ICON MAI 2018 THROUGH HER EYES

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Transkript:

ICON MAI 2018 THROUGH HER EYES

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EDITORIAL Diese Seite und auf dem Cover: Maria Grazia Chiuri in ihrem Pariser Büro, fotografiert von Sanne Glasbergen vor Postern von Lucia Marcucci und Kelly LaRocca IMPRESSUM ICON Chefredakteurin: Inga Griese (verantwortlich) Textchef: Dr. Philip Cassier Special Editor: Adriano Sack Redaktion: Caroline Börger (Managing Editor), Heike Blümner, Nicola Erdmann (Managing Editor Iconist.de), Anna Eube, Julia Hackober, Jennifer Hinz, Silvia Ihring, Mira Wiesinger. Design: Gabriele Thiels, Sara Krüger (Iconist.de) Praktikantin: Alva Bücking Lektorat: Matthias Sommer, Andreas Stöhr Redaktionsassistenz: Ursula Vogt- Duyver, Jasmin Seikowsky Korrespondentin in Paris: Silke Bender. Style-Editor SANNE GLASBERGEN; MARIO TESTINO; POSTER OBEN: LUCIA MARCUCCI/ 2018 VGBILDKUNST, BONN; POSTER UNTEN: KELLY LAROCCA in NEW YORK: Nadia Rath Style-Editor: Jürgen Claussen, Stephan Meyer Autoren: Susanne Opalka, Esther Strerath Artdirector: Barbara Krämer Gestaltung: Maria Christina Agerkop, Marie Friedrich, Katja Schroedter Fotoredaktion: Julia Sörgel, Elias Gröb, Jennifer Bressler Bildbearbeitung: Kerstin Schmidt, Felix Steinert, Malte Wunder Postproduction: Luna Simic AXEL SPRINGER SE vertreten durch den Vorstand Dr. Mathias Döpfner (Vorsitzender), Jan Bayer, Dr. Stephanie Caspar, Dr. Julian Deutz, Dr. Andreas Wiele GESCHÄFTSFÜHRER PRINT Christian Nienhaus. VERLAGSLEITER PRINT Petra Kalb, Stv. Heiko Rudat Gesamtanzeigenleitung: Kai Ehrenschneider-Brinkmann; Anzeigen ICON: Roseline Nizet (roseline.nizet@axelspringer.de), Jacqueline Ziob (jacqueline.ziob@axelspringer.de) Objektleitung: Carola Curio (carola.curio@axelspringer.de) Verlag: Axel Springer SE Druck: Roto Smeets, NL-Deventer Herstellung: Olaf Hopf ICON ist ein Supplement der WELT AM SONNTAG, die nächste Ausgabe erscheint am 27. MAI 2018. Sie erreichen uns unter ICON@welt.de Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter www.axelspringer.de/ unabhaengigkeit. STARKE FRAU Die Szene war womöglich typisch: Wir saßen an dem Besprechungstisch in ihrem Pariser Büro, Maria Grazia Chiuri, die erste weibliche Chefdesignerin von Dior, hatte einen Lunchtermin vereinbart, zum Gespräch mit dem Historiker Philippe Costamagna. Nachdem sie sein Buch The Eye gelesen hatte, wollte sie ihn persönlich kennenlernen, und als wir Themen für diese gemeinsame Ausgabe überlegten, schlug sie ihn vor. Denn es sollte zwar im Wesentlichen um interessante Frauen gehen, aber ganz ohne Männer, das schien ihr zu eng gedacht. So sehr sie eine Frauenfrau ist und sich mit Geschlechterrollen auseinandersetzt, so wenig unsouverän oder exkludierend ist sie: Ich hatte das Glück, gleich bei Fendi anzufangen, ein Unternehmen von fünf Schwestern und unglaublichen Frauen; mit Familien, die mir die Möglichkeit gaben, mich beruflich weiterzuentwickeln. Solange ich dort gearbeitet habe, dachte ich, dass die Probleme der Feministinnen gar nicht existierten. Als ich bei meiner Arbeit das erste Mal auf einen Chauvinisten traf, bin ich nach Hause gegangen und habe zu Paolo, meinem Mann, gesagt:,stell dir vor, ich habe einen Chauvinisten gesehen. Ihre Rolle bei Dior sieht sie auch darin, weibliche Identität zu verteidigen und zu definieren. Für Frauen, nicht gegen Männer. Mit Humor, mit Blick auf die Arbeit des Gründers. Der Erfolg spricht für sie. Das Treffen im Büro war praktisch und unprätentiös. Direkt am Arbeitsplatz und ungestörter als im Restaurant. Das Essen wurde vom L Avenue geliefert, dem berühmten Treffpunkt schräg gegenüber vom Dior-Kosmos in der Avenue Montaigne. Lachs, Salat, Gemüse. Ihr wurde etwas aus ihrer eigenen Küche serviert, gebratenes Tatar, geschnipselte Artischocken, Salat alles ohne Soße. Diät nach dem langwierigen Beinbruch? Wir sprachen nicht darüber, zu lebendig war die Unterhaltung längst. Doch dann kam das Dessert: Eis, herrliche Früchte, sogar Walderdbeeren. MGC, wie sie im Haus nur genannt wird, bekam einen ungeschälten Apfel hingestellt. Sie guckte ihn an, irgendwas zwischen fassungslos und amüsiert, schüttelte den Kopf. Das Gespräch stockte, alle starrten auf den Apfel, zögernd, ob Kichern angebracht wäre. Sie murmelte Apfel tristesse, schob ihn weg und lachte. Das war eindeutig ein Angriff auf die Lebensfreude gewesen. Egal, was sonst alles ist, sie ist immer Italienerin, Römerin. Für die aktuelle Kollektion hat sie sich von Niki de Saint Phalle inspirieren lassen. Die arbeitete mit Kopf, Herz und Mut, das ist ihr nah. Und wenn sie jetzt den Feminismus thematisiert, ist das kein Echo auf den Zeitgeist. Es ist der Ruf. 9

CORNELIA LAUF Seitdem die Kunsthistorikerin und Kuratorin Cornelia Lauf vor einigen Jahren für eine Homestory in der WELT AM SONNTAG ihre Wohnung öffnete, ist sie eine Art redaktionelle Geheimwaffe in Italien. Tipps für Sizilien? Frag Cornelia! Das beste Olivenöl? Produziert sie gemeinsam mit ihrem Mann. Ihr eigentliches Zuhause aber ist die Kunstwelt: Die 80er- Jahre verbrachte sie in New York an der Seite von Joseph Kosuth, danach lebte sie zehn Jahre in Belgien, wo sie unter anderem den Aufstieg der örtlichen Modeszene unterstützte. Inzwischen ist die Deutsch-Amerikanerin in Rom gelandet, wo sie eine schwindelerregende Anzahl künstlerischer Projekte initiiert und leitet. Die Netzwerkerin par excellence durfte deshalb als Co-Moderatorin bei dem Round-Table-Gespräch von Maria Grazia Chiuri nicht fehlen. Natürlich kannte sie die teilnehmenden Frauen zum größten Teil persönlich und konnte so bereits im Vorfeld kulturelle Übersetzungsarbeit Richtung Berlin leisten. Ab Seite 24 CONTRIBUTOR BEA DE GIACOMO Mit der Angst vor dem Vergessen hatte alles angefangen. Als Teenagerin griff die Mailänderin zur Kamera, fotografierte Freunde und Partys, um sie für die Ewigkeit festzuhalten. Bis 2008 studierte sie am European Institute of Design in Mailand, spezialisierte sich auf Stillleben, bis sie sich schließlich in Richtung Modefotografie orientierte. Im ICON-Shooting kehrt die 35-Jährige zu ihren Wurzeln zurück und fotografiert die sogenannte Fall 2018 Kollektion im Spannungsfeld der Skulpturen und Gemälde der Villa Walter Fontana in der Provinz Monza. Ab Seite 32 MAI 2018 AUSGEWÄHLT ALIREZA MOVAHED; PRIVAT 12 18 20 GEGEN DEN STROM Zur Revolution? Oder doch besser Evolution? Unsere Lifestyle-Weisen reflektieren über Frauenpower und Powerfrauen PARIS ROM Icona unternimmt einen modischen Streifzug durch die Städte, die im Leben der Dior- Chefdesignerin die wichtigste Rolle spielen GESCHICHTEN DAS FUNKELN VENEDIGS Er gehört zu der Stadt wie sonst nur die Gondeln: Die Kreationen des Juweliers Codognato sind so einzigartig wie der Ort selbst 29 HEIMATTRIP 13 Adressen, die den Aufenthalt unvergesslich machen: Maria Grazia Chiuri gibt ihre Lieblingsorte in ihrer Geburtsstadt Rom preis 32 UND ES WAR FRÜHLING Die Künstlerin und Aktivistin Claude Cahun trieb bis in die 50er-Jahre das Surreale an. Maria Grazia Chiuri ist bis heute fasziniert und hat sich für ihre Kollektion vom Spiel mit Geschlechterrollen inspirieren lassen. Ein Rückblick in Fotos 46 62 65 66 24 MAXIMALER MINI Schlankweg ein großer Demokrat der Mode: Mit Marc Bohans Slim Look begann bei Dior 1961 eine neue Zeitrechnung. Inga Griese spürte dem genialen Geist nach NATÜRLICH, DIE KUNST! Eine toskanische Symbiose: Auf dem Gut Castello di Ama verbinden sich Natur, Wein und Kunst zu einer unnachahmlichen Mischung. Heike Blümner hat sie erlebt GLOBAL DIARY Die Postkarten erreichen uns diesmal aus Tokio und dem Tarot-Garten von Niki de Saint Phalle in der Toskana KEINE BANGE, CHRISTIAN! Einige der engsten Vertrauten Christian Diors waren Frauen. Doch niemand kam ihm so nahe wie seine Schwester Catherine. Die war vor allem eines: Unerschrocken GESPRÄCHE AM RUNDEN TISCH Die Kunstsammlerin Maria Croce Caldarulo lädt regelmäßig Frauen zu Diskussionen ein. Ein Gespräch über alles, was Frauen ausmacht 48 52 56 58 60 AUF DAS LEBEN Die Römerin Giosetta Fioroni gehört zu den wichtigsten Malerinnen Italiens. Diors Chefdesignerin fühlt sich durch sie inspiriert. Höchste Zeit für eine Begegnung VOM MUSEUM AUF DIE STRASSE Mode ist ein Geschäft und kann doch zur Kunst werden. So sieht es Maria Grazia Chiuri. Der Museumsdirektor Philippe Costamagna will Kunst in die Öffentlichkeit bringen. Kein Wunder, dass sie sich viel zu erzählen haben KOSMETIK MARIAS LIEBLINGE Haben Sie sich schon einmal gefragt, was Maria Grazia Chiuri wohl in ihr Kosmetiketui räumt? Wir haben sie direkt gefragt IMMER DIESER NASE NACH François Demachy erschafft seit Jahrzehnten Düfte für die großen Modehäuser. Dior darf da nicht fehlen DAS BESTE VON ALLEM Sie ist Römerin, blond, lebt in Paris. Was braucht man da wohl im Bad? Wir fanden passende Kosmetikneuheiten 11

UNSERE LIFESTYLE-WEISEN ZEIGEN STÄRKE STIL ISTEN (R)evolution Ein Leben, gezeichnet von einem Trauma und erfüllt von dem Traum, die Wiederholung der Vergangenheit zu verhindern, führt der Künstler Marcelo Brodsky. Er selbst flüchtete vor der argentinischen Militärdiktatur nach Europa. Maria Grazia Chiuri entdeckte seine Arbeiten im vergangenen Jahr auf der Paris Foto und kaufte gleich eine für ihr Büro. Als Erinnerung, niemals aufzugeben. Dieses von der Studentenrevolte in Rom 1968 ist aus dem Bildband 1968: The Fire of Ideas (Editorial RM). MARCELO BRODSKY MAILAND AUSSER KONKURRENZ Lilly zu Sayn Wittgenstein, Markenbotschafterin für Bulgari und Reviderm Ich pendele zwischen der Schweiz und Mailand. In Brera habe ich, direkt neben der Kunstakademie, eine entzückende Wohnung. Sie stammt aus dem 16. Jahrhundert. Manchmal wäre ich ganz froh, dort zwei Tage nur für mich zu haben. Meistens klingelt aber doch das Telefon und man trifft Freunde. Vorzugsweise im Baretto, La Risacca oder im Da Giacomo, herrliche kleine typisch italienische Restaurants. Zum Lunch oder Aperitivo geht man am besten ins Bulgari -Hotel und sitzt in dem wunderschönen Garten. Immer ist etwas los. Wie beim Salone del Mobile; man kommt abends zusammen und sitzt plötzlich neben dem Design- Kurator des Mets in New York und führt die spannendsten Unterhaltungen. Mailand ist inzwischen unendlich lebendig, es hat sich viel verändert. Damals, während der zehn Jahre, als ich hier lebte und meine Kinder zur Schule schickte, habe ich das ganz anders wahrgenommen. Heute ist die Stadt sehr kreativ. Und zwischen den Italienern habe ich nicht das Gefühl, mich als Frau behaupten zu müssen. Für die neue Generation ist Gleichberechtigung ganz normal. Durch meinen Job habe ich viel mit jungen Business-Frauen zu tun. Die haben es gar nicht nötig, mit einem Mann in Konkurrenz zu treten. Es ist kein Thema mehr im Beruf oder wenn abends alle an einem Tisch sitzen. 12 DIOR SEIT 1998 ENTWIRFT VICTOIRE DE CASTELLANE DEN MAGISCHEN SCHMUCK VON DIOR. IHRE AKTUELLE HAUTE-JOAILLERIE-KOLLEKTION BIRGT GEHEIMNISSE UND VERSTECKE

WIR WOLLTEN ES ANDERS Neulich habe ich mir die DDR-Kunstausstellung in der Villa Barberini in Potsdam angeschaut und war sehr betroffen. Ich hatte ja nach dem Krieg beide Seiten beobachten können, auch die weniger bekannten Künstlerkolonien der DDR, die doch recht privilegiert waren. Wer ins System passte und nicht laut war, dem ging s ganz gut. Man war dort quasi ruckartig sehr befreit. Auch wenn wir im Westen immer an Restriktionen denken und alles, was nicht möglich war, so war doch einiges möglich. Zum Beispiel, keine Vergangenheit zu haben. Deshalb gab es auch keine kulturelle Revolte. Staatlich verordnet keine Vergangenheit, also auch keine Reue, keinen Protest. Die Kunst der DDR hatte Fortschrittsglauben, aber die Kunstszene hatte keine fortschrittlichen Mittel im verordneten Positivismus, dem Aufbruch des Proletariats. Sie war damit auch nicht frei. Das Museum machte mich betroffen. Leute meines Alters waren aus dem Westen gekommen, um sich die Kunst der Ost-Künstler anzugucken, als wären es ganz exotische Dinge. Ehepaare um und über sechzig mit asymmetrischem Haarschnitt, einem Ohrring und der wirklich sehr intensiven Farbgebung im Pashmina. Die gingen an den Bildern schweigend vorbei es war ein Politikum. Wir waren eine Generation ohne Vorbilder. Die Eltern blieben stumm. Im Westen gab es den Hang zur Anarchie, es bedeutete, sich loszureißen. Das war auch ein Zwang, du hattest keinen anderen Weg. Auch in der Kunst. Ich entzog mich. Neulich sagte einer, es war Glück, wenn man Nazi-Eltern hatte. Die konnte man zu Recht fertigmachen. Damit war man im Trend. Wolfgang Joop Designer OB AUCH KLEIDUNG ETWAS FÜR IHN WÄRE? NIEMALS!, RIEF CHRISTIAN LOUBOUTIN. ALLES, WAS MICH INTERESSIERT, SIND SCHUHE UND BEINE. UND VOR ALLEM: FRAUEN ZU BESTÄRKEN! ÜBER NET-A-PORTER.COM Any Sugars? Wilde Freuden haben wilde Enden, wusste schon Shakespeare und meinte damit vielleicht den Zuckerschock, in dem sich diese illustre Gruppe ergeht. Vor einem Leben, derart gefüllt von Liebe und Verlust, konnte sich Nan Goldin nur durch Fotografie retten, und konservierte so ihre intensivsten Momente. Die Intimität der Fotos beeindruckte auch Maria Grazia Chiuri, die Goldin schon mehrmals für Dior verpflichtete. Die Fotos der Reihe The Ballad of Sexual Dependency zeigt die Sammelausstellung Real Worlds: Brassaï, Arbus, Goldin. Bis 3. September, MOCA, Grand Avenue, Los Angeles NAN GOLDIN COURTESY OF THE MUSEUM OF CONTEMPORARY ART, LOS ANGELES, THE NIMOY FAMILY FOUNDATION

STARKE FRAU, STARKES DESIGN: DER GT LOUNGE CHAIR WURDE 1949 VON GRETA M. GROSSMAN ENTWORFEN (FÜR GUBI) BLIESWOODS FRAUEN Blieswood, Connaisseur aus Hamburg Ohne meine Frau wäre ich längst nicht mehr da. Sie ist mein Engel und mein Schutzengel. Ohne Angela Merkel würde Cool Germany nicht weltweit so strahlen. Ohne Maria-Elisabeth Schaeffler (Continental) wäre ihr Sohn Georg nicht der vielleicht reichste Deutsche. Ohne Helga Seckler wäre Herbert Seckler vielleicht nicht der Weise vom Sylter Sansibar. Ich glaube fast, dass Eva vor Adam da war. Ich traf mal die Kanzlerin im Café Einstein, wo sie gern frühstückt. Wir sind derselbe Jahrgang 1954. Aber sie ist die mächtigste Frau der Welt. Als Kind im Osten guckte sie Flipper weil sie hinter der Mauer von Hawaii träumte. Ich sah in Bayern Ivanhoe (in Schwarz-Weiß) weil ich unter einer Burg groß wurde. Immer, wenn ich Frau Merkel im TV sehe, staune ich und seufze zu meiner Frau: Das könnte ich nie! Wie schafft sie das nur alles? Ich stand mal mit Auto-Genie Erich Sixt beim Weißbier vor seiner weißen Villa an der Côte d Azur und grübelte: Wie schafft man das? Er lächelte und sagte: Ohne meine Frau Regine wäre das nicht möglich gewesen. Sahra Wagenknecht fährt auf dem Rad Marathon (bis zu 100 km), ihr Mann Oskar Lafontaine folgt ihr bewundernd auf dem E-Bike. Mein Power-Liebling ist Jennifer Lawrence, die neue Prinzessin von Hollywood. Mit 14 floh sie aus der Schule (Panikattacke). Mit 27 ist sie heute die bestbezahlte Frau von Los Angeles. Sie ist Single. Hat breite Schultern. Trägt selten BH. Trinkt Moscow Mule. Mit 25 beschloss sie, nur noch die Wahrheit zu sagen. Der wichtigste Mensch ist meine Mutter da steht auch mein Oscar. Eine Frau wie Blitz und Donner mit lautem Lachen. PS: Ich lese gerade The Bettencourt Affair. Liliane Bettencourt (L Oréal) war mit 35 Milliarden die reichste Frau der Welt. Glück ist anders. Spiel mir das Lied von Cindy 2018 CINDY SHERMAN COURTESY OF THE ARTIST AND METRO PICTURES, NEW YORK 14 Stets im falschen Film und doch immer richtig ist die Fotografin und Künstlerin Cindy Sherman. Bis ins Detail inszeniert sie ihre Charaden, hält wie hier im Bild Untitled Film Still von 1979 (zu sehen in der Galerie Metro Pictures, New York) als Heroine im Wilden Westen Ausschau und spielt mit weiblichen Stereotypen. Dabei ist die Marschrichtung klar: Das gängige Rollenbild wird hinterfragt. Und das nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern mit Cleverness und Humor. Ein Ansatz, der auch in der Mode erfolgreich in die Welt getragen wird.

