Handgefertigte Schuhe

Transkript

1 Handgefertigte Schuhe Gute Schuhe wurden bis zur Industrialisierung im 19. Jahrhundert handgefertigt Ich hatte das seltene Glück, dem Ballett-Tänzer und Schuhmacher Alexander Popov, aus St. Petersburg, dabei zuzusehen. Für jeden Kunden musste natürlich zuerst ein passender Leisten hergestellt werden. Heutzutage arbeitet man mit einem rechten und einem linken Leisten. Im 18. Jahrhundert wurde oft nur ein gleichmäßiger Leisten für beide Füße verwendet. Man musste die Schuhe dann entsprechend eintragen. Den fertigen Leisten haben wir vorliegen. Beginnen wir nun mit dem Schuh. Das Schnittmuster für den Schuh, fertigen wir durch ankleben von Papier an den Leisten. Alexander verwendet heutzutage Malertape. Das ist einfacher in der Verwendung und schmiegt sich besser an die Form an. Auf das Papier, bzw. das Malertape malen wir unseren Schnitt. Besonders für Verzierungen ist dieses auch ein gutes Vorgehen. Das Malertape wird vorsichtig mit einem Messer abgetrennt und der Schnitt auf ein Papier übertragen. Jedes kleine Dekor-Detail kann so ausgeschnitten und übertragen werden. Das Schnittmuster wird nun auf das Leder übertragen und sorgfältig ausgeschnitten. Bewahrt bitte immer Euer Originalschnittmuster auf! Es ist gut möglich, dass Ihr es noch einmal brauchen werdet. Ihr setzt nun die Schnitt-Teile zusammen. Immer von oben beginnen, also bei der Zunge. Das Oberleder wird mit einem anderen Leder gefüttert. Wenn alles zusammengenäht ist, legt ihr das Lederstück in warmes Wasser. Für 15 bis 20 Minuten. In der Zwischenzeit, während das Leder einweicht, könnt ihr Euch in Ruhe Euer Schumacherwerkzeug auf dem Arbeitstisch betrachten.

2 Nein, natürlich solltet Ihr die Zeit produktiv nutzen und die Innensole für Euren Schuh vorbereiten. Ihr stellt den Leisten auf das Leder und zeichnet die Form für die Sole auf. Dann schneidet Ihr sie zu und nagelt sie von unten auf den Leisten. Ein guter Leisten ist unten mit Metall versehen, das Öffnungen hat, durch die sich etwas am Holz festnageln lässt. Bitte zählt Eure Nägel und notiert Euch die Zahl! Schneidet mit einem scharfen Messer das Leder an der Außenkante des Leistens entlang noch einmal schön gleichmäßig ab. Diese Sole, die Ihr jetzt macht, ist die innere Sole des Schuhs. Darauf steht später Euer Fuß. Nun sind die 20 Minuten Einweichzeit auch um und wir können unser nasses Leder weiter verarbeiten. Wir ziehen es über den Leisten und fixieren es an der hinteren Fersennaht mit einem Nagel. Der Nagel sitzt oben, beim Sprunggelenk und nicht unten, bei der Hacke bzw. Sole! Nun wird das Leder mit Leinengarn unter dem Leisten schön festgezogen und somit gespannt. Falten können jetzt vorsichtig herausgeschnitten werden, damit das Leder nachher gleichmäßig und glatt anliegt. Nun muss alles zusammen einen Tag lang trocknen.

3 Am nächsten Tag schneiden wir den Leinenfaden wieder ab. Mit der gebogenen Ahle machen wir Löcher in die Solenkante. Wir müssen dazu schräg stechen. Schaut Euch das bitte auf den Fotos genau an. Aus dem schönen Oberleder schneiden wir einen ca 2 cm breiten Streifen, der so lang ist, dass wir ihn einmal um den Schuh legen können. Wir legen ihn mit der rauen Seite nach außen, also glatt gegen glatt und zwar so, dass wir beim herunterklappen des Steifens, innen ca. 0,5 cm Falz hätten. Das ist schwer zu erklären. Aber die Fotos verdeutlichen, was ich meine.

4 Wir nähen nun diesen Streifen zusammen mit der Kante des Oberleders an der Sole fest. Den Faden führen wir durch die vorgestochenen Löcher der Sole. Wenn das fertig ist, klappen wir unsere Zierkante herunter und vernähen sie wieder kreuzweise mit Leinengarn, so wie wir es gemacht hatten, um das nasse Oberleder zu spannen. Auch hier solltet Ihr die Falten, die sich unter der Fußspitze gebildet haben, glatt schneiden. Aber nur ein wenig und ganz vorsichtig. Schneidet nicht zu weit nach außen! Dann klopfen wir diese Kante unter dem Fuß noch mit einem Hammer platt, damit sie gut anliegt. Jetzt müsst ihr die Nägel wieder entfernen, die die Innensole am Leisten hält! Sind wirklich ALLE Nägel wieder draußen??? Jetzt nehmen wir ein schön dickes Leder und fertigen daraus die Zwischensole. Diese Zwischensole soll den Innenraum unter dem Schuh ausfüllen, damit wir eine gleichmäßige, eben Fläche erhalten. Um das Schnittmuster dafür zu bekommen, können wir wieder mit Malertape oder mit

5 Es ist gut, den Kleber ein paar Minuten etwas ablüften zu lassen, bevor Ihr die Sole aufklebt. Es werden immer beide Teile mit Kleber bestrichen. Papier arbeiten. Schaut Euch das auf den Bildern an. Die Zwischensole wird dann eingeklebt. Heutzutage verwenden wir Pattex. Es gab aber auch im 18. Jahrhundert schon gute Klebe-Mischungen zum selber mixen. Bitte macht auch Kleber unter die Kanten des Oberleders, wie hier im Bild zu sehen. Mit einem Hammer wird nun alles unter dem Schuh fest zusammen geklopft. Durch das Hämmern entweicht Luft und der Kleber hält besser. Alles überstehende Leder wird nun mit einem Schuhmachermesser glatt weggeschnitten. Die ganze Fläche unter dem Schuh sollte eine gleichmäßige Ebene bilden.

