EAF Berlin 30. April 2014 Wahlquoten Ein neuer globaler Trend
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- Pia Arnold
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1 EAF Berlin 30. April 2014 Wahlquoten Ein neuer globaler Trend Drude Dahlerup, Professorin für Politikwissenschaften an der Universität Stockholm Mitglied des Global Civil Society Board Beraterin der Leiterin von UN Women
2 1. Konzepte von Demokratie und Vertretung
3 UN Platform for Action, Beijing 1995: Mit dem Erreichen des Ziels von gleicher Teilhabe von Frauen und Männern in Entscheidungsprozessen wird ein Gleichgewicht erreicht, das die Zusammensetzung der Gesellschaft genauer widerspiegelt und das nötig ist, um die Demokratie zu stärken und ihr Funktionieren zu begünstigen (Art. 183).
4 Ein neuer Diskurs innerhalb aktueller Frauenbewegungen Europäische Frauenlobby unter dem Motto Keine moderne Europäische Demokratie ohne Geschlechtergerechtigkeit Kampagne 2008 Die momentane Unterrepräsentanz von Frauen in den meisten gewählten Räten in Europa, das Europäische Parlament eingeschlossen, ist ein ernsthaftes demokratisches Defizit, das die Legitimität europäischer Institutionen und politischer Parteien gefährdet. (
5 Kommission für die Stellung der Frau (CSW) März 2014: Vereinbarungen E: Sicherstellen der Partizipation und Führung von Frauen auf allen Ebenen sowie Stärkung von Verantwortlichkeit mittels Leitlinien und Handlungen wie vorübergehende Sondermaßnahmen, wo nötig, und durch Setzung und Umsetzung konkreter Ziele, Vorgaben und Maßstäben.
6 Konzepte Affirmative action gezielte Fördermaßnahmen Positive action positive Diskriminierung Temporary special measures - vorübergehende Sondermaßnahmen Quotenregelungen Wenn alles in der Gesellschaft gerecht wäre, gäbe es keinen Bedarf an affirmative actions. Es gibt jedoch in allen Ländern direkte und indirekte Formen der Diskriminierung gegen Frauen (strukturelle Hürden).
7 Welche Form von Parité/Parität? 1. Institutionalisierte Parität Frankreich: Frauen und Männer können nur zusammen das Gemeinwohl definieren. Gesetz: 50 % weibliche + 50 % männliche Kandidaten für die Nationalversammlung oder 2. Parität als eine zeitlich begrenzte Maßnahme
8 Geschlechterneutral? Quoten für Frauen oder Geschlechterneutrale Quoten (z.b. nicht weniger als 40 %, und nicht mehr als 60% der Kandidat/innen beider Geschlechter)
9 2. weltweite politische Repräsentanz von Frauen
10 Durchschnitt in Weltregionen 2014 (Parlamente) Weltweiter Durchschnitt: 22.2 % Frauen * Skandinavien 42.1 % * Amerika (Nord & Süd) 25.2 % Europa (OSCE) 25.1 % Subsaharisches Afrika 22.9 % Asien 18.9 % Arabische Länder 17.8 % (2003: 6 %) Pazifik 13.4 %
11 Weltweiter Vergleich Lange Zeit waren Skandinavien und die Niederlande alleine an der Spitze des Weltranks weiblicher Repräsentanz Dies ist nicht mehr der Fall
12 Spitze des Weltranks Schweden 40.4 % 2. Norwegen 39.4 % 3. Finnland 33.5 % 4. Dänemark 33.0 % 5. Niederlande 31.3 % Die einzigen fünf Länder mit mehr als 30 % Frauen im Parlament, 1997
13 Warum ist Skandivien nicht mehr das einzige Modell? Durch das schrittweise Vorgehen in Skandinavien dauerte es 100 Jahre bis ein Anteil von % Frauen in den Parlamenten erreicht wurde. (Mittlerweile werden selbst in einigen Gebieten in Skandinavien schnellere Maßnahmen (fast track) übernommen). Vielen Länder der Welt, vor allem jene in Übergangssituationen (heraus aus Konflikten oder hin zur Demokatie) setzen Wahlquoten ein, um Frauen in politische Entscheidungsprozesse auf dem schnellen Weg (fast track) einzubeziehen.
