Weil ich euch in meinem Herzen habe Predigt zu Phil 1,3-11 (22. So n Trin, 23.10.16) Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen. Liebe Gemeinde, wenn Menschen, die zu Unrecht im Gefängnis sitzen, anfangen Briefe zu schreiben, dann sind das oft besonders beeindruckende Texte. Die Briefe Dietrich Bonhoeffers aus der Gestapo-Haft gehören dazu, veröffentlicht in dem Buch Widerstand und Ergebung. Darin enthalten ist z.b. der Text Von guten Mächten wunderbar geborgen. Auch Martin Luther King hat im Gefängnis Briefe und Texte geschrieben, die wichtig wurden im Kampf gegen die Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung in den USA. Es beeindruckt, wie Menschen, die im Gefängnis sitzen und sich nicht frei bewegen können, in großer Freiheit Gedanken entwerfen, Pläne schmieden und sich daran halten, dass sie als Kinder Gottes in seiner wunderbaren Freiheit leben. Vorbild für solche Briefe aus dem Gefängnis ist Paulus. Mehrere seiner Briefe, die im Neuen Testament stehen, hat er in der Gefangenschaft geschrieben. Und es scheint fast, als habe er eine solche aufgezwungene Pause gebraucht, um zum Schreiben zu kommen, damit auch wir später von seiner 1
Verkündigung noch profitieren. Gottes Wege sind unergründlich Der Predigttext heute morgen stammt aus dem Philipperbrief. Dieser Brief wird ist der so genannte Freuden- Brief von Paulus. Immer wieder schreibt Paulus über die Freude und fordert dazu auf: Freuet euch in dem Herrn allewege und abermals sage ich: Freuet euch, der Herr ist nahe! Und auch diesen Brief schreibt Paulus aus dem Gefängnis heraus! Ich lese aus dem 1. Kapitel des Philipperbriefs die Verse 3 bis 11: 3 Ich danke meinem Gott, sooft ich euer gedenke 4 was ich allezeit tue in allen meinen Gebeten für euch alle, und ich tue das Gebet mit Freuden, 5 für eure Gemeinschaft am Evangelium vom ersten Tage an bis heute; 6 und ich bin darin guter Zuversicht, dass der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird's auch vollenden bis an den Tag Christi Jesu. 7 So halte ich es denn für richtig, dass ich so von euch allen denke, weil ich euch in meinem Herzen habe, die ihr alle mit mir an der Gnade teilhabt in meiner Gefangenschaft und wenn ich das Evangelium verteidige und bekräftige. 8 Denn Gott ist mein Zeuge, wie mich nach euch allen verlangt von Herzensgrund in Christus Jesus. 9 Und ich bete darum, dass eure Liebe immer noch reicher werde an Erkenntnis und aller Erfahrung, 10 sodass ihr prüfen könnt, was das Beste sei, damit ihr lauter und unanstößig seid für den Tag Christi, 2
11 erfüllt mit Frucht der Gerechtigkeit durch Jesus Christus zur Ehre und zum Lobe Gottes. (Gebet) Liebe Gemeinde, Paulus beginnt mit dem Dank. Schon das ist ja nicht selbstverständlich für einen, der im Gefängnis sitzt ohne dass er etwas verbrochen oder jemandem Unrecht getan hätte. Aber so ist das bei Paulus. Fast alle seine Briefe beginnt er mit Dank. Dank gegenüber Gott, Dank für Gottes Wirken in der Gemeinde, Dank dafür, dass Gott den Gemeinden Glaube, Liebe und Hoffnung gestärkt hat und immer wieder neu stärkt. Dank aus der Überzeugung, dass Gott treu bleibt: Ich bin guter Zuversicht, dass der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird's auch vollenden. Paulus strahlt innerlich, als er diesen Brief schreibt. Frage an mich Frage an uns: Wann haben wir zum letzten Mal innerlich gestrahlt vor Freude über Gottes Zusagen und sein Wirken? Der Einstieg mit dem Dankgebet setzt den Ton für den ganzen Brief: Wir leben aus der Güte und aus der Gnade Gottes. Gott schenkt uns so viel mehr, als wir verdient haben. Das lässt uns staunen und macht uns dankbar. Und es befreit unsere Herzen aus der Enge von Sorgen und Geiz. Dankbarkeit macht Herzen weit. 3
Paulus beginnt mit dem Dank. Wie beginnen wir, wenn wir beten? Wenn ein neuer Tag beginnt? Wenn ein Tag endet und wir nochmal überlegen: Was war heute? Martin Luthers Morgen- und Abendsegen halten sich an die Regel von Paulus: Mit dem Dank geht es los: Ich danke dir, mein himmlischer Vater, durch Jesus Christus, deinen lieben Sohn, dass du mich diese Nacht vor allem Schaden und Gefahr behütet hast So beginnt der Morgensegen. Und am Abend ganz ähnlich: Ich danke dir, mein himmlischer Vater, durch Jesus Christus, deinen lieben Sohn, dass du mich diesen Tag gnädiglich behütet hast Wenn der Dank am Anfang steht, wird es schwierig, nur noch schwarz zu sehen. Im Blick auf die eigene Zukunft, auch im Blick auf die Kirche. Wenn der Dank am Anfang steht, wird es schwierig, völlig verzweifelt, völlig verzagt in einen neuen Tag, eine neue Aufgabe zu starten oder abends einzuschlafen. Erst recht in dunklen Zeiten Paulus sitzt im Gefängnis! Da ist es gut zu überlegen: Wofür kann ich trotzdem dankbar sein? Ja, wofür eigentlich? Wofür ist Paulus dankbar? Was bringt ihn innerlich zum Strahlen? Ich danke meinem Gott, immer 4
