Leitsatz: OLG Dresden, 4. Zivilsenat, Az.: 4 W 20/10, Beschluss vom
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1 1 Leitsatz: 1. Ergeben sich die Gründe, auf die die Ablehnung des Sachverständigen gestützt wird, aus dessen Gutachten, ist der Befangenheitsantrag innerhalb der nach 411 Abs. 4 ZPO gesetzten oder verlängerten Frist zu stellen, wenn sich die Besorgnis der Befangenheit erst aus einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem schriftlichen Gutachten ergibt. 2. Nicht jede für die Partei ungünstige Beurteilung kann als einseitig zu ihren Lasten qualifiziert werden, soweit der Sachverständige hierdurch den Boden einer sachlichen Auseinandersetzung nicht verlässt. 3. Zur Frage, ob folgende Äußerung des Sachverständigen einen Befangenheitsgrund darstellt: Das von der Beklagten vertretene Verständnis des Operationsberichts kennzeichne "entweder eine völlig absurde und abenteuerliche Vorstellung der Beklagten bezüglich offener Bauchchirurgie oder (sei) eine bewusste Verleugnung besseren Wissens und entbehrt dann jeglicher Sachargumentation". OLG Dresden, 4. Zivilsenat, Az.: 4 W 20/10, Beschluss vom
2 2 Oberlandesgericht Dresden 4. Zivilsenat Aktenzeichen: 4 W 0020/10 1 O 272/07 LG Görlitz Beschluss des 4. Zivilsenats vom In dem Rechtsstreit xxx Klägerin Prozessbevollmächtigte: xxx gegen xxx Beklagte und Beschwerdeführerin Prozessbevollmächtigte: xxx wegen Arzthaftung
3 3 hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden ohne mündliche Verhandlung durch Richter am Oberlandesgericht Hörner, Richter am Oberlandesgericht Schlüter und Richterin am Oberlandesgericht Enders beschlossen: 1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Görlitz vom O 272/07 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. 2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 13494,67 EUR festgesetzt. 3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen. G R Ü N D E: I. Die Klägerin begehrt von der Beklagten materiellen und immateriellen Schadenersatz sowie die Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz künftiger Schäden aus behaupteten Behandlungsfehlern anlässlich einer am erfolgten Entfernung der Gebärmutter, bei der sie am Nervus femoralis verletzt wurde. Das Landgericht hat mit Beschluss vom (Bl. 106) die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens beschlossen und mit Beschluss vom Prof. xxx zum Sachverständigen bestellt. Der Sachverständige hat sein Gutachten am erstattet und auf weiteren Beschluss des Landgerichts vom am ein Ergänzungsgutachten vorgelegt (Bl. 235). Zu dem Ergänzungsgutachten konnten die Parteien bis zum Stellung nehmen. Mit am eingegangenem Schriftsatz hat die Beklagte beantragt, den Sachverständigen und den Co-Sachverständigen Dr. xxxx wegen sich aus der Wortwahl im Ergänzungsgutachten ergebenden Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Gegen den ihm am zugestellten Beschluss des Landgerichts vom hat die Be-
4 4 klagte am sofortige Beschwerde eingelegt, der das Landgericht nicht abgeholfen hat. Auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses wird Bezug genommen. II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig ( 406 Abs. 5, 567ff. ZPO), aber unbegründet. Das Landgericht hat den auf Ablehnung des Sachverständigen gerichteten Antrag zu Recht zurückgewiesen. 1. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist das Ablehnungsgesuch zulässig, insbesondere ist die am erfolgte Ablehnung nicht verspätet. Ein Ablehnungsgesuch ist nach 406 Abs. 2 ZPO binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses über die Ernennung eines Sachverständigen zu stellen. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung nur zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Ergeben sich die Gründe, auf die die Ablehnung des Sachverständigen gestützt wird, aus dessen Gutachten, ist die Frist des 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO maßgebend. Ein Befangenheitsantrag, der innerhalb der zur Stellungnahme nach 411 Abs. 4 ZPO gesetzten oder verlängerten Frist eingereicht wird, ist immer dann als rechtzeitig anzusehen, wenn sich die Besorgnis der Befangenheit erst aus einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem schriftlichen Gutachten ergibt. Die am Rechtsstreit beteiligten Parteien müssen sich nämlich innerhalb dieser Frist abschließend mit dem Inhalt des Gutachtens auseinandersetzen und mitteilen, ob und gegebenenfalls in welchen Punkten Ergänzungsbedarf gesehen wird. Kommt hierbei eine Partei aufgrund der inhaltlichen Prüfung des Gutachtens nicht nur zu dem Ergebnis, dass dieses unrichtig oder ergänzungsbedürftig ist, sondern dass bestimmte Ausführungen des Sachverständigen in seinem schriftlichen Gutachten auf Voreingenommenheit
