Stephan grünewald. Köln. auf der CouCh. Die Unzerstörbarkeit der Sehnsucht

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1 Stephan grünewald Köln auf der CouCh Die Unzerstörbarkeit der Sehnsucht A n a c o n d a

2 Lizenzausgabe mit freundlicher Genehmigung 2008 Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln ~Titel der Originalausgabe: Köln auf der Couch. Die Unzerstörbarkeit der Sehnsucht Illustrationen: Carmen Stzrelecki, Köln Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter abrufbar. dieser Ausgabe 2015 Anaconda Verlag GmbH, Köln Alle Rechte vorbehalten. Umschlagmotive: JiSign / Fotolia (Hintergrund). dyadesign (Couch) Umschlaggestaltung: dyadesign, Düsseldorf, Printed in Czech Republic 2015 ISBN anacondaverlag.de

3 Im Andenken an den großen Kölner Psychologen Dr. Hermann Josef Berk

4 Inhalt Größe und Gemütlichkeit Das menschliche Grundproblem... 8 Die Kaffeebud Das Gästeklo Die Metropole Die kunstvolle Kölner Lebensstrategie Zur Intention und Methode des Buches Die verrückten Formen der Lebenskunst Gekonnte Unentschiedenheit Die Geschichte von Jan und Griet Teilnahmslose Wohlgefälligkeit Optimistische Schicksalsergebenheit Das ewige Werden Weiterwerkeln oder Weltuntergang Köln-Ikea die Welt als Provisorium Der Karneval Verschmelzung und Verwandlung Der exzessive Totentanz Der Karneval Anarchie und Erstarrung Fußball und der sentimentale Frohsinn... 57

5 Die Lebens-Versicherer: Klüngel, Schotter und Heilsbringer Klüngeln und Schunkeln Korruption und Verklumpung Abschotten und Abschottern Die Frage nach dem Eigenwert Mentale Stadtmauern Die Heilsbringer Die Befreiung von den Heinzelmännchen Betriebsgeheimnisse der Kölner Seele Entrückte Strategien der Daseinsbewältigung Der Humor Niveaulos oder erhaben? Entdramatisierung des Lebens Die Psychologie Das gallische Dorf der verstehenden Psychologie Die feindlichen Lager und die Freiheit der Seele Der psychologische Zaubertrank aus Freud, Alltag und Karneval Die Transzendenz Geschwister oder Kinder Gottes Die nie ankommende Sehnsucht Das geheime Ziel Das Kind im König Inhalt

6 Größe und Gemütlichkeit In meinem Büro hängt ein großes Bild von Köln. Man sieht eine Luftaufnahme der völlig zerstörten Kölner Innenstadt, die höchst wahrscheinlich unmittelbar nach Kriegsende entstanden ist. Erschüttert blickt man in eine schier endlose Trümmerlandschaft, in die sich das einst als eine der schönsten Städte der Welt gepriesene Köln verwandelt hatte. Doch mitten aus diesem Ruinenfeld ragt der Dom. Majestätisch, erhaben und tröstlich dem Schicksal trotzend. Neben dem Dom zieht der Rhein über brüchige Brücken hinweg gelassen seine Bahn. Die Wüstenei der fahlen, zerfallenen Häuser ist in ein goldgelb glänzendes Licht getaucht. Angebrochen ist ein heller, strahlender und neuer Tag. Der Rhein fließt. Der Dom steht als wolle er alle Sehnsüchte verkörpern, die die Menschen in dieser Stadt und in dieser Welt haben. Aber Köln ist nicht nur ein Spiegel menschlicher Sehnsüchte, sondern auch die Hauptstadt des Humors. Die Menschen in dieser Stadt glauben verschmitzt an ihre außergewöhnliche Stellung in der Welt. Auf einem kleinen Plätzchen in der Kölner Altstadt steht die vier Meter hohe quadratische Schmitz-Säule. Eine Säule, die nicht nur wegen ihres Ur- Größe und Gemütlichkeit

7 kölner Namens in keiner anderen Stadt stehen könnte. Auf jeder der vier Seiten der Säule finden wir eine Aufschrift von stetig wachsender Bedeutung. Die erste Seite erinnert daran, dass hier vor fast Jahren eine Rheininsel lag, auf der die römischen Legionäre mit den Ubier-Mädchen flirteten. Die zweite Seite zeigt die legendäre Hochwassermarke des Jahres 1784 an. Die dritte Seite ist dem Spender der Säule gewidmet: Jupp Engels. In seinem Haus wurden die antiken römischen Steine gefunden, aus denen die Säule errichtet wurde. Auf der vierten Seite schließlich erfährt man von einem weiteren Ereignis, das sich just 1969 im Jahr der Säulen-Grundsteinlegung vollzog: Neil Armstrong betrat als erster Mensch den Mond und war dabei km und 100 Meter von unserer Schmitz-Säule entfernt. Das menschliche Grundproblem Jeder Kölner oder Immigrant, der irgendwann einmal zufällig an der Schmitz-Säule vorbeigeschlendert ist, wird sicherlich mit einer Mischung aus sentimentaler Rührung und Verblüffung auf die wundersamen dreifachen Gleichsetzungen der Säule reagieren: Jupp Engels und Neil Armstrong werden in einem Atemzug genannt. Vier Meter und fast Kilometer treten in einen Vergleich. Und der Mond konkurriert mit einem kleinen, beschaulichen Plätzchen in der Kölner Altstadt. Diese Gleichsetzungen berühren und amüsieren, weil sie ein zentrales seelisches Grundproblem nicht nur der Kölner, sondern aller Menschen aufgreifen: Wollen wir das