topoguide MAGAZIN Sicherheit am seidenen Haken

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1 Sicherheit am seidenen Haken Viele, vor allem jüngere Kletterer, denken sich bei Bohrhaken zunächst einmal nicht viel. Sie gelten gemeinhin als sichere Verankerung. Also einhängen, nachchalken und weiter geht s. Aufklärung tut somit Not, und vielleicht können wir mit diesem Artikel etwas dazu beitragen. Denn Bohrhaken sind nicht gleich Bohrhaken, und ein gut positionierter Normalhaken muss nicht zwangsläufig ein schlechter Sicherungspunkt sein. Geld & Zeit sparen auf Kosten der Sicherheit Wichtig ist vor allem, was sich im Fels verbirgt! Oder ob es sogenannte Setzfehler gab. Große Unterschiede und oft auch Risiken in Sachen Sicherheitsleistung bergen vor allem so genannte Selfmade Haken. Ich nenne sie gerne hausgemachte Bastelbolts. Sie werden eingesetzt, um a.) Geld zu sparen oder b.) um beim Bohren, also beim Einrichten einer Route schneller voranzukommen. Aber Geld und Zeit sparen auf Kosten der Sicherheit? Eine sehr fragwürdige Herangehensweise! Bei 100 Haken sprechen wir hier über maximal 50 EUR. Nicht mal eine Tankfüllung, um zum Berg zu fahren! Beim Bohren braucht man vielleicht einen Tag länger als mit genormtem Material, und mit einer oder gar zwei Dreierseilschaften lässt sich auch das Sherpa- Problem gut in den Griff bekommen. Wenig Aufwand also für einen immensen Sicherheitsgewinn! Und trotzdem wird es vor allem in den Dolomiten und den Nordalpen immer verrückter! Zeit also für einige Hinweise, wo Vorsicht angebracht ist und Gefahr im verborgenen lauert. Er steckt maximal (!) 25 mm im Fels! Der Urzeithaken In den Dolomiten nach wie vor gern genutzt und als Klassiker nicht wegzudenken. Sofern er gut aufliegt und im soliden Fels singend ins Gemäuer fuhr, hält er unter Umständen erstaunlich viel. Sobald sich jedoch nach Jahren langsam das Material in Rost auflöst, bekommt er Spiel im Felsspalt und verliert unweigerlich den Halt. Hier möchte man nicht mal mehr seinen Rucksack daran aufhängen. Der Sticht-Bohrhaken Er war einer der ersten Bohrhaken überhaupt und diente vor allem im Eisenzeitalter der technischen Fortbewegung auf glatten Wandstellen, wo es keine Risse und Schlitze gab, um Normalhaken zu schlagen.

2 Hübsches aus Holz Der Prototyp des Friends oder Klemmkeils. Aufgenommen in der Alten Rampe der Wilhelmswand. Die zweite Generation Schlaganker, bei denen ein Stift eingetrieben wird. Sofern aus Edelstahl (wie hier), durchaus noch halbwegs sicher. Wahrscheinlich jedoch weniger als die aufgedruckten 25 KN! Die Selfmade-Generation Weil früher industriell gefertigte Haken deutlich teuerer als heute verkauft wurden, mussten Alternativen in der heimischen Werkstatt geschaffen werden. Nicht immer war das handwerkliche Geschick ausreichend dafür. Eine ähnliche Version haben wir bei einer Sanierung am Scoglio di Boazzo mit einem einzigen Hammerschlag in die Tiefe befördert. Aus der Bastelstube am Corno Stella.