14 Land Frauen in Parlamenten Führende Länder 2014 Frauen im Parlament, Prozent (Wahljahr) Quotenregelung Wahlsystem 1. Ruanda 64,0 (2013) Gesetzliche Quote Verhältniswahlrecht 2 Kuba 45,2 (2008) k.a. Einparteiensystem 3 Schweden 45,0 (2010) Parteiquote Verhältniswahlrecht 4. Senegal 42,7 (2012) Gesetzliche Quote Gemischt 6. Finnland 42,5 (2011) Keine Quote Verhältniswahlrecht 6 Südafrika 42,3 (2009) Parteiquote Verhältniswahlrecht 7. Ecuador 41,6 (2013) Parteiquote Verhältniswahlrecht 8. Nicaragua 40.2 (2011) Lega Verhältniswahlrecht 9. Island 39.7 (2013) Gesetzliche Quote Verhältniswahlrecht 10 Norwegen 39,6 (2009) Gesetzliche Quote Verhältniswahlrecht 11. Mozambik 39,2 (2009) Gesetzliche Quote Verhältniswahlrecht 12. Dänemark 39,0 (2011) Keine Quote Verhältniswahlrecht 13. Niederlande 38,7 (2012) Parteiquote Verhältniswahlrecht 13 Costa Rica 38,6 (2010) Gesetzliche Quote Verhältniswahlrecht 15 Timor-Leste 38,5 (2012) Gesetzliche Quote Verhältniswahlrecht 16. Belgien 38,3 (2010) Gesetzliche Quote Verhältniswahlrecht 17. Argentinien 37,4 (2011) Gesetzliche Quote Verhältniswahlrecht Wahlttag-Ergebnisse: 36 Länder mit mehr als 30 % Frauen in den Parlamenten (Unter- oder Repräsentantenhaus)
15 3. Geschlechterspezifische Wahlquoten wie funktionieren sie?
16 Länder mit mehr als 30% Frauen im Parlament Reservierte Sitze gesetzlich vorgeschriebene Kandidat/innen-Quoten Freiwillige Parteiquoten Keine Quoten Quelle: Atlas of Electoral Gender Quotas, im Erscheinen
17 Drei Haupttypen von Quoten 1. Freiwillige Parteiquoten: z.b.: Schweden, Norwegen, Deutschland 2. Kandidatenquoten per Gesetz, bindend für alle Parteien: In vielen Lateinamerikanischen Ländern, In Europa: Frankreich, Belgien, Spanien, Portugal, Slowenien und andere 3. Reservierte Sitze per Gesetz: Eine bestimmte Anzahl an Sitzen im Parlament werden im Vorfeld für Frauen (oder Minderheiten) unter den Gewählten reserviert Zahlreiche Beispiele in Asien und Afrika
18 Neuer Beitrag zu Deutschland Brigitte Geissel: Germany: Successful Quota Rules in a Gendered Society, in Drude Dahlerup & Monique Leyenaar (eds.), Breaking Male Dominance in Old Democracies. Oxford University Press 2013.
19 Welches Quotensystem? Eine Quotenregelung muss zu den Wahlsystemen passen, die auf den verschiedenen Ebenen eines Landes angeandt werden.
20 Zum Beispiel des französischen Parité-Gesetzes Das Quotengesetz von 2000 erfordert halbe-halbe männliche und weibliche Kandidaten von jeder politischen Partei 1. Nationalversammlung, erste Wahl 2002: Von 10,9% zu 12,3 % Frauenanteil 2. Kommunalparlamente, erste Wahl 2001: von 25,7% zu 47,5 % Frauenanteil
21 Wahlen in Tunesien Okt. 23, 2011 Wahlsystem: Verhältniswahl in 27 Wahlkreisen Quoten: Parität und Reißverschluss (jede/r Zweite/r = Frau oder Mann) Ergebnis: 49 Frauen, d.h. 27 % Frauen (28 % Frauen in Ben Alis Parlament!) Die meisten der gewählten Frauen (42) traten an für die islamische Partei Ennahda. Gründe für dieses Ergebnis? Über 100 neue Parteien. Weibliche Spitzenkandidaten nur auf 7% der Listen.
22 Kosovo- kontrovers Kombination aus Kandidatenquoten und reservierten Sitzen (garantierte Sitze) Kandidatenquoten: mindestens 30% jedes Geschlechts unter den Kandidat/innen + eine/r von dreien jedes Geschlechts auf jeder Parteiliste Kombiniert mit 30 % garantierten Sitzen unter den Gewählten in jeder Partei. Gewählte Männer werden von den meistgewählten Kandidatinnen ( beste Verliererin ) ersetzt
23 Warum sind Frauen unterrepräsentiert? 1. Weil es nicht genügend qualifizierte Frauen gibt? 2. Weil Wählerinnen nicht für Frauen stimmen? 3. Weil Parteien nicht ausreichend inklusiv ausgerichtet sind?
24 Diagnose Warum sind Frauen unterrepräsentiert? Die Diagnose ist maßgebend für die Strategie Ein neuer institutioneller Ansatz: Verlagerung von Frauen fehlt es an Qualifikation und Interesse hin zu dem Mangel an Inklusion in politischen Institutionen Erkennen der Hindernisse
25 Die Rolle der politischen Parteien In Parteisystemen fungieren politische Parteien als Gatekeeper (Torhüter & Weichensteller) für gewählte Positionen. Aufstellungen finden oft statt im geheimen Garten der Aufstellungen Politische Parteien haben große Kontrolle darüber, wer ausgewählt, aufgestellt und letztendlich gewählt wird. Die politischen Parteien haben die Macht, die historische Unterrepräsentanz von Frauen zu verändern.
