SCHATZ Lösen und Lockern von Schraubverbindungen

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1 SCHATZ Lösen und Lockern von Schraubverbindungen Informationen aus der Praxis für die Praxis Der SCHATZBRIEF 01/2016 Fa Fq FV Fq Fa a FQ FV FQ FV Quelle: Joseph Fuchs, 2008 Auslegung der Mindestklemmkraft. µ Einfluss der Reibungszahl Eine Schraubverbindung ist nach der Richtlinie VDI/VDE 2230 dann richtig ausgelegt, wenn die Mindestklemmkraft ein äußeres Abheben der Trennfuge verhindert und der Reibschluss bei äußeren Kräften gehalten wird. Dennoch kommt es vor, dass sich Schraubverbindungen lösen oder lockern, obwohl sie entsprechend diesen Forderungen ausgelegt sind. Die Reibungszahl spielt eine große Rolle in Bezug auf das Verhältnis der inneren Kräfte in der Schraube. Ein Drittel des Drehmomentes ist notwendig, um die Reibung im Gewinde zu überwinden und ungefähr die Hälfte des Drehmomentes wird benötigt, um die Reibung unter dem Schraubenkopf zu überwinden. Dabei gilt: Je höher die Reibung, desto geringer die Vorspannkraft. Man könnte somit zu dem Schluss kommen, dass die Reibung irgendetwas Negatives, etwas Schlechtes ist. Im Gegensatz dazu stellt es sich jedoch so dar, dass ausgerechnet der wichtigste Anteil, die Vorspannkraft, die unsere Schraubverbindung ja zusammenhält, der Anteil ist, der letztendlich versucht, die Schraube wieder zu lösen. Dazu muss man sich vorstellen, dass die Schraube sich bei der Montage auseinanderzieht wie eine Feder und das Bedürfnis hat, sich wieder zusammenzuziehen. Wenn die Reibung im Gewinde und unter dem Schraubenkopf genügend groß ist, reicht die Kraft jedoch nicht aus, um die Schraube selbsttätig zu lösen.

2 SCHATZ -ANALYSE Das Laborsystem ermöglicht schnelle und präzise Analysen von Verbindungselementen. Lösen, das bedeutet nämlich ein selbsttätiges Zurückdrehen der Schraube. Wird die Reibung jedoch geringer und schließlich zu gering, so besteht für die Schraube die Möglichkeit, sich selbsttätig zu lösen. Die Kräftebilanz wird in der DIN Blatt 4 dargestellt. Dies bedeutet, dass eine unkontrollierte Anwendung von Schmiermitteln dazu führen kann, dass die Schraube ihre Selbsthemmung verliert und in der Lage ist, sich selbsttätig zu lösen. Mit Laborsystemen können an Schrauben die Teilreibungszahlen unter dem Schraubenkopf und im Gewinde separat ermittelt werden. Da die Unterkopfreibung normalerweise ca. 50 Prozent des Drehmomentes in Anspruch nimmt, liegt dort auch der wichtigste Faktor für ein eventuelles selbsttätiges Losdrehen. Der Einfluss der Temperatur auf die Reibungszahl Sollte die Schraube im Laborversuch Reibungszahlen aufweisen, die innerhalb der vorgegebenen Toleranzen liegen, so heißt das lange noch nicht, dass die Schraube diese Reibungszahlen auch unter Lastbedingungen hält. Speziell in der Automobilindustrie hat man herausgefunden, dass es chemische Zusätze in den Schraubenbeschichtungen gibt, die bei Temperaturen bei circa 150 Grad Celsius das Reibverhalten der Schraube ändern und somit zu einem selbsttätigen Lösen der Schraubverbindung führen. Zur Prüfung des Warmlöseverhaltens von Schrauben gibt es unterschiedliche Verfahren. Eines besteht darin, dass die Schraube in einen Prüfkörper gedreht wird, anschließend auf 150 Grad erwärmt wird und dann das Losdrehmoment ermittelt wird. Theorie des selbsttätigen Losdrehens. Quelle: DIN : Der SCHATZBRIEF

