Von der Supervision zum kollegialen Coaching



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9 Von der Supervision zum kollegialen Coaching.1 Begriffsklärung und Entstehungskontexte 10.1.1 Supervision 10.1. Intervision 1. Kennzeichen, Nutzen und sinnvolle Anwendung der Intervision 15..1 Kennzeichen der Intervision 15.. Nutzen der Intervision 18..3 Anwendungssituationen 0.3 Arbeitsfähigkeit von Gruppen 5.3.1 Was versteht man unter Gruppen? 5.3. Gruppenstrukturen 8.3.3 Prozesse in Gruppen 34.3.4 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen 48.4 Hilfsmittel zur Erhöhung der Arbeitsfähigkeit von Intervisionsgruppen 5.4.1 Arbeitsvereinbarungen für Intervisionsgruppen 5.4. Kommunikative Voraussetzungen.4.3 Reflexionshilfen 59 E. D. Lippmann, Intervision, DOI 10.1007/978-3-64-30060-8_, Springer-Verlag Berlin Heidelberg 013

10 Kapitel Von der Supervision zum kollegialen Coaching In diesem Kapitel werden zuerst einige Begriffe erklärt, um den Unterschied zwischen Intervision und anderen Formen der Beratung zu verdeutlichen. Danach folgen Überlegungen zu Nutzen und sinnvoller Anwendung der Intervision sowohl für das Individuum wie auch für die Organisation. Damit Intervisionsgruppen ihre Wirkung optimal entfalten können, ist es wichtig, dass die Mitglieder Kenntnisse über zentrale Faktoren haben, die die Arbeitsfähigkeit von Gruppen beeinflussen. Daraus abgeleitet werden Hinweise gegeben, was Intervisionsgruppen beachten sollen, damit sie den gewünschten Nutzen bringen. Am Schluss werden dazu konkrete Hilfsmittel aufgeführt..1 Begriffsklärung und Entstehungskontexte Begriffsklärungen Sowohl für Beratungen unter professioneller Leitung wie auch für diejenigen ohne Leitung von außen gibt es eine Fülle von Begriffen. Einige im deutschen Sprachraum häufig verwendete Bezeichnungen werden hier kurz erwähnt und bei den Formen der kollegialen Beratung auch in die jeweiligen Entstehungskontexte gebracht..1.1 Supervision Supervision findet unter professioneller Leitung statt Unterstützung in der Professionalisierung des beruflichen Handelns Persönlichkeitsentwicklung Supervision ist ein Instrument zur Unterstützung und Beratung von Berufstätigen. Häufig sind Personen involviert, die Tätigkeiten mit hoher psychischer Belastung ausführen (z. B. Erziehung, Sozialarbeit, Therapie). Supervision richtet sich an Einzelne, Gruppen, Teams oder vielleicht andere Organisationseinheiten. Sie befasst sich mit konkreten Fragestellungen aus dem Berufsalltag der Teilnehmenden sowie mit Fragen der Zusammenarbeit zwischen Personen in verschiedenen Rollen, Funktionen, Aufgabenbereichen und Hierarchiestufen. Ziel ist die Verbesserung der Arbeitssituation, -organisation und -atmosphäre und der aufgabenspezifischen Kompetenzen. Somit geht es um die Professionalisierung des beruflichen Handelns, optimale Rollengestaltung und Bewältigung von Belastungen im Zusammenhang mit dem beruflichen Alltag. Als Erkennens-, Lern- und Verstehensprozess vermittelt Supervision neue Handlungsperspektiven und -möglichkeiten in komplexen Situationen. Der Weg zu einer optimalen Rollengestaltung umfasst immer auch Aspekte der Persönlichkeitsentwicklung: Sich auseinandersetzen mit eigenen Wahrnehmungen, Vorstellungen und Erwartungen sowie mit Stärken und Schwächen ist somit ebenfalls Ziel von Supervision. Supervision hilft Distanz zu schaffen und soll dazu verhelfen,»blinde Flecken«in anspruchsvollen Situationen (z. B. bei Konflikten, Überforderung usw.) abzubauen. Niemals darf es um reine»system-

