Das neue Mutterschutzgesetz - medizinische Aspekte Dr. med. Stefan Baars 1
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1 Das neue Mutterschutzgesetz - medizinische Aspekte - 1
2 Das neue Mutterschutzgesetz - medizinische Aspekte - 1. Gefährdungsbeurteilung 2. Arbeitszeitlicher Gesundheitsschutz 3. Betrieblicher Gesundheitsschutz 4. Ärztlicher Gesundheitsschutz 5. Fazit 2
3 2-stufige Beurteilung der Arbeitsbedingungen und Mitwirkung des Betriebsarztes Stufe 1 vor Meldung einer Schwangerschaft im Rahmen der Beurteilung der Arbeitsbedingungen nach 5 ArbSchG (auch in reinen Männerbetrieben ) Stufe 2 nach Meldung der Schwangerschaft bei Konkretisierung und Gestaltung der Arbeitsbedingungen unter Beachtung der Rangfolge der Schutzmaßnahmen 3
4 unverantwortbare Gefährdung Gefährdung Allg. Lebensrisiko Tätigkeitbedingtes Risiko Unverantwortbare Gefährdung Einzelfallprüfung rechtlich festgelegte unverantwortbare Gefährdung Unzulässige Tätigkeiten Unzulässige Arbeitsbedingungen hinnehmbar: geringe Wahrscheinlichkeit - kleiner Schaden ggf. hinnehmbar: hohe Wahrscheinlichkeit kleiner Schaden ggf. hinnehmbar: geringe Wahrscheinlichkeit großer Schaden nicht hinnehmbar: hohe Wahrscheinlichkeit großer Schaden Dr. med. Stefan Baars 4
5 unverantwortbare Gefährdung Ist das für die Praxis wirklich neu? bisher schädliche Einwirkungen (MuSchG), Beurteilung von Art, Ausmaß und Dauer der Gefährdung (MuSchArbV) jetzt Toleranzschwelle, bis zu der der Arbeitgeber Gefährdungen für schwangere oder stillende Frauen oder ihres (ungeborenen) Kindes tolerieren kann MuSchG enthält rechtlich verbindliche Beispiele zur Orientierung (wie bisher) Aufsichtsbehörden legten ansonsten bisher Spielraum fest (LASI) Zukünftig Regeln durch Ausschuss für Mutterschutz Dr. med. Stefan Baars 5
6 Ausschuss für Mutterschutz Empfehlungen zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben Mitgliederzahl 15 Personen Mitglieder Private und öffentliche Arbeitgeber Gewerkschaften Landesbehörden Geeignete Personen insbesondere aus der Wissenschaft Ausbildungsstellen Studierendenvertretungen 6
7 Arbeitszeitlicher Gesundheitsschutz und Betriebsarzt Sonn- und Feiertags: Benachrichtigungsverfahren Unverantwortbare Gefährdung durch Alleinarbeit ausgeschlossen Zustimmung der Schwangeren Ausnahme vom allgemeinen Verbot (ArbZG) zugelassen jede Woche Ersatzruhetag zwischen 20 und 22 Uhr: Genehmigungsverfahren Unverantwortbare Gefährdung durch Alleinarbeit ausgeschlossen Zustimmung der Schwangeren Ärztliches Zeugnis (Betriebsarzt?) Nachtarbeit: Genehmigungsverfahren (Einzelfallentscheidung) e Dr. med. Stefan Baars 7
8 Bedeutung der Alleinarbeit Definition: Nicht gewährleistet, dass die schwangere Frau jederzeit den Arbeitsplatz verlassen oder Hilfe erreichen kann. Forderung: unverantwortbare Gefährdung für die schwangere Frau oder ihr Kind durch Alleinarbeit ausgeschlossen Ist Alleinarbeit per se eine unverantwortbare Gefährdung oder nur (ggf.) im Zusammenhang mit Erweiterung der Arbeitszeit? 8