Partie mit dem Schicksal Wegweiser offenbaren sich nur dem, der nach ihnen Ausschau hält. Christian Dior glaubte stark an überirdische Kräfte. Im Pariser Büro von Maria Grazia Chiuri fällt der Blick gleich auf dieses Set Tarotkarten verschiedener Künstler. Sie hängen dort weniger als Andenken an die Cruise-Kollektion 2018 zu diesem Thema. Auch mit dem von Monsieur Dior gepflegten Aberglauben hat ihre Faszination nichts zu tun. Das Irdische ist ihr näher als das Überirdische. Im Tarot geht es um das Leben, Menschen, Design. Ich mag zum Beispiel die Idee, dass der Tod einen Neuanfang bedeutet. Das gibt selbst ihm etwas Positives. SANNE GLASBERGEN WEIN, WEIB UND ERFOLG Geht eine Ära zu Ende, ist das nicht zwangsläufig etwas Schlechtes. Schließlich entsteht Raum für etwas Neues. Auf den Weingütern wechseln die Generationen, der Nachwuchs übernimmt und ist nun immer häufiger weiblich. Mir ist das eigentlich egal, männlich, weiblich der Wein muss gut sein. Ich bilde mir nicht ein, dass nur Männer das könnten. Gesine Roll zum Beispiel aus Rheinhessen kann einen perfekten Sauvignon blanc. Klar, es gibt auch die üblichen Herbert Seckler Kultwirt vom Sylter Sansibar Verdächtigen im Sortiment: Riesling, Grau- und Weißburgunder. Doch der Abkömmling von der französischen Loire sticht hervor. Das ist nicht zuletzt der Winzerin zu verdanken. Das Weingut Weedenborn ist ein Familienbetrieb, Gesine Roll dementsprechend ein Eigengewächs. Gelernt hat sie ihr Handwerk beim Weingut Bassermann-Jordan in Deidesheim und später in Südafrika, wo man nur zu gern mit Sauvignon blanc experimentiert. Vor einigen Jahren übernahm sie das Gut von ihrem Vater und baute den Sauvignon blanc aus. Der Erfolg gibt ihr recht: Frischer Wind fördert neue Möglichkeiten zutage. STOFF FÜR GESCHICHTEN Berlin im November 2017. Für die Einführung der Cruise-2018-Kollektion zum Thema Tarot hatten wir einen Pop-up-Store für Dior in unserem Geschäft am Gendarmenmarkt aufgebaut. Alles wurde nach Maß angefertigt, eigens für uns entworfen, ein wahres Luxusprojekt, exklusiv für zehn Tage. Es war eine große Attraktion. Inspiriert war die Kollektion vom amerikanischen Südwesten mit seiner Indianerund Schamanenkultur. Besonders erinnere ich mich an drei mexikanische Touristen: Eine Mutter mit ihren beiden erwachsenen Töchtern, die wie verzaubert durch die Kollektion streiften und auf der Stelle eine von der Künstlerin Vicky Noble handbemalte weiße Bikerjacke kauften. Oder eine sehr glamouröse Kundin aus Düsseldorf, die, wie sie sagte, sich für eine Preisverleihung den berühmten Dior-Tüllrock mit dazu passendem T-Shirt und Cowboyhut zulegte..., vielleicht aber auch nur, um sich im kalten Berlin ein bisschen wie unter der kalifornischen Sonne zu fühlen. Emmanuel de Bayser Mitbesitzer von The Corner Berlin Und dann gab es noch eine junge Frau aus Hongkong, die sich als Geburtstagsgeschenk ein aufwendig besticktes Cocktailkleid direkt aus dem Schaufenster kaufte. Drei Kontinente, ein Traum. Oder: Paris im Januar 2018. Ein Bal masqué, um die Dior-Haute-Couture-Präsentation zu feiern. Das Show-Zelt im Garten des Rodin-Museums wurde in eine surrealistische Niki-de-Saint-Phalle-Fabelwelt umgewandelt. Dekor, Gäste, Personal, alle schienen Teil der einmaligen Inszenierung, und wirklich alle waren maskiert. Magie, Bezauberung, Luxus live. Es war ein unvergesslicher Abend. Dior j adior! MUST READ VON MARIA GRAZIA CHIURI Mehr Feminismus! Ein Manifest u nd v ier Stories v on C himamanda Ngozi Adichie (S. Fischer V erlage) Women A rtists T he Linda Nochlin Reader von Linda Nochlin (Thames & H udson Ltd.; auf Englisch) Die Book Tote von Dior Das Geisterhaus von Isabelle Allende (Suhrkamp) Autoritratto von Carla Lonzi (Carte d Artisti; auf Italienisch) Die Wolfsfrau Die Kraft der weiblichen Urinstinkte v on C larissa Estés (Heyne) 15

LIEBLING PFINGSTROSE. DIESE IST VON DER PORZELLAN MANUFAKTUR NYMPHENBURG Wenn die Muse zweimal küsst GETTY IMAGES DPA; DROITS RÈSERVÈS Als selbst ernannte Terroristin der Kunst kämpfte Niki de Saint Phalle mit schrillen Farben gegen ihre eigene Vergangenheit und die von Männern dominierte Kunstwelt. Verwoben wie die Schlangen ihres Huts (entworfen von Marc Bohan im Hintergrund und von Laziz Hamani 1982 fotografiert), traten die Muse und der Designer stets auf. Gegenseitige Bewunderung war der Zement ihrer Freundschaft trotz stilistischer Differenzen. Sie: kraftvoll, weiblich, provokativ. Er: klassisch, sensibel und reduziert. Ihr gemeinsamer Nenner: Frauen in den Mittelpunkt ihrer Schöpfung zu stellen. Die Arbeiten der Künstlerin wiederum stehen im Mittelpunkt der aktuellen Dior-Kollektion. Der neue Prachtband Dior by Marc Bohan blickt zurück auf jene Zeit. (Editions Assouline) Florentine Joop llustratorin und Autorin in Berlin 16 HOW TO ART TEIL 30: Wie sähe unsere Welt aus, würden Frauen diejenigen sein, die 99 Prozent oder zumindest wenigstens die Hälfte der Dinge darin entschieden und gestalteten? Denn unsere alte Welt rollt langsam, langsam, aber immer schneller den Berg hinab (Krieg, Erderwärmung, Plastikmeere, Tiermassenquälerei, Atommüll, gruselige Echo-Verleihungen und AfD) und immer noch stehen Frauen auch in neuen Gebäuden in Schlangen vor der Toilette. Was das miteinander zu tun hat? Die Gesellschaften auf dieser Welt sind, werden und wurden fast ausnahmslos von Männern geformt, gestaltet, verwaltet. Seien es Religionen, Legionen, Industrienationen oder inzestuöse Dynastien, die Männer durften sich an unserer Erde versuchen, sich austoben und sie kaputt machen. Nun übergeben sie sie, wie einst das zerbombte Europa, langsam und teilweise sogar reumütig in weibliche und kundige Hände. Längst ist wissenschaftlich und wirtschaftlich erwiesen: Da, wo Frauen gleichberechtigt handeln dürfen, geht es allen und allem in gleichem Maße besser. Wirtschaftlich, gesellschaftlich, umwelttechnisch, Emanzipation ist eine Win-win-Situation. Und weiterhin scheint kein Architekt es fertigzubringen, an unterschiedliche Toilettengewohnheiten und hygienische Bedürfnisse von Männern und Frauen zu denken. Wickeltische gibt es nach wie vor fast nur auf Frauentoiletten, wenn überhaupt. Wie sähe überhaupt die Welt aus, würden wirklich nur Frauen für Frauen entwerfen und entscheiden, was schön ist und was modern und was die Must-haves sind? Anders, funktionaler und besser lautet mein Urteil nach 30 We should all be feminists Jahren, die ich mir diese Fragen nun schon stelle, und es gibt endlich genug Beweise, meine Antwort zu untermauern. Denn nach 69 Jahren Firmengeschichte, in denen von männlichen Designern Frauenprodukte entworfen wurden, hat Dior eine Frau als Chefin. Das ist eine ziemliche Sensation. Fast so wie die Heidi, die mit dem Tom, der ein bisschen jünger ist. Das ist natürlich viel sensationeller ehrlich jetzt??? Frau Maria Grazia Chiuri hingegen ist erwachsen und erfahren und stellt sich erwachsenen Fragen, und mir deucht, sie ist dabei eine wirklich ernst zu nehmende Erscheinung und Konkurrenz. Und die Frauen, die ihre Mode tragen, scheinen auch Wichtigeres zu tun zu haben, als sich in unpassende Klamotten zu klemmen. Tragbar, klar, aber irgendwie auch intellektuell, lässig und unprätentiös. Feministisch fällt einem spontan ein, und das ist ja längst kein Makel mehr endlich, sondern die einzige wirklich moderne Entwicklung, der letzten Zeit. Frau kann alles sein. Zum Beispiel, wenn Mann vielleicht gerade (wieder einmal) die Welt in Trümmer gelegt hat; dann ziehen wir Frauen doch ganz selbstverständlich die flachen Schuhe an und die bequemen Männersakkos, binden uns die Haar-Extensions hoch und die Babys auf den Rücken und räumen auf, fahren die Straßenbahnen und Busse und Lastwagen, meine Großmutter erzählte mir davon, und kümmern uns darum, dass alles wieder funktioniert und unsere Angehörigen nicht verhungern. Immer noch verströmen die Bilder jener Zeit, von Frauen mit Hemdblusenkleidern, Herrenmänteln und Schuhwerk, ein Gefühl von Aufbruch und Look. Look heißt Blick. Der Look nennt sich Hoffnung auf eine bessere Welt. FLORENTINE JOOP

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SCHATZTRUHE Der letzte Venezianer Eine winzige Boutique für seine unerschöpfliche Fantasie: Der Juwelier Attilio Codognato gehört zu Venedig wie die Gondeln. Heike Blümner besuchte ihn in seiner wundersamen Welt. Fotografiert von Sara Magni 20 S ie ist umzingelt, aber noch nicht erobert: Unweit des Markusplatzes hält die Boutique von Attilio Codognato trotzig die Stellung. An diesem schizophrenen Ort, an dem sich einerseits viele der historischen Wahrzeichen von Venedig versammeln und andererseits die Kräfte des globalisierten Tourismus in Form von Menschenmassen und Shopping-Wahnsinn ihr wenig schönes Antlitz zeigen, macht der Juwelier einfach weiter wie eh und je. Leicht übersieht man das Geschäft, einfach weil man wie von selbst vom Strom der Touristen mitgerissen wird. Aber einmal vor dem Schaufenster angekommen, steht die Welt um einen herum still. Es geht auf den späten Nachmittag zu. Attilio Codognato ist soeben aus der Mittagspause zurückgekehrt und legt die Ware von innen in die Auslage: Klunker über Klunker landen auf dem leicht angeschossenen roten Samt. Seine Kreationen fallen auf. Wegen ihrer schieren Größe und wegen der farbigen, funkelnden Steine. Doch die Größe hat Würde: Nicht Protz, sondern Kraft lautet die Botschaft. Sie kommen genau richtig, sagt der Signore, als er die Tür zunächst nur einen Spalt öffnet und unwillkürlich sucht man in seinen Worten nach einer versteckten Botschaft. Denn dieser Ort mit seinen Werken, das spürt jeder Besucher gleich, ist voller Andeutungen und Geheimnisse. Allein die Ausstattung der Boutique lässt hoffen, dass einem gleich der Geist einer verblichenen Principessa erscheint oder, besser noch, dass man sich selbst in eine lebende verwandelt, wenn man nur den richtigen Ring aufsteckt. Auf wenigen Quadratmetern bündelt sich eine barocke Einrichtungsfantasie mit reichlich Gold und Schnörkeln. Man mag es kaum glauben, das Mobiliar stammt teilweise noch vom Vorgänger. Bis 1966 wurden in diesem Ambiente Haare geschnitten. Danach, so scheint es, fand der Ort mit dem Verkauf von Juwelen zu seiner wahren Bestimmung. Hundert Jahre zuvor, 1866, wurde der Familienbetrieb von Attilios Vorfahren Simeone gegründet. In welcher Generation wir uns heute befinden? Es ist das Ende, antwortet der Ur- Urenkel, wie sich später herausstellt, und lächelt milde. Attilio Codognato ist nicht nur der vermutlich letzte Venezianer in dieser Gegend, auch seine Kunst ist vom Aussterben bedroht. Es gibt keinen Nachfolger. Seine beiden Kinder sind in die Welt hinausgezogen. Bereits mit Anfang zwanzig, im Jahr 1962, übernahm der heute 80-Jährige nach dem plötzlichen Tod seines Vaters das Geschäft. Zuvor hatte er in London Gemmologie studiert. Ob er ein wenig erzählen kann, welche Ideen er seitdem einbrachte? Er lächelt wieder nachsichtig: Ich bin zu weise, um über meine Objekte zu sprechen. Es ist etwas, das man mit Worten nicht beschreiben kann, sagt er und blickt einem lange in die Augen. Dann haucht er: Warum probieren Sie sie nicht einfach mal an? Aus dem Hintergrund reagiert Zeno Zennaro sein Mitarbeiter seit mehr als 30 Jahren aufs Stichwort und eilt zum Schaufenster. Denn fast alles, was zurzeit präsentierbar ist, befindet sich dort. Im Laden selbst ist kaum Schmuck vorhanden. In den Wandschränken mit den Glastüren befinden sich nämlich vornehmlich dicke Bücher und Silberbesteck. Aber nun wird aufgefahren: Ringe, Colliers und Armbänder. Ein Stück faszinierender und seltsamer als das andere. Nur wie kann man etwas beschreiben, für das selbst der Erschaffer kaum Worte findet? Ein Versuch: Es sind Stücke voller Mut und Leidenschaft, dafür ohne Kompromisse. Am augenfälligsten natürlich die zahlreichen Anspielungen auf den Tod in Form von Schädeln, Kreuzen und Särgen. Nichts davon wirkt deprimierend. Es ist eher ein augenzwinkernder Aufmarsch der Boten der Vergänglichkeit. Als sollten die Stücke uns daran erinnern, dass das Leben zu kurz ist, um sich nicht von der Schönheit der Kunst und der Natur verführen zu lassen hier in Form von funkelnden Edelsteinen. Großzügig geht Codognato in seiner Arbeit über alle vermeintlichen Begrenzungen kunstgeschichtlicher Epochen, Stile und Juwelierstechniken hinweg: Von der Antike bis zur Moderne, von Samorodok bis Kamee, alles darf sich unter Umständen sogar auf einem Stück tummeln. Und jedes von ihnen hat mehr zu bieten als den erhebenden Schock des ersten Eindrucks: Hier lässt sich ein Türchen zur 3

Der Juwelier Attilio Codognato und seine unverwechselbaren Kreationen, die es nur in dieser Boutique zu kaufen gibt

