Flüchtlingsgebet Kirche Hilterfingen Uhr nach dem Glockenschlag: 3 Minuten Glockengeläut Uhr: A: Begrüssung Dauer: 3 Minuten

Transkript

1 Flüchtlingsgebet Kirche Hilterfingen Uhr nach dem Glockenschlag: 3 Minuten Glockengeläut Uhr: A: Begrüssung Dauer: 3 Minuten Manche irrten auf einsamem Weg durch die Wüste Und sie fanden keine Stadt, in der sie wohnen konnten. Sie waren hungrig und durstig Und wären beinahe gestorben. Da schrien sie zum Herrn in ihrer Not Und er rettete sie aus ihrer Verzweiflung. Er führte sie den richtigen Weg, so dass sie in eine Stadt kamen, in der sie wohnen konnten. Sie sollen dem Herrn für seine Gnade danken Und für die Wunder, die er an ihnen getan hat. (Psalm 107,4 8) Liebe Anwesende, herzlich willkommen. Das Mittelmeer ist einer der grossen Knotenpunkte der Fluchtwege, die die gewaltsam vertriebenen Menschen nutzen auf der Suche nach Sicherheit, Frieden und einem normalen Leben. Einige Stimmen sehen in der Krise im Mittelmeer vor allem eine Bedrohung der Sicherheit und des wirtschaftlichen Wohlergehens Europas. Die Flüchtlingsströme sind aus dieser Sicht vor allem ein Problem, dass gestoppt werden muss. Solche Kreise befürchten, dass das Retten von Migranten auf dem Meer höchstens noch weitere ermutigen wird, die Überfahrt anzutreten und dass so die Krise weiter eskalieren würde. Vielleicht denken sie auch, dass die Menschen, die an der Küste Afrikas die Boote besteigen, andere Möglichkeiten hätten. Aber haben sie das wirklich? Mit unserem Gebet können wir uns weigern, uns zu beruhigen und uns an das Schreckliche zu gewöhnen. Im Gebet solidarisieren wir uns mit denen, die für einen Funken Hoffnung bis zum Äussersten gehen. Wir brauchen die anderen, die wachen, wenn wir schlafen, die glauben, wenn wir zweifeln, die beten, wenn wir schweigen. (Karl Rahner) Uhr B: Aktueller Text Dauer: 3 Minuten Für sein Buch An Europas Grenze hat der Journalist Kaspar Surber verschiedene Orte am Rand Europas besucht und dort mit Menschen gesprochen, für die 1

2 Flucht eine ganz unmittelbare Realität ist. Ich lese ihnen ein Stück daraus vor: Walid Amri trägt neue, blau glänzende Turnschuhe der Marke KAPPA. Er kaufte sie gleich nach der Ankunft auf Lampedusa. Unterwegs auf dem Meer hatte er seine durchnässten Schuhe weggeworfen. Im Osten des Hafens trohnt die Zentrale der Küstenwache, im Westen befindet sich die militärische Sperrzone, wohin die einlaufenden Flüchtlingsboote gewiesen werden. Dazwischen liegt der Schiffsfriedhof. Die Holzkähne liegen schräg nebeneinander, sie sind bunt bemalt und einige mit ihrem Herkunftshafen angeschrieben, mit Sfax beispielsweise. Amri springt auf ein grösseres Schiff mit Führerkabine. Mit einem solchen ist er unterwegs gewesen, bis der Regen einsetzte und der Motor ins Stottern geriet. Die Küstenwache hat sie gerettet. Amri erzählt seine Geschichte: Ich bin 24 Jahre alt und komme Sidi Bouzid in der Mitte von Tunesien. Es gibt wenig Arbeit, man sitzt rum, trinkt Kaffee, raucht Zigaretten. Ich bin Coiffeur von Beruf, am einen Tag habe ich einen Job erhalten, am anderen nicht. In zwei Jahren ist es mir gelungen, 1000 Euro auf die Seite zu legen. Ich rief auf die Geheimnummer an und ging nach Zarzis. Wir waren hundert Personen auf dem Schiff, in der Nacht legten wir los. Die Fahrt dauerte 24 Stunden. Hatten Sie keine Angst? Nein, das hatte ich nicht. Über das Leben und den Tod entscheidet Gott. Das ist nicht meine Sache, ich suche nach der Freiheit. Amri weiss, dass er weiter von der Freiheit entfernt ist als andere: Für die jungen Europäer ist es einfach zu reisen. Wir aber haben kein Recht zu reisen, ich habe noch nicht einmal einen Pass. So hat er sich das Recht eben genommen. Von Lampedusa will er weiter nach Italien oder Frankreich, um zu arbeiten. Wobei auch die Schweiz nicht schlecht wäre. Ich liebe die Schweiz! Ich liebe Roger Federer! Sein Tennis ist wirklich unglaublich. (Surber, Kaspar: An Europas Grenze. Fluchten, Fallen Frontex, Basel 2012, 9-10.) Uhr: Stille Dauer: 6 Minuten Uhr: A: Biblischer Text Dauer: 2 Minuten Jesus sagt im Matthäusevangelium: "Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich war durstig, und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen. Und der König wird ihnen zur Antwort geben: Amen, 2