11.1 Begriffsklärung und Entstehungskontexte. Abb..1 Beratungssettings (Lippmann 008 in Anlehnung an Rappe-Giesecke 1994). Mit freundlicher Genehmigung anpassung«gehen, hingegen ist Supervision ein sinnvolles Instrument bei der Gestaltung von Veränderungsprozessen. Supervision kann in verschiedenen Settings indiziert sein: Einzelsupervision, Gruppensupervision, Teamsupervision, Supervision von größeren Organisationseinheiten. Einzelsupervision Sie bietet die Möglichkeit, das berufliche Handeln in einem geschützten Rahmen unter vier Augen zu reflektieren und zu bearbeiten. Das Ziel ist, die persönliche, soziale und fachliche Qualifikation von Einzelpersonen zu erweitern. Während in der Einzelsupervision die Professionsrolle im Zentrum steht (. Abb..1), fokussiert das Einzelcoaching in der Regel auf die Organisationsrolle (z. B. Führung, Management; vgl. ausführlicher zu Coaching in Lippmann 006). Gruppensupervision Für Personen mit einem ähnlichen beruflichen Hintergrund kann die Gruppensupervision eine sinnvolle und ökonomische Alternative (zur Einzelberatung) sein. Notwendig sind ähnliche berufliche Problem- und Fragestellungen innerhalb der Gruppe. So können z. B. Führungskräfte in Gruppensupervision unterschiedliche Fragen im Zusammenhang mit ihrer Führungsrolle bearbeiten; dies unabhängig davon, ob sie in gleichen oder unterschiedlichen Fachgebieten, Branchen oder Betrieben tätig sind. Im Bereich Wirtschaft ist dann gerne von Coaching-Teams die Rede (vgl. dazu Doppler u. Lauterburg 1994; Lauterburg 001). Häufig wird der Begriff der Fallsupervision in Gruppen dann verwendet, wenn sich Mitglieder gleicher Berufsgruppen (z. B. aus Verschiedene Supervisionssettings: Einzelsupervision Einzelcoaching Gruppensupervision

1 Kapitel Von der Supervision zum kollegialen Coaching Erwachsenenbildung, Sozialpädagogik, Medizin) treffen, um»fälle«aus der aktuellen Arbeit zu besprechen. Dies kann durchaus auch innerhalb eines Teams (z. B. Lehrer/-innen eines Kollegiums) geschehen und hat dann den Vorteil, dass alle potenziell Angesprochenen anwesend sind und unmittelbar Stellung nehmen können. Der Begriff der Lehrsupervision wird dann verwendet, wenn Teilnehmende im Rahmen einer Beratungsausbildung»Fälle«einbringen (im Einzel- oder Gruppensetting) mit dem Ziel, die Beratungsarbeit zu reflektieren und damit zu professionalisieren. Teamsupervision Supervision von größeren Einheiten Teamsupervision Sie ist dann angezeigt, wenn es darum geht, die Zusammenarbeit in einem Team, einer Abteilung zu unterstützen und verbessern. Dazu können Fragestellungen bearbeitet werden wie Arbeit an gemeinsamem Aufgabenverständnis, Überwindung von Spannungen, Fördern der Kommunikation, Klären der verschiedenen Aufgaben, Rollen und Funktionen oder die Festlegung/Verbesserung von Aufbau- und Ablaufstrukturen. Teamsupervision findet häufig über einen bestimmten Zeitraum in definierten Abständen statt; von Teamentwicklung wird häufig dann gesprochen, wenn es sich eher um kurzfristige, oft einmalige Veranstaltungen handelt. Bei beiden Formen ist das Beachten des gesamtorganisationalen Kontextes von größter Bedeutung. Supervision von größeren Organisationseinheiten Die Beratung von größeren Einheiten (Abteilungen, Institutionen usw.) läuft meist unter den Bezeichnungen Unternehmens- oder Organisationsberatung bzw. -entwicklung und soll hier nicht näher ausgeführt werden. Als eine Orientierungsmöglichkeit im Begriffsdschungel soll hier. Abb..1 angeführt werden. Dabei werden mögliche Beratungssettings danach unterschieden, ob schwerpunktmäßig an der Organisationsrolle, der Organisation oder der Professionsrolle gearbeitet werden soll..1. Intervision Intervisionsgruppen haben keine externe Fachperson als Leitung Wenn sich Gruppen ohne externe Fachperson treffen, um ihre berufliche Arbeit zu reflektieren, dann sprechen wir im Gegensatz zur Supervision von Intervision. Einige Begriffe zur kollegialen Beratung sollen hier erläutert und in ihren Entstehungskontext gebracht werden: Intervision wird als Begriff ursprünglich v. a. für Gruppen von ausgebildeten Supervisions- oder Beratungsfachleuten verwendet, die sich zum Zweck der eigenen beruflichen Reflexion und damit auch zur Qualitätssicherung treffen. Solche Gruppen übernehmen häufig eine ähnliche Funktion, wie sie einer Lehrsupervision während der Ausbildung zukommt. Unter dem nicht ganz kohärenten