3 Rustikales aus den Ostalpen Ein einzementierter Baustahl ist die rustikalste Version und tuts auch... Hier ein ausgerissenes Exemplar am Ausstieg der Däumling Ostkante. Die modernen Bastelversionen Frei nach dem chinesischen Motto: Ein gute Kopie ist eine Ehre für das Original, versucht man 30 Jahre später nach wie vor, die industriell gefertigten und getesteten Versionen zu kopieren. Leider sind dabei immer wieder Leute mit zwei linken Händen und wenig Fachwissen am Werk. Hier eine Standkonstruktion aus der Däumling Ostwand. Die Bohrhaken stecken viel zu nah beieinander. Sie sollten einen Mindestabstand von 15 cm haben. Der Ring aus Edelstahl ist zwar gut gemeint, aber vermutlich kalt gebogen und wahrscheinlich auch nicht mit Schutzgas geschweißt. Die Schweißstelle setzt bereits Patina an. Große Vorsicht! Und noch mal was aus der Region Ein ausgerissener Selfmade-Klebehaken am Klettersteig des Steiglpasses. Es fehlen die Rillen, die für eine gute und schlüssige Verbindung mit dem Klebemörtel sorgen. Im Vergleich dazu ein industriell gefertigtes Modell Gut zu erkennen: Die Rillen, die Verjüngung durch Zusammenpressen (spart 2 mm beim Bohren). Abgestimmte und getestete Länge. Formschlüssig am Fels (Bohrlochrand), sitzt perfekt. Etwas aus der Südtiroler Bastelstube. Unglaublich! Auf einen Expansionsanker aufgeschraubte Kettenglieder! Teilweise auch noch quer zur Zugrichtung, so dass ein schöner Hebel entsteht. Größte Vorsicht! Nach dem erfolgreichen Test in der Gaudeamus gingen sie in der Via Brigida am Col dei Bos in Serie. Industrie- und Handwerkskammer Südtirol

4 Däumling: Bastelbolt der ersten Generation Auch heute noch gerne verwendet! Optisch aufgepeppt mit neuem Expansionsanker. Au weh! Erster Haken im Alpatraum an der Alpawand Nicht zurückgebogener Schaft, nicht mit Schutzgas geschweißt. Kalt gebogen (könnte feine Haarrisse verursachen). Bei Belastung könnte die Schweißnaht reißen. Rosten tut sie sowieso! Wir hatten vor 10 Jahren schon den Austausch angeboten. Ohne Erfolg! Seilschaftsabstürze könnten insbesondere beim Abseilen die Folge sein! Die heutige Generation Wie die meisten sie aus den Klettergärten der Welt kennen. In 8-, 10- und 12-mm-Varianten erhältlich. Im Gegensatz zum Granit reicht im Kalkgestein oft die verzinkte Version aus. In alpinen Regionen haben wir die Erfahrung gemacht, dass sie in Südwänden erst nach Jahren Patina ansetzen. Wie es dahinter ausschaut, kann man natürlich nicht beurteilen. Allzu beunruhigen sollte dies jedoch nicht. Was man jedoch nicht wissen kann, ist die Verankerungstiefe. In alpinen MSL-Touren werden oft kurze Expansionsanker zwischen mm verwendet. Geht halt einfach schneller zu bohren. Solange alle 2 3 Meter solch ein Bolt auftaucht, sollte bei dynamischer Sicherung und in solidem Gestein auch nichts ausbrechen. Bei runouts von 10 m und mehr wie sie in den Wendenstöcken oder bei vielen Dolomitentouren Gang und Gebe sind, würde ich schon mal die Luft anhalten. Aber bei so einem Sturz passiert das wahrscheinlich ganz automatisch... Hier die 12 mm Version, aufgenommen im Verdon.

5 Feuchtes und aggressives Milieu Im Granit, in Meeresnähe oder in einem allgemein feuchten Milieu sollten generell Inox- Haken verwendet werden. Allerdings nicht, wie hier am Salzburger Hochthron, aus einer Kombination mit verzinktem Expansionsanker. Hier wird s demnächst kritisch! Cleverer wäre da schon eine umgekehrte Kombination aus Inox-Anker und verzinkter Lasche, da diese ausgetauscht werden könnte. Der Expansionsanker nicht! Gleiches Spiel anderer Ort In Ailefroide nordseitig im Granit. Das Ganze dazu noch ohne Beilagscheibe, damit sich s auch schön schnell lockert... Die Verdon-typische Sanierung In die von früher noch vorhandenen kurzen Dübel wird eine neue Lasche mit einer dünnen Schraube aufgeschraubt. Oft auch eine Kombination aus verzinktem mit Edelstahlmaterial. Macht einen optisch guten Eindruck, dürfte aber bei weiteren Stürzen und in einigen wenigen Jahren brandgefährlich werden! Kombiniert man verzinktes Material mit Edelstahl, wirkt dies wie ein Rostbeschleuniger!

