Frieden bewirken und über den «Ursprung» in Betlehem

Transkript

1 Frieden bewirken und über den «Ursprung» in Betlehem Prophetenbuch Micha 5,1 4a Predigt von Pfarrerin Theresa Rieder Am 25. Dezember

2 Bilder aus Betlehem, welches ich im Juli 2015 anlässlich einer interdisziplinären Studienreise der Universität Fribourg besuchte: Foto oben links: jüdische Bevölkerung lebt durch Zäune getrennt von der Palästinensischen; Foto oben rechts: In der Moschee besuchen wir das Grab Rahels; Foto unten links: dem Geburtsort des Hirtenkönigs David wird in Betlehem mit einem Strassenschild gedacht; Foto unten rechts: Israelitisches Militär reklamiert bibelgeschichtliche Ansprüche und fordert auf Plakaten das palästinensische Hoheitsgebiet zurück. Foto Titelseite: Jesus der Beweger des Universums (orthodoxe Kirche) 2 / 8

3 Inhalt LESUNG 1. Weihnachtsbotschaft? Einführung... 4 Unsere Wunschwelt und unsere reale Welt Zukunft unserer Welt. Beschreibung... 4 Mit Gott ist die Welt nicht verloren Zurück zum Ursprung. Erläuterung... 5 Den Blick in die Zukunft neu ausrichten Kleine wichtige Dinge. Berichte... 6 Ein Neuanfang Hirte werden. Wegbeschreibung... 7 Frieden bewirken... 7 Buch Micha Kapitel 5, Verse 1 4a Der künftige Herrscher aus Betlehem. 1 Und du, Betlehem-Efrata, zu klein, um zu den Tausendschaften von Juda zu zählen, aus dir wird ER für mich hervorgehen, um Herrscher zu sein über Israel. Und seine Ursprünge liegen in der Vorzeit, in längst vergangenen Tagen. 2 Darum gibt er sie hin bis zu der Zeit, da jene, die gebären soll, geboren hat. Dann wird der Rest seiner Brüder zurückkehren zu den Israeliten. 3 Und ER wird auftreten, und mit der Kraft des HERRN wird ER sie weiden, mit der Hoheit des Namens des HERRN, seines Gottes. Dann werden sie wohnen bleiben, denn nun wird er gross sein bis an die Enden der Erde. 4 Und mit IHM wird der Friede kommen. Wort der Heiligen Schrift. 3 / 8

4 1. Weihnachtsbotschaft? Einführung Unsere Wunschwelt und unsere reale Welt 4 Und mit IHM wird der Friede kommen. So haben wir es in der Lesung gehört. Liebe Gemeinde, Es kann nicht in der Absicht der Weihnachtsbotschaft liegen, sich wie auf Kommando friedlich, barmherzig und liebevoll zu verhalten. Weihnachten ist schön, doch keineswegs leicht. Weihnachten ist Spannung und Anspannung. Dies sind die Tage, an denen das Grosse und das Kleine sich gegenübertreten und bedrohen. Weihnachten: Das sind die kürzesten Tage im Jahr. Das Licht wird rar, Kerzen leiten durch das Dunkel, wir schenken uns Dinge, singen Lieder. Weihnachten ist Nähe, Streben nach Geborgenheit bei allen Widersprüchen. Die weite Welt bildet den Kontrast ist in der Bilanz düster. In Berlin raste eben einer mit dem Sattelschlepper gezielt in einen Weihnachtsmarkt. In Italien ruinierte ein Erdbeben Städte und Dörfer. Aleppo wurde im Krieg zerschmettert. Familien frieren, Völkerschaften sind auf der Flucht, die Bilder tun weh. Und in Amerika tritt ein Präsident an, der irrlichtert und kaum mehr Frieden bringen wird. 4 Und mit ihm wird der Friede kommen. Frieden wünschen wir uns privat und Frieden wünschen wir uns auf der ganzen Welt. Im Kleinen wie im Grossen. 2. Zukunft unserer Welt. Beschreibung Mit Gott ist die Welt nicht verloren Im Predigttext zum Christtag verweist der Prophet Micha auch auf eine angespannte Lage des Volkes Israel im 6. Jahrhundert vor Christus: 4 / 8