Würdevoll wie seine Werke: Signore Codognato; die Hände der treuen Kundin Maria Grazia Chiuri (Mitte) 3Seite schieben, dort versteckt sich eine komplizierte Emaillezeichnung. Bei einem sargförmigen Ring lässt sich der Deckel aus Amethyst zur Seite schieben und zutage kommt ein Gentleman, wie Codognato kichernd demonstriert. Einer allerdings, der bereits das Zeitliche gesegnet hat. Nur sein goldenes Genital ist noch quicklebendig. Es reckt sich beim Öffnen des Deckels stolz in die Höhe. Morbidität, Erotik, Lebensfreude alles findet seinen Platz, kein Stück gleicht dem anderen und es gibt auch keine klassischen Vorder- und Rückseiten. Auch dem Betrachter abgewandte Seiten sind mit überraschenden Details versehen. Kein Winkel der Schmuckstücke, auf dem die Codognato-Kreativität sich nicht breit macht. Manche der Entwürfe stammen von vorherigen Generationen, manche vom aktuellen Maestro, einige sind ein Mix aus beidem. Gefertigt werden sie in geheimnisumwitterten Ateliers in Venedig, Paris und anderswo. Kein Wort zu viel darüber. Angeblich weiß noch nicht einmal der Sohn, woher genau die Stücke stammen. Wenig verwunderlich, dass diese Form von Fantasie stets andere Fantasten angezogen hat: Schauen Sie, Attilio Codognato öffnet die Schublade des Tisches an dem er sitzt und zieht eine Skizze hervor. Von Christo. Es ist eine Hand über deren Hände und Gelenk sich ein Armband schlängelt. Direkt hinter ihm an der Wand hängt eine Skizze von Jean Cocteau. Magritte inspirierte ihn dazu, Totenköpfe mit Hüten auszustatten: Er war ein guter Kunde, einer, der verstand. Die Liste weiterer guter Kunden und Codognato-Versteher ist so umfangreich wie fast der gesamte Jetset des 20. Jahrhunderts. Allen voran Andy Warhol. Zwischen den beiden entstand so etwas wie Freundschaft. Er sei eine nette Person gewesen und bevorzugte Schmuck mit Artdéco-Einschlag, berichtet der Juwelier. In seinem Tagebuch wiederum schreibt Warhol über eine Dinnerparty in Codognatos Palazzo im Jahr 1977, als noch nicht einmal ein Erdbeben die ausgelassene Stimmung erschüttern konnte. Benannter Palazzo beherbergt im Übrigen eine extensive Sammlung moderner und zeitgenössischer Kunst zusammengetragen ausschließlich in der Zeit, in der die jeweiligen Kunstwerke entstanden. Codognato, der eigensinnige Interpret der Vergangenheit, war gleichzeitig stets auch Avantgardist. Altbekannte Exzentrikerinnen dieser untergegangenen Epoche verehrten und trugen selbstverständlich ebenfalls Codognato: Elizabeth Taylor, die Duchess of Windsor, Maria Callas natürlich. Wer noch? Die meisten von ihnen sind inzwischen tot. Aber er, er ist doch auch am Leben! Sind Sie sich da so sicher?, fragt er und schaut intensiv. Sein Lieblingskunde sei jedenfalls der Regisseur Luchino Visconti gewesen. Als dieser den Tod in Venedig drehte, sei er jeden Abend im Geschäft vorbeigekommen. Und jeden Abend habe er ein Schmuckstück gekauft, das er umgehend an eine seiner Schauspielerinnen und Freundinnen verschenkte: Gib mir das Beste, was du hast, sagte er jeden Abend aufs Neue. Und Codognato lieferte: Er war der Einzige, der nie nach dem Preis fragte. Und für ihn gab es noch eine Statistenrolle als Fahrstuhlführer als Dreingabe. Da man schon einmal beim Thema und leider auch weit und breit kein zweiter Visconti in Sicht ist: Wie gestaltet sich denn nun die Preisspanne? Und schaut Mitarbeiter Zennaro ob der Frage etwa leicht indigniert? Hat man sich der Gewöhnlichkeit preisgegeben? Wieder huscht nur ein amüsiertes Lächeln über das Gesicht dieser menschgewordenen Koryphäe. Es folgt: Schweigen. Also schnell die Flucht in die jüngere Vergangenheit und Gegenwart: Jeff Koons ist ein Fan. Damien Hirst ebenso. Für sein aufsehenerregendes Werk aus dem Jahr 2007 For the Love of God, eine mit mehr als 8000 Diamanten besetzte Skulptur in Form eines menschlichen Schädels, hat Attilio Codognato eine Skizze geliefert. Auch die Modewelt liebt den Juwelier: Die Missonis, Anna Sui oder Catherine Roitfeld tragen den Schmuck seit Generationen. Am augenfälligsten wirkt er jedoch bei Maria Grazia Chiuri. Ihre üppig beringten Finger sind eines ihrer Erkennungszeichen. Stärke und eine gute Prise Magie sind Hilfsmittel, die man in ihrem Metier dringend braucht. Gut, wenn man sie immer dabeihat. SANNE GLASBERGEN (MITTE) 22

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Die Initiatorin: Maria Grazia Chiuri, Artistic Director von Dior Rachele Regini, Studentin der Kunstgeschichte und Tochter von Maria Grazia Chiuri Die Gastgeberin: Marica Croce Caldarulo, Stiftungsdirektorin Maria Alicata, Leiterin der Fondazione Baruchello Paola Ugolini, Kunstkritikerin und Kuratorin Maria Luisa Frisa, Kuratorin und Professorin für Modedesign und Multimediakunst Cornelia Lauf, Co-Moderatorin und Kuratorin Ihring, Co-Moderatorin von ICON OUNDSilvia Cristiana Collu, Direktorin der Galerie für Moderne Kunst in Rom Es gibt viel zu besprechen: Die Runde im Wohnzimmer von Marica Croce Caldarulo Dora Stiefelmeyer, Galeristin 24

M aria Grazia Chiuri (MGC): Die Kunst war schon immer wichtig für die Mode. Sie ist wichtig für mich und für meine Kreativität. Ich glaube, dass die Kunst die wesentlichen Themen der heutigen Mode antizipiert hat. Es ist außerdem unstrittig, dass die Mode den Frauen teilweise sogar Probleme bereitet hat, wenn sie versuchte, ihnen eine strikte Vision aufzuerlegen, anstatt sie zu ermutigen, sie mit ihren eigenen Augen zu betrachten. Heute sind wir jedenfalls hier, um über das Terrain der weiblichen Kreativität zu sprechen. Als ich angefangen habe, mich mit Mode zu beschäftigen, war es für mich ein Spiel, eine Möglichkeit, sich darzustellen. Heute ist diese Zeit der Naivität definitiv vorbei. Wir befinden uns in einer neuen Phase. Maria Luisa Frisa (MLF): Die Mode beschäftigt sich mit dem Körper sei es, dass sie ihn verneint, sei es, dass sie ihn akzentuiert. Unzählige Künstlerinnen haben den Körper in ihrer Arbeit thematisiert. Die Ausstellung Corpo a Corpo, die von Paola Ugolini kuratiert und in der von Cristiana Collu geleiteten Nationalgalerie für Moderne und Zeitgenössische Kunst in Rom, ausgerichtet wurde, hat das Thema kürzlich auf spannende Weise aufgegriffen. Paola Ugolini (PU): Den wunderbaren Titel Corpo a Corpo (bedeutet auf Italienisch auch Nahkampf) hat sich Cristiana ausgedacht. Das Konzept spukte mir seit Jahren im Kopf herum, aber die Idee war immer im Sande verlaufen. Auch weil bis vor Kurzem wenig Interesse an Themen wie Frauen in der Kunst und die Bedeutung des Feminismus der 60er- und 70er-Jahre bestand. Der Begriff Feminismus wird leider zu oft falsch verwendet und ist mit ungeheuren Vorurteilen belastet. Ich wollte mit dieser Ausstellung beweisen, dass der Feminismus immer noch hochaktuell und notwendig ist, und ich wollte zusammen mit jungen Künstlerinnen nachfühlen, wo die radikalen Ideen von einst heute relevant sind. Und die Mode spielt dabei durchaus eine Rolle. Maria Grazia macht das vor. Denn dieses T-Shirt (sie trägt ein Dior T-Shirt mit dem Slogan We should all be Feminists ) ist nicht nur eine Provokation, sondern auch eine kulturelle Stellungnahme. Als ich bei der Dior-Modenschau die Models mit diesen T-Shirts gesehen habe, schlug mein Herz höher. Als meine Tochter das T-Shirt sah, das sie jetzt zu ihrem großen Glück sogar besitzt, begann sie, Bücher über feministische Theorie zu lesen. Wenn wir nicht zu säen beginnen, wird nie etwas geschehen! MLF: Das kann ein alltäglicher Akt sein. Marica Croce hat mir bei meiner Ankunft etwas sehr Schönes gesagt: Mein Haus steht für alles, was Frauen betrifft, offen. Marica Croce Caldarulo (MCC): Ich sammele seit vielen Jahren Kunst. Eines nachmittags war ich in Paris, um mir eine Ausstellung über Louise Bourgeois anzuschauen. Und da sehe ich dieses Poster von den Guerilla Girls, einer Gruppe von Aktivistinnen, mit der Frage: Lieber Sammler, wie viele Werke von Künstlerinnen besitzt du? Die Frage ist berechtigt. Ich habe die Künstlerinnen der 60er- und 70er-Jahre in den 80ern kennengelernt, und 1982 erstmals ein Werk von Cindy Sherman gekauft. Ein wenig spät, aber da hab ich es kapiert. Für mich ist es deshalb wichtig, für solche Begegnungen die Haustür zu öffnen. Auch ich habe eine feministische Mutter, hatte auch einen wunderbaren Lebensgefährten. Da entstand dieser Wunsch, Gemeinschaft herzustellen. MGC: Ich habe bemerkt, dass viele Frauen womöglich unbewusst lieber Mode von männlichen Designern tragen, weil sie ihnen das Gefühl von Sicherheit gibt. Als ich den Essay von Linda Nochlin aus dem Jahr 1971 gelesen habe mit dem Titel Warum hat es keine großen Künstlerinnen gegeben, wurde mir einiges klar: Diese Idee vom männlichen Genie haben wir tief verinnerlicht. Dora Stiefelmeyer (DS): Der Michelangelo-Komplex! Maria Alicata (MA): Jeder muss seinen Beitrag leisten, um die Dinge zu bewegen. Für mich sind diese Begegnungen hier bei Marica eine neue Erfahrung. Ich persönlich habe stets viel mehr mit Künstlerinnen gearbeitet. Es gab bei mir eine instinktive und von Interesse getriebene Annäherung an weibliche Arbeiten. Meiner Meinung nach scheint das, was gerade passiert, darauf hinzuweisen, dass wir von der Stellungnahme jetzt zur Teilnahme übergehen. ABLE MGC: Ich bin mit einer Mutter aufgewachsen, die Gott sei Dank eine konsequente Feministin war. Wir hier können uns noch alle an die schwierige, aber unglaublich wichtige Zeit für den Feminismus in den 70er-Jahren erinnern. Wir haben lange geglaubt, dass nun alles in Ordnung sei, dass wir von diesen patriarchalischen Werten frei wären, dass wir alle auf einer Linie liegen. Auf einmal müssen wir erneut radikal Stellung beziehen. BEVOR DAS GESPRÄCH BEGINNT, GIBT ES ERST MAL ESPRESSO, DER WÄRMT DIE GESPRÄCHSTEILNEHME- RINNEN AUF, DIE SICH IM ESSZIMMER DER VILLA VON MARICA CROCE CALDARULO IM NORDEN ROMS TREFFEN. DIE SAMMLERIN LÄDT OFT ZU GESPRÄCHEN UNTER FRAUEN; DIESES MAL ÖFFNET SIE DIE TÜREN AUF WUNSCH IHRER FREUNDIN MA- RIA GRAZIA CHIURI. DIE DESIGNERIN LIEBT KUNST UND ES SIND VOR ALLEM FRAUEN, DIE SIE IHR NÄHER- GEBRACHT HABEN. JEDE DER TEIL- NEHMERINNEN HABE EINEN EINFLUSS AUF IHRE ENTWICKLUNG GEHABT. MIT IHREN KOLLEKTIONEN FÜR DIOR WILL CHIURI ALLEN FRAUEN ETWAS VON DEM ZURÜCKGEBEN, WAS SIE GELERNT HAT, ÜBER FEMINISMUS UND WEIBLICHE STÄRKE. WIE DAS VIEL BEACHTETE WE SHOULD ALL BE FEMINISTS -T-SHIRT, EIN ENTWURF FÜR DIE FRÜHLINGSKOLLEKTION 2017, ZU DEM DIE NIGERIANISCHE SCHRIFT- STELLERIN CHIMANANDA NGOZI ADICHIE SIE INSPIRIERT HATTE. ZUM GESPRÄCH IST MAN INS WOHN- MGC: Aber wir können nicht für nachfolgende Generationen annehmen, dass alles erreicht ist. Wie denkst du darüber, Dora? ZIMMER UMGEZOGEN. AUF DEM Dora Stiefelmeyer (DS): Ich sollte wohl NIEDRIGEN TISCH STAPELN SICH einmal sagen, dass ich hier der Dinosaurier bin optimistisch und fröhlich, aber ein Dinosaurier. Nicht nur in der Welt des Femi- ODER EVA HESSE. ZWEIEINHALB BÜCHER ÜBER LOUISE BOURGEOIS nismus, denn fast alle meine Kolleginnen sind tot. Der Feminismus war nie ein einheitlicher Block, es gab stets viele verschie- STUNDEN SPRECHEN DIE FRAUEN, dene Meinungen. Je älter ich werde und je NUR KURZ ABGELENKT DURCH mehr ich darüber nachdenke, desto klarer WEITERE CAFFÈ. wird mir: Wir hätten von Anfang an mehr tun müssen. Denn ich frage mich: Weshalb MARTINA FERRARA FOTOGRAFIERTE brauchen wir den Feminismus immer noch? Es hat scheinbar immer noch nicht gereicht. Eine Person, die mich sehr stark beeinflusst hat, war Meret Oppenheim. Ich hatte die große Ehre, eine Ausstellung mit ihr zu machen. Zwischen uns bestand ein besonderes Vertrauensverhältnis. Mit ihr sprach ich oft über dieses Problem. Sie war in ihrer Jugend sehr rebellisch, eine aufmüpfige Tochter. Sie war nach Paris gezogen, ihre höchst bürgerlichen Eltern waren entsetzt. Sie hatte einen kometenhaften Aufstieg und fiel dann über 17 Jahre in 3 25

26 3eine Depression. Diesen Abschnitt ihres Lebens kennen nur wenige, auch weil sie immer in eine ganz bestimmte Ecke gedrängt wurde. Dazu kam noch, dass alle ihre Kollegen verkauften, und sie nicht. Sie war nicht teuer, aber keiner wollte sie. Eines Tages beschloss sie, drei Nullen hinter den Preis jedes ihrer Bilder zu setzen: Wenn ich zu 10 Euro nicht verkaufe, verkaufe ich auch zu 10.000 nicht, also was soll s, sagte sie sich. Ab jetzt nehme ich 10.000. Und plötzlich lief es. Ich glaube, das Hauptproblem, das wir immer noch nicht gelöst haben, ist das Selbstwertgefühl. Die Selbstachtung ist etwas, das im kleinen Mädchen systematisch zerstört wird, und das ist ein enormes Problem. Als ich dich, Maria Grazia, kennenlernte, dachte ich, dass du total nett bist, aber wie war es möglich, dass eine so sympathische Frau in der Mode arbeitet? Dann habe ich gründlich nachgedacht (Gelächter). Natürlich ist die Mode nicht nur für die, die sie machen, sondern auch für die, die sie tragen, ein Kreativitätsfaktor, es sei denn, sie wird zum Zwang, dann verkehrt sie sich vielleicht in ihr Gegenteil. Also ist die Mode etwas Positives; sie erlaubt den Mädchen und Frauen, ihre Kreativität und damit ein Selbstwertgefühl zu entwickeln. Ohne Selbstachtung haben wir keine Chance. Der Lebensstil hat sich geändert, aber da ist immer noch dieses ungelöste Problem der Selbstachtung. Cristiana Collu (CC): Was die Kleidung betrifft, so halte ich es für ungemein wichtig, dass die Frau sich nicht kleidet, um für den Mann verführerisch zu sein. Uns selbst zu gefallen, ohne vom Gefallen anderer abzuhängen, gibt uns Freiheit. OUND MGC: Ich sehe heute, dass die Jungen ähnliche Probleme haben: Sie denken, sie müssen sich kleiden, um zu gefallen. Silvia Ihring (SI): In der Tat frage ich mich, weshalb Jungen wie Mädchen, beispielsweise auf Instagram immer dieses Bedürfnis haben, performant zu sein und sich so ideal wie möglich darzustellen. Auch mithilfe einer Menge Kunstgriffe, um ein Image zu verbreiten, das letztendlich fake ist. Rachele Regini (RR): Es ist ein Problem, wenn die sozialen Medien als Plattform gesehen werden, um ein ideales Bild von sich zu schaffen. Ich glaube aber auch, dass andererseits Freiheit in dieser Möglichkeit liegt, denn es ist eine Art Loslösung von dir selbst. Du entscheidest, dass andere dich so sehen dürfen, aber du weißt auch genau, dass du eigentlich anders bist. Es ist auch ein kreatives Spiel: Ich tue so, als wäre ich das, aber ich weiß, dass das nicht stimmt. Für mich war auch die Mode immer ein Spiel. Ich habe mir nie die Aufgabe gestellt, anderen gefallen zu müssen. Ich habe sie immer dazu benutzt, mir selbst zu gefallen, aber ja, vielleicht bin ich ein Sonderfall. MLF: Wir sind privilegiert, weil wir fähig sind, die Mode zu benutzen. Wir sollten aber eines beachten: Die Mode ist ein mächtiges, globales System. Die Straßen der Welt sind voller Modegeschäfte, sei es Dior, sei es der Laden mit Artikeln für zehn Euro. Die Mode interessiert sich heute weniger dafür, Kleider zu machen, sie wirkt vielmehr über unsere Vorstellungswelt, und deshalb suchen die Menschen Sicherheit in einem Kleidungsstück. PU: Oder wollen der Welt angehören, die dieses Kleidungsstück repräsentiert... RR: Ich glaube jedoch, dass es meiner Generation bewusst ist, dass die Mode auch sinnlose Schönheitsideale aufzwingt und eine Perfektion verlangt, die es nicht gibt. SI: Ja, und ich glaube auch, dass die junge Generation heute viel mehr Freiheit hat und diese Regeln oder jenen Dress-Code nicht mehr befolgen muss. Die Mode hat hier auch geholfen. Gerade auch diese junge, sportliche, freie Mode von Dior zeigt das. MGC: Ihr seid so optimistisch! Ich kleide mich beispielsweise, je nachdem, wo ich hingehe, entsprechend, weil ich davon überzeugt bin, dass das mein Leben einfacher macht. Ich glaube, dass man mir eher zuhört, wenn ich mich auf eine bestimmte Weise kleide. Deswegen halte ich das Problem der von der Darstellung unabhängigen Selbstachtung für so schwierig. DS: Ich glaube auch, dass wir ganz dringend mehr weibliche Vorbilder brauchen. Es ist wichtig, dass Frauen, die aufgrund ihrer Fähigkeiten Erfolg verdienen, sichtbarer werden. Ich freue mich beispielsweise über Angela Merkel, auch wenn ich politisch anders denke. Es freut mich für meine Enkeltochter. Das fängt mit all diesem männlichen Grau an, und dann ist da die Merkel, zum Glück. Gott sei Dank bist du, Cristiana, in der Nationalgalerie. Das ist gut! Auch ich sollte mich bemühen, ein Beispiel abzugeben, denn die Mädchen brauchen das. Den Jungen mangelt es nicht daran. Auch das wirkt sich auf das Selbstwertgefühl aus. MGC: Da du Frau Merkel erwähnst: Ich stimme dir zu, allerdings ist sie bei allem Respekt eine Frau, die sich dem männlichen Lebensstil angepasst hat. Cristiana hat mir dieses Buch geschenkt, Sovrane (Herrscherinnen): Es geht darum, eine Machtform zu finden, die Dinge auf weiblichere Weise umsetzt, darin liegt für mich die wahre Herausforderung. MCC: Meine Mutter hat ihr Leben lang als Anwältin gearbeitet. Sie liebte die Mode und gleichzeitig war sie fortschrittlich und feministisch. Meine Tante war Wirtschaftsexpertin und zog sich an wie eine Nonne. Ich will damit sagen, dass das auch eine Frage des Charakters ist und der Freiheit. CC: Ein T-Shirt zu tragen, ist ein Versuch, andere zu erreichen, die nicht mit diesem Thema vertraut sind. Dieses große Aufmucken der 60er-, 70er-Jahre war ein Streben nach Gleichheit. Dann haben wir plötzlich gemerkt, dass auch der Unterschied wichtig war. Und diesen Unterschied müssen wir heute verteidigen. MLF: Wenn ich den Fernseher einschalte, um zu sehen, was gerade in der Politik vor sich geht, also da sehe ich ein Repräsentationsproblem. In den Regierungen sitzen fast nur Männer oder denkt an das Gesetz zur Familienplanung von Trump, wo alle Berater Männer sind. DS: Denkt an die katholische Kirche, die von einem männlichen Standpunkt aus über die weibliche Sexualität entscheidet. PU: Es besteht die Gefahr, dass große Rückschritte gemacht werden. Die Selbstbestimmung über unseren Körper war neben der Pille einer der größten Erfolge der Frauenbewegung. Die Entscheidungsfreiheit in Sachen Fortpflanzung, die wir erkämpft haben, darf auf keinen Fall infrage gestellt werden. Sonst ist es wieder so, dass wer abtreiben möchte, wegfährt, wohin auch immer, und wer das nicht kann, schreckliche Dinge tun muss, und sich sogar in Lebensgefahr bringt. MGC: Wir sollten auch wieder damit anfangen, Sexualunterricht zu geben. PU: Richtig! Ich möchte kurz erwähnen, dass in der Region Latium vor zwei Jahren ein Stellenwettbewerb für Ärzte ausgeschrieben werden musste, die die Abtreibung nicht verweigern. Die Kirche übte einen derartigen Druck aus, dass Ärzte, die Abtreibungen vornahmen, keine Karriere machen konnten. Sie konnten nur noch das machen und sonst nichts mehr. Das ist fürchterlich und vor 20 Jahren war das nicht so. Also meine Güte, was ist passiert? MGC: Ich glaube, dass die Aufmerksamkeit gegenüber bestimmten Themen nachgelassen hat, dass es als selbstverständlich betrachtet wurde, diese Rechte zu haben. Außerdem sind wir objektiv privilegiert. Da vergisst man schnell, dass es in vielen Teilen der Welt und selbst in deinem eigenen Land teilweise anders ist. SI: Welche Hoffnung seht ihr in der #Me- Too-Bewegung? Diese Frauen haben Mut bewiesen, die Dinge zu nennen, wie sie sind, zu erzählen, was passiert ist! MGC: Ich persönlich meine, dass das nicht ein rein feministisches Thema ist, sondern es geht um Macht, und das ist nicht geschlechtsspezifisch. Für mich bedeutet Macht Verantwortung. Viele denken aber immer noch, dass Macht bedeutet, dass sie tun können, was sie wollen. SI: Aber wie es in den Medien dargestellt wird, sieht es aus wie ein Kampf von Frauen gegen Männer. MGC: Wir müssen die Dinge klar sehen und unterscheiden. In vielen dieser Situationen liegt Machtmissbrauch vor. Den begehen jedoch Männer wie Frauen, und zwar gegen Männer wie gegen Frauen. MLF: In Italien ist das nicht so einfach, denn manchmal sind die Frauen die schlimmsten Feindinnen der Frauen. PU: Die Konkurrenz unter Frauen! Und worum? Um einen Mann! Dass der Lebenszweck einer Frau die Ehe sein soll oder einen Mann zu haben? Unmöglich! Doch Millionen junger Frauen der Nachkriegszeit haben das geglaubt. Der Babyboom ist das Ergebnis kultureller Scheuklappen. Mädchen dachten, es sei bequemer, nicht über den Büchern zu büffeln. Und dass sie, wenn sie zu gebildet wären, keinen Ehemann abbekommen würden. Der Campus wurde zu einem Eheanbahnungsinstitut degradiert. Und einmal verheiratet, setzten sie schnellstmöglich Kinder in die Welt und 3 MONTAGE ICON

