Sizilien. Text: Judith Duller-Mayrhofer, Fotos: Roland Duller. Diashow Multimedia-Inhalt in e-yachtrevue. Reviere

Transkript

1 Sizilien Reviere Geschenk der Diashow Multimedia-Inhalt in e-yachtrevue Schöner Segeln. Auf einem 125 Fuß langen Schoner der Extraklasse von der Ostküste Siziliens in den Archipel der Liparischen Inseln. Besser geht s nicht. Text: Judith Duller-Mayrhofer, Fotos: Roland Duller 46 yachtrevue 12/2010

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3 Sizilien Reviere Großsegel, Stagsegel und Fisherman sind gesetzt, Fock und Klüver ebenfalls. Über 560 Quadratmeter Segelfläche, blendend weiß und beeindruckend. Mit elf Knoten rauschen wir bei fünf Beaufort unter blitzblauem Himmel von Syrakus Richtung Messina; wenn ich jemals Zweifel hatte, dass die Kairós ordentlich segelt, dann sind sie spätestens jetzt verflogen. Nein, auf diesem 38 Meter langen Zweimaster dienen die Segel nicht nur der Dekoration sondern tatsächlich dem Vortrieb; ist in dieser Liga leider keine Selbstverständlichkeit. Ursula, passionierte Jokerund Starboot-Seglerin vom Ammersee und zum ersten Mal an Bord der Kairós, steht am Rad und strahlt mit Eigner Andreas Steidle-Seiler um die Wette erteilte er in der Türkei den Bauauftrag für das Stahlschiff, 15 Monate später wurde es zu Wasser gelassen und läuft seither in Mittelmeer und Karibik im Charter. Mit Erfolg, denn die Kairós schließt eine Lücke; wiewohl groß genug, um Komfort und Rückzugsmöglichkeit zu sichern, bietet sie mit nur neun Doppelkabinen dennoch eine familiäre Atmosphäre jenseits jeder Anonymität (mehr dazu im Kasten Szenenwechsel auf Seite 53). Genau diese Mischung schätzen auch die Gäste, die mit uns in Syrakus für einen Törn auf der Kairós zu den Liparischen Inseln eingecheckt haben, ein buntes Völkchen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, Paare und Einzelbucher, jüngere und ältere Semester. Gemeinsam ist ihnen die Affinität zum Segeln, die Liebe zu Wasser und Wind, und so kommt man rasch ins Gespräch. Unser erster Schlag führt uns entlang der Ostküste Siziliens nach Norden. Wir nutzen den herrlichen Wind, verlängern die ursprünglich geplante Etappe und lassen den Anker nach 50 Seemeilen vor der malerischen Kulisse von Taormina fallen. Den Landausflug zwecks Besichtigung des Städtchens heben wir uns für die Rückreise auf, wir genießen die heitere Stimmung an Bord, die salzige Luft, die warmen Strahlen der Abendsonne. Und das von Schiffskoch Mario gezauberte Menü, das uns auf das überdachte Achterdeck serviert wird. Dazu ein kühler Drink sind wir vor 48 Stunden tatsächlich noch im Büro gesessen? Um vier Uhr früh heißt es Anker auf. Ohne unser Zutun Gott sei Dank, der holländische Skipper und Steuerfrau Anna erledigen das im Alleingang und segeln uns durch die Straße von Messina. Unser Ziel sind die Liparischen Inseln im Tyrrhenischen Meer, allesamt vulkanischen Ursprungs und seit 1997 zum UNESCO-Weltnaturerbe zählend. Sieben Stück sind es, drei davon laufen wir im Laufe der nächsten Tage an und nehmen sie näher in Augenschein. Dabei offenbart sich ein weiterer Vorzug der Kairós: Kann man bei 50 Metern Wassertiefe noch problemlos ankern, findet sich immer ein Platz zum Bleiben. Charteryachten üblicher Größe haben es in diesem Revier hingegen nicht leicht, bietet es doch wenige sichere Häfen und Ankerbuchten. Ist der Wind ungünstig, muss der Landgang gestrichen werden. Magische Momente. Und das wäre jammerschade, denn in diesem Archipel gibt es viel zu sehen und zu tun. Auf Lipari, der Namen gebenden Hauptinsel, wärmen wir uns quasi auf, schauen von der Festung aus dem 16. Jahrhundert auf die unmittelbar davor im Wind schaukelnde Kairós, schlendern durch die Ortschaft und kaufen Mitbringsel aus Obsidian, jenem ultraharten vulkanischen Gesteinsglas, das schon in der Steinzeit für Werkzeuge und Waffen genutzt wurde. In Vulcano schnüren wir die Wanderschuhe und marschieren beherzt rund 450 Höhen 48 yachtrevue 12/2010

