Das basale Insulin als Schlüssel zum Therapieerfolg Dr. C. Schweiger Altenmarkt, 15.05.2011 Universitätsklinik für Kinder und Jugendheilkunde Salzburg C. Schweiger / Paracelsus Medizinische Privatuniversität
Diabetestherapie = Abstimmung von......eigentlich ganz einfach...?
Der BZ macht sowieso was er will, auch wenn ich mich noch so bemühe Seit 3 Tagen nur Hypos! Heute habe ich alles gemacht wie gestern und der BZ ist hoch Dann war der BZ wieder 280, er hat sicher genascht......mal wirkt das Insulin, mal wieder nicht Vorausberechnen kann ich gar nichts...eigentlich ganz einfach...?
Grundlegendes zur Insulinwirkung
Was macht das Insulin im Körper? Wir essen KOHLENHYDRATE, FETT, EIWEIß (= Energie, Brennstoff für die Zelle) KH werden im Darm zu GLUKOSE (=Einfachzucker) gespalten GLUKOSE gelangt ins Blut
1. Insulin transportiert Glukose in die Zelle INSULINREZEPTOR INSULIN GLUKOSE- TRANSPORTER...in der Zelle wird Glukose zur Energiegewinnung verbrannt
Weitere Insulinwirkungen.. ausser Transport von Glukose in die Zelle Speicherung von Zucker in Leber und Muskel (in Form von Glykogen) Aufbau und Speicherung von Körpereiweiß Aufbau und Speicherung von Fett
Insulinmangel bewirkt... Blutzuckeranstieg Gesteigerte Leberzucker-Freisetzung Abbau von Proteinen (Proteolyse) Abbau von Fett (Überschiessende Lipolyse) Insulinresistenz
Basale Insulinierung Grundstoffwechsel und Insulinresistenzen
Physiologische Insulinfreisetzung Aldosteron 40-60 % Prandiales Insulin Cortison Wachstumshormon 40-60 % Basales Insulin Unterschiedliche Insulinsensitivitäten im Tagesverlauf u.a. durch hormonelle Faktoren.
Aufgabe des basalen Insulins Das basale Insulin dient ausschließlich der Grundstoffwechselsteuerung, es entspricht der Leberzuckerfreisetzung und Fettsäurenproduktion die für Wärmeerzeugung, Herzschlag, Atmung sowie der Versorgung der anderen Organe im Ruhestoffwechsel benötigt wird, sodass eine Gleichgewichtseinstellung der BZ-Werte von 70-110 mg/dl zustande kommt. Alle übrigen Insulinbedürfnisse sollen über den Bolus gesteuert werden
Profilierung der BR Die Profilierung (Wellenform) der Basalrate ist Ausdruck der unterschiedlichen Insulinsensitivitäten im Tagesverlauf bedingt durch hormonelle Einflüsse. Nach dieser Insulinsensitivitätskurve richten sich Basalrate Essensinsulin (BE-Faktoren) Korrekturinsulin Therapieanpassungen (Sport, Krankheit) 7.00 12.00 BR 0,9 0,6 Bolus 1,8 1,2 Der Einschlafzeitpunkt legt den Anfang einer neuen Insulinsensitivitätskurve fest (Ausschüttung von Wachstumshormon und Cortison)
Basalratenprofilierung und Lebensalter Schematische Darstellung!! Aufsteh-Phänomen (Kreislaufanpassung an Positions- bzw. Lagewechsel)l Dawn Phänomen Dusk-Phänomen 0-5. Lebensjahr und Erwachsene Einschlaf-Phänomen (Resistenzphasen-Auslöser) 5. - 11. Lebensjahr 11. - 16. Lebensjahr 25. - 40. Lebensjahr
Aufstehphänomen = Kreislaufanpassung an Positionsbzw. Lagewechsel durch Aldosteron und Angiotensin II Im Stehen 30% höherer Insulinbedarf als im Liegen Das Aufstehphänomen führt zum BZ-Anstieg von ca. 40 mg/dl und anschließender Resistenz Resistenzen zeigen ihr wahres Gesicht, wenn man sie mit BE belastet, d.h. nach dem Frühstück bzw. nach dem Mittagessen
Eine stabile Grundstoffwechselsituation ist Vorraussetzung einer funktionierenden Therapie Bei Insulinkonzentrationen < basaler Insulinbedarf Überschießende Leberzucker- und Fettsäurenfreisetzung als zur gleichen Zeit im Ruhestoffwechsel (Temperatur, Herzschlag) verbraucht werden Insulinresistenzen Stoffwechselentgleisungen
Hyperglykämie BZ-Wert BZ-Wert KH- Entgleisung < > Stoffwechsel- Entgleisung Hoher BZ durch nicht mit Insulin abgedeckte BE Kein Eingriff in den Grundstoffwechsel Mangel in der basalen Insulinierung Insulinresistenzen
Durch eine stabile Grundstoffwechselsituation... Stabil niedrige Stoffwechseleinstellung (Euglykämie) Vermeidung schwerer Hypoglykämien Vermeidung von Folgeschäden Berechenbare und vorauskalkulierbare Blutzuckerverläufe Senkung des Therapieaufwandes (Lebensqualität, Belastung)
Basalratenprofilierung je nach Lebensalter 2. - 5. Lebensjahr 5. - 11. Lebensjahr 11. - 16. Lebensjahr! C. Schweiger Schematische Darstellungen!!