MARIA ALICATA (unten) Die Kuratorin und Kunsthistorikern Maria Alicata steht als künstlerische Leiterin der Fondazione Baruchello in Rom vor. Es ist ein nach seinem Gründer, dem Künstler Gianfranco Baruchello, benanntes Kunstzentrum für Ausstellungen, Workshops und Bildungsprojekten. Alicata wurde in Rom geboren und hat sich im Laufe ihrer Karriere hauptsächlich mit zeitgenössischer Kunst beschäftigt. Sie hat in Frankreich und den USA gelebt und kuratierte von 2011 bis 2013 am MACRO Museum für Moderne Kunst in Rom Ausstellungen und Projekte mit jungen Künstlern. MARIA LUISA FRISA (oben) Seit Jahrzehnten prägt Maria Luisa Frisa die italienische Mode- und Kunstszene als Autorin, Mode-Kuratorin und Professorin. Frisa leitet den Studiengang für Modedesign und Multimedia- Künste an der IUAV-Universität in Venedig und hat mehrere Bücher über Mode verfasst. In den 80er- und 90er Jahren beriet sie Giorgio Armani und prägte als Redakteurin dessen ikonisches Emporio Armani Magazine. Gemeinsam mit Stefano Tonchi, Chefredakteur des US-Magazins W, kuratierte sie kürzlich die Ausstellung Italiana über italienische Mode im Palazzo Reale in Mailand. PAOLA UGOLINI (oben) Die Kunstkritikerin und freie Kuratorin hat Ausstellungen für das MoMa PS1 sowie für die Biennale von Venedig kuratiert. Sie arbeitet zudem als Beraterin für die auf Performance, Fotografie und Installationen spezialisierte Filmproduktionsfirma In Between Art. Sie kuratierte unlängst die Ausstellung Corpo a Corpo an der Galerie für Moderne Kunst in Rom, die den Körper als Werkzeug und Botschafter in der Kunst analysiert. DORA STIEFELMEYER (rechts) 1979 eröffnete Dora Stiefelmeyer gemeinsam mit ihrem Mann Mario Pieroni in Rom die Galleria Pieroni, die sich auf konzeptionelle Kunst, Video- und Multimedia- Installationen spezialisierte. Stiefelmeyer und Pieroni arbeiteten unter anderem mit Gerhard Richter, Alberto Boetti, Gilbert & George und Michelangelo Pistoletto. Zu den vielen von den Pieronis ins Leben gerufenen Initiativen gehört RAM, eine Plattform, die sich der Sound-Recherche widmet und Ausstellungen organisiert. CRISTIANA COLLU (links) Seit 2015 leitet Cristiana Collu als Direktorin die Galerie für Moderne Kunst in Rom. Sie studierte in Italien, Spanien und Australien, bevor sie mit 27 Jahren die Leitung des Museums für lokale Kunst in Nuoro auf Sardinien übernahm und damit zu Italiens jüngster Museumschefin aufstieg. Collu wurde für ihre Arbeit mit mehreren Preisen ausgezeichnet und hat die Galerie für Moderne Kunst in Rom seit ihrem Antritt komplett renoviert und umgestaltet.

3 wurden zur Vorstadtfrau. So hat der Babyboom eine Reihe unglücklicher und neurotischer Frauen produziert, denn wer sich intellektuell nicht entwickelt, kann nicht glücklich sein. MLF: Ja, Romanfiguren, die zu Hause bleiben und sich einen Drink eingießen und im Reitstall mit dem Stallknecht schlafen. Es gibt eine ganze Strömung amerikanischer Liebesromane, die ich in meiner Jugend verschlungen habe. Und dann mussten wir begreifen, wie diese Dinge funktionierten, denn mir hat nie jemand etwas erklärt. PU: Meinst du, mir hätten sie etwas gesagt? Ich schwöre, meine Mutter hat mir von Bienen erzählt, bis ich 17 war. Gottseidank hat meine böse Freundin mich gefragt, ob ich wisse, was wirklich passiere. Und dann schleppte sie mich in feministische Gruppen, die vorführten, wie man ein Spekulum benutzt, aber in unserer Sexualerziehung gab es so was nicht. TA 28 MGC: Heute kommt die Sexualerziehung aus dem Internet. Dort wird eine völlig verfälschte und absurde Vision vermittelt: Pornografie, im trashigsten Sinn des Wortes. PU: Eine Tragödie vor allem für Jungen, die zu labilen Männern heranwachsen. Junge Männer schauen sich Pornoseiten an und machen sich ein völlig verzerrtes Bild von den Beziehungen zwischen Mann und Frau. MGC: Es ist jedoch nicht einfach, wenn deine Kinder heranwachsen und dir nicht zuhören, und die Familie für sie nicht mehr der wichtigste Ort des Austauschs ist. Andererseits tragen die Frauen, eine Vorstellung von Sexualität mit sich, die darauf abzielt, die Männer zu befriedigen. Und ich glaube nicht, dass die neuen Generationen sich demgegenüber wirklich weiterentwickelt haben. MLF: Ich bin mit 17 Jahren schwanger geworden. PU: Maria Luisa, Bravo! Mit 17 ein Kind zu bekommen, also das ist etwas. MLF: Ich denke oft, dass ich eine Art Schutzengel hatte, denn es hätten schlimme Dinge passieren können, die nicht geschehen sind. Das Schwierigste ist am Ende immer, das Selbstvertrauen wiederzugewinnen. Ich war damit ganz allein. Aber die Einsamkeit ist eine typisch weibliche Bestimmung, oder? PU: Allerdings. MGC: Als ich vor zwei Jahren nach Paris ging, kam ich mir wie eine Studentin in einer fremden Stadt vor. Die Tochter in London, der Mann und der Sohn in Rom. So fing ich an, über mein Leben nachzudenken. Ich zum Beispiel hatte das Glück, gleich bei Fendi anzufangen. Ein Unternehmen von fünf Schwestern, fünf unglaublichen Frauen, mit Familien, die mir die Möglichkeit gaben, mich beruflich weiterzuentwickeln. Solange ich dort gearbeitet habe, dachte ich, dass die Probleme der Feministinnen gar nicht existierten. Als ich bei meiner Arbeit das erste Mal auf einen Chauvinisten traf, bin ich nach Hause gegangen und habe zu Paolo, meinem Mann, gesagt: Stell dir vor, ich habe einen Chauvinisten gesehen. Es ist kein Zufall, dass viele gute Designer von Fendi kommen. Es wurde einem dort nie etwas aufgezwungen. Sie sagten immer: Macht Vorschläge! Einen solchen Arbeitsplatz kann ich jeder Frau nur wünschen. Anna Fendi bat mich darum, etwas zu machen, und ich ging hin und sagte ihr: Sie wollten das so, aber ich habe mir gedacht, es anders zu machen. Und sie sagte: Das hast du gut gemacht. Sie sagte nie: Was soll das, ich wollte es anders. Fendi war in diesem Sinn eine echte Factory warholscher Prägung. SI: Und heute bei Dior? MGC: Mich in einem so bedeutenden Haus wie Dior zu messen, ist auch eine ungewöhnliche Übung in Selbstanalyse. Mir ist es in dieser Position wichtig, mein Engagement für Frauen zu bekunden. Von einem solchen Posten hätten einst ganze Generationen von Frauen geträumt. Also habe ich entschieden, den mächtigen Satz von Chimamanda Ngozi Adichie We Should All Be Feminists für mein erstes Défilé zu verwenden. Da fällt mir eine nette Episode ein: Ich war in New York auf dieser tollen Ausstellung über afroamerikanische Feministinnen. Ich habe dieses Mädchen gesehen, das ein gefaktes Dior-Feministinnen-T-Shirt trug. Und das Beste war, sie kannte Dior gar nicht. Sie hatte es irgendwo gekauft. Das Schöne daran ist, dass die Botschaft verbreitet wird. Sie wusste nichts von der Mode, aber ihr gefiel die Botschaft. In einem internationalen Unternehmen zu arbeiten, bedeutet: Wenn du etwas falsch machst, ist das ein großes Problem. Aber wenn du etwas gut machst, hast du ein riesiges Publikum. MLF: Und jetzt bist du der erste weibliche Creative Director einer so charismatischen Marke, die gewissermaßen die Mode an sich verkörpert. Die Mode ist ein mächtiges System und es ärgert mich sehr, wenn sie darauf reduziert wird, ob der Rock kurz oder lang getragen wird. Die Angelegenheit ist sehr viel komplexer. SI: Woher beziehst du deine Informationen über die jüngeren Generationen? RACHELE REGINI Die wichtigste Inspirationsquelle für Maria Grazia Chiuri ist ihre Tochter Rachele Regini. Die 21-Jährige lebt heute in London, wo sie am Goldsmiths College Kunstgeschichte studiert. Sie nimmt regelmäßig den Eurostar von London nach Paris, um ihre Mutter zu besuchen, die Rachele als ihre Muse bezeichnet. Reginis Vater ist Paolo Regini, Chiuris Ehemann, der in Rom ein Hemdenatelier führt, ihr Bruder Nicolò lebt und studiert in Rom. BLE einen Raum findet, um sich unabhängig MGC: Vieles ergibt sich aus dem Dialog mit Rachele. Eine Tochter in ihrem Alter zu haben, drängt dir viele Fragen auf. Ich habe sie quasi gegen ihren Willen nach London geschickt, sie war kaum 17. Es war schmerzhaft. Doch ich wollte um jeden Preis, dass sie vom familiäre Kokon zu definieren. Dann ist sie an die Goldsmiths Universität gegangen. PU: Eine Hochburg für Kultur- und Genderwissenschaften! RR: Genau, deswegen wird mir von meiner Mutter viel Material gestohlen. (Gelächter) MGC: Wir geben uns gegenseitig Hausaufgaben auf. Rachele war auch ein Grund für meinen Wechsel nach Paris. Sie hat mich dazu motiviert. Bis zu einem gewissen Alter denkst du, dass du tun musst, was du tun musst, und dann erkennst du, dass du tun kannst, was du gerne tun möchtest. Kurzum, vielleicht ist in meinem Leben der Moment gekommen, in dem ich tue, was ich tun will. Und das hat mir meine Tochter gesagt. Es gibt also doch Hoffnung! MARICA CROCE CALDARULO Marica Croce Caldarulo ist die Direktorin von DARPS (Donne Arte Pensiero), einer gemeinnützigen Organisation, die 2015 von ihr gegründet wurde. Mit diesem Projekt strebt die Römerin danach, Frauen aus der Kunstwelt zusammenzubringen und den Austausch zwischen ihnen sowie gemeinsame Projekte zu fördern. Gemeinsam mit ihrem inzwischen verstorbenen Mann hat Caldarulo seit den frühen 80er-Jahren Kunst gesammelt. In ihrem Haus organisiert sie Treffen und Diskussionsrunden mit Frauen aus Kunst, Mode, Literatur oder Philosophie.

TIPPS 9. Bistrot 64 1. Caffè Rosati 4. Ristorante Coromandel 1. Caffè Bar Rosati Hier verschwende ich am liebsten meine Zeit. Piazza del Popolo 4/5a (barrosati.com) 2. Villa Medici Die französische Begegnung Roms in all seiner Pracht. Viale della Trinità dei Monti 1a Pasolini und Sophia waren auch zu Gast 3. Hotel Villa Laetitia Hiermit verbinde ich persönliche und berufliche Erfahrungen, besonders meine Erinnerungen an die Zeit bei Fendi dominieren diesen Ort für mich. Lungo Tevere delle Armi 22/23 Perfekte Orte KULTUR UND KÜCHE: WO WÜRDE MARIA GRAZIA CHIURI IN IHRER HEIMAT ROM 4. Ristorante Coromandel Ich liebe die intime Atmosphäre und klassische, aber dennoch innovative Küche. Via di Monte Giordano 60/61 (coromandel.it) 5. Galleria Nazionale D Arte Moderna Hier fühle ich mich wie zu Hause. Viale delle Belle Arti 131 6. Sala da tè Babingtons Der perfekte Platz für ein deftiges Mittagessen, Burger und Eier. Piazza di Spagna 23 (babingtons.com) 3. Villa Laetitia 6. Babingtons SO HINGEHEN, WENN SIE MEHR ZEIT HÄTTE? 13 EMPFEHLUNGEN 2. Villa Medici 7. Hotel Locarno Der perfekte Ort mit dem perfekten Licht für einen typisch italienischen Aperitivo Via della Penna 22 (hotellocarno.com) 8. Libreria Leporello Ein Sammelsurium voller Schätze der Fotografie Via del Pigneto 162/e 9. Bistrot 64 Schick, aber dennoch leger. Eine Fusion aus japanischem und italienischem Essen. Via Guglielmo Calderini 64 (bistrot64.it) 10. Delikatessen Castroni 12. Vintage-Shops, Via del Governo 5. Galleria Nazionale D Arte Moderna 10.Delikatessen bei Castroni Via Cola di Rienzo 196 7. Hotel Locarno Kardinal Ferdinando de Medici 11. Bummeln im Interieur-Geschäft Mia Home Design Gallery Via di Ripetta 224 12. Sich inspirieren lassen und stöbern in den Vintage-Shops der Stadt Via del Governo Vecchio 13. Einkaufen in der Boutique Luna e l altra Piazza Pasquino 76 (lunaelaltra.com) 8. Libreria Leporello UGO PIVA; COLA DI LORENZO/CASTRONI; GETTY IMAGES; MATTIA PANUZIO 11. Mia Home Design Gallery 13. Luna e l altra

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Draht- und Besteckskulpturen von Dimitra Louana Marlanti. Nikki trägt ein roséfarbenes Kleid aus Point-d esprit-tüll und Spitze mit einem Strick-BH. Veronica: Grau gepunktetes Kleid aus Point-d esprit-tüll mit roséfarbener Spitze. Kitti trägt ein Bustierkleid aus Point-d esprit-tüll in Grau und pinkfarbenen Organza REQUISTE: DIMITRA LOUANA MARLANTI; PRODUKTION: JENNIFER BRESSLER; HAARE & MAKE-UP: LAURA STUCCI C/O CLOSEUP MILANO; HAARE & MAKE-UP ASSISTENZ: SABINA FERAIONI & FABIO D ONOFRIO; LOCATION: C/O ANTICÀMERA LOCATION

Skulptur Go Up von Carlo Mo. Teppich In The Woods 2.0 von CC-Tapis. Wolljacke und Hose mit Hemd aus Baumwollpopeline. Loafer aus Kalbsleder

Von links: Veronica in grauer Karojacke und Wollrock mit Strickstrumpfhosen. Nikki trägt unter dem schulterfreien Kleid einen grauen Rippstrickpullover aus Seide, Kitti einen karierten Wollmantel. Die Loafer sind aus Kalbsleder

Stuhl: Whisper von Ilaria Bianchi. Die Drahtskulpturen wurden extra für das Shooting von Dimitra Louana Marlanti gefertigt. Veronica: Wolljacke mit Seidensatinbluse, Netzrock aus Kalbsleder und Strickstrumpfhose. Loafer aus Kalbsleder mit Nieten