9 Betrieblicher Gesundheitsschutz Systematik der Gefährdungen Systematik des Beispielkatalogs nach 11 für Einflussfaktoren, die für schwangere Frauen eine unverantwortbare Gefährdung darstellen (können): Absatz 1: Gefahrstoffe Absatz 2: Biostoffe Absatz 3: physikalische Einwirkungen Absatz 4: belastende Arbeitsumgebung Absatz 5: körperliche Belastung und mechanische Einwirkung Absatz 6: Tätigkeiten mit vorgeschriebenem Arbeitstempo Für stillende Frauen enthält 12 einen entsprechenden Katalog 9
10 MuSchG Schädliche Einwirkungen von gesundheitsgefährdenden Stoffen, Gasen oder Dämpfen MuSchArbV 1. Gefahrstoffe, bisher wenn der Grenzwert überschritten krebserzeugende (1A, 1B, 2), fruchtschädigende (1A, 1B, 2), erbgutverändernde (1A, 1B, 2) Stoffe Spezifische Zielorgan-Toxizität (Kat. 1 oder 2) Blei, Quecksilber und derivate, Mitosehemmstoffe, Kohlenmonoxid, gefährliche chem. Gefahrstoffe, die nachweislich in die Haut eindringen 10
11 1. Gefahrstoffe neu Ausgesetztsein + unverantwortbare Gefährdung Ausgesetztsein (LASI): Wenn eine über die Luftverunreinigung der Umgebungsluft ("Hintergrundbelastung") hinausgehende inhalative Belastung (ggf. Biomonitoring) oder wenn ein Hautkontakt gegenüber hautgefährdenden, hautresorptiven oder hautsensibilisierenden Gefahrstoffen besteht. 11
12 1. Gefahrstoffe neu Unverantwortbare Gefährdung (Möglichkeit des Ausgesetztseins genügt) Kennzeichnung nach CLP-Verordnung Reproduktionstoxisch 1A, 1B, 2 (H360, H361, H362) Keimzellmutagen 1A, 1B (H340) (weggefallen: 2) Karzinogen 1 A, 1B (H350) (weggefallen: 2) Spezifisch zielorgantoxisch nach einmaliger Exposition Kat. 1 (weggefallen: 2) (H370) Akut toxisch 1, 2, 3 (H300, H301, H310, H311, H330, H331) (weggefallen: Kopplung an GW-Überschreitung, gesundheitsschädliche Stoffe) Auch bei Einhaltung von arbeitsplatzbezogenen Vorgaben Fruchtschädigung möglich ( Z in TRGS 900) Blei und Bleiderivate, wenn sie aufgenommen werden können 12
13 1. Gefahrstoffe neu Weggefallen: weitere Einzelstoffe wie Quecksilber (H360 + H330), Mitosehemmstoffe, Kohlenmonoxid) Unverantwortbare Gefährdung ausgeschlossen bei: Einhaltung der arbeitsplatzbezogenen Vorgaben (was ist das? Einhaltung des Grenzwertes? kein Hautkontakt?) und Stoff entsprechend eingestuft ( Y in der TRGS 900) oder Plazentaschranke nicht überwinden kann oder aus anderen Gründen Fruchtschädigung ausgeschlossen weg von Grenzwerteinhaltung, hin zur Einstufung / Kennzeichnung keine Gefährdungsbeurteilung ohne Sicherheitsdatenblatt Bewertung von Stoffen ohne Z und Y? 13
14 2. Biostoffe alt Stoffe, Zubereitungen, Erzeugnisse, die Krankheitserreger übertragen können + Ausgesetztsein 1. Risikogruppe 2-4 soweit Gefährdung (auch durch Therapie) bekannt, relevante Biostoffe sind z. B. Rötelnvirus Toxoplasma 14
15 2. Biostoffe neu 1. Risikogruppe 2-4 soweit (möglicher) Kontakt unverantwortbare Gefährdung darstellt (einschließlich Therapiemaßnahmen) 2. Unverantwortbare Gefährdung stellt insbesondere dar: Risikogruppe 4 Rötelnvirus (ohne Einschränkung!) Toxoplasma 3. unverantwortbare Gefährdung ausgeschlossen: Risikogruppe 1 bestehende Immunität Neu: Kontakt statt Ausgesetztsein Neu: keine Differenzierung nach Schwangerschaftsstadium (Gefährdung) 15