26 Was passiert vor den Wahlen? Wenn die Wähler/innen die Wahlkabine betreten, wurden die Kandidat/innen längst aufgestellt. Die meisten Wähler/innen haben weder eine Vorstellung davon noch Einfluss darauf, wie die Kandidat/innen ausgewählt wurden. Quoten können einen Beitrag leisten zu einem transparanteren Aufstellungssystem als das Geklüngel in Männer-Netzwerken (the old boys network)
27 Eine bedeutende Wahlreform in der heutigen Welt 86 Länder haben Wahlquotierungen in ihre Verfassungen oder Wahlgesetze eingeführt. In circa 35 weiteren Ländern machen politische Parteien Gebrauch von freiwilligen Parteiquoten für ihre Wahllisten Weltweite Website zu Wahlquoten:
28 Quellen: Eine weltweite Übersicht zur ersten Einführung von Wahlquoten: Drude Dahlerup (ed): Women, Quotas and Politics. Routledge Europa: Electoral Gender Quota Systems and their Implementation in Europe, FEM Committee, European parliament. 2009, 2011, 2013 Eds. Drude Dahlerup and Lenita Freidenvall, Stockholm University.
29 Typen von geschlechterspezifischen Wahlquoten - Regionale Präferenzen Bewerber/innen Kandidat/innen Reservierte Sitze Per Gesetz: Vorwahlen Lateinamerika Arabische Welt (Panama) Balkan Asien, Afrika (sub-sah.) Freiwillig: UK Skandinavien (Marokko ) (reine Frauen- Südl. Afrika shortlists) Europa
30 Unterrepräsentanz von Frauen Quoten drehen sich um die numerische Repräsentanz von Frauen. Aber Quoten allein lösen nicht alle anderen Probleme. Geschlechtergerechtigkeit in der Politik kann als ein Wert an sich begriffen werden (Menschenrechte) oder als eine Maßnahme, das politische Leben und öffentliche Politiken zu verändern.
31 Ein geschlechtersensibles Parlament Ein geschlechtersensibles Parlament hat keine Hindernisse substantiell, strukturell oder kulturell - in Bezug auf die umfassende Partizipation und Gleichheit zwischen männlichen und weiblichen Mitgliedern und Angestellten Es ist nicht nur ein Ort, an dem Frauen arbeiten können, sondern auch einer, an dem Frauen arbeiten und sich einbringen wollen. Ein geschlechtersensibles Parlament ist daher ein modernes Parlament. Inter-Parliamentary Union 2012.
32 Wahlsysteme Verhältniswahlrecht mit Parteilisten mit zahlreichen Kandidat/innen ist günstiger für einen Anstieg von weiblicher Repräsentanz Mehrheitswahlrecht mit nur einem/r Kandidaten/in (und nur einem/r Kandidaten/in pro Partei oder einzelner Parteien) benachteiligt Frauen. Verhältniswahlrecht neigt dazu, Frauen eine höhere Repräsentanz zu ermöglichen und ist zudem einfacher mit Quotenregelugnen zu kombinieren.
33 Die Bedeutung des Wahlsystems Weltweite parlamentarische Repräsentanz von Frauen, 2012: Mehrheitswahlrecht: 14 % Gemischte Systeme: 18 % Verhältniswahlrecht: 25 %
34 Völlige Parität im Mehrheitswahlrecht Politische Versammlung 50% W M W M W M W M W M W M W M W M W M Jeder Wahlkreis/ jede Kommune wählt eine Frau und einen Mann
35 Bangladesch Gemeinderat W 1W 1W Unter 3 Gewählten, ein reservierter Sitz für Frauen
36 Indien, Panchayats: Rotationsprinzip Gemeinderat W W W 33 % der Sitze sind für Frauen reserviert mittels Rotation von einer Wahl zur nächsten Reservierung ebenso für vorgesehene Kasten
37 Sanktionen für Nichterfüllung Alle gesetzlichen Quotenregelungen: 1. Nichtzulassung der Wahlliste (Costa Rica, Spanien, Slowenien, Osttimor, Frankreich auf kommunaler Ebene) 2. Geldstrafen (Frankreich auf nationaler Ebene,Portugal) (3. Finanzielle Anreize, wenn eine Partei einen gewissen Frauenanteil unter den Kandidaten (Georgien) oder Gewählten (Kolumbien) übersteigt)
38 Bei Verhältniswahlen sind Reihenfolgenvorschriften notwendig vertikale Quoten Kandidatenquoten: 1. Reißverschlusssystem (abwechselnd), z.b. Tunesien, Costa Rica, Senegal, Frankreich (kommunal) 2. Die ersten beiden Kandidat/innen können nicht dem gleichen Geschlecht angehören (Belgien + 50 % für die gesamte Liste) 3. 40:60 für je 5 Positionen auf der Liste (2 von 5), Spanien 4. Innerhalb einer Gruppe von 4 Kandidat/innen muss mindestens eine eine Frau sein (Osttimor)
39 Historische Sprüng auf dem schnellen Weg Ruanda: von 26 % zu 56 % Frauen, Jetzt 64% Frauen Costa Rica: von 19 % zu 35 %, 2002 Senegal: von 23 % zu 43 %, 2012 Algerien: von 8 % zu 32 %, 2012
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