Lampe Athena von Artemide. Grau gepunktetes Tüllkleid mit roséfarbener Spitze und gestrickter Strumpfhose. Veronica steht auf einer Requisite

Der Holzkasten ist Dekoration. Kitti trägt einen anthrazitfarbenen Sweater aus Mohair und Seide, Woll-Faltenrock und Strickstrumpfhose

Skulptur La Chiusa von Walter Fontana. Darunter: Stühle Ginestra Nuda und Ginestra Vestita von Baxter. Teppich In The Woods 2.0 von CC-Tapis. Das Kleid von Kitti ist aus Samt

Lampe Chimera von Artemide. Nikki: Wollkleid in Schwarz und Ecru. Veronica: Doppelreihige Jacke mit weiter Hose aus Wolle. Die Bluse darunter ist aus Seide. Oxfords in Offwhite und Schwarz aus mattem Kalbsleder

Bestickte Maxi-Kleider aus Taft, bedruckt mit stilisierten Selbstporträts der Schriftstellerin und Fotografin Claude Cahun von 1938. Ballerinas mit Fesselriemchen aus schwarzem Lackleder

Zwischen den Stühlen Ginestra Nuda und Ginestra Vestita von Baxter. Te ppich In The Woods 2.0 von CC-Tapis. Veronica trägt ein Kleid aus Samt und Guipure (Ätzstickerei). Ballerinas mit Fesselriemchen aus schwarzem Lackleder

Skulptur Urlo von Carlo Mo. Das Maxi-Kleid ist aus Samt. Ballerinas mit Fesselriemchen aus schwarzem Lackleder

et R EA LE

GESELLSCHAFT Zu den Minis, Schwestern! MIT MARC BOHAN HATTE BEI DIOR 1961 EINE NEUE ZEIT BEGONNEN. NACH DEM NEW LOOK DES GRÜNDERS UND DEM ZU WILDEN YVES SAINT LAURENT ALS ERBEN KAM MIT IHM DER SLIM LOOK. DAS WAR WÖRTLICH ZU NEHMEN, ABER EBEN AUCH ALS BOTSCHAFT. BOHAN WOLLTE MODE DEMO- KRATISCH MACHEN, FÜR ECH- TE FRAUEN, NICHT FÜR SICH SELBST, FÜR MANNEQUINS ODER MAGAZINE. UND KLEIDE- TE DAMIT AUCH DIE FRAUENBE- WEGUNG. INGA GRIESE MAG S Foulard von 1967 46 Machen Sie sich bitte frei. Wann genau diese Aufforderung assoziativ in den Kontext von Arztbesuchen gewandert ist, lässt sich nur schwer nachvollziehen. Bestimmt hatte Hollywood mit seinen Klischee-Komödien guten Anteil daran. Gelacht haben wir darüber wohl immer, darüber amüsieren tun wir uns spätestens seit Freiheit ein selbstverständliches Gut geworden ist beziehungsweise wir Frauen dachten, dass sie das sei. Interessanterweise ist ausgerechnet in diesem Jahr, in dem es 100 Jahre Suffragetten-Bewegung und 50 Jahre 68er-Revolte zu zelebrieren gilt, die postemanzipatorische Diskussion wieder derart präsent, als seien die gesellschaftlichen Umwälzungen gerade erst in Gang gekommen. Wenn man allerdings überlegt, dass ein halbes Jahrhundert verging, bis die britischen Frauenrechtlerinnen Unterstützung von ihren Quasi-Enkelinnen bekamen, dann muss man Emanzipation womöglich doch als fortwährende Gestaltung sehen und nicht als etwas, dass einen Anfang und ein Happy End hat. Deswegen sind auch die Jahreszahlen nur als Stützpfeiler zu betrachten wie bei einer neuen Autobahnbrücke: Die Bauarbeiten dauern immer länger als geplant, die Planungen erst recht. Und zwischendurch kann es sein, dass die Erde bebt und alles durcheinanderbringt. Diana Vreeland, die charismatische, selbstbewusste, provokante Chefredakteurin der amerikanischen Vogue von 1963 bis 1971, hat den Begriff vom Youthquake geprägt. Ende der 60er-Jahre kam das bisherige gesellschaftliche Selbstverständnis der westlichen Welt unter die Füße der Jugendproteste weltweit: Aufbegehren gegen die Sprachlosigkeit und Verdrängungsmoral der Generation Nazi, gegen den Vietnamkrieg, gegen die Kolonialisierung, gegen die der Kolonialisierung nicht unähnliche Haltung Frauen gegenüber. Es ging aber nicht nur um Politik, jung an sich war die Ansage der Stunde. Weniger als Jugendwahn im heutigen Sinne, sondern eben als Jugendbeben. Alles kam in den Sog der Veränderungen, veränderte sich, die Konventionen, der Umgang, die Frisuren, die Figuren, die Art, sich zu kleiden. Yves Saint Laurent, der nach dem plötzlichen Tod von Christian Dior 1958 zum kreativen Leiter des Hauses bestimmt worden war, hatte die Aufgabe wahrscheinlich zu früh übernommen er galt als zu revolutionär, seine Lolitas verstörten Kunden wir Kritiker, und schied nach zwei Jahren aus. Ihm folgte Marc Bohan. Elegant, fein, prägend und doch erstaunlich vergessen. 28 Jahre lang, länger als alle anderen Designer des Hauses, prägte er als künstlerischer Leiter nachhaltig den Stil von Dior, kleidete die berühmtesten Frauen ein, und doch ist sein Name eher Insiderwissen. Dabei war seine Arbeit alles andere als irrelevant. In Analogie und Gegensatz zum stoffgewaltigen, Taille und Oberkörper betonenden New Look des Gründers prägte 3 Vor der Londoner Dior-Boutique kam es 1966 zur Demonstration. 1967 wurde die erste Miss-Dior- Boutique in Paris eröffnet. In der kommenden H/W-Kollektion zitiert Maria Grazia Chiuri den Miss- Dior-Look

Die Hosenröcke waren den Demonstrantinnen 1966 nicht kurz genug. Ein Haute- Couture-Kaftan von 1967. Marc Bohan war der kreative Leiter von 1961 bis 1989 Das rote Kleid ist von 1961, das bestickte Kleid ist von 1966 DIOR; L OFFICIEL/LES EDITIONS JALOU, 1921 2018; ANL/REX; KENT GAVIN/BULLS; FREDERIQUE DUMOULIN; GETTY (2); RUE DES ARCHIVES/AGIP/BRIDGEMAN; LAZIZ HAMANI/DIOR HÉRITAGE COLLECTION (3) 3 Bohan den Slim Look. Leichte Plisseekleider, kleine Kostüme mit Röcken in leichter A-Form, dazu kurze, gerade Jacken, praktisch, kleidsam, unaufgeregt und doch oder gerade deswegen bejubelt. Plötzlich ist er nun im Fokus, der prächtige, ihm gewidmete Bildband von Assouline und Dior ist gerade rechtzeitig zum 68er- Jubiläum erschienen, und vor allem hat die aktuelle Chef-Kreative Maria Grazia Chiuri ihm in ihrer Herbst-Winter-Kollektion die Referenz erwiesen. Sie eint die kreative Idee, das Konzept von Weiblichkeit im jeweiligen Kontext ihrer Zeit, eigenwillig zu interpretieren, und die Fähigkeit, ohne ästhetische Arroganz auszukommen. Wobei Bohan stets als der diskrete Antiheld galt. Was vor allem seiner zurückhaltenden, protestantischen Persönlichkeit zuzurechnen ist. Wenn ein Kleid auffällt, ist es nicht mehr wirklich elegant, sagte er nach seiner ersten Schau 1961. Die Konzeption der leisen Töne blieb gleichwohl nicht ohne Wirkung, Bohan veränderte die Mode, wie die Frauen sich veränderten. Und vor allem seine 60er-Jahre Hosenröcke, Minikleider und Maximäntel, Hüftgürtel, bunte Strumpfhosen finden nun ihr Echo in Chiuris Arbeit: Damals wie heute geht es, bei aller Allüre, um Freiheit und Frechheit. Von Christian Dior ist das Zitat von 1956 überliefert: Meine Kleider sind Chimären, die aus dem Reich der Träume in das Reich der Gebrauchsgegenstände gekommen sind, um getragen zu werden. Marc Bohan beschrieb seine Arbeit 1983 hingegen völlig unprätentiös: Ich mache Kleider für reale Frauen nicht für mich, nicht für Mannequins und auch nicht für Modemagazine. Dass die Frauen, die er kleidete, Liz Taylor etwa, Jackie Kennedy, Sophia Loren, oder Gracia Patricia von Monaco, nicht so ganz von dieser Welt waren, steht dazu in keinem Widerspruch. Die Wirklichkeit hatte er viele Jahre zuvor bereits bedient. Denn unter seiner Führung passierte im September 1967 etwas ziemlich Ungewöhnliches in der Rue François I, einer Seitenstraße zur Avenue Montaigne, wo das Haus Dior von Anbeginn residierte, wurde eine Boutique extra für junge Frauen eröffnet. Miss Dior, also wie das Parfüm, hieß die Kollektion, die Bohans Assistent Philippe Guibourgé entworfen hatte. Ein Riesenerfolg. Das Gedränge war groß, und Guibourgé wurde mit den Worten zitiert. Ich bin etwas besorgt, es verkauft sich so schnell. Da dürfte Ironie mitgeklungen haben, denn Dior hatte eigens einen Betrieb gekauft, der nur die Miss-Dior-Kollektionen fertigte, die kesse Antwort direkt vom Bügel auf die Couture, die um die Ecke auf Maß verkauft wurde. Kostüme mit Minirock und kurze Jacken, Hosenanzüge, Handtaschen, bewusst keine Roben für die Oper. Wohl auch eine Antwort auf die Demonstration im Jahr zuvor. Da hatten Frauen in für damalige Zeiten äußerst kurzen Röcken und Kleidern vor der Londoner Dior-Boutique in der Conduit Street gegen die noch knieumspielte Mode der Franzosen protestiert. Mini-Skirts forever stand auf den Plakaten. Das war noch Revolution!

DURCH DIE WAND Ein Foto aus dem Jahr 2012, das Giosetta Fioroni zeigt und in Zusammenarbeit mit dem Fotografen Marco Delogu entstand. Titel: L altra ego (Das Alter Ego)

Mit Elan durch die Epochen Die Künstlerin Giosetta Fioroni aus Rom ist eine der einflussreichsten italienischen Künstlerinnen. Maria Grazia Chiuri ist seit Jahren von ihrer Arbeit und ihrem Leben fasziniert. Eine Begegnung von zwei kreativen und streitbaren Frauen. Fotografiert von Martina Ferrara Sie ist eine Ausnahmeerscheinung in einer Stadt, die eine ebensolche ist. Die Künstlerin Giosetta Fioroni, geboren 1932, hat die moderne Kunstszene der Stadt geprägt wie sonst kaum eine andere Frau. Sie gilt als wichtige Akteurin und Zeitzeugin der 60er- und 70er-Jahre, als Rom Anziehungspunkt für viele international bedeutende Künstler wie Cy Twombly oder Robert Rauschenberg war und Fioronis Wohnung der Treffpunkt für die örtliche Boheme. Sie war Mitglied der einflussreichen Scuola di Piazza del Popolo, einer Gruppe Pop-Art-affiner italienischer Künstler wie Tano Festa, Francesco Lo Savio, Franco Angeli und Mario Schifano. Von Anfang an beschränkte sie sich nie auf nur ein Medium: Ob Collage, Performance, Skulptur oder Fotografie ihre Arbeiten, die sie in ihrem römischen Atelier fertigt, unterliegen bis heute kaum Beschränkungen und werden weltweit gezeigt. Heute residiert Fioroni in einer großen Wohnung im Zentrum der Stadt. Hier sind der intellektuelle Geist und die Offenheit, mit der die Künstlerin seit über einem halben Jahrhundert die Kreativen der Stadt empfängt, spürbar. Maria Grazia Chiuri ist Sammlerin und eine große Bewunderin von Fioronis Arbeit und ist fasziniert von ihrem Leben. Sie interessiert sich besonders für die Zeit des künstlerischen Aufbruchs in den 60er- Jahren, genauso wie für die heutigen kreativen Strömungen in der Stadt. Giosetta Fioroni vereint beides in einer Person. Höchste Zeit also für ein Gespräch unter Freundinnen. Giosetta, ich möchte die Chance nutzen und in dieser von mir gestalteten Ausgabe von ICON zeigen, dass Rom ein einzigartiger Ort ist, an dem sich die interessantesten Menschen versammeln. Menschen wie du, die die Römer inspirieren und die beweisen, dass die Stadt nicht nur von der Historie, sondern auch von der modernen und zeitgenössischen Kunst geprägt ist. Über dich und dein Leben kommt demnächst sogar ein Film heraus. Das ist ein Projekt von Sky Arts HD, auf das ich sehr neugierig bin. Sie haben eine unglaubliche Recherche über dich gemacht und sind sogar zu mir nach Paris gekommen. Sie wollten alles über deine Arbeit erfahren. Zum Glück habe ich alle deine Werke, die ich besitze, mit nach Paris genommen. Vielleicht erinnerst du dich zum Beispiel an den Goldenen Zweig, den du gemacht hast. Ich habe ihn eingerahmt. Natürlich erinnere ich mich, ich habe es sehr genossen, ihn zu machen. Lass uns über die Ausstellung, die gerade in Mailand eröffnet wurde, sprechen. Sie befindet sich im Museo del Novecento in den neuen, schönen Räumlichkeiten des Palazzo Reale in der Nähe vom Dom. Sie gefällt mir sehr, weil sie ein großes Freiheitsgefühl transportiert. Auch wenn die Ausstellung auf über 60 Jahre meines Schaffens blickt, ist sie leicht und luftig, angenehm spielerisch. Gleichzeitig zeigt sie die Entwicklung meiner Malerei auf verschiedenen Ebenen auf. Der Kurator, Flavio Arensi, hat einen Raum auch meinen Künstlerfreunden, meinen Wegbegleitern gewidmet, von denen manche, obwohl sie etwas jünger waren als ich, leider schon verstorben sind. Ihre Werke und Fotografien sind Zeugnisse unserer Zusammenarbeit, unserer Soireen Ich war die einzige Frau. Wie war es für dich, dich mit den männlichen Kollegen zu messen und immer die einzige Frau zu sein? In der Tat gab es noch andere, aber nicht viele. Es war recht schwierig, als ich begonnen habe, als Malerin zu arbeiten. Ich erzähle dir eine Geschichte, die zeigt, wie sehr: Ich war in einer bekannten Galerie in Mailand. Der Galerist präsentierte einem Sammler Werke von jungen Künstlern. Unter den 20 Vorschlägen, die der Galerist machte, wählte der Sammler mein Bild aus. Er gab es aber wieder zurück, nachdem er die weibliche Signatur entdeckt hatte, und meinte, dass das Bild zwar sehr schön sei, er aber keine Werke von Künstlerinnen kaufe, weil sie ja doch irgendwann heirateten und sich um die Kinder kümmerten. Ich habe mich im oberen Stock verkrochen und leise geweint. Bei mehreren Exponaten der Ausstellung lässt sich dein großes Interesse an der Fotografie erkennen. Ja, Fotografie in allen ihren Ausprägungen hat mich schon immer interessiert. Besonders spannend finde ich den Wechsel von Schwarz-Weiß zu Farbe, der eine Zeit lang bestimmend war. Auch die Kunst- und Modewelt waren an diesem Wandel beteiligt. Die Schwarz-Weiß-Fotografie mit ihrer Rätselhaftigkeit und ihrem ganz eigenen Charme interessiert mich nach wie vor sehr. Ich hatte auch die Gelegenheit, Ugo Mulas kennenzulernen, der eine melancholische Anmut ausstrahlte und ein großer Fotograf und ein liebenswerter Mensch war. Seine fotografischen Studien sind außergewöhnlich und sehr wichtig für meine Arbeit. Hast du die Werke für die Ausstellung ausgewählt? Ich habe nichts Neues produziert! Nicht mal ein halbes Werk. Es sind alles Sachen von Sammlern, historische Werke aus der Zeit von 1958 bis 2018. Viele der Werke stammen aus einer faszinierenden Ära. Rom war damals wahnsinnig kreativ. Ja, insbesondere die 60er-Jahre waren sehr lebendig und außergewöhnlich. Damals war in Europa amerikanische Kunst angesagt und stand auch bei der Biennale von Venedig 1964 im Mittelpunkt, wo die Pop- Art-Künstler die großen Gewinner waren. Und in Rom haben sich viele, viele Künstler getroffen. Oh ja, sie kamen massenweise nach Italien und insbesondere nach Rom. Es gab Künstler, die nur eine gewisse Zeit hier verbrachten, während andere ihr ganzes Leben dort blieben, so wie Cy Twombly. Man traf sich in den Cafés, natürlich bei Ausstellungen, man aß oft zusammen. Es gab einfach viele Gelegenheiten für Treffen und Konfrontationen, und sie waren sehr prägend. An wen erinnerst du dich besonders gern? Tano Festa zum Beispiel. Er ist ein großartiger Künstler gewesen. Leider ist er zu früh verstorben. Er hat sehr schwierige Zeiten durchgemacht. Er war unglücklich, und um dieses Unglück auszudrücken, füllte er seine Taschen immer mit Eiern drei oder vier in der rechten Tasche. Er näherte sich mir und fragte mich, ob ich Eier möge. Es kommt drauf an, sagte ich, dann machte es tac, und das rohe Ei lief ihm langsam das Gesicht herunter. Habt ihr euch kreativ ausgetauscht? 3 49

50 Ein Leben für und mit der Kunst: Ein Blick in das römische Atelier der Künstlerin Giosetta Fioroni zeigt die Vielfältigkeit ihrer Arbeiten. Zu ihren bevorzugten Medien zählen Malerei, Fotografie und Bildhauerei. Fast dreißig Jahre an ihrer Seite: der Schriftsteller und Journalist Goffredo Parise (hier auf beiden Fotos zusammen mit Fioroni zu sehen), mit dem sie bis zu seinem Tod verheiratet war