3 ich sage euch: Was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan." (Matth. 25, 35.40) Flüchtlinge sind meist Fremde für uns, weil sie aus einem anderen Kulturkreis kommen. Sie aufzunehmen ist gelebte Gastfreundschaft. Der Begriff Willkommenskultur, der seit kurzem von Politik und Medien gebraucht wird, ist also keine neue Erfindung, sondern bereits in der Bibel der Auftrag Gottes an sein Volk. Fremde und Flüchtlinge stehen in der Bibel unter dem besonderen Schutz Gottes. Die Bibel hat einiges über den Umgang mit ihnen zu sagen. So lesen wir im 2. Buch Mose (23,1 9) über gerechtes Verhalten: "Du sollst kein nichtiges Gerücht verbreiten. Biete deine Hand nicht einem, der Unrecht tut, indem du als Zeuge Gewalt deckst. Du sollst nicht den Vielen folgen und Böses tun, und bei einer Aussage in einem Rechtsstreit sollst du dich nicht nach den Vielen richten und das Recht beugen. Auch einen Geringen sollst du in seinem Rechtsstreit nicht begünstigen. Wenn du dem verirrten Rind oder Esel deines Feindes begegnest, sollst du das Tier sogleich zu ihm zurückführen. Wenn du siehst, dass der Esel deines Gegners unter seiner Last zusammengebrochen ist, dann lass ihn nicht allein... Du sollst das Recht deines Armen in seinem Rechtsstreit nicht beugen. Von betrügerischer Sache halte dich fern. Und wer unschuldig und im Recht ist, den töte nicht, denn einen Schuldigen spreche ich nicht frei. Bestechungsgeld sollst du nicht annehmen, denn das Bestechungsgeld macht Sehende blind und verdreht die Sache derer, die im Recht sind. Einen Fremden sollst du nicht quälen. Denn ihr wisst, wie dem Fremden zumute ist, seid ihr doch selbst Fremde gewesen im Land Ägypten." Uhr: Stille Dauer: 4 Minuten Uhr: B: Fürbitten Dauer:ca. 3 Minuten Wir beten und ich lade sie ein, dazu aufzustehen: Gott, Die Nachrichten von den Flüchtlingen gehen uns nahe und bleiben uns trotzdem auch so fern. Wir spüren Betroffenheit, aber auch Distanz. So bitten wir heute für die, die auf der Flucht über das Mittelmeer nach Europa sind: In ihrer Ohnmacht stärke alle Flüchtlinge, in ihrer Verzweiflung tröste alle Hinterbliebenen. In ihren Enttäuschungen schenke ihnen den Trost, dass ihr Leid nicht vergessen ist, und zeige ihnen Menschen, die ihnen helfen und sie 3

4 trösten. (Gebet anlässlich der Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer; Von: Bernhard Pletz) Im Wissen um die ungerechten Strukturen und allen Missbrauch bitten wir auch für jene, die von den Flüchtlingen profitieren; Gott, bewirke du bei allen, die sich an der Not, Leiden und Sterben der Armen bereichern, ein Umdenken und eine Umkehr. Gott, wir bitten dich für die Verantwortlichen in Europa, Afrika und der Welt, ihren verantwortungsvollen Aufgaben gerecht werden, dass sie neue Wege gegen Armut und Verzweiflung beschreiten. Hilf uns, unseren Anteil für eine gerechte Welt zu erkennen. Erlöse uns aus unserer Trägheit. Befreie uns zum Handeln. In der Hoffnung darauf, dass eine Welt der gegenseitigen Achtung und Gerechtigkeit möglich ist, in der Hoffnung darauf, dass das L eiden der Flüchtenden am Mittelmeer ein Ende haben wird, wollen wir uns für das Gute in der Welt einsetzen und auf dich vertrauen. In der Hoffnung auf eine gerechtere Welt, in der Menschen nicht mehr flüchten müssen, um in Freiheit und Frieden zu leben, beten wir mit den Worten Jesu: Unser Vater im Himmel, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. dass sie mit deiner Und vergib Hilfe uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen Uhr, spätestens Uhr: Taizé-Kyrie, gesungen bis zum Glockenschlag 4

5 A: Segen Für uns und die Menschen auf der Flucht bitten wir um Gottes Segen: Segne uns, Gott, du mitgehender Gott, Gott in Ägypten und in Babylon, Gott in Afrika und im Irak. Segne uns, Jesus Christus, Kind auf der Flucht, heimatlos, Flüchtling, Migrantenkind. Segne uns, Heiliger Geist, du Tröster und Lebenshauch, Kühlung und Kraft. Segne uns, du Gott, Vater und Sohn und Heiliger Geist. Amen. 5