Johanniskraut (Hypericum perforatum L.) - Dem Teufel auf der Spur

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1 Johanniskraut (Hypericum perforatum L.) - Dem Teufel auf der Spur Das Johanniskraut war dem Teufel schon immer ein Dorn im Auge, so dass er es mit Nadeln durchlöchert hat. Also nennen wir das Johanniskraut doch besser gleich Tausendlöcherkraut. Nur Geduld, liebe Leser, es klärt sich gleich auf. Das Johanniskraut gilt als das Hexenkraut schlechthin, das Johannes dem Täufer gewidmet ist und, wen überrascht es noch, in der Johannesnacht geerntet wird. Und wegen der Fülle an Löchern in den Blättern des Johanniskrautes drängte es sich förmlich auf, es bei Stich- und Schussverletzungen einzusetzen. So weit so gut. Gehen wir es besser botanisch an. Das Johanniskraut zählt zur Familie der Johanniskrautgewächse (Hypericaceae). Wenn das nichts ist, eine Heilpflanze, die gleichzeitig eine komplette Familie ausmacht! Das echte Johanniskraut, über das wir hier sprechen, ist eine ausdauernde Pflanze, die eine Höhe von bis zu 1 m erreicht. Der Stengel des echten Johanniskrautes ist markig gefüllt, wodurch es sich von anderen Johanniskrautarten unterscheidet. Die Blüten sind als eine so genannte Trugdolde angelegt, d.h. die einzelnen Blüten stehen dicht gedrängt und täuschen so eine Dolde vor. Die Kronblätter des echten Johanniskrautes sind goldgelb und haben das pharmakologisch interessante Hypericin eingelagert. Das Johanniskraut liebt die direkte Sonneneinstrahlung und ist daher in den warmen Regionen Europas, Westasiens und Nordafrikas beheimatet. Und in der Tat. Auch die Pharmakologen haben es mit dem Teufel. Das Johanniskraut ist die am besten untersuchte Heilpflanze, seine Wirkungen sind wissenschaftlich weit reichend belegt. Schätzungen zu Folge erscheinen monatlich weltweit etwa 10 wissenschaftliche Publikationen, die sich mit dem Johanniskraut beschäftigen. Wenn das nicht mit dem Teufel zugeht? Als Droge wird das geschnittene und in Bündel getrocknete Kraut verwendet, das zu Beginn der Blütezeit geerntet wird. Später geerntetes Johanniskraut beinhaltet zu viel des wichtigsten Inhaltsstoffes Hyperforin, das für Wechsel

2 wirkungen mit anderen Arzneistoffen verantwortlich ist. Das Johanniskraut enthält eine Reihe von Inhaltsstoffen, an den sich die Pharmakologen reichlich austoben können, wie Fachchinesisch: antiphlogistisch - entzündungshemmende Wirkung; entsprechende Medikamente werden Flavon- und Flavonolderivate, als Antiphlogistica bezeichnet Naphthodianth- antidepressiv - gegen Stimmungsschwankungerone, Phloroglucine, Myalgien - Muskelschmerzen Xanthone, Procyanidine, Derivate Abkömmlinge einer chemischen Gerbstoffe und ätherisches Grundsubstanz Öl. Die Inhaltsstoffe sind für die leicht antidepressive und antiphlogistische Wirkung verantwortlich, die selbst von den größten Skeptikern unter den Pharmakologen bestätigt werden, und das ganz ohne Zähneknirschen. Als Anwendungsgebiete werden bei innerlicher Anwendung psychovegetativen Störungen, depressiven Verstimmungszuständen, Angst und/oder nervöser Unruhe und in Form öliger Hypericum-Zubereitungen dyspeptische Beschwerden genannt. Ölige Hypericum-Zubereitungen werden außerdem äußerlich zur Behandlung und Nachbehandlung von scharfen und stumpfen Verletzungen, Myalgien und Verbrennungen 1. Grades verwendet. Die Volksmediziner haben nur relativ wenig zu ergänzen und erwähnen zusätzlich lediglich den Einsatz des Johanniskrautes bei Gallenblasenerkrankungen, Gastritis, Bronchitis, Asthma, Diarrhöe, Enuresis nocturna, Rheuma, Gicht sowie gegen Würmer. Allerdings hat uns der Teufel doch einige Steine in den Weg gelegt, denn das Johanniskraut hat einige gravierende Kontraindikationen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, so dass sein Einsatz vorab genau abgewogen werden muss. In jedem Fall sollten Sie Ihren Arzt oder Apotheker zu Rate ziehen. Insbesondere ist die Gefahr einer Photosensibilisierung gezeigt worden, so dass Johanniskraut und Sonnenstudio sich nicht so richtig mögen. Zynische Stimmen unter den Pharmakologen werden sagen, dass die Kontra