ARCHIVO PARISE-FIORONI (2) 3 Nein, nein, man hat nur gelästert, wie immer. Ich hoffe, du verstehst es nicht falsch, aber ich war die Einzige, die einigermaßen hübsch war. Wunderschön, nicht nur hübsch! Das war wohl der Grund, warum bei mir immer Bewegung drin war. Es gab ein Kommen und Gehen: Fellini, die Schriftsteller, die Künstler. Verehrer? Ein paar, ja. Tja, und nun bin ich 85 Jahre alt. Ich finde, dass deine Generation beispielsweise auch sehr von der Entstehung des Fernsehens geprägt ist, von der Darstellung der Frau im Fernsehen. Weißt du, es war in vielerlei Beziehung eine sehr lebhafte Zeit. Jeder versuchte sich an vielen Dingen, mal mehr, mal weniger gründlich. Aber es gab einen großen Lebenselan, wenn man das so sagen kann. Du hast viele Schriftsteller und Dichter kennengelernt und mit ihnen zusammen gearbeitet. Welche Bedeutung hat das für dich? Ich muss sagen, dass ich immer viel gelesen habe. Klar, dass es deshalb etwas Besonderes war, Schriftsteller im echten Leben kennenzulernen. Meine Leidenschaft reicht aber bis in meine Jugend mit russischer Literatur zurück. Dann habe ich italienische Autoren kennengelernt. Neben Goffredo Parise, mit dem ich 25 Jahre gelebt habe, verkehrte ich mit den Schriftstellern Carlo Gadda, Alberto Moravia, der Gruppe 63, was ganz selbstverständlich meine Fantasie beflügelt und meinen Wunsch, etwas zu schaffen, stimuliert hat. 1967 inszenierte Alberto Arbasino die Carmen in Bologna, die bis heute als spektakulär gilt. Du warst für die Kostüme verantwortlich. Ich habe nur Fotos davon gesehen, aber ich bin fasziniert davon. War euch klar, dass es sich um einen historischen Moment handelte? Weißt du, es war eher so, dass die Reaktion des Publikums uns beinahe umbrachte. Sie fingen an zu pfeifen und unterbrachen die Aufführung! Solche Pfiffe! Alberto war kreideweiß. Für die Aufführung war übrigens außerdem der französische Philosoph Roland Barthes, dieser großartige Intellektuelle und Denker, als Berater an seiner Seite. Er kam nach Bologna, blieb drei Wochen und war während der gesamten Proben dabei. Er war eine lustige Person. Ein Genussmensch. Er aß, bis ihm der Schweiß aus jeder Pore trat. Komplett verrückt, er wurde ganz rosa, dann rot, das waren die Auswirkungen des guten Essens. Anders als der Künstler Cy Twombly. Ich habe gehört, dass er barfuß und sehr dünn an der Piazza del Popolo ankam und sich dort einfach hinsetzte und dass er nichts aß. Er war ein Ästhet und hatte seinen eigenen Stil. Auf jeden Fall! Er hatte sehr viel Sinn für Stil. Und: Er kam lachend und barfuß auf der Piazza del Popolo an. Er fand immer Leute, die ihn aufnahmen und zum Essen einluden. Zurück zur Gegenwart: Ich muss dir gestehen, dass ich ganz ehrlich begeistert von deinem Atelier und der Sauna bin. Die Sauna existiert seit Langem nicht mehr. Die Idee, dass man gleich hinter dem Atelier ein Dampfbad nehmen konnte, war fantastisch. Ich habe auf nichts verzichtet! Das finde ich toll! Und ich habe gehört, du hast auch einen Toy Boy, sag bloß! Stell dir vor, er ist zwanzig Jahre jünger als ich! Wir sind jetzt aber auch schon seit 1990 zusammen. Eine lange Beziehung, wie eine zweite Ehe! Ja, so in der Art, aber geheiratet habe ich nur einmal das erste Mal. Ich finde, das hast du richtig gemacht! Dass du mit einem so viel jüngeren Mann zusammen bist, beweist für mich, dass du ein interessanter Mensch bist. Er ist jetzt Rektor an der Uni Macerata, es ist also schwieriger geworden, sich zu sehen, aber es ist trotzdem immer gut. Um wieder auf Rom zurückzukommen: Findest du nicht auch, dass die Stadt heute noch immer so viel zu bieten hat? Es ist nach wie vor unglaublich inspirierend für mich. Ja, das denke ich auch immer. Man fühlt sich frei. Das sagt man auch über New York, aber ich habe die Stadt nie gemocht. Dieser Rhythmus, alles ist dort schon vorgefertigt. Als wir einst in New York waren, begleiteten wir Truman Capote, der sich mit einem Freund in einem Café treffen wollte. Dieser kam in Begleitung eines blonden Mädchens. Wir tranken gemeinsam, ich dachte mir, dass sie mich an jemanden erinnert. Ich fragte sie, was sie beruflich mache und sie sagte, sie sei Schauspielerin. Sie war reizend, aber sehr melancholisch. Jemand legte dann eine Schallplatte auf, und man forderte sie auf zu tanzen, und ich fragte sie, wie sie denn heiße. Sie sagte: My name is Marilyn Monroe. Du meine Güte! Goffredo war erstaunt: Wirklich? Marilyn?. Sie sagte: Ja, es gibt nur eine. Sie war wirklich hübsch, sie trug Turnschuhe auf der nackten Haut. Dazu ein Kleidchen auch Perkal, wie man damals sagte, aus Baumwolle. Perkal, ganz einfache Baumwolle. Ach, weißt du, so eine hübsche Blondine! Kaum fing sie an zu tanzen, wurde aus jeder Ecke fotografiert. Goffredo gab einem Fotografen einen Tritt, und dann war die Hölle los. Capote sagte dann: Komm Goffredo, lass uns gehen, und dann sind wir alle abgehauen. Und Paris hat dir auch nicht viel gegeben? Du warst ja eine Weile dort. Drei Jahre, von 1955 bis 1958. Doch, Paris hat mir gefallen. Ich finde die französische Kultur immer noch interessanter als die amerikanische. Die amerikanische gefällt mir nicht. Ich bin auch zufrieden dort, ich bin nun seit zwei Jahren dort. Mir liegt viel daran, die französische Kultur immer noch besser zu verstehen. Ich glaube, es gibt eine Verbindung zwischen meiner italienischen Kultur und der französischen. Die Franzosen haben auch eine große Bewunderung für alles Künstlerische. Für mich war Alberto Giacometti damals am interessantesten und am verführerischsten. Sehr gut aussehend, die Fotos von ihm beweisen es. Ihr wart alle nicht nur herausragend in eurer Arbeit, sondern auch schön. Meiner Meinung nach war Giacometto wirklich außergewöhnlich schön. Man hat mir diese Geschichte erzählt ich weiß nicht, ob sie stimmt. Und zwar, dass Jean Cocteau Giacometti gesehen hat und daraufhin diesem sehr bekannten Galeristen, dessen Sohn mein Nachbar in Paris ist, gesagt hat: Du musst diesen Künstler in deiner Galerie aufnehmen! Der Galerist fragte: Was macht er denn? Und Cocteau antwortete: Ich weiß es nicht, aber du musst ihn aufnehmen! (Gelächter) Und scheinbar ist Giacometti auf diese Weise sofort von der bestmöglichen Galerie vertreten worden. Und zwar nur, weil er ein cooler Typ war. Also da hat sehr wahrscheinlich der äußerliche Aspekt, also seine Schönheit, eine Rolle gespielt. Du bist übrigens auch eine schöne Frau! Ach komm, du bist schön! Ich freue mich, dass ich noch stehe. Es war ein anstrengender Tag. 51

ERSTES TREFFEN Die Kunst der Mode EINEN MUSEUMSDIREKTOR WIE PHILIPPE COSTAMAGNA, DER KUNST- GESCHICHTE MIT HUMOR VERBINDET, WOLLTE MARIA GRAZIA CHIURI SCHON IMMER EINMAL KENNENLERNEN. WIR HABEN DIE BEIDEN AN EINEN TISCH GEBRACHT. SOFORT FINGEN SIE AN ZU DISKUTIEREN, MAL AUF ITALIENISCH, MAL AUF ENGLISCH: WAS IHRE WELTEN EINT UND TRENNT, WAS HEUTE ELE- GANT IST UND WARUM SMARTPHO- NES MANCHES SCHWIERIGER MACHEN. INGA GRIESE MODERIERTE; SANNE GLASBERGEN FOTOGRAFIERTE Ihre Schuhe sind italienischer Stil, sagte Maria Grazia Chiuri zu Philippe Costamagna. Der widersprach nicht und überhaupt verstanden sich die beiden ausgezeichnet

H istoriker stehen in dem Ruf, konservativ zu sein und dazu passt, dass Philippe Costamagna seinen Hintergrund als bourgeois bezeichnet. In Nizza geboren, studierte der heute 59-Jährige an der Pariser Sorbonne, schnell faszinierten ihn zwei Kunst-Strömungen: die Welt der italienischen Renaissance und zeitgenössische Werke. Seit 2006 führt er das zweitgrößte Kunstmuseum Frankreichs auf Korsika, derzeit konzipiert er im Auftrag von Präsident Macron eine Institution, die sich mit der Geschichte der Familie Bonaparte beschäftigt. Maria Grazia Chiuri wollte ihn gern einmal kennenlernen, weil sie den Stil seines Buchs über Kunstgeschichte sehr humorvoll und inspirierend fand. ( The Eye: An Insider s Memoir of Masterpieces, Money, and the Magnetism of Art, erscheint in der englischen Fassung im August 2018). Die beiden trafen sich zum Lunch im Büro der Designerin in der Rue François 1er und hatten keinen einzigen langweiligen Moment miteinander. Schön, Sie an einem Tisch zu haben! Was ist Ihr Anliegen, Monsieur Costamagna? Philippe Costamagna: In diesem Buch spreche ich über meinen Job und über die Zuschreibung der Kunstwerke und die Beziehung zwischen Kunst und Geld. Maria Grazia Chiuri: Und Sie erklären aber gleichzeitig auch, warum Kunst so wichtig geworden ist, so populär, und das auf eine einfache Art. PC: Ob man sich einen alten Meister anschaut oder zeitgenössische Kunst, es erzeugt immer ein Gefühl. MGC: Ich als Römerin habe nie daran gedacht, dass das, was mich umgibt, etwas Besonderes ist. Für die Italiener ist es normal, von Kunst umgeben zu sein. PC: Am Ende geht es darum, ob man das Auge hat oder nicht. MGC: Als ich begann, in der Mode zu arbeiten, war es eine andere Zeit, in der die Kunst nicht so wichtig war wie jetzt. Und wir hatten auch Glück. Am Anfang macht man etwas, weil man es liebt. Man interessiert sich für etwas, lässt sich darin ausbilden. Doch mein Beruf, aber auch Ihrer, Philippe, hat sich verändert PC: Wir haben zwei verschiedene Rollen, aber wir machen dasselbe. Wir interessieren uns beide für Kunst, wir sammeln. Für Maria Grazia ist jedoch Kunst auch eine Quelle der Inspiration. Es ist, als hätte man Schubladen im Kopf, und manchmal gehen manche von diesen auf. Es gibt eine Weiterentwicklung. Auch durch Zufall. MGC: Und durch Entdeckung. Zum Beispiel habe ich, als ich nach Paris kam, eine andere Sichtweise verstanden, die andere Kultur und Tradition. Finden Sie, die zeitgenössische Kunst müsste besser erklärt werden? Man fragt sich schon oft, worum es eigentlich geht, oder? PC: Schwer zu beantworten. Aber bei den Modedesignern ist es ja nicht viel anders MGC: Es ist sehr subjektiv. Ich denke, man muss nicht immer alle Hintergründe kennen oder warum der Designer oder der Künstler etwas gemacht hat. Wichtig ist, ob es einen interessiert oder nicht, ob es eine Reaktion auslöst. An der Met gab es eine Ausstellung über Rei Kawakubo und Comme des Garçons, Als ich sie gesehen habe, habe ich ganz ehrlich gedacht, dass ihre Art, Kleider zu entwerfen, eher Kunst ist. In der Mode ist es einfach zu sagen: Was ist das? Aber in der Kunst wagt es keiner, diese Frage zu stellen, um nicht womöglich ahnungslos dazustehen. MGC: Nun, ich denke doch, dass das in der Mode auch so ist. Aber auch beim Fußball! (alle lachen) In Italien glauben alle, sie wüssten es besser als der Kapitän der Mannschaft. Viele denken generell, sie könnten es auch machen. Das stimmt aber nicht. PC: Schreckliche Leute gibt es überall. Aber auch offene. Ich mag unsere jetzige Kulturministerin nicht, aber bei einer Sache hat sie völlig recht: Man soll Kunst auf die Straße bringen! Als Museumsdirektor versuche ich, das umzusetzen. MGC: Ich war übrigens überrascht, als ich in Ihrem Buch las, dass der Louvre gegründet wurde, um den Leuten Kunst näherzubringen. PC: Ja, unser Job ist es, Kunst zugänglich zu machen. Und das funktioniert besser mit der zeitgenössischen Kunst. Sind auch Künstlerinnen in Ihrem Museum vertreten? Suchen Sie besonders Frauen, oder nehmen Sie, was kommt? PC: Nein, das ist mir gleich. Die Kunst ist mir wichtig. MGC: Es gab einmal eine Diskussion, als eine Künstlerin, die inzwischen verstorbene Carla Accardi (bedeutende Vertreterin der italienischen Avantgarde und der Arte Povera der 60er-Jahre, Anm. d. Red.), einfach als Künstler angesehen werden wollte und nicht als Frau, die als Künstlerin tätig ist. Und darüber redet man auch heute noch. Auf jeden Fall sind Männer und Frauen verschieden, die Sichtweise ist nicht dieselbe. Wir sollten dieselben Chancen haben, aber wir müssen die Unterschiede akzeptieren. Monsieur Costamagna, sind Sie ungewöhnlich, weil Sie Kunst mit Humor nehmen? PC: Ich weiß nicht, sagen Sie es mir. MGC: Wenn man Ihr Buch liest, hat man das Gefühl, dass Sie lächeln. Ich dachte mir: Dieser Mann ist verspielt das spürt man! Allerdings versteht nicht gerade jeder Spaß. MGC: Es stimmt, es gibt nicht viele Leute mit Sinn für Humor. Es liegt vielleicht auch an der großen Konkurrenz heutzutage. Leute denken, wenn man Humor anwendet, ist man nicht glaubwürdig, dass man an Autorität verliert. Auf jeden Fall muss man sagen, dass die Berufe heute sehr unterschiedlich sind. Durch die Digitalisierung sind wir ständig damit beschäftigt, auf dem neuesten Stand zu bleiben. Die neue Generation ist teilweise derart besessen, viele Informationen zu bekommen... PC: Für mich ist es auch wichtig, Mode ins Museum zu holen. MGC: Auf jeden Fall erzählt man etwas über sich selbst mit Bekleidung. Es ist wie die Handschrift eines Buchautors, wenn man genau hinschaut, hat man sofort eine Idee. Der Feminismus hat die Art, wie wir uns kleiden, nachhaltig geändert. In den 50ern und 60ern waren Männer und Frauen sehr elegant und förmlich gekleidet, auch zu Hause, keiner hätte sich eine Trainingshose angezogen. Je freier und offener unsere Gesellschaft geworden ist, desto weniger kümmern wir uns um unser Aussehen. PC: Sehe ich nicht so. Wenn man sich morgens anzieht, weiß man, wo man hingeht. MGC: Es gibt eine andere Art sich zu kleiden, aber es sind in jedem Fall Codes. Finden Sie nicht, dass es keine Eleganz mehr gibt? Das sie verblasst? MGC: Es ist eine andere Art von Eleganz, sie verändert sich. Ich glaube, die Leute haben das Bedürfnis, sich selbst auf eine bestimmte Art und Weise zu beschreiben. Alle sind besessen von Selfies, und ich kann mir nicht vorstellen, dass man so etwas Narzisstisches macht und sich nicht darum kümmert, wie man angezogen ist. Ob das elegant ist, ist eine andere Frage. Eleganz war immer eine Art von Uniform, mit der man auch deutlich machte: Das ist meine Aura, bitte komm nicht näher. Heute geben wir mehr von uns preis. MGC: Das ist manchmal zu viel, manches muss einfach privat bleiben. Und dabei gibt es gar nicht genug Zeit, um alle diese Bilder überhaupt zu sehen. PC: In meinem Buch schreibe ich auch über Modedesigner, denn sie sind auch Künstler der heutigen Zeit. MGC: Es kommt auf die Sichtweise an, wenn man glaubt, dass Kunst über unsere Zeit sprechen soll, dann tut die Mode ebendies. Jedoch muss man sagen, dass Mode ja auch ein Business ist. Empfinden Sie Druck? MGC: Wo man früher ein Jahr Zeit hatte, heißt es jetzt: Sie können es doch in sechs Monaten machen! Man braucht Zeit, egal ob als Redakteur eines Magazins, als Maler oder als Designer. PC: Als Direktor eines Museums und Kurator muss man zwei Ausstellungen im Jahr liefern, Ideen haben Und die Leute haben die Erwartung, dass man eine super Ausstellung macht, und die darauffolgende muss dann noch besser sein. MGC: Als ich angefangen habe, Mode zu studieren, hätte ich nie gedacht, dass ich einmal eine so wichtige Position einnehmen würde. Für mich ist das eine große Ehre und eine konstante Herausforderung. 53

LA VIE EST BELLE L ÉCLAT L EAU DE TOILETTE VERZAUBERT MIT DER HEITEREN LEICHTIGKEIT DES GLÜCKS - JETZT IN IHREN YBPN-PARFÜMERIEN Glückliche Menschen tragen einen Funken in ihrer Seele, ein unaufhaltsames Flackern der Freude. Um glücklich zu sein, braucht es nur einen Funken, der alles auslöst... Strahlen Sie jetzt! Ein leuchtender Funke lässt in 221 Facetten den Flakon des neuen L Éclat L Eau de Toilette erstrahlen. Der Duft vereint kostbare Ingredienzen zu einem Rendezvous aus frischen Mandarinen-Zesten und fruchtig-floraler Neroli-Essenz, vollendet mit einer noblen moschusartigen Irisnote. Diese leichte, prickelnde Variante von La vie est belle verleiht der Trägerin den ganzen Tag das gewisse Etwas an Ausstrahlung. Wir heißen Sie in unseren inhabergeführten Parfümerien willkommen und freuen uns sehr, Sie mit unserem einzigartigen Service zu verwöhnen. Unsere Duft-Experten stehen Ihnen mit Freude zur Seite. Freuen Sie sich auf die individuelle Beratung der Beauty Experten in Ihren YBPN-Parfümerien. www.ybpn.de #meinschoenstesich