6 Hier das Ideal Lasche und Anker aus Edelstahl. Aufgenommen in der Vecchi Lupi am Corno Stella. Problem Kette und Standplatz Ein nur schwer zu lösendes Problem sind die Standplätze, an denen womöglich auch noch abgeseilt wird. Inox-Ketten sind viel zu teuer und zu schwer. Seil oder Bandschlingenverbindungen halten keinen Winter lang. Und Klebehaken sind nur bei Sanierungen sinnvoll einzusetzen. Vorm Abseilen also unbedingt die Verankerungen prüfen und bei Bedenken sicherheitshalber eigenes Material hängen lassen. Es hängt Dein Leben daran! Antiker Stand im Verdon. Dieser Klebehaken hält einen Elefanten! Wenn er denn richtig gesetzt wurde... Aufgenommen in der Willi light an der Wilhelmswand. In der Via Hammerbruch am Salbit kamen clevere Handwerker auf die absurde Idee, diese quer setzen zu müssen! Dabei zeigt der Pfeil doch eindeutig nach unten!!! Ist der Berg oder die Kletterwand nicht ein Allgemeingut? Die Bilder stammen alle aus dem Jahr Unglaublich, was man in nur Touren alles vor die Linse bekommt. Und bedenklich obendrein! Wir möchten hier niemanden diffamieren, aber darum bitten so etwas öffentlich zu machen. Dann könnte man sich gleich die weite Anreise sparen und zu anderen Touren laufen. Viele Erstbegeher, die wir ausfindig machen konnten, haben wir angeschrieben. Es wurde jedoch leider immer nur beschwichtigt. Eine Reaktion oder ein Einsehen erfolgte nur selten. Dabei muss ich immer wieder auf die gleiche Frage zurückkommen: Ist der Fels und die Natur nicht ein Allgemeingut und als solches zu behandeln? Wie kommt ein Erstbegeher darauf, ein Recht daran erwerben zu wollen? Tun und lassen zu können, was er gerade möchte und wie es ihm in den Sinn kommt?

7 Problem erkannt! Wie oft haben wir auf Probleme hingewiesen? Fast immer wurden wir dafür auf übelste Weise beschimpft! Beinaheabstürze oder Haken- bzw. Gesteinsausbrüche wie kürzlich in Sizilien passiert, werden keine Seltenheit bleiben! Ganz gleich, ob nun im mediterranen oder alpinen Gelände. Nicht geeignetes Material und somit Sicherheitsrisiken lauern überall. Es hilft nur, einen siebten Sinn zu entwickeln und sich mit dieser Problematik auseinander zu setzen. Beeinflussbare Sicherheit sollte oberste Priorität haben, auch wenn dies viele Erstbegeher nicht so sehen, weil sie scheinbar mit einem anderen Risikogen ausgestattet wurden. Denn nicht zu beeinflussende Faktoren wie Steinschlag, Wetter etc. gibt es noch genug! Was können wir tun? Es führt sicher kein Weg daran vorbei, dass sich die vernünftigen und sicherheitsbewussten Kletterer in einer Art Interessengemeinschaft oder in Kleingruppen zusammenschließen und für Abhilfe sorgen. In den Schweizer Alpen wird dies seit vielen Jahren schon so praktiziert. Vielleicht finden sich auch in Österreich, Südtirol oder dem Mont-Blanc-Gebiet ähnliche Gruppierungen zusammen. Für Sanierungen lassen sich eigentlich auch immer Materialsponsoren gewinnen. Bleibt also nur die reine harte Arbeit. Und wer das mal gemacht hat, schätzt die Leistung, eine Route einzurichten, danach sicher anders ein! Seit einigen Jahren bohren wir selbst jeden Sommer entweder eine neue Tour ein oder sanieren etwas. Ein Tropfen auf den berühmten heißen Stein. Volker Roth topoguide.de 2015 alle Rechte vorbehalten. Eine Vervielfältigung auch auszugsweise ist nur mit unserer schriftlichen Zustimmung erlaubt.