4 Inselwelt. Lipari (großes Bild und oben) gibt dem Archipel den Namen, Stromboli (links) ist ein aktiver Vulkan, der regelmäßig spuckt. Skurrile Felsformationen finden sich da wie dort 12/2010 yachtrevue 49

5 Sizilien Reviere Unter dem Vulkan. Die 38 Meter lange Kairós sieht nicht nur wunderbar aus, sie segelt auch hervorragend. In Sachen Atmosphäre ist sie kaum zu übertreffen es gibt wenig Schöneres als auf so einer Yacht in den Abend zu segeln meter hinauf zum Krater eines vor Jahren entstandenen Vulkan, der bis heute aktiv ist und unter ständiger Monitor- Überwachung steht. Von den gelben Schwefeldämpfen, die aus diversen Bodenspalten entweichen, halten wir uns fern, sie stinken nicht nur bestialisch sondern reizen Schleimhäute und Bronchien. Teuflisch, halt. Kein Wunder, dass die Insel früher nur von Sklaven und Strafgefangenen bewohnt war, die hier Alaun und Schwefel abbauen mussten. Einen ganz anderen Charakter hat das relativ untouristische Salina mit seinen charakteristischen Zwillingsvulkanen. Die Anreise entlang der Küste Liparis lässt uns das Herz aufgehen. Bei sanften zwei Beaufort gleitet die Kairós unter voller Besegelung vorbei an bizarren Felsformationen, Torbögen und steil in den Himmel ragenden Nadeln, wir liegen auf den bequemen Deckliegestühlen und -bänken und träumen zur melancholischen Stimme von Norah Jones mit offenen Augen vor uns hin. Am Nordost-Zipfel Salinas machen wir Halt und das Dingi bringt uns an Land heute ist Easy Rider angesagt! Auf einer Vespa knattern wir die Insel ab, staunen über Dörfer wie Malfa, Rinella oder Leni, in denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Gleich kommt Sophia Loren um die Ecke Am besten gefällt uns jener Abend, den wir am Fuße des Strombolis verbringen. In perfekter Symmetrie ragt der Vulkan wie ein Kegel aus dem Meer und tut uns tatsächlich den Gefallen zu uns zu sprechen, wie die Einheimischen die regelmäßigen Eruptionen nennen, für die der Stromboli berühmt ist. Orangerot sprüht die Lava in den schwarzen Himmel, während wir das Dinner bei einem Glas Malvasia ausklingen lassen. Der goldgelbe, üppige Süßwein wird auf Salina gekeltert, dazu breitet man überreife Weintrauben auf Strohmatten aus und lässt sie in der Sonne trocknen, ein Anblick, der im Herbst auf Salina allgegenwärtig ist. Mitsegler Peter hat auf seiner Vespa-Tour Carlo Hauner, einem der besten Winzer der Insel, einen Besuch abgestattet und ein paar Fläschchen mitgebracht. Großzügig gibt er eine Runde aus. Gemeinsam leeren wir die Gläser in stiller Eintracht, lassen das Feuerwerk des Strombolis auf uns wirken. Und wissen, dass wir diese Nacht nie vergessen werden. Zurück nach Sizilien. Im Morgengrauen passieren wir die Straße von Messina und motoren heute hat uns der Wind im Stich gelassen Richtung Süden. Die Frühaufsteher unter uns geraten ob eines seltenen Anblicks ganz aus dem Häuschen. Der Ätna, dessen Gipfel üblicherweise in einem Wolkenkränzchen steckt, präsentiert sich zu Sonnenaufgang stolz mit bloßem Haupt. Wir interpretieren das als Einladung, der wir nur zu gerne nachkommen. Ein Landtag muss sein, um die Region in ihrer Besonderheit erfassen zu können, wir wollen Taormina sehen, von dem Goethe in der Italienischen Reise so schwärmte, und natürlich den höchsten und aktivsten Vulkan Europas. Taxifahrer Antonio, ein Sizilianer wie aus dem Bilderbuch, entpuppt sich als wahrer Glücksgriff. Nicht nur, dass er bezüglich des Preises mit sich handeln lässt und uns sicher durch die absurd engen Gässchen und Haarnadelkurven in das 200 Meter über dem Meeresspiegel liegende Taormina chauffiert, er hat auch so manchen Tipp für uns bereit. Zunächst arbeiten wir aber die Klassiker Taorminas ab, das in eine Felsformation eingebettete antike Theater mit seinem unglaublichen Blick auf Bucht und Ätna, der schon den Römern als natürliches Bühnenbild diente, 50 yachtrevue 12/2010