Basalratengesetze (Grundvoraussetzungen) 1. Es fallen immer 40-60 % der Insulingesamtmenge auf die Basalrate (Bei ausgeglichenem Stoffwechsel und gewichtserhaltender Kost) 2. Basalratenlücken gibt es nicht 3. Abrupte Basalratensprünge in beide Richtungen gibt es nicht (Insulinsensitivitätsänderungen sind träge und verändern sich über Stunden) 4. Alle Therapiegrößen gehen den Insulinempfindlichkeiten parallel, auch die Basalrate (Symmetriegesetz) BR : Essensbolus: Korrekturinsulin: Therapieanpassung = KONSTANT 5. Wenn, wie meist, die Basalrate 1-2 wellig verläuft, hängt die Lage der Hügel vom Einschlafzeitpunkt ab. 6. Höchste und niedrigste Basalratenbeträge stehen zueinander im Verhältnis 1:1,3-1:1,7 (maximal 3:1, meist <2:1) Keine zu ausgeprägten Profilierungen wählen!
Therapiearten
Therapiearten Physiologische Insulinfreisetzung Konventionelle Therapie (CT) - obsolet Basis-Bolus-Therapie (FIT/NIS) Insulinpumpentherapie (CSII)
Insuline Insulintyp Pharmakokinetik Wirkung Hersteller Sanofi-aventis Eli Lilly Novo Nordisk Eintritt: nach 10 Min. Maximum: nach 1 h Dauer: 2-3 h Apidra (Insulin glulisin) Humalog (Insulin lispro) NovoRapid (Insulin Aspart) SEA: 15-45 Min. Eintritt: nach 30 Min. Maximum: nach 2 h Dauer: 3-6 h SEA: 5-30 Min. Insuman Rapid Hum insulin Normal (Regular, R) Actrapid HM Eintritt: nach 45 Min. Maximum: nach 4-6 h Dauer: 10-18 h Insuman Basal Hum Insulin Basal NPH Insulatard HM Protoaphane Eintritt: Maximum: gleichmäßig Dauer: 12-24 h Levemir (Insulin detemir) Eintritt: Maximum: gleichmäßig Dauer: bis 24 h Lantus (Insulin glargin) Nach Howorka Kinga, Insulinabhängig, Verlag Kirchheim
Insulin - pharmakokinetische Wirkprofile Nach Howorka Kinga, Insulinabhängig, Verlag Kirchheim
Warum es doch nicht so einfach ist...
Insulinempfindlichkeiten Unterschiedliche Insulinsensitivitäten im Tagesverlauf Vorgegebene Insulinempfindlichkeit (0,7-1,4 IE/kg/Tag) Insulinempfindlichkeits -änderungen von Tag zu Tag
Insulinempfindlichkeitsänderungen durch: Steuernde Faktoren: Genetik Insulinrezeptorenanzahl (Up-/ Downregulation) Freie Fettsäurenkonzentration (überschießende Lipolyse) Hormone (Cortison, Wachstumshormon...) Antikörper (Insulinantikörper, AK gegen Insulinrezeptoren) Bei und nach Stoffwechselentgleisungen Insulindosisänderungen Fieber, Medikamente, Erkrankungen Pubertät, Menstruation, Schwangerschaft, Stillen Änderung des körperlichen Aktivitätsniveaus Änderung der Ernährungsweise, Ernährungszustand Psychischer Streß (?) Rhyrhmusänderungen, Altern
Take Home Message für Fortgeschrittene Insulintherapie nahe der physiologischen Insulinfreisetzung - Therapie sauber definieren Richtige basale Insulinierung - stabiler Grundstoffwechsel - Keine Insulinmangel oder -lücken - Vermeidung von Insulinresistenzen und Stoffwechselentgleisung - Die Therapie wird berechenbar und vorauskalkulierbar Insulinsensitivitätsänderungen beachten! - Sie beeinflussen das gesamte Therapiesystem - Sie machen die Therapie zu einem stets dynamischer Vorgang