.1 Begriffsklärung und Entstehungskontexte 13. Abb.. Burkhard Fritsche, Köln. Mit freundlicher Genehmigung Begriff der Peergroup-Supervision finden sich in der amerikanischen Literatur Modelle kollegialer Beratung unter Fachleuten in der Sozialarbeit (vgl. Belardi 199, S. 111). Auch im deutschen Sprachraum wird teilweise unter»kollegialer Supervision«die gegenseitige Fallbesprechung unter Personen v. a. aus helfenden und pädagogischen Berufen verstanden (vgl. dazu Thiel 1994, S. 01). Historische Vorläufer sind nach Fengler et al. (1994, S. 188) studentische Arbeitsgruppen, Selbsterfahrungsgruppen ohne Leitung, Selbsthilfegruppen (z. B. die Anonymen Alkoholiker), Freuds Mittwochsgesellschaft oder Peer-Supervisionsgruppen in der Therapieausbildung (jenseits einer Lehr- und Kontrollanalyse). Aus dem Wirtschaftsumfeld könnte man die Qualitätszirkel als»ursprung«bezeichnen (vgl. Hendriksen 000, S. 3).. Abb.. Kollegiale Praxisberatung oder kollegiale Fallbesprechung sind Bezeichnungen, die v. a. im pädagogischen Feld verwendet werden. Bei (in)formellen Lehrergruppen lokalisiert Thiel (1994, S. 0) einen anderen Ursprung der Intervision. Ein weiteres Anwendungsfeld schreibt Thiel der (kirchlichen) gemeinwesensorientierten Sozialarbeit zu, wobei es da nicht in erster Linie um Fallbesprechungen geht, Historische Vorläufer Andere Begriffe: Kollegiale Praxisberatung oder Fallbesprechung