6 Jetzt können wir uns mit der Außensole beschäftigen. Wir nehmen hierfür wieder unser dickes Leder von eben. Wir machen uns ein Papierschnittmuster, in dem wir unseren Schuh auf das Papier stellen und außen herum zeichnen. Das Schnittmuster übertragen wir auf das Solenleder. Wir zeichnen hier aber nicht mit dem Bleistift auf dem Leder, sondern mit der Ahle. Diese Linien lassen sich im Falle eines Fehlers, aus dem Leder wieder heraus reiben. Bei Tanzschuhen liegt die raue Seite des Leders außen, bei anderen Schuhen nimmt man gewöhnlich die glatte Seite nach außen. Die Seite der Sole, die gegen den Schuh geklebt werden soll, raut Ihr nun etwas an. Dann streicht Ihr Euren Kleber unter den Schuh und auf die Sole und lasst beides wieder einige Minuten ablüften. Es sollte nicht zu viel Kleber zu den Außenkanten gelangen. Er könnte sonst herausquellen. Dann beide Teile zusammenfügen und wieder mit einem Hammer gut festklopfen. Wenn doch etwas Kleber hinausgequollen ist, dann hebt ihn vorsichtig mit der Ahle an und zieht ihn ab. So sieht die untergeklebte Sole aus. Fertig ist sie aber noch nicht!

7 Solen werden zusätzlich noch am Schuh festgenagelt. Da man dazu im 18. Jahrhundert Holznägel verwendete, und dies etwas ist, was man von außen sehen kann, wollen auch wir Holznägel verwenden. Und die machen wir uns ganz schnell selber! Wir nehmen Zahnstocher und schneiden mit der Schere einfach an einer Seite die Spitze ab. Fertig sind unsere Holznägel! Da die Nägel in möglichst gleichmäßigen Abständen untergenagelt werden sollen, ziehen wir uns mit einem Schneiderrädchen eine Linie, ca. 0,5 cm von der Außenkante des Schuhs, auf der Sole. Mit einer kleinen, geraden Ahle stechen wir nun im Abstand von 1 cm bis 1,5 cm Löcher in das Leder aber nur ca. 5mm tief! Auf ein Stück Papier tropfen wir etwas Kleber, tauchen die Spitze unseres Holznagels hinein und Hämmern ihn dann vorsichtig 5mm tief in das Leder der Sole. Das überstehende Holz schneiden wir ab und klopfen noch einmal alles glatt.

8 Jetzt kommen wir zu den Absätzen. Diese fertigen wir aus mehreren Schichten Leder. Es werden alle Schichten einzeln ausgeschnitten und zusammengeklebt. Mit einem Papier machen wir ein Schnittmuster für die erste Lage. Mit diesem Muster schneiden wir alle Lagen zu. Richtig angepasst werden sie unter dem Schuh. Die erste Lage wird angeklebt, festgeklopft und dann werden die Kanten außen gleichmäßig abgeschnitten, so dass nichts übersteht. Wir müssen evtl. auch etwas von der Absatzfläche abtragen, denn es ist wichtig, den Schuh in die Waagerechte zu bekommen. So verfahren wir mit jeder Absatzscheibe. 6 Scheiben sollten es mindestens sein. Die letzte Lage wird ebenfalls von unten mit unseren Holznägeln versehen. Für höhere Absätze werden es mehr Scheiben. Die Form, die der Absatz bekommen soll, bestimmen wir, wenn alle Lagen aufeinander geklebt sind. Dann können wir ihn noch nachträglich zurechtstutzen, z.b. zu einer Louis XVI-Form. Eine andere Möglichkeit für einen Absatz wäre, eine Holzform zu beziehen und unter den Schuh zu nageln. Dann muss man aber daran denken, von innen noch eine Sole in den Schuh zu legen, damit der Träger nicht mit der Ferse auf den Nägeln steht.

9 Jetzt ist unser Schuh fast fertig und wir können ihn vom Leisten abnehmen. Hälften teilen lässt, erleichtert es, den Schuh vom Leisten zu ziehen. Jetzt gilt es nur, die obere Kante des Schuhs und der Laschen mit einem Lederstreifen oder mit einem Band aus Seide oder Leinen einzufassen. Alexander macht das immer ganz zu Anfang, bevor er das Leder wässert, aber man kann das auch am Schluss machen. Wenn Ihr vorhin wirklich alle Nägel entfernt habt, die Ihr anfangs zum Fixieren verwendet hattet, sollte es auch klappen. Ein bisschen anstrengend ist es aber doch, denn das Leder sitzt sehr eng am Leisten. Ein Leisten, der sich in zwei Hier zeige ich noch einmal verschiedenes Werkzeug, das Ihr brauchen werdet. Ahlen, Hämmer, Scheren, spezielle Messer, Ledernadeln, Leinengarn, Zahnstocher. Tutorial: Alexander Popov, St.Petersburg, Russia Expose: Bettina Feldt, Hamburg, Germany