L ÉCLAT

PRIVAT PRIVAT STILBEAUTY ISTEN HIER KOMMEN UNSERE KOSMETIKEXPERTEN ZU WORT CORBIS ENTERTAINMENT/GETTY IMAGES Mademoiselle Butterfly Die Augen sind der Spiegel zur Seele, sagt man. Vielleicht hatte Christian Dior deswegen ein Faible für Maskenbälle? Weil sie den Fokus auf den Blick lenken und ihn zugleich verschleiern? Er mochte es mysterieuse. Zur Feier der Haute Couture in Paris lud das Haus Dior im Januar wieder zum Ball. Und die Models lieferten am Morgen reichlich Anregungen. DAS WIRKT! Inhaltsstoffe interessieren mich wenig, die Wirkung von Kosmetikprodukten muss stimmen. So einfach ist das. Darum empfehle ich Produkte, die wirklich etwas können: Wie die Creme Sublimage von Chanel, die die Spuren eines feucht-fröhlichen Abends über Nacht verschwinden lässt. Kein Scherz: Am nächsten Morgen sehen Sie aus, als wären Sie im Spa gewesen. Noch ein Geheimtipp? Der Lippenbalsam Confort Extrême Lèvres von Sisley macht die Lippen weich, und auch die Nagelhaut. Auf der Suche nach guter Haarpflege? Probieren Sie Moisturizing Shampoo von Sensai. Die Japaner können es einfach. Und das perfekte Peeling kommt aus den USA von Dr. Dennis Gross. Seine Exfoliating Pads sind große Klasse. Jessica Buchberger Inhaberin der Parfümerie Beauty Avenue in Berlin BEAUTY EXPRESS All time favourite: Bereits seit 1947 wird in einem kleinen Ort in Illinois die Lippenpflege Blistex produziert. Allein der Geruch (eine Mischung aus Kampfer und Thymol) lässt Kindheitserinnerungen wach werden. Ob das auch der Grund ist, warum Maria Grazia Chiuri sie so gern verwendet? Wir haben nicht weiter nachgefragt. Aber eines ist sicher: Sie mag es nicht spröde. 56 Umhüllend: Ihre persönliche Präsenz ist enorm. Sie braucht keinen Duft, der sie unterstreicht. MGC umgibt sich jedenfalls gern mit dem Eau Dynamisante -Spray von Clarins, das kein Parfüm im eigentlichen Sinne, sondern ein Duftwasser ist. Am besten auf den ganzen Körper sprühen und auf die Wirkung warten. Es soll vielleicht Maria Grazias Energiegeheimnis für Vitalität sorgen. Wild, scheu, naturbelassen all das bedeutet das französische Adjektiv sauvage. Attribute, die Maria Grazia Chiuri gefallen dürfen. Wenn Parfüm, sagt sie, dann Eau Sauvage von Dior. Als Hausparfümeur François Demachy ihn im Herbst 2015 in einer Neuauflage präsentierte, waren die Erwartungen groß. Aber auch die Kenner waren sehr zufrieden. Nun gibt es seine Kreation auch als Eau de Parfum. Hands on: Im Dior- Atelier wird geschuftet. Die viele Handarbeit erfordert gründliches Händewaschen. Deswegen liebt die Designerin auch das Resurrection Aromatique Hand Wash von Aesop. Es reinigt, desinfiziert und pflegt in einem. Und wer weiß, vielleicht laufen Sie im Pariser Flagshipstore MGC ja mal über den Weg, wenn sie dort Nachschub besorgt (205 rue Saint-Honoré). Auf der Suche nach dem schnellen Effekt, der Fältchen zügig verschwinden lässt? Vor der Gartenparty vielleicht? Dann würde ich Ihnen die Time Filler Mask von Filorga auflegen. Die schwarze Fließmaske ist randvoll mit Pflanzenzucker und Kollagen und bleibt für 15 Minuten auf dem Gesicht. Danach sieht man aus wie geliftet. Aber um die Euphorie etwas zu zügeln: Der Effekt hält maximal zwei Tage an. Langfristiger ist der Einsatz des Skin Fitness Lifting Peeling von Perris. Es besteht aus abgerundeten Aprikosenkernen und kann täglich für 60 Sekunden auf die Haut massiert werden. Danach ist sie aufnahmefähiger für jedes Produkt. Und noch auf der Suche nach einem Sommerduft? Schnuppern Sie mal am Hot Cologne aus der Les Exceptions -Serie von Mugler. Isabella Bernardi-Kici Filialleitung der Parfümerie CB Bähr in Saarbrücken

GENIE Bescheidener Grandseigneur: Was François Demachy in seinem Labor in Grasse zusammenmixt, wird immer ein Erfolg, wie seine Neuschöpfungen von Klassikern wie Miss Dior oder Sauvage beweisen

Haute Parfum François Demachy hat für alle großen Modehäuser Düfte kreiert. Seit 2006 arbeitet er für den LVMH-Konzern, ist die Nase von Dior. Er schwärmt von den alten Düften wie Diorissimo und, klar, der allerersten Kreation: Miss Dior. Caroline Börger sprach mit dem Künstler, der keiner sein will Original und Zeitgeist: Der linke Flakon stammt aus dem Jahr 1947, der rechte ist aktuell MONTAGE: LUNA SIMIC FÜR ICON; PORTRAIT OSKAR FOR PARFUMS CHRISTIAN DIOR; GETTY IMAGES; OLDBOOKILLUSTRATIONS.COM F rançois Demachy ist ein viel beschäftigter Mann, pendelt zwischen Paris, dem Stammsitz von Dior, und Grasse. Dort ist er zu Hause. Mitten in der beschaulichen Stadt, die nicht erst seit dem Patrick- Süsskind-Roman Das Parfüm als Dufthochburg bekannt ist, hat er sein Büro. In den Les Fontaines Parfumées, einer von der LVMH-Gruppe vor ein paar Jahren prächtig renovierten, terrakottafarbenen Villa aus dem 17. Jahrhundert. Das Haus ist umgeben von akkurat gestutzten Rasenflächen, Kräuterbeeten und einem Jasminfeld. Das Treppenhaus der Villa ist dekoriert mit Porträts und Fotos von Christian Dior, den ehemaligen Parfümeuren und mit Vitrinen, in denen alte Flakons ausgestellt sind. Hier residiert nicht nur Monsieur Demachy, der seit dem Jahr 2006 Direktor der Parfüm- und Kosmetiksparte des Luxuskonzerns und Dior-Chefparfümeur ist, sondern auch Jacques Cavallier-Belletrud, der Louis-Vuitton-Parfümeur. Die beiden verstehen sich, teilen sich die Etage und das Labor im Stockwerk darüber. Nicht aber ihre Kreationen. Das Labor ist ein Hochsicherheitstrakt, die Geheimnisse wollen bewahrt bleiben. Das eint die beiden Häuser, die, wenn man ihre Dufthistorie betrachtet, unterschiedlicher kaum sein könnten: Diors erstes Parfüm entwarf Tian, wie ihn alle nannten, schon 1947. Louis Vuitton befüllt nach knapp 70- jähriger Pause erst seit zwei Jahren wieder Flakons. In unserer Geschichte spielt Parfüm seit Beginn an eine wichtige Rolle, erklärt der 69-jährige Franzose. Das Haus Dior war das erste, das von Anfang an sowohl Mode als auch Parfüms produzierte. Coco Chanel etwa begann mit ihrer Mode, und Jahre später folgten die ersten Düfte. Monsieur Dior aber glaubte von Anfang an an beide Sparten. Es war der 12. Februar 1947, ein bitterkalter Wintertag in Paris, die Folgen des Zweiten Weltkriegs immer noch deutlich präsent. Doch bei Monsieur Dior lag Aufbruchsstimmung in der Luft: Er hatte dafür gesorgt, dass in seinem Haus in der Avenue Montaigne 30 bereits der Frühling eingezogen war. Schließlich wollte er an diesem Tag seine erste Kollektion präsentieren. Floristen schmückten die erste Etage des Hauses seit dem Morgengrauen mit Tausenden Wicken, blauem Rittersporn, Rosen und weißen Maiglöckchen die Lieblingsblumen des Couturiers. Und es wurde literweise Miss Dior versprüht. Sein erster Duft, den er mit Paul Vacher entwickelte. Zu kaufen gab es ihn zu dem Zeitpunkt noch nicht. Er wollte, bevor Miss Dior am 1. Dezember desselben Jahres weltweit auf den Markt kam, zuerst die Reaktionen testen. Würden sie ihn mögen? Heutzutage würde man dieses Vorgehen einen cleveren Marktforschungsschachzug nennen. Der Chypre-Duft waberte also durch die Räume des Stammsitzes, in denen sich potenzielle Kundinnen wie auch Journalistinnen drängten. Am Ende rief Carmel Snow, die Chefredakteurin von Harper s Bazaar, die berühmten Worte: Oh, lieber Christian, Ihre Kleider kreieren einen richtigen New Look. Der Slogan war geboren. Ob Demachy sich das heute auch vorstellen könnte? Bei einer der fantasievollen Schauen von Maria Grazia Chiuri die Säle zu beduften? Warum nicht, aber ich habe ehrlicherweise während der Schauen noch nie einen unserer Düfte gerochen. Vielleicht, weil sie oft in riesigen Räumen oder draußen stattfinden? Doch auch dort wäre es ihm nicht entgangen. Die Nase ist sein Wissen und sein Kapital. Knapp 2500 verschiedene Rohstoffe beherbergt sein Labor, an ihnen zu schnuppern und sie zu mixen ist sein täglich Brot. Die Nase muss auch im Training bleiben. Und daran arbeitet er seit Teenagerzeiten. Demachy wuchs in der Gegend rund um seinen heutigen Arbeitsplatz auf, er kennt das Château de La Colle Noire, den Landsitz Diors, sehr gut. Sein Vater besaß eine Apotheke im nahe gelegenen Grasse, in der er sein eigenes Eau de Grasse Impériale kreiert hat und zu dessen Abnehmern auch der spätere Dior-Parfümeur Edmond Roudnitska zählte. Der Sohn wurde zu einem der Besten seiner Zunft, arbeitete sich vom Praktikanten in einer Rohstofffirma in Grasse bis an die Spitze der Parfümszene hoch: über die Parfümeurs-Ausbildung bis zu seinem Wechsel zu Chanel 1977, wo er bis 2006 blieb. Doch dann kam der Ruf von LVMH und Dior. J adore, Kenzo Homme Sport oder Poison sind seine Erfindungen, selbstgefällig hat ihn keiner der Erfolge gemacht. Ein Duft inspiriere ihn bis heute. Das ist definitiv,miss Dior. Nicht nur, weil es der erste des Hauses überhaupt war, sondern, weil er zur Familie der,chypre -Düfte gehört, für mich die kreativste aller Duftfamilien. Benannt ist sie nach der jüngeren, rebellischen Schwester des großen Couturiers, Catherine. Bis heute existiert der Originalduft in den Parfümregalen, obgleich Demachy ihn 2012 auffrischte und Miss Dior in eine zeitgemäße Mademoiselle umwandelte. Ich habe natürlich versucht, das Original zu respektieren, es vorsichtig zu modernisieren. Ein Wort, das er eigentlich hasst. Was vom Original blieb? Der Flakon und das Herz des Dufts, die Chypre-Note. Hätte ich das nicht gemacht, dann wäre es falsch gewesen, erklärt er seine Vorgehensweise rückblickend. Man muss das alte Parfüm respektieren. 2008 verstarb Catherine Dior, die François Demachy nie kennenlernte. Doch ich hoffe sehr, dass ihr die neue Version gefallen hätte. Diors Vorliebe für Maiglöckchen wiederum, die der überaus abergläubische Designer als Glücksbringer in jeder seiner Haute- Couture-Roben im Saum vernähte, respektiert François Demachy. Für unsere neue Exklusiv-Serie,La Maison Christian Dior habe ich deswegen auch,lucky entwickelt, sagt er. Es duftet nach frischen Maiglöckchen, aber nicht sofort, man muss sich etwas gedulden. Vielleicht der nächste Dior-Klassiker. Denn wer hätte vor 71 Jahren daran gedacht, dass Miss Dior bis heute ihren Platz behaupten würde? Man weiß nie, wenn man etwas entwirft, ob es ein Trendsetter wird. Man hofft jedoch immer, dass es ein Erfolg wird, erklärt Demachy, der gerade erst mit dem Duftstars Persönlichkeitspreis ausgezeichnet wurde. Er spricht nicht gern über seine Erfolge und die Kreationen für andere Modehäuser. Er macht sich lieber wieder an die Arbeit und mixt an den nächsten Erfolgen. In aller Ruhe, bien sûr. 59

PS t SSS Die Neulinge SIE IST RÖMERIN VON HERZ UND HEIMAT UND PARISERIN AUS BERUFLICHER PASSION. CAROLINE BÖRGER FAND KOSMETIKPRODUKTE AUS BEIDEN WELTEN, DIE MARIA GRAZIA CHIURI GEFALLEN DÜRFTEN BLONDIE BEVORZUGT EWIGER DUFT Wussten Sie, dass schon die alten Römer verrückt nach Düften waren? Drei Geschwister aus Rom sind es noch immer. Mit ihrer kleinen Manufaktur Profumum Roma kreieren sie ihre Düfte aus Erinnerungen. Dolce Aqua duftet süß wie, eben, Dolce vita. Über ausliebezumduft.de Die schwarz umrandeten Augen sind das Markenzeichen von Signora Chiuri, aber seit einigen Jahren auch das platinblond gefärbte Haar. Dafür empfehlen wir den Farbconditioner Glam Color Advanced von La Biosthétique im Farbton Crystal der sorgt für das ganz coole, äh, kühle Blond. LONG STORY SHORT Jedes Parfüm ist eine wunderbare Erinnerung und hinter jeder Erinnerung steckt eine wunderbare Geschichte, lautet das Credo von Gérald Ghislain, dem Inhaber von Histoires de Parfums. Woran ihn Muskat, Kardamom, Rose, ein Schuss Tabak und Olibanum erinnern? Erzählt er nicht. Aber Outrecuidant ist allemal eine eigene Geschichte wert. DAS WASSER 1916 erfand Carlo Magnani, Spross einer adligen Familie aus Parma, das erste italienische Colonia und benannte es, logisch, nach seiner Heimat. Heute gehört Acqua di Parma zwar zum LVMH-Konzern, von seinem italienischen Erbe hat die Marke aber nichts eingebüßt. Bester Beweis? Das neue Colonia Pura. Duftet herrlich aquatisch! 60 SCHWARZ WIE DIE NACHT Seit ihrem 40. Geburtstag verwendet Maria Grazia Chiuri Make-up. Und sie gehört zu den eher weniger Frauen, die schwarze Lider tatsächlich tragen können. Bestens dafür geeignet ist der Ombre Blackstar von ByTerry. Der Kajal hält lang und ist leicht aufzutragen. Über niche-beauty.de SHOW-STAR Wenn man doch die beste Wimperntusche im eigenen Haus hat, warum lange suchen? Die Diorshow Pump n Volume -Mascara soll für den ganz großen Wimpernauftritt sorgen. Tut sie auch abseits von Catwalks. BLUMENKINDER 50 Jahre 68er-Revolution, 50 Jahre Diptyque. Das muss gefeiert werden. Die Pariser aus St. Germain tun das mit dem Duft Fleur de peau Flower Power comme il faut.

ORGANISCH Ein Ort wie kein anderer in der Toskana: Blick von oben auf das Castello di Ama; das leuchtende Neon-Kunstwerk oben hängt im Weinkeller und ist von Kendell Geers; Kunstwerk unten von Roni Horn, daneben Gutsbesitzerin Lorenza Sebasti

Von der Kunst sanft umarmt ALESSANDRO MOGGI(3); MONTAGE ICON; REVOLUTION/LOVE, 2003 KENDELL GEERS 2018 VG BILDKUNST BONN High Noon der Kultiviertheit, die Spitze der Toskanafraktion hat sich im Castello di Ama eingefunden. Anlass ist die jährlich stattfindende Vernissage auf dem Weingut nahe Siena. In einer Region, deren landschaftliche Verfeinerung und Ästhetisierung seit Jahrhunderten vorangetrieben wird, hat auch die moderne und zeitgenössische Kunst ihren festen Platz: Es gibt die Pioniere, wie Giuliano Gori mit seinem Skulpturenpark Villa Celle, und neuere Konzepte wie den Art Hunt, eine Art Kunst-Schnitzeljagd, die über Ländereien, Herrenhäuser und Gehöfte führt. Zahlreiche Sammler haben zudem Residenzen in der Gegend. Und hier, in Ama, hat sich ein Ort etabliert, der trotz öffentlich zugänglicher Weltklasse-Werke ein Geheimtipp bleiben möchte: Besucher werden nur nach Voranmeldung und in Kleingruppen über das Anwesen geführt. Wer das Konzept tiefer ergründen möchte, übernachtet in einem der fünf Gästezimmer, und genießt den Wein des Guts sowie das exzellente Essen. Kultur und Genuss gehören hier zusammen. Lorenza Sebasti und Marco Pallanti haben Ama erschaffen: Sie kümmert sich um die Gäste, er ist für den Wein verantwortlich und ihre gemeinsame Leidenschaft ist die Kunst. Beide wissen um die zwei Seiten des Ortes: Ich möchte ihn einerseits schützen und bewahren, aber andererseits ist es mir wichtig, ihn mit der Öffentlichkeit zu teilen sie soll sanft von der Kunst umarmt werden, erläutert die Besitzerin ihr Konzept, und es schwingt gleichzeitig Stolz und Sorge in ihrer Stimme mit. Mit fünf- bis sechstausend Besuchern pro Jahr ist man fast an der Grenze dessen, was der Ort verkraftet, ohne seine kontemplative Kraft zu stören. Einen Tag nach der Vernissage wird sich die Öffentlichkeit in Gestalt von Freunden und Mitstreitern aus der Nachbarschaft auf dem Gelände tummeln. Auf Ama, so scheint es, sind viele in der Gegend besonders stolz. Jeder scheint mit dem Ort verbunden oder hat in irgendeiner Art und Weise zum Gelingen des Projektes beigetragen. Am Mittag davor geht es jedoch exklusiv zu. Unter einem Pop-Art-blauen Himmel decken livrierte Kellner auf dem getrimmten Rasen die meterlange Tafel ein, die vor einer Spiegelwand mit Fenstern des französischen Konzeptkünstlers Daniel Buren steht. Sie putzen das Silber, rücken die Korbstühle und die Dekoration zurecht ein Arrangement aus Trauben, Weinblättern und aufgeschnittenen Granatäpfeln. Die paar Dutzend Gäste begrüßen sich derweil mit Küsschen, probieren den bereitgestellten Rosé und stärken sich mit Antipasti und dem Blick über die Weinberge, die sich wie ein naturalistisches Gemälde vor dem Betrachter ausbreiten. Finde den Fehler? Es gibt keinen. In Ama, einer Ansammlung von Gebäuden aus dem 18. Jahrhundert, 500 Meter über dem Meeresspiegel gelegen, sind an diesem Tag auch Natur und Kultur miteinander verschmolzen. Zyniker könnte dieses Szenario glatt nervös machen: Vielleicht ist die Toskana ein so guter Ort für die Kunst, nicht weil sie so schön ist, sondern weil sie zu schön ist. Sie fleht förmlich um Reibung von außen. Oder, wie die Gutsbesitzer es formulieren: Die Natur übertrifft uns immer, und die Kunst strebt stets danach, ihre Perfektion zu erreichen. Daran arbeitet hier auch der kanadische Kurator Philip Larratt-Smith. Und um das zu erleben, sind Branchengrößen wie Sam Keller, Museumsdirektor der Schweizer Fondation Beyeler, der deutsche Verleger Gerhard Steidl oder die Direktorin der Londoner Tate Modern, Frances Morris angereist. Marco Pallantis vielfach preisgekrönten Wein aus dem Castello kennen sie bereits. Den konnten sie unter anderem zur Eröffnung der Biennale in Venedig genießen oder auf den privaten Dinners und in den Restaurants, auf denen die Kunstvermittler sonst so ihre Netze auswerfen. Der Grund für die heutige Zusammenkunft in Cinemascope liegt verborgen in einer Kammer, nur einen Steinwurf von den gesellschaftlichen Ritualen an der Mittagstafel entfernt. Man muss sich bücken, um in den unscheinbaren Raum mit dem kleinen, nach Norden ausgerichteten Fenster zu gelangen. Auf dem mit loser Erde ausgestreutem Boden ist ein unbekanntes Objekt ( Untitled ) der New Yorker Künstlerin Roni Horn gelandet. Es ist aus Glas und schimmert silbrig diffus. Ist das Objekt fest oder teilweise flüssig? Seine Aura ist jedenfalls geheimnisvoll: Wie das Fragment eines Himmelskörpers, sagt Larratt-Smith. Glas sei ein Alltagsmaterial, aber in dieser Aufbereitung gibt es uns einen neuen und erfrischenden Blick darauf, wie wir die Welt betrachten. Und tatsächlich: Horns Kunstwerk entfaltet an diesem Ort eine geradezu überirdische Anziehungskraft wie ein verschlüsseltes Signal aus der Zukunft,3 AUF DEM GUT CASTELLO DI AMA IN DER TOSKANA GEDEIHT VIELES: WEIN, KUNST UND GASTFREUNDSCHAFT. HEIKE BLÜMNER PROBIERTE VON ALLEM ETWAS UND ENT- DECKTE SO EINEN EINZIGARTI- GEN ORT, DER KULTUR UND GENUSS VEREINT 63