wenn ich an euch denke, für eure Gemeinschaft am Evangelium vom ersten Tage an bis heute. Paulus ist dankbar für die Gemeinschaft mit den Christen in Philippi. Obwohl er sie gerade gar nicht sieht. Paulus schreibt vermutlich von Rom aus. Das ist ca. 1000 km Luftlinie von Philippi entfernt. Trotzdem sagt er: Ich bin dankbar für die Gemeinschaft mit euch. Wir sind miteinander verbunden. Gemeinschaft mit anderen: Ist das für uns ein Grund zur Dankbarkeit? Sind wir dankbar für die Menschen, mit denen wir unseren Alltag teilen? Oder achten wir nur auf das, was uns an ihnen stört? Könnt ihr Konfis dankbar sein für eure Klassenkameraden, für eure Freunde, für eure Geschwister, für eure Eltern, und Achtung! dankbar sein für eure Lehrer? Um solche Dankbarkeit zu empfinden, muss man bereit sein, nicht nur auf das zu achten, was man an anderen schwierig findet, sondern auf das, was man durch sie bekommt. Keiner von uns könnte nur für sich alleine sein. Wir brauchen andere Menschen, um unser Leben zu gestalten. Seltsam, dass wir so selten für sie danken. 5
Die Gemeinschaft, von der Paulus spricht, ist aber nochmal eine besondere Gemeinschaft. Es ist die Gemeinschaft am Evangelium. Was meint er damit? Das Evangelium ist die Botschaft, die Paulus den Philippern auf seiner zweiten Missionsreise verkündet hatte, die gute Nachricht von Jesus Christus, dem Sohn Gottes, der zu uns auf diese Welt gekommen ist. Er hat Gottes Liebe zu uns gebracht, hat durch sein Leiden und Sterben unsere Schuld auf sich genommen und uns durch seine Auferstehung von den Toten ewiges Leben geschenkt. In Philippi wie an so vielen anderen Orten hat Paulus diese Botschaft unters Volk gebracht, Menschen haben diese Botschaft gehört und haben sie für sich persönlich angenommen. Die erste Christin in Philippi war eine Frau namens Lydia. So entstand eine Gemeinde, eine Gemeinschaft von Christen, eine Gemeinschaft am Evangelium. Und diese Gemeinschaft ist nun nicht auf einen Ort beschränkt, sondern sie reicht weiter: Die Gemeinschaft am Evangelium umfasst alle Menschen, die an Jesus Christus glauben und auf seinen Namen getauft werden. 6
In dieser Gemeinschaft ist ein gemeinsamer Glaube, eine gemeinsame Hoffnung und eine gemeinsame Liebe. Das verbindet. Jeder von uns kann das selbst ausprobieren. Gehen Sie einmal im Urlaub in einen Gottesdienst. Dort treffen Sie Menschen, die Sie noch nie gesehen haben und trotzdem stellt sich schon bald das Gefühl ein: Wir haben etwas gemeinsam, wir sind miteinander verbunden: - wenn wir Gottesdienst feiern im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, - wenn wir Lieder singen, Bibeltexte hören, das Vaterunser beten: Das ist Gemeinschaft am Evangelium. Paulus hat diese Gemeinschaft gepflegt. Und sie war ihm wichtig. Das wird in diesen wenigen Versen deutlich: Immer wenn ich an euch denke schreibt er, in meinen Gebeten für euch alle christliche Gemeinschaft wird gestärkt, wenn wir füreinander beten, auch für Christen an anderen Orten, auch für Christen aus anderen Konfessionen und besonders für Christen, die verfolgt werden. Paulus schreibt: Ich denke so von euch, weil ich euch in meinem Herzen habe. Mich verlangt nach euch von Herzensgrund. 7
Gemeinschaft mit anderen Christen an anderen Orten das hieß für Paulus: Die Philipper haben einen festen Platz in meinem Herzen. Und nicht nur sie. Auch die Korinther und die Galater und die Epheser und die Kolosser und viele andere. Paulus muss ein weites Herz gehabt haben, dass all die Christen an all den Orten darin Platz hatten. Und natürlich auch all die Menschen, die noch keine Christen waren und von denen er hoffte, dass auch sie zum Glauben an Jesus kommen. Wie geht das: So ein weites Herz haben für andere? Wie wird unser Herz weit? Dann, wenn wir wie Paulus mit dem Dank beginnen. Uns hinsetzen, überlegen, wieviel Gott uns geschenkt hat gerade durch andere Menschen. Und dann anfangen zu beten: Danken für diese Menschen und für sie beten: - Für unsere Lehrer: dass sie morgen Spaß haben am Unterrichten; - für Jugendliche in der Kirche: dass sie merken, dass sie hier willkommen sind; - für Flüchtlinge: dass ihr Wunsch nach einem Leben in Frieden erfüllt wird hier oder in ihrer Heimat - für unsere Eltern und Geschwister 8
- für Christen an anderen Orten: dass sie Gottes Treue erfahren - für uns Christen hier in Großeicholzheim / Rittersbach: dass unsere Herzen weit werden oder so wie Paulus betet: Dass unsere Liebe immer noch reicher werde an Erkenntnis und Erfahrung. Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. G: Amen. 9