14 Kapitel Von der Supervision zum kollegialen Coaching Koping-Gruppen Kollegiales Team Coaching Kollegiale Coaching Konferenz Begleitete Intervision Erfa-Gruppen Ähnlichkeit mit Supervision:»sondern eher um die projektartige Beratung von Arbeitsgruppen mit unterschiedlichen Professionen in einer bestimmten Region bzw. in einem Stadtteil«(ebd.). Koping-Gruppen und Praxistandems sind ebenfalls Formen kollegialer Supervision, die v. a. im Ausbildungsfeld für Lehrer/-innen und Erwachsenenbildner/-innen entwickelt wurden (vgl. Wahl 1991; Huber 001; Rüegg 001). Der Begriff Koping steht für»kommunikative Praxisbewältigung in Gruppen«und lehnt sich an den englischen Begriff»coping«an. Neben dem Anwendungsfeld für pädagogische Experten werden diese Gruppen auch innerhalb von beruflichen Fortbildungsmaßnahmen eingesetzt, um den Transfer in die berufliche Praxis zu unterstützen. Huber (001) beschreibt, wie in abgewandelter Form Koping-Gruppen in Kombination mit Praxistandems auch eine wichtige Rolle bei der Ausbildung von Novizen spielen. Für eine standardisierte, hoch strukturierte Form der Beratung stehen das Kollegiale Team Coaching (KTC) (Rowold u. Rowold 008) und die Kollegiale Coaching Konferenz (Berg u. Berninger- Schäfer 010). Wie fließend die Abgrenzung zwischen Intervision und Supervision bis heute geblieben ist, zeigt die aus dem Niederländischen übersetzte Arbeit von Hendriksen (000); er beschreibt unter dem Terminus»begleitete Intervision«eine Form kollegialer Beratung unter der Leitung einer geübten Person. Mit dem weniger verfänglichen Begriff der Erfa-Gruppen werden seit vielen Jahren Personenkreise bezeichnet, in denen sich»praktiker und Spezialisten«treffen, um»konkrete Probleme, tatsächliche Vorkommnisse und reale Situationen aus der eigenen beruflichen und betrieblichen Praxis ( ) zu analysieren, zu lösen oder eine bestimmte Fähigkeit zu üben«(eck 1981, S. 88). Auf einige Überlegungen aus diesem Umfeld soll in dieser Arbeit nicht zuletzt deshalb auch zurückgegriffen werden, weil dazu Erfahrungen aus den verschiedensten Anwendungsfeldern vorliegen. Die unscharfe begriffliche Trennung, die wir bezüglich Intervision vorfinden, hat zum einen etwas mit den unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten zu tun; zum anderen trägt ihre Ähnlichkeit mit der Supervision auch etwas zur sprachlichen Ungenauigkeit bei. Am deutlichsten wird dies bei Thiel (1994), der in seinen Ausführungen für eine Kombination beider Formen plädiert. Schon sein Titel»Professionelle und kollegiale Supervision«deutet an, dass er einen graduellen, aber nicht prinzipiellen Unterschied zwischen beiden Lern- bzw. Interventionsformen macht. Ich sehe zwar analog zu Fengler et al. (1994, S. 188) die Intervision als etwas Eigenständiges an, bevorzuge aber im Gegensatz zu ihm und zu vielen anderen eine entsprechende begriffliche Klarheit, indem ich den Begriff der Supervision für die kollegiale Beratung vermeide. Dennoch seien hier einige Überlegungen zusammengefasst, die Thiel bezüglich Ähnlichkeiten anstellt (Thiel 1994, S. 03ff.):