3 Die Ermittlung des Losdrehmomentes kann nicht ohne Weiteres durchgeführt werden, da beim Lösen Losdrehmomentspitzen auftreten und aus diesem Grunde das Drehmoment ermittelt werden muss, wenn die Schraube von der Haftreibung in die Gleitreibung übergegangen ist. Anschließend kann das Verhältnis von Anziehdrehmoment und Lösemoment ausgewertet werden. Liegt das Lösemoment bei circa 30 Prozent des Anziehmomentes oder drunter, so kann davon ausgegangen werden, dass die kritische Reibungszahl von 0,06 unterschritten wurde und die Gefahr eines selbsttätigen Lösens einer Schraubverbindung besteht. Bei anderen geometrischen Bedingungen beziehungsweise Reibungszahlen während der Montage kann die Reibungszahl berechnet werden. Das Verfahren hat den Nachteil, dass das Ergebnis auf einigen Abschätzungen basiert. So wird die Reibungszahl bei der Montage nicht gemessen, sondern muss im Vorversuch ermittelt werden. Der Vorspannkraftverlust von 5 Prozent basiert auf Erfahrungswerten und ist nicht messtechnisch dokumentiert. Aus diesem Grund gibt es die Möglichkeit, ein aufwändigeres Messverfahren anzuwenden, welches in der Lage ist, alle Größen zu erfassen. Zu diesem Zweck wird die Schraube in einen speziellen Vorspannkraftaufnehmer montiert, der eine Stabilität über einen großen Temperaturbereich aufweist. Mit diesem Sensor kann während der Montage die Reibungszahl unter dem Schraubenkopf und im Gewinde separat erfasst werden. Ein eventueller Vorspannkraftverlust während des Erwärmens wird aufgezeichnet und dokumentiert. Anschließend wird die Schraube gelöst und das Lösedrehmoment wird erfasst. testxpert berechnet automatisch das Drehmoment M LG beim Übergang zur Gleitreibung. 01/2016 3

4 Untersuchung der Änderung des Reibverhaltens in der Wärmekammer. Relativbewegung der montierten Teile Ein besonderer Fall in der Schraubverbindung liegt vor, wenn sich die montierten Teile gegeneinander bewegen. Dies kann verschiedene Gründe haben: 1. Die Reibungszahl zwischen den montierten Teilen ist geringer, als vom Konstrukteur angenommen. 2. Die Schraube ist so lang, dass zwar keine tatsächliche transversale Bewegung zwischen den Teilen stattfindet, aber die elastische Bewegung der Teile ausreicht, dass es zu einer Bewegung unter dem Schraubenkopf kommt. 3. Bei der Montage unterschiedlicher Materialien können diese sich unterschiedlich ausdehnen. Somit führt jeder Temperaturwechsel zu einer transversalen Bewegung der Materialien zueinander. kopf wird die Reibung vor allem durch sogenannte Ripp-Schrauben erhöht, zur Erhöhung der Reibung im Gewinde wird ein Formschluss durch sogenannte anaerobe Klebemittel hergestellt. Die Wirkungsweise der Sicherungen wird mit einem Vibrationsprüfstand überprüft. Dabei dient ein Sensor, der separat die Gewindereibung ermitteln kann, dazu, das Lösemoment zu ermitteln, wenn sich die Schraube löst. Setzen in Schraubverbindungen Neben rein elastischen Verformungen treten in einer Schraubverbindung während und nach der Montage, auch bei Belastungen unterhalb der Streckgrenze, örtlich plastische Verformungen auf, die zum Lockern der Verbindung führen können. Ein plastisches Einebnen von Oberflächenrauigkeiten in den Auflageflächen wird als Setzen bezeichnet. Der Betrag des Setzens hängt von der Rauigkeit der verschraubten Materialien und von der Anzahl der Trennfugen ab. Zur Sicherung von Schrauben, die einer transversalen Bewegung unterliegen, gibt es entweder die Möglichkeit der Erhöhung der Reibung unter dem Schraubenkopf oder im Gewinde. Unter dem Schrauben- Berechnung der Reibungszahl beim Warmlösen. 4 Der SCHATZBRIEF