Zeit für die jährliche Vernissage: Die Tafel wird vor Daniel Burens Spiegelwand von 2001 eingedeckt; in der Mitte das Kunstwerk Confession of Zero von Hiroshi Sugimoto; Darunter der Blick ins Gästezimmer 3eingebettet in die Geheimnisse der Vergangenheit seiner Umgebung. Das Werk ist der aktuelle Neuzugang und eines von 15 weiteren von Künstlern wie Anish Kapoor, Lee Ufan, Louise Bourgeois oder Kendell Geers, die sich auf dem Gelände mal offensiv, mal versteckt dem Besucher offenbaren. Die Spiegelwand von Buren springt sofort ins Auge, ebenso Carlos Garaicoas Installation Yo no quiero ver más a mis vecinos ( Ich möchte meine Nachbarn nicht mehr sehen ). Der Kubaner baute dafür berühmte Mauern der Welt auf eine Wiese, darunter die chinesische, die amerikanische und natürlich die Berliner Mauer samt Wachturm. In dieser Umgebung entfalten die Bollwerke gegen tatsächliche und vermeintliche Feinde im Minigolfformat ihrer Monumentalität beraubt eine fast schon amüsante Kleingeistigkeit und zeigen damit die Absurdität menschlicher Abschottung auf. Louise Bourgeois Installation Topiary (Formschnitt) hingegen befindet sich in einer unterirdischen Zisterne. Man kann sie von oben betrachten oder auf einer wackligen Leiter in das feuchte Loch hineinklettern, wo ein Wesen aus Marmor teils Mädchen, Blume oder Phallus, je nach Betrachtungsweise weint, tropft oder ejakuliert. Diese Arbeiten, die der Kurator ausdrücklich nicht als Sammlung, Akquisition oder Open-Air-Museum, sondern als Dialog zwischen dem Ort und dem Wein beschreibt, nahmen 1994 mit einer Installation von Michelangelo Pistoletto ihren Anfang. Es ist ein von innen ausgehöhlter und verspiegelter Baumstamm. Er steht in einem Gang zum Weinkeller und wirkt so, als wäre er genau dort und genau so gewachsen. Später arbeiteten Sebasti und Pallanti lange Zeit mit der renommierten Galleria Continua aus San Gimignano zusammen, bis Larratt-Smith, der zuvor unter anderem acht Jahre als Archivar für Louise Bourgeois tätig war, im Jahr 2015 die künstlerische Leitung des Projekts übernahm. Zu diesem Zeitpunkt war Ama schon über die Grenzen der Toskana hinaus bekannt. Als Lorenzas römische Familie das Weingut in den 70er-Jahren kaufte, sah es hier allerdings noch ganz anders aus: Die Gegend war total verlassen und das Castello hatte kein Dach. Die eigensinnige Tochter, die im Übrigen eine Schulfreundin von Maria Grazia Chiuri ist, hatte sich jedoch in den Kopf gesetzt, den Ort einerseits umzukrempeln und andererseits seinen Charakter freizulegen. Marco, der in den 80er-Jahren frisch vom Önologie- und Landwirtschafts-Studium als junger Winzer engagiert wurde, gelang zunächst genau das mit den Weinen des Hauses: Mein Wein ist nicht neu, er ist zeitgenössisch, mit Wurzeln in der Vergangenheit, lautet sein Credo bis heute. Insgesamt 200 Hektar Land bearbeitet er inzwischen mit seinem Team: 300 000 Flaschen Wein pro Jahr kommen dabei heraus. Gerne getrunken werden seine Chianti Classico, aber der berühmteste Wein des Gutes ist L Apparita, der erste toskanische Wein aus hundert Prozent Merlot-Trauben. 1992 gewann er bei einer Blindverkostung gegen hochdekorierte Weingüter Frankreichs und zählt heute zu den berühmtesten Merlots der Welt. Und dann? Wir wollten nicht noch mehr Weinberge kaufen, erzählt der Winzer. Wir wollten das Anwesen weiter düngen aber mit Kreativität. Diese Saat ist aufgegangen. In diesem Jahr freut man sich auf eine Kooperation mit der amerikanischen Künstlerin Jenny Holzer. Es ist jedes Mal bereichernd, sagt Lorenza Sebasti, auch wir sehen den Ort von Jahr zu Jahr wieder mit neuen Augen. Und Kurator Larratt-Smith beschreibt einen ähnlichen Effekt für die Besucher: Es ist eine echte Alternative zu der Art und Weise, wie wir sonst Kunst erleben und wie sie von Profis präsentiert wird. Die Besucher scheinen dieses Konzept intuitiv zu begreifen: Sie spähen hinter Türen, wandeln über die Wiese der Kontakt mit der Kunst hat hier viel Spontanes und wenig Didaktisches. Zumal die sie umgebende Landschaft sich durch nichts in den Schatten stellen lässt. Da kann sich die Kunst weiter dran abarbeiten. Zur Freude aller. ALESSANDRO MOGGI(4), HEIKE BLÜMNER; CONFESSION OF ZERO, 2014 HIROSHI SUGIMOTO; DANIEL BUREN/ 2018 VG BILDKUNST BONN 64

SONNTAG, 6. MAI 2018 Global Diary ERINNERN SIE SICH? AN DIE ZEIT, ALS MAN STATT WHATSAPP UND E-MAIL NOCH KARTEN VON FREMDEN ORTEN SCHRIEB? WIR TUN ES NOCH IMMER. ILLUSTRIERT VON TIM DINTER GIARDINODEI TAROCCHI, GARAVICCHIO ren, mit aufbaute. Er, der zuvor als Postbote gearbeitet hatte, nahm mich mit auf eine Privattour. Der Tod, der Magier, die Hohepriesterin, die Herrscherin alle diese Motive sind mit einem geradezu unfassbaren Aufwand dargestellt, die Herrscherin ist 27 Meter hoch, Niki de Saint Phalle wohnte gar in der Figur. Die Agnellis hatten einst das Stück Land zur Verfügung gestellt, 36 Jahre dauerte es, bis die Anlage auf dem Stand Am Horizont der hügeligen Landschaft in der Toskana taucht plötzlich eine Hand auf. Ich bin nicht abergläubisch, aber diesem Zeichen wollte ich dann doch nachgehen: So fuhr ich der Hand entgegen und befand mich vor einem Eisentor, an dem ein Mann stand. Normalerweise hatte damals, im Jahr 1995, noch niemand Zutritt zum Tarot-Garten, den Niki de Saint Phalle ins Leben rief. Heute kann dort jeder umherstreifen, damals hatte ich das, was schon stand, für mich allein. Maria Grazia Chiuri hatte sich für ihre Show von der Anlage, die dort entstanden ist, inspirieren lassen und ich kann nur sagen: Das leuchtet wohl jedem ein, der schon einmal hier war. Der Mann am Tor entpuppte sich als Ugo Celetti, der die 22 Mosaik-Figuren, die das Tarot symbolisiewar, auf dem sie sich heute befindet. Die langen Jahre der Entstehung verwundern nicht, wenn man bedenkt, dass wirklich jede einzelne Figur von Hand verkleidet wurde. Ich habe bis heute keine anderen Worte als unglaubliche Schönheit gefunden, wenn ich beschreiben soll, was mir in diesem Garten begegnet ist. Hinzu kam dieser surreale Touch, also die Erfahrung, wie Fantastisches erlebbar wird. Ich weiß nicht, ob der Eindruck heute, da es in dem Garten sicher vor Menschen wimmelt, noch so stark sein kann wie damals. Aber eine Inspirationsquelle bleibt er sei es für Schriftsteller, Maler oder Modedesignerinnen. Silja Lange glaubt seit ihrem Besuch ganz sicher, dass es Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, die sich nicht erklären lassen AMAN HOTEL, TOKIO 15.30 Uhr, it s Teatime in Tokio. Wer wissen will, wie stylish japanische Upperclass-Mütter unterwegs sind, sollte unbedingt mal im Aman Tokyo einkehren. Hier wird täglich der Black Afternoon-Tee mit kunstvoll arrangierten salzigen und süßen Leckereien serviert, eigentlich viel zu schön, um sie einfach zu essen. Unter der spektakulären, 30 Meter hohen Laterne aus Shoji-Papier in der Hotel-Lounge versammeln sich dann Tokios schönste Mütter, von Kopf bis Fuß in Chanel, Dior oder Givenchy zum Teeklatsch. Neben den Tischen sind die extravagantesten Kinderwagen geparkt. Und nicht ein Wonneproppen darin fällt durch Schreien aus dem perfekt designten Rahmen. Doch nicht nur für diese Stil-Studie lohnt die Aufzugfahrt in den 33. Stock des Otemachi- Turms nahe dem Tokioter Hauptbahnhof. Der Ausblick durch die rundum raumhohen Fensterfronten ist einfach magisch. Man ist mitten in der Stadt und fühlt sich dennoch entrückt wie auf einer Wolkeninsel: Man sieht auf ein Meer aus Häuserschluchten, die kaiserlichen Gärten, und in dunstiger Ferne thront der heilige Mount Fuji mit seiner schneebedeckten Kuppe. Seit das Aman Tokyo 2014 eröffnete, hat sich das Hotel zu einem auch unter Einheimischen beliebten Treffpunkt entwickelt. Der Spa im 34. Stock und sein 30 Meter langer Infinity- Pool scharf entlang der Fensterkante ist am Wochenende oft ausgebucht, die Black Bar lockt elegante Nachteulen an, die sich dort an den schwarzen Cocktail- Kreationen und den funkelnden Lichtern der Großstadt berauschen. Der Grund des Erfolges lässt sich wohl leicht erklären: Alles ist irgendwie XXL und schenkt seinen Besuchern eine buchstäblich erhebende Erfahrung von Raum und Großzügigkeit, wie sie sonst im dicht gedrängten Gewimmel der Megametropole kaum zu finden ist. Allein die Standardzimmer verfügen über 70 Quadratmeter, eine Fläche, auf der in Tokio sonst Großfamilien wohnen. Würde Sofia Coppola ein Lost in Translation 2 drehen, es wäre gewiss hier. Silke Bender hat noch nie eine so schöne Jetlagdurchwachte Nacht erlebt wie auf dem Daybed vorm Fenster ihres Zimmers 65

FAMILIE Die idyllische, bourgeoise Kindheit im südfranzösischen Granville war das Fundament der Dior-Geschwister. Eine Aufnahme von Catherine, bevor sie sich der Résistance anschloss Missy Dior PERSÖNLICH INTERESSIERTE CHRISTIAN DIOR SICH NICHT FÜR FRAUEN, ABER ER SCHÄTZTE UND VEREHRTE SIE. MIT DEM NEW LOOK HATTE ER IHNEN NACH DEM KRIEG AUSDRÜCKLICH DAS RECHT AUF SCHÖNHEIT ZURÜCKGEBEN WOLLEN. UND SEINE ENGSTEN VERTRAUTEN WAREN FRAUEN. ALLEN VORAN CATHERINE, SEINE GANZ UND GAR UNERSCHROCKENE SCHWESTER H ier kann ich Christian sein, hat Dior von seinem Anwesen La Colle Noir geschwärmt. Nicht weit entfernt vom Elternhaus in Granville, wo er die ersten glücklichen Lebensjahre mit Geschwistern und als Sohn eines erfolgreichen Unternehmers und einer zauberhaften Mutter verbrachte, und auch nicht weit von Callien, wo er zu Kriegszeiten vorübergehend mit dem Vater bei der Schwester lebte und Bohnen anbaute, hatte der Designer 1951 seinen Ort des Friedens entdeckt. Er verwandelte das alte Herrenhaus in einen heimeligen Ort mit Blumentapeten und Blumenstoffen, seinem Bett aus Kindertagen, jedes Zimmer anders, für Freundschaften, Poesie, Spieleabende und Dinners. Das 50 Hektar große Areal war zudem ein landwirtschaftlicher Betrieb, wo er Duftrosen, Jasmin und Wein anbaute, die seine Schwester Catherine vertrieb. Catherine, die Starke. Die eigentlich Ginette hieß, aber den Namen änderte, weil Christian ein Faible für die heilige Katharina als Patronin der Philosophen, Näherinnen und aller unverheirateten Frauen über 25 hatte. Eine der schönsten und größten Suiten im Haus hatte er für sie eingerichtet. Viel prächtiger zum Beispiel als das Zimmer für seinen Liebhaber. Ausdruck ihrer Nähe, Verwöhnung und vor allem Respekt. Das Gästebuch beginnt mit einem Eintrag von ihr am 8. August 1956. Möge ein glücklicher Stern weiterhin für Dich und dieses herrliche Haus scheinen. Voller Zärtlichkeit, deine Catherine. Der Stern hielt allerdings nicht mehr lange durch. Im Oktober 1957 starb Dior unerwartet bei einer Kur in Italien. Die Ursache ist unklar, es wird vermutet, dass er eine Tuberkulose nie richtig auskuriert hatte. Das Anwesen ging an Catherine und eine Mitarbeiterin, sie verkauften es 1958, konnten es nicht halten. Dabei war die Jüngste stets der Pfeiler gewesen, für den Bruder, den sie liebevoll Tian nannte, überhaupt für die Familie. Naturverbunden, stark, bescheiden, anpackend, zuversichtlich. Als 1930 im Haus der Eltern in Paris ein Spiegel von der Wand fiel und zerbarst, sah der abergläubische Dior das Unglück herannahen und tatsächlich wurde der Bruder unheilbar krank, starb die Mutter vor Kummer und der Vater ging in der Weltwirtschaftskrise bankrott. Dior reagiert auf seine Weise, kratzte das letzte Geld zusammen und begleitete eine Gruppe Architekten auf Studienreise nach Russland. Er war entsetzt über die Verhältnisse, bewunderte die Menschen für ihre Zuversicht und kehrte gewappneter für alle Nöte zurück. Bei der Ankunft in Marseille erhielt er die Nachricht, dass sein Galerie-Partner bankrott war. 1932 schloss er sie, 1933 erkrankte er an Tuberkolose. Aber nicht klagen, das war auch die Haltung von Catherine. Sie hatte im November 1941 beim Einkaufen in Cannes zufällig Hervé des Charbonneries kennengelernt. Verheiratet, so alt wie Christian, Vater von drei Kindern, Gründungsmitglied der Résistance. Liebe auf den ersten Blick. Sie schloss sich ihm und der Bewegung an, 1944 wurde sie verhaftet, gefoltert, verriet nicht einen Namen, kam ins Konzentrationslager nach Ravensbrück. Ihr Bruder verdiente makabererweise seit 1939 seinen Lebensunterhalt bei Lucien Lelong von Balmain, bei dem auch Nazi-Frauen kauften. Nach ihrer Befreiung und Rückkehr, gezeichnet fürs Leben, wurde sie Blumengroßhändlerin, lebte zwischen Callien und Paris, belieferte Kunden weltweit, kultivierte die berühmte Grasse- Rose. Nie den Hass. Blumen und Natur waren den Diors stets Seelenfriedensstifter. Sie erhielt zahlreiche Auszeichnungen für ihren Mut, darunter die Mitgliedschaft in der Ehrenlegion. Sie blieb zurückhaltend, war der Gegenpol zur Glamourwelt des Bruders, die Beziehung zwischen den Geschwistern war zeitlebens gleichwohl symbiotisch. Die friedvollste Ehre, die ihr wohl am nahesten kommt, ist denn auch gegenwärtig. 1947 kreierte Tian sein erstes Parfüm. Als er mit Muse Mitzah Bricard über einem Namen brütete, kam Catherine wie oft in der Avenue Montaigne vorbei, die anglophile Mitzah rief: Ah, Miss Dior! Und Christian sagte: Das ist der Name! Inga Griese COLLECTION DIOR-DES CHARBONNERIES (3) 66

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