. Kennzeichen, Nutzen und sinnvolle Anwendung der Intervision 15 Das Menschenbild der humanistischen Psychologie, die Psychologie des reflexiven Subjekts wie auch die Erkenntnistheorie des radikalen Konstruktivismus geben Formen gegenseitiger Beratung eine»indirekte Aufwertung und theoretische Unterfütterung«. Supervision wie Intervision unterstützen den Einzelnen, neue Sicht- und Verhaltensweisen auszuprobieren und in den Berufsalltag zu integrieren. Der Austausch von Kompetenzen findet selbst in der Supervision zu einem starken Anteil zwischen den Mitsupervisanden statt, sodass Thiel»angesichts vieler fortbildungsgewohnter und hochschulsozialisierter Teilnehmenden mit Zusatzqualifikationen«vor einem»überheblichen Gestus professioneller SupervisorInnen«warnt. Die Phasenmodelle zur Strukturierung des problemlösenden Beratungsprozesses sind sich strukturell ähnlich und mit denen der professionellen Supervision kompatibel. Solche Modelle werden in Kapitel 3 näher ausgeführt. Thiel gibt sich überzeugt, dass es selbst in der professionellen Supervision mehr standardisierte Phasen gibt, als öffentlich zugegeben wird. Neben den gemeinsamen Menschenbildern sieht Thiel auch identische Theoriebezüge beider Beratungsformen. Als hauptsächliche basale Konzepte nennt er die psychoanalytischen, transaktionsanalytischen, kommunikations- und systemtheoretischen, lern- und kognitionstheoretischen, gestaltpädagogischen sowie psychodramatischen. Dabei scheint in der kollegialen Beratung die Tendenz höher zu sein, verschiedene Modelle miteinander zu kombinieren; gleichzeitig fehlt es häufig an profunden Begründungen für die jeweils getroffene Theorieauswahl. Dies mag wohl damit zusammenhängen, dass Anleitungen zur Intervision eher ein pragmatisches Ziel verfolgen (mit entsprechend hilfreichen Anleitungen) und weniger den Anspruch haben, vertiefte Theoriebezüge herzustellen. Dass damit die kollegiale Beratung auch an Grenzen stößt, soll später noch Thema sein (vgl. Ende von 7 Abschn..3). Angesichts dieser Ähnlichkeiten ist es nicht erstaunlich, dass Thiel für eine Kombination beider Beratungsformen plädiert (S. 07ff.). Einige Aspekte sollen im folgenden Abschnitt näher beleuchtet werden, wenn es um die Kennzeichen kollegialer Beratung und um sinnvolle Anwendungsfelder geht. Menschenbild Austausch von Kompetenzen in der Gruppe Phasenmodell des Beratungsprozesses Theoriebezüge Kombination von Supervision und Intervision sinnvoll. Kennzeichen, Nutzen und sinnvolle Anwendung der Intervision..1 Kennzeichen der Intervision Die wichtigsten Kennzeichen der Intervision lassen sich wie folgt umschreiben (vgl. Fengler et al. 1994, S. 188ff.; Hendriksen 000, S. 4; Tietze 003, S. 11ff.): Kennzeichen von Intervision

16 Kapitel Von der Supervision zum kollegialen Coaching. Abb..3 Peter Gaymann. Cartoon CONCEPT/www.cartoon-concept.de. Mit freundlicher Genehmigung Gruppe von Gleichrangingen Gemeinsamer beruflicher Fokus Gruppe von Gleichrangigen Dies ist mit dem Begriff der Intervision angedeutet: Jede Person hat die Möglichkeit, eine Frage-/Problemstellung einzubringen (während im Gegensatz dazu ein/-e Supervisor/-in selber nie einen eigenen»fall«einbringt). Das heißt nicht, dass unter den Gruppenmitgliedern keine Unterschiede bestehen können (z. B. bezüglich Ausbildung, Qualifikation, beruflichen Hintergründen, Tätigkeitsfeldern oder bei Personen aus der gleichen Organisation sogar bezüglich hierarchischer Stellung).. Abb..3 Gemeinsamer beruflicher Fokus Normalerweise fokussiert sich eine Intervisionsgruppe um gemeinsame berufliche Interessen ihrer Mitglieder. Dies können ähnliche Tätigkeits- und Erfahrungshintergründe sein und sich mehr um fachliche Fragen (z. B. aus dem Human- Resources-Management oder Ausbildungsbereich, Finanzwesen usw.) oder um Belange rund um Management- bzw. Führungstätigkeiten drehen. Ein weiterer Hauptunterschied kann sich aus der Frage