5 Ermittlung des Gewindemoments, des Torsionsmoments und des inneren Losdrehmomentes beim Vibrationsversuch. Montiert man eine Schraube M10, 10.9 mit einer Klemmlänge von 50 mm auf 40 kn, dann dehnt sich diese um circa 160 µm. Das Setzverhalten beträgt, wie oben erwähnt circa 10 µm, somit ergibt sich ein Vorspannkraftverlust von circa 2,5 kn, der in dieser Größenordnung absolut akzeptabel ist. Messung der Vorspannkraft und des Vorspannkraftverlustes durch Setzen oder Kriechen nach erfolgter Montage mit Ultraschallsensor. Montiert man eine Schraube M10, 10.9 mit einer Klemmlänge von nur 5 mm auf 40 kn, so dehnt sich die Schraube lediglich um 16 µm. Geht man jetzt von einem Setzverhalten von circa 10 µm aus, so beträgt der Vorspannkraftverlust circa 25 kn. Das bedeutet, dass der größte Teil der Vorspannkraft durch das Setzen verloren geht. Kriechen von Schraubverbindungen Beim Kriechen handelt es sich um einen Vorspannkraftverlust durch ein zeitabhängiges Überschreiten der Werkstofffließgrenze. Dieser Fall tritt vor allen Dingen dann auf, wenn sich elastische Materialien im Kraftfluss der Schraubverbindung befinden. Nach erfolgter Montage drückt die Schraube mit ihrer hohen Vorspannkraft auf die Schraubverbindung, so dass Materialien, deren Werkstofffließgrenze überschritten wurde, nach und nach aus der Schraubverbindung herausgedrückt werden. Durch diese Nachgiebigkeit der Schraubverbindung entsteht ein Vorspannkraftverlust, der letztendlich zum Lockern der Schraube führen kann. Effekte wie Setzen und Kriechen müssen am Werkstück ermittelt werden. In diesem Fall ist es oftmals schwierig, einen Sensor zur Vorspannkraftmessung in die Schraubverbindung einzubringen. Aus diesem Grund empfiehlt sich für Messungen an entsprechenden Objekten eine Vorspannkraftmessung mittels Ultraschall-Sensor. Die Schraube muss für diesen Versuch präpariert werden. Dazu wird der Ultraschall-Sensor auf den Schraubenkopf aufgeklebt. Zur Messung von Drehmoment, Drehwinkel und Vorspannkraft gibt es Sensoren, durch die der Kontakt zum Ultraschall-Sensor durchgeführt ist, so dass mit einem Laborsystem die komplette Messung durchgeführt werden kann. 01/2016 5

6 Der Manipulator ermöglicht die Prüfung eingebauter Schraubsysteme nach VDI/VDE-Richtlinie 2645 Blatt 2. DURCHFÜHRUNG VON MASCHINEN- FÄHIGKEITSUNTERSUCHUNGEN (MFU) Die VDI/VDE-Richtlinie 2645 Blatt 2 beschreibt die Durchführung von Maschinenfähigkeitsuntersuchungen (MFU). In der Richtlinie wird darauf eingegangen, dass der industrielle Fertigungsprozess verschiedenen Einflussgrößen unterworfen ist. Diese Einflussgrößen werden im Allgemeinen als die fünf M bezeichnet: Mensch, Maschine, Methode, Material und Mitwelt (Umgebungseinflüsse). Durch die Maschinenfähigkeitsuntersuchung wird die Stabilität und Reproduzierbarkeit der Prozesseinflussgröße Maschine ermittelt. Dadurch lassen sich Aussagen über die zu erwartenden maschinenbedingten Prozessfehler treffen. Diese wiederum stellen ein objektives Vergleichsmaß für die Qualität unterschiedlicher Maschinen dar. Durch die MFU soll sichergestellt werden, dass nur geeignete Schraubwerkzeuge eingesetzt werden. Die Richtlinie beschreibt eine wesentliche Änderung bei der Kurzzeituntersuchung von Schraubwerkzeugen. In der Vergangenheit war es üblich, dass eine kurze Stichprobe von zum Beispiel fünf Messwerten genommen wurde und überwacht wurde, ob die gemessenen Werte innerhalb der Toleranzgrenzen lagen oder schon außerhalb. Dieses Verfahren beinhaltet den Nachteil, dass ein Schraubwerkzeug, welches seine Aufgabe nicht mehr erfüllt, erst dann bemerkt wird, wenn es bereits Messwerte liefert, die außerhalb der Toleranz liegen. Das wiederum erfordert je nach Wichtigkeit der Schraubverbindung, dass alle gefertigten Teile bis zur letzten Stichprobenprüfung, die noch innerhalb der Toleranz lag, nachgeprüft beziehungsweise nachgearbeitet werden müssen. Die VDI/VDE-Richtlinie 2645 Blatt 2 beschreibt demgegenüber ein Prüfverfahren, bei dem die statistische Fähigkeit der Werkzeuge überprüft wird. In diesem Fall kann ein Schraubwerkzeug identifiziert werden, welches nicht mehr fähig innerhalb der Prozessgrenzen arbeitet, ohne dass überhaupt Werte außerhalb der Prozessgrenzen produziert wurden. Die Richtlinie unterscheidet zwischen werkzeugbezogener MFU und schraubstellenbezogener MFU. Bei schraubstellenbezogenen Maschinenfähigkeitsuntersuchungen werden mittlerweile mobile Prüfsysteme eingesetzt, die über gesteuerte Schraubfallsimulatoren verfügen und so angesteuert werden können, dass der simulierte Schraubfall dem realistischen Schraubfall entspricht. Mit diesen mobilen Prüfsystemen können Druckluftschrauber, Elektroschrauber und Impulsschrauber vor Ort an der Montagelinie geprüft werden. Schraubsysteme ändern ihr Abschaltverhalten in Abhängigkeit der sogenannten Schraubfallhärte. Die Schraubfallhärte beschreibt, nach welchem Drehwinkel die Schraube nach Kopfauflage ihr Enddrehmoment erreicht. Eine kurze Schraube, mit der zum Beispiel ein Blech befestigt wird, erreicht das Enddrehmoment etwa schon nach 30 Grad Verdrehung. Ein solcher Schraubfall wird harter Schraubfall genannt. Im Gegensatz dazu gibt es Schraubverbindungen mit langen Schrauben, mit denen gegebenenfalls elastische Materialien zusammengefügt werden. 6 Der SCHATZBRIEF