6 Landpartie. Salina (links und oben) wird mit dem Mofa erkundet, Vulcano (oben Mitte) mit Wanderschuhen und die Flaniermeile Corso Umberto, die sich zwischen zwei antiken Stadttoren erstreckt. Vor diesen Häusern mit ihren putzigen Balkonen ist schon Kaiserin Sisi als Touristin lustgewandelt! Nach der Porta Messina nimmt uns Antonio wieder in Empfang und rät uns, auch das noch höher gelegene Castelmola zu besuchen. Also gut, rein ins Taxi und weitere Ustica Tyrrhenisches Meer Trapani Favignana Palermo Cefalu SIZILIEN Filicudi Alicudi Stromboli Tropea Salina Lipari Vulcano Milazzo Messina Taormina Ätna Catania Agrigento Der Törn mit der Kairós führte von Syrakus durch die Straße von Messina zu den Liparischen Inseln und wieder zurück. Der Stahl-Schoner ist im Sommer im Mittelmeer und im Winter in der Karibik unterwegs Syrakus ca. 30 sm 12/2010 yachtrevue 51

7 Sizilien Reviere Kultur. Syrakus (oben links) und Taormina (Mitte und rechts) zählen zu den schönsten Plätzen Siziliens. Den Ätna ohne Wolkenkranz (großes Bild) zu sehen, ist ein Erlebnis der besonderen Art und war nur den Frühaufstehern an Bord der Kairós vergönnt 300 Höhenmeter hinaufgeschraubt, bis auf den Gipfel des Monte Tauro, so sich das Dörfchen wie ein Adlerhorst in die Felsen schmiegt. Wir sind hingerissen von den stillen, romantischen Plätzen und Gassen und würden hier gerne zum Mittagessen bleiben. Aber dem weiß Antonio einen Riegel vorzuschieben: No, no, troppo turistico! Er holpert mit uns lieber über Stock und Stein nach Graniti und lädt uns vor einer Agricultura ab, einem dieser familienbetriebenen Agrotourimus-Gutshöfe, in denen vorwiegend Produkte aus eigener Landwirtschaft verarbeitet und kredenzt werden. Unsere anfängliche Skepsis (will Antonio vor allem einem Spezi ein Geschäft zuschanzen?) weicht bald heller Begeisterung. Die Wirtin serviert Platte um Platte mit Vorspeisen in allen Varianten, danach mit Ricotta gefüllte Ravioli mit Salbeibutter. Köstlich! Tipicamente italiano, versichert Antonio immer wieder und wir glauben ihm aufs Wort. Inklusive Getränke und Café macchiato zahlen wir 20 Euro pro Person ein Schnäppchenpreis. Letzte Station des Tages ist der Ätna. Endlose Kurven führen auf seinem Gebirgsstock zur Talstation einer Seilbahn; im Winter kann man hier allen Ernstes Schifahren. Als wir aussteigen, pfeift uns eisiger Wind um die Ohren. Rundum die Landschaft eines fremden Planeten. Schwarze Blöcke, von einem zornigen Riesen vom über Meter hohen Gipfel geschleudert. Unentschlossen drehen wir eine kleine Runde um einen der Nebenkrater, fühlen uns seltsam fremd an diesem unwirtlichen Platz. Bald sitzen wir wieder in Antonios Taxi und lassen uns nach Acitrezza bringen, wo die Kairós auf uns warten sollte. Stumm betrachten wir während der Fahrt die Schneisen der Verwüstung, die der Ätna bei seinen Ausbrüchen im letzten Jahrzehnt in die Bergflanken geschlagen hat; in der erstarrten Lava sind immer wieder zerstörte Häuser auszumachen. Wie kann man hier nur wohnen? Als wir an der Küste ankommen, taucht das letzte Abendlicht die drei Felsen von Acitrezza, angeblich vom geblendeten Zyklopen nach Odysseus geworfen, in einen rötlichen Schein. Dahinter liegt tatsächlich die treue Kairós. Ein Anruf und wir werden mit dem Dingi abgeholt. Morgen steht die letzte Etappe zurück zum Ausgangshafen Syrakus auf dem Programm. Die eindrucksvolle Stadt, die in der Antike als mächtigste der Welt galt, haben wir schon an unserem Ankunftstag ausgiebig besichtigt, sie wurde von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt, weil sie eine einzigartige Ansammlung bemerkenswerter Zeugnisse unterschiedlicher Mittelmeerkulturen darstellt. Unseren letzten Tag werden wir daher an Bord der Kairós verbringen. Und in vollen Zügen genießen. n 52 yachtrevue 12/2010