16 3. Physikalische Einwirkungen und unverantwortbare Gefährdung (früher schädliche Einwirkung ). Beispiele für physikalische Einwirkungen: 1. Ionisierende (1 msv) und nichtionisierende Strahlung (keine spez. Grenzwerte) (weitere Details: StrlSchV, RöV) 2. Erschütterungen, Vibrationen (früher: Stöße ) (< 0,25-0,5 m/s 2 ), 3. Lärm (80 db(a)) 4. Hitze (AMR 13.1), Kälte (< -5 C, früher: extreme in MuSchArbV), Nässe Ohne relevante inhaltliche Änderungen 16
17 insbesondere 1. Überdruck (>0,1 bar) 4. Belastende Arbeitsumgebung 2. Sauerstoffreduzierte Atmosphäre* (z. B. Informationstechnik und Lagerwirtschaft) 3. Bergbau *neu, sonst unverändert 17
18 5. körperliche Belastungen und mechanische Einwirkungen insbesondere: 1. Heben/Tragen (regelmäßig = 2-3x/Stunde > 5 kg, gelegentlich > 10 kg), vergleichbare Belastung auch mit Hilfsmitteln 2. Ab 6. Monat überwiegend bewegungsarmes Stehen > 4 Stunden pro Tag 3. Zwangshaltungen (häufig strecken, beugen, hocken, gebückt, ) 4. auf Beförderungsmitteln (unabhängig vom Zeitpunkt) + unverantwortbare Gefährdung 5. Unfallgefahr oder Tätlichkeiten zu befürchten + unverantwortbare Gefährdung 6. Belastung durch Tragen von Schutzausrüstung (neu) 7. Erhöhung des Druck im Bauchraum insbesondere durch Tätigkeit mit besonderer Fußbeanspruchung 18
19 6. Tätigkeiten mit vorgeschriebenem Arbeitstempo 1. Akkordarbeit u. ä. 2. Fließarbeit 3. Getaktete Arbeit mit vorgeschriebenem Tempo + unverantwortbare Gefährdung durch Art der Arbeit oder Arbeitstempo (ohne unverantwortbare Gefährdung möglich, aber Meldung an Gewerbeaufsicht erforderlich) 19
20 Als Grund für Beschäftigungsverbot entfallen: geistige Ermüdung als physikalischer Belastungsfaktor Schälen von Holz Gefahr einer Berufskrankheit 20
21 Ärztlicher Gesundheitsschutz ( 16) Keine Änderung im Hinblick auf den bisherigen ärztlichen Gesundheitsschutz Die Ärztin oder der Arzt attestiert gegenüber der schwangeren Frau ein ärztliches Beschäftigungsverbot, wenn Gefährdungen für die Gesundheit der Frau oder ihres Kindes bei einer Fortdauer der Beschäftigung gegeben sind. weiterhin möglich: vorläufiges Beschäftigungsverbot durch Ärztin oder Arzt bis zur Klärung durch Gefährdungsbeurteilung (ggf. unter Einschalten der Aufsichtsbehörde) 21
22 Fazit Insgesamt eher wenige inhaltliche Änderungen, übersichtlicher, aber noch offene Fragen flexibler (Konzept der unverantwortbaren Gefährdung ) aber auch zukünftig verbindlicher und einheitlicher ( technische Regeln durch Ausschuss für Mutterschutz) erhöhter fachlicher Anspruch an die betriebsärztliche Unterstützung bei der Gefährdungsbeurteilung durch individualisierte Bewertung (z. B. auch bei Arbeitszeit) mindestens für die Übergangszeit neues Gefahrstoffkonzept (Bedeutung der Einstufung) Regelungen bei Biostoffen gröber Neu: 0 2 -reduzierte Atmosphäre, Tragen belastender PSA 22
23 Vielen Dank! Ihre Fragen? Dr. med. Stefan Baars Gewerbeärztlicher Dienst Gewerbeaufsichtsamt Hannover Tel / stefan.baars@gaa-h.niedersachsen.de Dr. med. Stefan Baars 23
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