5 5 ihr gegenüber zurück zu führen sind, ist auch diese Besorgnis Ergebnis der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem schriftlichen Gutachten. Hieraus folgt, dass der Antragsteller nicht verpflichtet ist, binnen kürzerer Frist eine Vorprüfung des Gutachtens vorzunehmen, nur um feststellen zu können, ob das Gutachten Mängel enthält, die aus seiner Sicht nicht nur einen Ergänzungsantrag nötig machen, sondern sogar die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen (BGH NJW 2005, 1869; OLG Düsseldorf OLGR 2001, 469; Senat, Beschluss vom W 1282/09; W 948/09 n.v.; a.a. allerdings OLG Koblenz, OLGR Koblenz 1998, 470; OLG Köln, OLGR Köln 1995, 147; OLG Naumburg, 10 W 23/01, juris; OLG München, OLGR München 2004, 117; 2003, 58). Vorliegend wurde der Ablehnungsantrag innerhalb der bis zum gesetzten Stellungnahmefrist gestellt. 2. Die von der Beklagten vorgetragenen Gründe rechtfertigen die Ablehnung des Sachverständigen und die Beauftragung eines anderen Sachverständigen indes nicht. Nach 406 Abs. 1 S. 1, 42 ZPO kann ein Sachverständiger nur dann abgelehnt werden, wenn objektive Umstände gegeben sind, auf Grund deren vom Standpunkt der ablehnenden Partei bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung besteht, er stehe der Sache nicht unvoreingenommen gegenüber (vgl. BGH NJW 1975, 1363; OLG Köln MDR 2002, 53; Zöller-Greger, ZPO, 28. Aufl. 406 Rn 8). Grundsätzlich kann auch eine überzogene Ausdrucksweise eines Sachverständigen die Besorgnis der Befangenheit begründen (OLG Brandenburg MDR 2009, 288; Senat Beschluss vom aao; vgl. auch OLG Oldenburg NJW-RR 2000, 1166; OLG Zweibrücken VersR 1998, 1438). Allerdings kann nicht jede für die Partei ungünstige Beurteilung als einseitig zu ihren Lasten qualifiziert werden, soweit der Sachverständige hierdurch den Boden einer sachlichen Auseinandersetzung nicht verlässt (BGH NJW 1981, 2009; Senat, Beschluss vom W 377/08; Beschluss vom , 4 U 601/06). Maßgeblich ist, ob sich die getätigten Äuße-
6 6 rungen des Sachverständigen noch im Bereich der sachlichen Auseinandersetzung halten oder damit bereits die Grenze zu einer persönlichen Herabsetzung überschritten wird (vgl. OLG Saarbrücken MDR 2005, 648). Vorliegend wird das Ablehnungsgesuch primär auf die Bewertung des Sachverständigen auf S. 3 des Ergänzungsgutachtens gestützt, das von der Beklagten vertretene Verständnis des Operationsberichts kennzeichne "entweder eine völlig absurde und abenteuerliche Vorstellung der Beklagten bezüglich offener Bauchchirurgie oder [sei] eine bewusste Verleugnung besseren Wissens und entbehrt dann jeglicher Sachargumentation". Dem Landgericht ist darin beizupflichten, dass es sich hierbei um eine drastische Bewertung seitens des Gutachters handelt, die sich an der Grenze dessen bewegt, was von einem unvoreingenommenen Sachverständigen erwartet werden kann, ohne jedoch die Grenze zur persönlichen Auseinandersetzung zu überschreiten. Dies folgt aus dem Kontext, in dem diese Äußerung steht. Während die Beklagte aus dem Operationsbericht, in dem die Verwendung eines Bauchdeckenspreizers nicht aufgeführt ist, ableitet, es sei kein solcher Spreizer verwendet, sondern der Operationsweg sei durch "Abstopfen des Bauchraumes mit Tüchern und Weghalten der angrenzenden Organe durch den Assistenzarzt" freigehalten worden, geht der Sachverständige auf S. 2 des Ergänzungsgutachtens von einem bloßen Dokumentationsversäumnis aus, das keinen eigenständigen Behandlungsfehler darstellt. Zur Begründung führt er aus, eine abdominale Hysterektomie sei ohne einen solchen Spreizer überhaupt nicht durchführbar und werde nirgends so praktiziert, es könne somit nicht in dem von der Beklagten geschilderten Sinne vorgegangen worden sein. Um zu verdeutlichen, wie fernliegend die von der Beklagten dargelegte Verfahrensweise wäre, wird sodann auf die mit dem Ablehnungsgesuch beanstandeten Formulierungen zurückgegriffen. Diese dienen in der Gesamtwürdigung nicht der persönlichen Herabsetzung der Beklagten, sondern sollen ersichtlich verdeutlichen, dass den Ärzten der Beklagten ein grober Behandlungsfehler un-
7 7 terlaufen wäre, wenn sie tatsächlich in dem von dem Beklagtenvertreter im Schriftsatz vom geschilderten Sinne vorgegangen wären. Eben davon geht der Sachverständige jedoch gerade nicht aus. Durch die Bewertung als Dokumentationsmangel wird die Beklagte damit im Ergebnis sogar besser gestellt, als sie bei Zugrundelegung ihres eigenen Vorbringens stünde, bleibt ihr doch hiernach der Beweis möglich, dass in standardgerechter Weise ein Bauchdeckenspreizer verwendet wurde. Auch die weiteren Formulierungen im Ergänzungsgutachten, mit denen das Ablehnungsgesuch begründet wird, sind nicht geeignet, eine Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen zu begründen. Auf den Beschluss des Landgerichts vom wird zur Vermeidung von Wiederholungen insofern Bezug genommen. Ein Befangenheitsantrag gegen den Mitunterzeichner Dr. xxxx scheidet unabhängig hiervon schon deswegen aus, weil dieser zu keinem Zeitpunkt zum gerichtlichen Sachverständigen bestellt, sondern vom Sachverständigen Prof. xxxx lediglich zu Vorbereitungstätigkeiten zugezogen wurde. An der alleinigen Verantwortung des Gerichtsgutachters ändert dies nichts (vgl. Zöller-Greger, aao. 404 Rn 1a). III. Die Kostenentscheidung beruht auf 97 Abs. 1 ZPO. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens war auf ein Drittel des Streitwerts der Hauptsache festzusetzen (BGH AGS 2004, 159; OLG Koblenz OLGR 2005, 466; OLG Düsseldorf OLGR 2004, 372; Senat aao, Beschluss vom W 1462/07). Hörner Schlüter Enders
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