Die Zeit ist reif für Nachhaltigkeit

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1 VDMA-Fachverband Kunststoff- und Gummimaschinen Vor zwei Jahren hat der VDMA seine Nachhaltigkeitsinitiative Blue Competence ins Leben gerufen. Mittlerweile sind schon fast 400 Mitglieder dieser Initiative beigetreten. Im Fachverband Kunststoff- und Gummimaschinen sind es 55. Damit ist diese Branche im deutschen Maschinen- und Anlagenbau Vorreiter in Sachen Umweltschutz, Ressourcenschonung und effizientes Wirtschaften. Blue Competence wird für diese Unternehmen auch auf der K 2013, der Weltleitmesse der Kunststoff- und Gummiindustrie im Oktober in Düsseldorf, eine große Rolle spielen. Der VDMA stellt deshalb einige dieser Unternehmen in einer Serie vor. Die Zeit ist reif für Nachhaltigkeit Engel Austria setzt auf Hybridantriebe und Leichtbau Frankfurt, 19. September 2013 Interview mit Dr. Peter Neumann, Geschäftsführender Gesellschafter von Engel Austria. Das Familienunternehmen aus dem oberösterreichischen Schwertberg nahe Linz stellt Spritzgießmaschinen, Roboter und integrierte Systemlösungen her. Herr Dr. Neumann, was bedeutet Nachhaltigkeit für Engel? Dr. Peter Neumann: Nachhaltigkeit ist für uns eine Grundhaltung. Wir fassen den Begriff sehr weit. Es geht uns nicht nur um Energie- und Produktionseffizienz. Nachhaltig sein heißt auch, dass man sich auf uns verlassen kann, dass wir als Lieferant auf Kontinuität setzen. Wichtig ist, dass Nachhaltigkeit auch wirtschaftlich ist. Jeder steht im Wettbewerb, niemand kann es sich auf Dauer leisten, etwas zu tun oder zu lassen, wenn es sich nicht rechnet.

2 Wird Nachhaltigkeit erst nötig, weil die Ressourcen durch den steigenden Wohlstand in der Welt knapper werden? Dr. Neumann: Nachhaltigkeit bedeutet auch Verantwortung für die Umwelt. Und das ist nicht neu. Wir haben schon nachhaltig gehandelt, als es das Wort dafür noch nicht gab. Schon vor zwanzig Jahren haben wir beispielsweise den Vorläufer unserer heutigen Servohydraulik ecodrive entwickelt und für unseren Kunden Lego Spritzgießmaschinen gebaut, die kein Kühlwasser benötigten, weil sie keine Abwärme erzeugten. Die Energievernichtung durch Abwärme haben wir damit schon sehr früh verhindert. Damals gab es für dieses Produkt aber noch keinen Markt. Es war für die meisten Anwendungen zu teuer. Heute hingegen rechnet sich ecodrive für alle Verarbeiter, denn die Energiepreise sind in die Höhe gegangen und die Antriebe sind günstiger geworden. Jedes Produkt braucht seine Zeit und seinen Markt. Warum ist ecodrive nachhaltig? Dr. Neumann: Im Gegensatz zu einer Standardhydraulik mit Asynchronmotor setzen wir bei ecodrive Regelpumpen und Konstantpumpen mit Servomotor ein. Der Vorteil ist: Die Geschwindigkeit der Maschine steht in direktem Zusammenhang mit der Drehzahl des Antriebs. Mit ecodrive wird nur die tatsächlich benötigte Drehzahl gefahren. Das heißt, der Antrieb ist nur während der Bewegungen aktiv, im Stillstand zum Beispiel während der Kühlzeit wird keine Spül- beziehungsweise Leerlaufenergie verbraucht. Zusätzlich ist die Maschine äußerst leise, und der Kühlwasserbedarf ist wesentlich niedriger. Die Maschinen realisieren damit ähnliche Energieeinsparungen wie vergleichbare vollelektrische Maschinen. Warum setzt man nicht ganz auf vollelektrische Maschinen? Dr. Neumann: Bei Spritzgießmaschinen mit mittleren und großen Schließkräften werden Funktionen wie beispielsweise der Kernzug weiter zwingend hydraulisch sein. Man muss also bei einem elektrischen Antrieb ein hydraulisches Aggregat hinzufügen, das in so einer Konstellation sehr aufwendig ist und teilweise wieder zu einem schlechteren Wirkungsgrad führt. Ich glaube, bei solchen Maschinen wird es verstärkt Hybridlösungen geben, bei denen die Hydraulik in ecodrive ausgeführt wird. Mehr als 50 Prozent der hydraulischen Engel-