. Kennzeichen, Nutzen und sinnvolle Anwendung der Intervision 17 ergeben, ob eine Intervision innerhalb derselben Organisation stattfindet (und da z. B. in einem Team, entlang einer Prozesskette, unter Führungskräften gleicher Stufe usw.) oder zwischen Mitgliedern aus unterschiedlichen Systemen. Zielgerichteter Prozess zur Lösungsfindung bzw. für den Informationsaustausch Neben dem gemeinsamen Interessenshintergrund ist die Erwartung und Bereitschaft jeder Person, auf konkrete Frage- und Problemstellungen gezielte Lösungen zu erarbeiten (die auch Chancen einer Transferumsetzung haben) ein wesentliches Kennzeichen für eine erfolgreiche Intervisionsgruppe. Dies schließt durchaus auch die Möglichkeit mit ein, dass punktuell»nur«informationen ausgetauscht werden, die für den beruflichen Erfolg der Teilnehmer von Bedeutung sind. Gemeinsam festgelegte Struktur Die Gruppe einigt sich auf eine optimale Struktur, die sie für ihre Zielerreichung als geeignet erachtet. Auf einige Strukturmerkmale (insbesondere Größe, Regeln mit entsprechenden Hilfsmitteln) wird in 7 Abschn..4 näher eingegangen. An dieser Stelle sei zumindest ein fundamentales Strukturelement hervorgehoben: Freiwilligkeit, Verbindlichkeit Für die Supervision empfohlen, aber nicht immer einlösbar, für die Intervision ein unabdingbarer Grundsatz: Die Teilnahme ist zwar freiwillig, aber mindestens für einen abgemachten Zeitraum verbindlich. Wenn eine»peergroup-intervision«bestandteil einer Ausbildung ist, so gilt dieser Grundsatz insofern nur bedingt, als eine aktive Teilnahme oft eine Zulassungsbedingung für die Diplomierung sein kann. Auf jeden Fall ist die Frage, wie regelmäßig jemand teilnimmt, ein kritischer Faktor in jeder Art von Gruppe (vgl. 7 Abschn..3) und sollte entsprechend beachtet und thematisiert werden. Nicht teilnehmen heißt nicht zuletzt Verzicht auf ein weiteres wichtiges Kennzeichen: Lernen im Lehren, lehren im Lernen Dieser Aspekt der Gegenseitigkeit und Gleichrangigkeit bedeutet unter anderem, die Idee des Gebens und Nehmens zu verwirklichen: Nicht nur die fallpräsentierende Person erfährt neue Einsichten, Verhaltensmöglichkeiten usw., sondern auch die Kolleg(inn)en lernen dabei»arbeitsfelder, Konfliktkonstellationen, Sackgassen und Interventionen kennen«, die auch für die eigene Arbeit eine Hilfe sein können (Fengler et al. 1994, S. 190). Dies führt uns zum letzten Merkmal, das hier erwähnt sein soll: Beratung ohne Honorar Da alle Gruppenmitglieder gleichrangig in beiden Rollen sein können, gibt es keinen Anlass für eine Honorarzahlung. Jede Person ist mitverantwortlich dafür, dass das Verhältnis zwischen Geben und Empfangen unter den Mitgliedern stimmt und dass die Gruppe die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt. Und wenn Zielgerichteter Prozess zur Lösungsfindung Gemeinsam festgelegte Struktur Freiwilligkeit, Verbindlichkeit Lernen im Lehren, lehren im Lernen Beratung ohne Honorar

18 Kapitel Von der Supervision zum kollegialen Coaching. Abb..4 Stefan Schüch, Arnsgrün. Mit freundlicher Genehmigung jemand mit der Leistung der Gruppe nicht zufrieden ist, liegt es an ihr oder ihm, dies zu thematisieren und Veränderungen anzuregen.. Abb..4.. Nutzen der Intervision Sinn und Nutzen von Intervision Für das Individuum: Erhöhung der Professionalität Die Frage nach der Leistung der Intervisionsgruppe soll zu einigen Überlegungen darüber anregen, was denn der mögliche Sinn und Nutzen von kollegialer Beratung sein kann. Möglicher Nutzen für das Individuum zz Erhöhung der Professionalität Reflexions- und Wahrnehmungserweiterungsprozess, v. a. bezüglich eigener Denkmuster, emotionaler Betroffenheit, persönlichen Handelns (Aktionen, Reaktionen, Rückwirkungen),

http://www.springer.com/978-3-64-30059-