Berlin-Brandenburger Brunnentage 2016 Reminiszenzen aus der Geschichte des Brunnenbaus Raeto M.Conrad, Dipl. Ing.ETH Konsulent für Wasser +Boden Regensberg/Schweiz
Wozu beschäftigt man sich mit Geschichte? Antwort 1, in epischer, zweistündiger Breite: Nachzulesen in der Antrittsvorlesung des deutschen Nationaldichters Friedrich von Schiller in Jena 1789 Antwort 2, allgemein und tiefschürfend: Weil wir verstehen wollen, warum wir so geworden sind, wie wir sind Antwort 2, kurz und vortragsdauerkompatibel: Wer die Zukunft meistern will, muss die Vergangenheit kennen
Einführung Der Mensch gewinnt seit Jahrtausenden Grundwasser für seinen Bedarf, und dies: wo es als Quelle frei zu Tage tritt, oder aus Schächten aller Bauarten (z.b. Sodbrunnen) oder mittels kombinierter Schacht- und Tunnelsysteme (Qanate/Foggaras), oder aus Bohrungen, vorgetrieben in wasserführende Schichten
und wir wollen uns heute unter Brunnenbau mit den vielfältigen, technisch oft sehr eingeschränkten Anstrengungen befassen, unterirdisches Wasser durch geeignete Bauwerke zu Tage zu fördern, um es der menschlichen Gesellschaft nutzbar zu machen. Dies übrigens im Gegensatz zu den zünftigen Wasserhistorikern, welche sich meist auf weit spektakulärere Bauten zur Heranführung und Verteilung des Wassers konzentrieren wie z.b. kilometerlange Aquädukte
Hauptproblem des Brunnenbaus ist es seit Jahrtausenden, die Brunnen tief genug anzulegen, dass die benötigte Wassermenge gefördert werden kann, und dies, ohne dass der Brunnen wieder einstürzt Im Festgestein und in verfestigten Lockergesteinen wurde dieses Problem schon früh recht gut gelöst In unverfestigten Porengrundwasserleitern mit ihren oft sehr guten Fassungspotenzial hingegen war Brunnenbau bis ins letzte Jahrhundert hinein ein hoch riskantes, häufig erfolgloses Geschäft WARUM?
Weil für das Anlegen von Grundwasserfassungen viel Kraft auf engem Raum benötigt wird, und da hat die Kraft des Menschen und seiner Nutztiere ihre Grenzen, und ebenso der effiziente Einsatz von Wasser- und Windkraft. Kommt hinzu, dass der Mensch stets auf seine Sicherheit bedacht war, und auch für seine Versorgung eine gesicherte Umgebung gesucht hat; und die Lage seiner Versorgungsanlagen oft der Sicherheit untergeordnet hat Erst mit den Erfindungen des 19. und 20. Jahrhunderts, mit Dampf, Elektrizität und später mit Hydraulik wurde der Brunnenbau zu dem, was wir heute darunter verstehen. BLENDEN WIR ZURÜCK:
Seit Jahrtausenden, bis etwa ins 18. Jhdt. n.chr. ist Brunnenbau in den meisten Kulturen vorwiegend identisch mit Schachtbau gewesen, und dies wo immer möglich in standfestem Untergrund. Im unverfestigten Lockergestein wurde zur Stützung der Schächte Holz verwendet, später auch Mauerwerk. Aushub war in der Regel nur bis knapp unter den Grundwasserspiegel möglich. In trockenen Jahren wurden die Schächte wo möglich vertieft.
Steinzeitlicher Scharrbrunnen mit Flechtwerkverbau
Im Nahen und Mittleren Osten, auch im Maghreb werden seit Jahrtausenden Grundwasserfassungen (Qanate/ Foggaras) von Hand gebaut, ähnlich angelegt wie überlange Horizontalbrunnen
Die Nazca-Kultur in Peru hat nicht nur grossartige Scharrbilder (Nazca lines), sondern auch tiefe, gut ausgebaute Brunnen hinterlassen
Schachtverbau von der Steinzeit bis zur Zeitenwende Germanischer Opferbrunnen << Steinzeitbrunnen von Asparn
Und ebenso zur Broncezeit: Fassung der Mauritiusquelle von St. Moritz mit Lärchen-Fassungsrohren und Kastenverbau
Burgbrunnen der Habsburg erbaut ca. 1080
Burgbrunnen auf dem Kyffhäuser, 175 m tief
Stadtbrunnen in Regensberg, erbaut 1244
Weltberühmt: Der Schachtbrunnen von Orvieto mit doppelt gewendeltem Zugang für die Transportesel
Stadtwasserversorgung im 16. Jahrhundert: Ein paar spärliche Quellen, Hauptwasserentnahme aus Fluss und See, und Sodbrunnen auf Plätzen und in Hinterhöfen, mit oft bedenklichem Kontaminationspotenzial
und seit wann etwa werden Brunnen GEBOHRT und nicht nur mühsam im Schachtbau abgeteuft? Als erste haben laut Konfuzius schon in grauer Vorzeit die Chinesen das Brunnenbohren praktiziert, und bereits mit anthropogenem Schlagwerk, allerdings auf Sole und kaum auf Wasser.
Das Universalgenie Leonardo da Vinci hat schon am Ende des 15. Jahrhunderts in einer seiner berühmten Handskizzen ein gebrauchstaugliches Bohrgerät vorgestellt und kommentiert
Im 18. und 19. Jahrhundert hat nicht nur die Industrie, auch das Bohrgewerbe rasche Fortschritte gemacht. Man hat vielfach auf Arteser gebohrt, und dafür allerhand Bohrgerät entwickelt
Verrohrte Grosskaliberbohrung DN 2000 ca. 1920 Rohrbelastung mit Eisen-Masseln, Aushub mit Becherwerk
Korrosionsfestes Ausweichmaterial im Zeichen des Rohstoffmangels: Steinzeug- und Betonfilter
In der Zeit zwischen den Weltkriegen stieg der Wasserkonsum rasant, und ein regelrechter Run auf Grundwasser setzte ein. Als Alternative zu Mehrbrunnenanlagen kamen ab 1937 Horizontalfilterbrunnen auf, zuerst in Grossbritannien und USA, dann während des Weltkriegs in der Schweiz, und nach dem Krieg in Deutschland Drei Systeme, ein Ziel: Grosse Entnahmemenge
Ranney 1937 (GB/USA) Fehlmann 1943 (CH) Preussag (Kiesmantel) ab 1953 (D)
Bilder aus der Frühzeit des Horizontalbrunnenbaus, Berlin, um 1952
Und so sieht ein Horizontalfilterbrunnen im 21. Jahrhundert aus
Viel besser als so! Danke für Ihre Aufmerksamkeit