom bis nach Dresden und ins damalige Böhmen und Schlesien. Als dienstältestes Braunkohlekraftwerk ging es nach wechselvoller Geschichte 1992 außer Betrieb. Das Maschinenhaus des Werkes II mit seinen technischen Anlagen und mit dem Verwaltungsgebäude wurde anschließend unter Denkmalschutz gestellt. Heute zeugt unser Museum von vergangener Industriearchitektur. Es zeigt Exponate der Kraftwerkstechnik und des Energiemaschinenbaus, ergänzend beherbergt es eine umfangreiche Sammlung über die Industriegeschichte der Region sowie aus Haushalt, Hobby, Büro und Unterhaltung. Viele Exponate sind betriebstüchtig und können vorgeführt werden. Vor allem wollen wir die Geschichte der Menschen erzählen, die das Kraftwerk planten und errichteten, die es bedienten und deren Leben diese Technik innerhalb und außerhalb des Kraftwerkes entscheidend mitbestimmt hat. 02 Besuchertag

04 Dachkonstruktion Maschinenhalle Architektur Das Werk II und der Verwaltungsbau sind der verbliebene aber stattliche Rest des einstigen Kraftwerkes Hirschfelde. Der für die damalige Zeit typische Klinkerbau mit seinen streng gegliederten Fassaden nahm in seinem Inneren mit opulenten Stahlbetonkonstruktionen die Kraftwerkstechnik auf. 05 Historische Bauzeichnung Kraftstation Hirschfelde Kraftwerk I (1911)

07 Maschinenhalle Werk II, Südseite 06 Verwaltungsgebäude (1929)

Zeugnisse der Technik In unserer Sammlung befindet sich eine große Zahl originaler Exponate der hundertjährigen Industriegeschichte der Region. Zu sehen sind u. a. vollständig erhaltene Anlagen aus dem Kraftwerk Hirschfelde. Turbinen, Generatoren und Schaltanlagen veranschaulichen komplex die Stromerzeugung des einstigen Braunkohlegroßkraftwerks. Funktionstüchtige Werkzeugmaschinen geben einen authentischen Einblick in die frühere Arbeitswelt. 08 Quecksilberdampfgleichrichter (ca. 1950) 09 Vordergrund: Dampfmaschine, Baujahr 1907 Hersteller: Starke & Hoffmann Hirschberg (Schlesien), Leistung 48 PS Hintergrund: Dampfturbine 3, Baujahr 1922, Hersteller: AEG, Leistung 20 MW 10 Gegendruckdampfturbine mit Generator, Baujahr: 1908, Hersteller: AEG, Leistung: 400 KW

11 Leistungstableau aus Kesselhaus II 12 geöffnete Dampfturbine 3, Baujahr 1922, Hersteller: AEG, Leistung 20 MW

Maschinen im Marathon Herzstück des Werkes II und der heutigen Dauerausstellung ist die Maschine 5, die 1929 von AEG hergestellt wurde und von 1929 bis 1992 elektrischen Strom lieferte. Ihre 413.056 geleisteten Betriebsstunden entsprechen einer Laufzeit von 47,15 Jahren oder zwei Generationen. 13 Dampfturbine 5, Maschinenkopf 14 Dampfturbine 5, Regelung 15 Dampfturbine 5, Detail

18 Überströmbögen 17 Generator 16 Dampfturbine 5, Regelung

80 Jahre Kraftwerksgeschichte 1909/10 Auftragstellung und Baubeginn Werk I Auftraggeber: Elektrizitätswerke Oberlausitz 1911 Inbetriebnahme Werk I Inbetriebnahme der ersten Dampfturbine, Netzschaltung Generator 1 1918 Baubeginn Werk II 1920 Kesselhaus I liefert Dampf über eine Ferndampfleitung nach Werk I 1922 Dampfturbine 3/II mit 20 MW in Betrieb 1925 Baubeginn Kesselhaus 3, Kessel 21-30 Inbetriebnahme Maschinenhäuser 1-3 1929 Dampfturbine 5/II mit 40 MW in Betrieb 1937 Dampfturbine 6/II mit 12,5 MW in Betrieb Das Kraftwerk erreicht seinen vorläufigen Endausbau, die Gesamtleistung beträgt 156 MW. 1942 Baubeginn der Vorschaltanlage 1921 Fertigstellung Kesselhaus I, Kessel 1-10 mit je 20 t/h Dampfleistung Inbetriebnahme der Dampfturbine 2/II mit 20 MW und des Maschinenhauses (Werk II) mit den 20-MW-Turbinen; Dampfturbine 1/II mit 20 MW in Betrieb 1926 Inbetriebnahme Kessel 26 mit Kohlenstaubfeuerung und Dampfturbine 4/II mit 24,5 MW 1923 Fertigstellung Kesselhaus 2, Kessel 11-15, 16-20 1945 Die Sprengung der Kraftwerksanlagen kann verhindert werden. 1951-1953 Modernisierungsmaßnahmen an den bestehenden Anlagen Werk II