3 Maschinen werden bereits damit ausgestattet. Bereits laufende Maschinen können nachgerüstet werden. Bei kleineren Maschinen ohne Nebenfunktionen, die eine Hydraulik benötigen, wird sich sehr wohl die vollelektrische Antriebstechnik stark durchsetzen. Die Verpackungsindustrie ist eine Ihrer wichtigsten Kundenbranchen. Welche Effizienzsteigerungen sind dort noch möglich? Dr. Neumann: In der Verpackungsindustrie sind die Einsparmöglichkeiten produktseitig weitgehend ausgereizt. Es werden schon extrem dünnwandige Verpackungsteile und extrem dünne Folien produziert. Weitere Möglichkeiten, die Stückkosten zu senken, eröffnet die Einsparung von Energie während des Produktionsprozesses. Das ist der Grund, warum in dieser Branche der Fokus besonders stark auf der Energieeffizienz liegt. Die Energie macht bei einem Spritzgießprodukt etwa zehn Prozent der Gesamtkosten aus. Da in der Verpackungsindustrie sehr hohe Stückzahlen gefertigt werden, bedeutet ein Einsparungspotential von bis zu 35 Prozent des Energieverbrauchs schon eine enorme Kostenentlastung. Gibt es weitere Stellschrauben, mit denen man für Nachhaltigkeit sorgen kann? Dr. Neumann: Eine ganz wichtige ist der Leichtbau in der Automobilindustrie. Im Kern geht es darum, Metallteile durch Kunststoffteile zu ersetzen. Auf diese Weise werden die Autos leichter und verbrauchen weniger Treibstoff. Wir bei Engel haben ein eigenes Technologiezentrum für Leichtbau-Composites gegründet, wo wir auf diesem Gebiet forschen. Mit einem Umsatzanteil von etwa 40 Prozent ist die Automobilindustrie unsere größte Kundenbranche. Auf der K 2013 werden wir für die Automobilindustrie zwei innovative Leichtbau-Anwendungen zeigen. Engel hat eine Exportquote von 95 Prozent. Was sind die wichtigsten Märkte und wie verschieben sie sich? Dr. Neumann: Wir liefern den Großteil unserer Maschinen naturgemäß in technisch eher anspruchsvolle Regionen, also vor allem nach Europa und in die USA. Durch die Globalisierung sind für uns aber auch neue Märkte entstanden vor allem in Asien, aber

4 auch in Lateinamerika. Dort sind die Ansprüche an Qualitätsstandards inzwischen stark gestiegen. Bekommen Sie ausreichend Fachkräfte? Dr. Neumann: Ja. Wir profitieren davon, dass die Universität Linz einen eigenen Fachbereich Kunststofftechnik eingeführt hat und wir seit jeher stark in die hausinterne Ausund Weiterbildung investieren. Zunehmend kommen auch Mitarbeiter aus Deutschland zu uns. Das liegt zum einen daran, dass in Österreich inzwischen dasselbe gezahlt wird wie in Deutschland. Zum anderen schätzen die Menschen den hohen Lebenswert hier in der Region Oberösterreich. Kernfrage: Warum ist die Initiative Blue Competence für Sie wichtig? Dr. Neumann: Blue Competence ist eine Art Gütesiegel. Die Initiative stellt die Leistungen der Industrie in puncto Nachhaltigkeit heraus. Sie zeigt den technologischen Vorsprung, den Wissens- und den Kompetenzvorsprung, den die Mitgliedsunternehmen weltweit haben. Es wird deutlich, wie mit innovativen Technologien nachhaltig produziert werden kann, und das bei gleichzeitig weiter sinkenden Stückkosten. Das gilt es zu kommunizieren. Somit ist Blue Competence für unsere Branche eine hervorragende Plattform, unsere Innovationskraft zu demonstrieren. Bildunterschriften: BU 1: Dr. Peter Neumann

5 BU 2: Spritzgießmaschinenproduktion am Stammsitz von Engel Austria in Schwertberg. Pressekontakt: VDMA Kunststoff- und Gummimaschinen Projektleitung Blue Competence Ina Vettkötter Tel.: Weitere Links: Im Fachverband Kunststoff- und Gummimaschinen im VDMA sind mit mehr als 200 Mitgliedern die bedeutendsten Unternehmen der Branche zusammengeschlossen; diese decken über 90% des gesamten Branchenumsatzes ab. Der deutsche Kunststoff- und Gummimaschinenbau ist die weltweite Nr. 1 mit einem Marktanteil von über 25% im Export.