3 indikation, Wechselwirkungen und unerwünschten Wirkungen der beste Beweis für die Wirksamkeit des Johanniskrautes seien. Ach ja, eines bliebe noch aufzuklären. Wie kommen die Löcher in die Blätter? Liebe Freunde der Arzneipflanzen, es ist mal wieder ganz einfach. Bei den Löchern handelt es sich um Öldrüsen, über die die Blätter des Johanniskrauts ätherische Öle abgeben. Von wegen Teufel, von dem kann weit und breit keine Rede sein. Johanniskraut hilft dann wohl auch nicht gegen Schussoder Stichverletzungen, allenfalls gegen die leichten Depressionen, die bei den Angehörigen angesichts eines tragischen Verlustes als deren Folge auftreten können. Jetzt hätte ich vor lauter Begeisterung für das Johanniskraut doch beinahe vergessen, seine Geschichte in der Naturheilkunde zu erwähnen. Das Johanniskraut gilt als eine der wohl ältesten Arzneipflanzen und blickt auf eine zweitausendjährige Geschichte zurück. Und natürlich gibt es wieder zahlreiche Legenden, die sich um das Johanniskraut ranken. Zum Beispiel macht ein Ammenmärchen auch heute noch die Runde, denn zerreibt man eine Blüte mit den Fingern, tritt blutroter Saft aus, was damit begründet wird, dass das Johanniskraut einen Tropfen des gekreuzigten Christus auffing. Nun aber zu den Rezepturen, die Sie ja sicher wieder am meisten interessieren. Die Tagesdosis beträgt, soweit nicht anders verordnet, bei innerlicher Anwendung 2-4 g der Droge, was mg Hypericin entspricht. Die Darreichung als eigenständig hergestellter Tee wird in der Regel nicht angeraten. Für alle, die dennoch nicht darauf verzichten möchten, wird empfohlen 1-2 g der zerkleinerten Droge mit 150 ml kochendem Wasser zu übergießen und nach 5-10 Minuten durch ein Teesieb zu geben. Je eine Tasse am Morgen und am Abend können Sie sich davon gönnen. Allerdings zweifeln unsere Freunde, die Pharmakologen an, dass mit der Darreichung als Tee die erforderliche Konzentration erzielt werden kann, um - 3 -

4 bei Depressionen die gewünschte Wirkung zu erzielen. Versuch macht in diesem Fall wohl klug. Ansonsten muss ich in diesem Fall wohl eher den Besuch in der nahe gelegenen Apotheke empfehlen. In diesem Zusammenhang sollten wir einmal näher auf den Disput zwischen Pharmakologen und Volksmediziner eingehen. Während die Volksmediziner in der Regel auf einen großen Erfahrungsschatz zugreifen, der im Laufe der Jahrhunderte zu den Anwendungsmöglichkeiten einer Heilpflanze gesammelt wurde und häufig in alten Überlieferungen zu finden ist, betrachten die Pharmakologen die Wirkungen einer Droge streng wissenschaftlich und halten ihren Einsatz nur dann für sinnvoll, wenn die Wirkungen auch exakt nachgewiesen werden können. Das ist besonders im Falle natürlicher Drogen nicht trivial, denn von vielen Heilpflanzen sind nicht einmal die in ihnen vorkommenden Inhaltsstoffe vollständig bekannt. Die Pharmakologen betrachten in einem solchen Fall die Wirkungen natürlich eher skeptisch, da sie bestrebt sind, auch die Wirkmechanismen der Inhaltsstoffe aufzuklären. Dennoch stimmen häufig die Aussagen der Pharmakologen und Volksmediziner hinsichtlich einer Heilpflanze überein, was Ihnen, liebe Leser, die Sicherheit vermittelt, dass die Anwendung dieser Droge auch wirklich sinnvoll ist. Das heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass eine Anwendung, die die Volksmediziner empfehlen, nicht auch dann den gewünschten Erfolgt bringen könnte, wenn den Pharmakologen die gewünschten Nachweise nicht oder besser noch nicht vorliegen. Im Falle des Johanniskrauts haben die Pharmakologen auf eine Reihe von Wirkungen, aber auch auf einige unerwünschte Wirkungen hingewiesen. Und, liebe Leser, nehmen Sie das bitte ernst. Denken Sie bitte nicht, mit einer Runde Johanniskraut der nächsten Party mit leicht gedrückter Stimmung zu teuflisch guter Stimmung verhelfen zu können. Das Johanniskraut ist eine ernst zu nehmende Arzneipflanze. Die äußere Behandlung erfolgt übrigens in Form des so genannten Rotöls, das ein Auszug mit Pflanzenölen darstellt. Dabei werden vor allem die Blüten und die oberen Blättchen extrahiert. Diese so genannte Mazeration dauert - 4 -

5 mehrere Wochen und erst wenn das Öl eine kräftig rote Farbe angenommen hat, wird es zur Anwendung gebracht. Sie erinnern sich an die Legende um das Blut des gekreuzigten Christus? Dann wissen Sie, woher die rote Farbe stammt. Als Pflanzenöle werden Olivenöl, Sonnenblumenöl und Weizenkeimöl verwendet. Das Rotöl, einmal fertig gestellt, wird auf sterilen Mull aufgebracht, der dann auf die entzündlichen Stellen gelegt wird. Ein Rotölverband ist etwa alle 8 Stunden zu wechseln. Das Johanniskraut ist, wie wir gesehen haben, ein echter Star unter den Arzneipflanzen, so dass ihm der nachfolgende Kurzsteckbrief gewidmet ist: Johanniskraut Botanische Bezeichnung Hypericum perforatum L. Kraut (Herba hyperici), Blüten (Flores Droge hyperici) Gerbstoffe, Hypericin, Hyperosid, Ätherisches Öl, Harz, organische Inhaltsstoffe Säuren, Vitamin C, Provitamin A, Flavon- und Flavonolderivate u.a. Wirkungen leicht antidepressiv, antiphlogistisch psychovegetative Störungen, depressive Verstimmungszustände, Angst, nervöser Unruhe, dyspeptische Beschwerden, Gallenblasen- Anwendungsgebiete erkrankungen, Bronchitis, Asthma, Rheuma, Gicht Unerwünschte Wirkungen photosensibilisierende Wirkung Wechselwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker Gegenanzeigen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker Tee, ölige Auszüge, Umschläge, Darreichungsform Waschungen - 5 -