20 Hirschfelde (ca.1960) 1955 Inbetriebnahme der Dampfturbine 9 1956 Weiterführung der Errichtung der Vorschaltanlage nach kriegsbedingter Unterbrechung. Der Ausbau der Vorschaltanlagen Werk II wird weitergeführt. 1957 Inbetriebnahme der Dampfturbine 8 und 10 sowie Dampfkessel 31, Inbetriebnahme der Dampfturbine 10 1958 Inbetriebnahme der Dampfkessel 32-34 sowie Dampfturbine 11 und 12 Fertigstellung der Vorschaltanlagen, es stehen 330 MW elektrische Leistung zur Verfügung. 2009 100 Jahre Kraftwerk Hirschfelde 2003 Gründung der Gemeinschafts initiative zum Erhalt des Technischen Denkmals Kraftwerk Hirschfelde 1991 Leistung des Kraftwerkes noch 159 MW nach Stilllegung veralteter Anlagen des Werkes II 1993 Außerbetriebnahme der 110-kV-Anlagen Gründung des Fördervereins Technisches Denkmal & Museum Kraftwerk Hirschfelde e.v. 1966 Stilllegung des Werkes I 1992 Einstellung der Elektroenergieerzeugung im Kraftwerk und Inbetriebnahme einer Ersatzanlage zur Wärmeversorgung Beginn des Rückbaus und Abriss, ausgenommen der denkmalgeschützten Bauwerke

22 Leitstand Schaltwarte (Teile der Einrichtung sind im Museum erhalten) 5 000 Biografien Das Kraftwerk Hirschfelde ist nur im Zusammenhang mit den Menschen denkbar, die es entworfen, entwickelt und errichtet haben, die es bedienten und deren Leben diese Technik innerhalb und außerhalb dieses Kraftwerkes entscheidend mitbestimmt hat. So war z. B. Herr Felix Gulich vom 3. Mai 1920 bis zum 18. Mai 1981 als Pumpenwärter tätig, womit er unzweifelhaft der dienstälteste Kraftwerker in Hirschfelde gewesen ist, den es dort jemals gegeben haben wird. Insgesamt standen im Kraftwerk Hirschfelde ca. 5 000 Menschen in 4 Generationen in Lohn und Brot. Mit der Stilllegung trat vor allem der Förderverein Technisches Denkmal & Museum Kraftwerk Hirschfelde in Aktion. Die heute 91 Mitglieder mit einem Durchschnittsalter von 58 Jahren sind zum Großteil ehemalige Kraftwerker. 23 Ausbildung in der Lehrwerkstatt 24 Telefonzentrale Werk II (ca. 1926)

27 Mitglieder des Fördervereins (ca. 2000) 25 Das Kraftwerk Hirschfelde lieferte als Ausgleich für die Kohle aus dem Tagebau Turow Strom nach Polen. 26 Denkmal für Kraftwerker und Bergmann 20 Jahre Zusammenarbeit Tagebau Turow Kraftwerk Hirschfelde, Künstler: Joachim Liebscher (1926 1994)

Historische Aufnahmen Bereits im Zuge der zurückliegenden Umbauten und Erweiterungen des Kraftwerks wurde der älteste Teil zurückgebaut. Kühltürme, Schornsteine, Bekohlungsanlagen, Leitstand, kurz: große Teile des einstigen Kraftwerks wurden nach der Stilllegung abgerissen. Unser Archiv, welches den Werdegang des Kraftwerks vom ersten Bauantrag bis zum heutigen Tag nahezu lückenlos dokumentiert, ermöglicht einen umfassenden Rückblick, gerade für universitäre Studien. 28 Leistungstableau aus dem Kesselhaus II 30 Aufbau des Hochbunkers, Bauabschnitt 3 (ca. 1928) 29 Die Maschinenhalle des Werkes II (ca.1973) Die Maschine 5 (ganz hinten) ist noch erhalten und in der heutigen Ausstellung zu sehen.

31 Teilansicht der alten und neuen Bekohlungsanlage, aufgenommen 1958 32 Schaltwarte des Großkraftwerkes Hirschfelde (ca. 1920)

Kontakt Technisches Denkmal & Museum Kraftwerk Hirschfelde Straße zum Kraftwerk 02788 Hirschfelde Telefon: 035843 22298 Fax: 035843 22517 E-Mail.: info@kraftwerk-hirschfelde.de Öffnungszeiten Donnerstag (9:00 16:00 Uhr) Führungen sind nach telefonischer Vereinbarung unter 035843 24230 täglich möglich. Impressum Redaktion: Gerhard Ullrich Keller Gestaltung: marung+bähr Fotos: Michael Vogler (1, 3 19, 21, 33) Veronika Grosse (2) Archiv (20, 22 32) Druck: WinterDruck Herrnhut www.kraftwerk-hirschfelde.de