7 Die Maschinenfähigkeitsuntersuchung (MFU) ermittelt die Stabilität und Reproduzierbarkeit der Prozesseinflussgröße Maschine. Bevor diese Schrauben ihr Enddrehmoment erreichen, muss eine solche Schraube von der Kopfauflage zum Beispiel eine komplette Umdrehung, das heißt 360 Grad, gedreht werden. In diesem Fall spricht man von einem weichen Schraubfall. Da die Schraubfallhärte einen Einfluss auf das Abschaltverhalten des Schraubsystems haben kann, ist es wichtig, dass der Simulator die gleiche Charakteristik darstellt, wie der Originalschraubfall. Eine zyklische Überwachung der Schraubwerkzeuge geschieht grundsätzlich an der Montagelinie vor Ort. Wenn die Prüfung durchgeführt wird, darf die Einstellung des Schraubwerkzeuges nicht verändert werden. Die Messreihe wird mit den aktuellen Einstellungen durchgeführt und dokumentiert. Die schraubstellenbezogene MFU vor Ort richtet sich nach den Prozessvorgaben. Insgesamt beträgt der Stichprobenumfang 50 Messungen und die empfohlenen Toleranzen betragen gemäß Richtlinie 2,0 Prozesstoleranz für den CM-Wert und 1,67 Prozesstoleranz für den CMK-Wert. Die Richtlinie sieht die Möglichkeit vor, den Prüfumfang auf bis zu 25 Messungen zu reduzieren. In diesem Fall werden jedoch andere CM- und CMK-Werte vorausgesetzt. Bei handgehaltenen Schraubsystemen stellt die Prüfung an den Simulatoren vor Ort keinerlei Problematik dar, weil die Schraubsysteme leicht an den eingebauten Simulatoren der Prüfbank geprüft werden können. Anders verhält es sich jedoch bei Einbauschraubern, die fest in einer Vorrichtung angebracht sind und nicht ohne größeren Aufwand aus der Vorrichtung auf den Simulator gebracht werden können, um die Maschinenfähigkeit nachzuweisen. Eine besondere Herausforderung stellt dabei die sogenannte Hochzeit in der Automobilindustrie dar. Wenn die Chassis mit den Fahrwerkskomponenten und die Karosserie miteinander montiert werden, müssen zahlreiche Schraubsysteme, die in der Vorrichtung untergebracht sind, eine hohe Anzahl von Schrauben gleichzeitig montieren, damit die Hochzeit in einem Arbeitsgang abgeschlossen werden kann. Diese Schraubsysteme sind fest in der Vorrichtung montiert und streckenweise sogar winkelig angebracht, um alle notwendigen Schrauben zu erreichen. Um an diesen Schraubsystemen die MFU durchzuführen, werden Sonderlösungen der Schraubfallsimulatoren verwendet, welche über die Möglichkeit verfügen, den kleinen Simulator mit der integrierten Drehmoment-/Drehwinkel-Messtechnik an dem entsprechenden Schrauber zu fixieren. Der Simulator wird dazu mittels Manipulator in der richtigen Position für das Schraubsystem gehalten. Über eine Schwenkeinrichtung kann er auch an Schraubern eingesetzt werden, die in einem beliebigen Winkel montiert sind. Somit ermöglicht der mobile Prüfstand mit Manipulator, dass auch eingebaute Schraubsysteme nach der VDI/VDE-Richtlinie 2645 Blatt 2 auf Maschinenfähigkeit untersucht werden können, ohne dass sie aus ihrer Vorrichtung ausgebaut werden müssen. 01/2016 7

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