8 Szenenwechsel Marktlücke. Lust, in die Welt der luxuriösen, großen Traditionssegler zu schnuppern? Für einen Törn auf dem Zweimaster Kairós muss man kein Millionär sein Die Kairós ist ein so genannter Stagsegel- oder Bermudaschoner, der sich aufgrund der zentralen Anordnung der Segel auch von einer kleinen Crew gut beherrschen lässt. Gezeichnet wurde das 125 Fuß lange Stahlschiff mit Teakdeck vom deutschen Konstrukteur Klaus Röder nach den Vorgaben des Eigners Andreas Steidle-Seiler, gebaut 2005/06 in der Türkei. Ziel war es, leistbaren Kojencharter auf einer schönen, komfortablen, klassischen Yacht mit ausgezeichneten Segeleigenschaften anzubieten. Denn der in Überlingen am Bodensee aufgewachsene Steidle-Seiler, ein gelernter Bauingenieur, hat nicht nur eine Schwäche für traditionelle Yachten, sondern auch einen einschlägigen Background mit Stationen in Finn, Drachen, Starboot und Nationalem Kreuzer eine Motoryacht mit Segel- Deko war ihm definitiv zu wenig. Sein Geschäftskonzept ist innovativ, schlüssig und kommt gut an, das beweist die hohe Zahl an Stammkunden. Die Kairós wird von einer professionellen Crew gesegelt, die Gäste können sich an Bord intensiv einbringen (steuern, Segel setzen und trimmen, navigieren) oder passiv genießen ganz nach Belieben. Angeboten werden einwöchige Törns in Mittelmeer und Karibik, darunter auch Themenreisen. Dabei ist ein Fachmann mit an Bord, der die Gäste mit entsprechenden Infos versorgt und auf Ausflügen begleitet. Für erfahrene Segler besonders interessant sind außergewöhnliche Reviere, die auf Charteryachten üblicher Größe schwierig zu erkunden sind, wie Gibraltar oder die Liparischen Inseln. Die Route ist stets in groben Zügen vorgegeben, richtet sich im Detail aber wie auf einer Segelyacht üblich nach Wind und Wetter. Im Frühling und Herbst stehen zudem preislich günstige Überstellungstörns sowie eine Atlantiküberquerung auf dem Programm. Die Kairós, die unter holländischer Flagge läuft, verfügt über neun Doppelkabinen mit jeweils eigenem Bad. Ein Koch und eine Stewardess kümmern sich um das leibliche Wohl der Gäste, Vollpension mit vier Mahlzeiten sowie Wasser, Kaffee und Tee sind im Preis inbegriffen. Die Atmosphäre an Bord ist leger und familiär; wer will, findet leicht Anschluss, wer lieber für sich sein möchte, genügend Platz an und unter Deck um sich zurückzuziehen. Neben Kojencharter sind auch Vollcharter oder die Organisation individueller Events (Produktpräsentationen, Seminare) möglich. Preisbeispiele (pro Person, in der jeweils günstigeren Kabinenkategorie): Segeltörn, , Antigua Segeltörn, , Kykladen Thementörn Wale & Delfine, , Gibraltar In Österreich ist die Kairós über Caravelle Seereisen buchbar, 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 71/2/313, Tel.: 01/ , (Menüpunkt Sailing Classics) 12/2010 yachtrevue 53