5 Israel war politisch und militärisch gedemütigt worden und durchaus auch durch eigene Fehler. In dieser chaotischen Kriegssituation setzten die Menschen all ihre Hoffnungen auf den Messias so wie ja auch heute Menschen ihre Sehnsüchte und unerfüllt gebliebenen Träume in Personen und Bewegungen projizieren, die ihnen schnelle Lösungen versprechen. Der Prophet Micha versprach keine schnelle Lösung, sondern erklärte, dass ein Zurückkehren zu den Ursprüngen angezeigt sei. Bethlehem, die kleine Stadt Judas, - dort sei der Ursprung. Fast 500 Jahre dauerte die Geschichte, bis in Betlehem ein Neubeginn mit der Menschwerdung Gottes begann. Und bis zum heutigen Tag ist mit IHM der Frieden noch nicht gekommen. Aber wie wäre die Welt ohne IHN? Jedem, der sich mit der globalen Wirklichkeit auseinandersetzt, stellt sich über kurz oder lang die wenig weihnachtliche Frage: Hat diese Welt überhaupt noch eine Zukunft? Können wir die Probleme in den Griff bekommen, die unaufhaltsam auf uns zurollen: Klimawandel, Überbevölkerung, kriegerische Verteilungskämpfe, atomare Selbstvernichtungsmöglichkeiten, nationalistische Abschottung, Attentate auf sog. «weiche Ziele», die zum Ziel haben, Schrecken und Angst zu verbreiten. Der Prophet Micha verwies auf den Ursprung, den kleinen Ort Betlehem in Juda, da wo der Hirtenkönig David zur Welt kam, Rut Zurück zum Ursprung. Erläuterung Den Blick in die Zukunft neu ausrichten Und du, Bethlehem, du kleine Stadt Judas, aus dir wird ER hervorgehen Diese Erinnerung an den Ursprung war beim Propheten Micha verbunden mit der kritischen Einschätzung der gesellschaftlichen und 5 / 8

6 politischen Wirklichkeit. Keine Scheinwelt, sondern eine neue Perspektive führte er den Israeliten vor. Vom Ursprung aller Dinge, von Betlehem aus, dem Geburtsort Davids, richtete er seinen Blick in die Zukunft: ER wird sie mit der Kraft des HERRN weiden Den Blick neu ausrichten richten, nicht auf die gescheiterte Menschheitsgeschichte, sondern Vorbild nehmen am Hirten, der kommen wird und seine Schafe weidet. Gott schickt seinem Volk nicht einen neuen Herrscher, der mit Macht und Gewalt, mit Krieg und Zerstörung die Verhältnisse umkehrt. Ein Anti-Herrscher wird Frieden bringen. Und tatsächlich: Mit Jesus Christus tritt ein Hirte in die Welt; einer, der bewahrt, schützt, Geborgenheit verleiht. Einer, der sich um die Verlorenen kümmert und die Heimatlosen zusammenführt. Einer, der nicht auf den eigenen Vorteil aus ist. Und mit diesem Jesus, das wir als zerbrechliches Kind in seiner Geburt feiern, mit ihm geschehen auch ganz neue, unerwartete Dinge: 4. Kleine wichtige Dinge. Berichte Ein Neuanfang jederzeit passieren auf der Welt gute Dinge. Sie fallen weniger auf. Denken wir an all die Leute, die irgendwo ohne Aufsehen helfen. Das Kleine Gute ist so wichtig wie das Grosse. Im Kleinen Gutes bewirken glückt am besten, wenn wir mit uns selber im Reinen sind. Stellen Sie sich vor, Sie würden permanent nur an den Schrecken auf Erden denken. Sie würden hyperventilieren, das eigene Leben vernachlässigen angesichts all der globalen Herausforderungen. Und die Leute um Sie herum würden leiden, weil Sie nur noch am Zappeln wären. 6 / 8

7 Um mit sich ins Reine zu kommen, will uns Weihnachten helfen: unser Fühlen und Denken richten wir auf das auf das Licht Christi in der Krippe. Das verändert uns! Gönnen wir uns die stillen Stunden, laben wir uns an der Kraft des Gotteskindes. Schauen wir, dass es in unserem Herzen stimmt, indem wir hier und jetzt das tun, was geboten ist: die eigenen Lieben und weniger Lieben der Familie an den Tisch beten; Freunde besuchen, die einem Jahreinund Jahraus beistehen in Freud und Leid. Und wenn wir dann in unserer warmen Stube mit Frieden und Freude umgeben sind, dann können wir uns den Sorgen der Welt stellen und uns überlegen, was wir denn bewirken können. Im Kirchgesangbuch seht dazu die alte Weisheit, die mir vor vielen Jahren der Lenker Arzt Hählen auf den Weg gegeben hat: Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden. Diese Weisheit haben die Hirten doch was bewirken Hirten in einer Welt voller reissender Wölfe? 5. Hirte werden. Wegbeschreibung Frieden bewirken Der Prophet Micha mutete dem unscheinbaren Hirten die Fähigkeit zu, Frieden zu bewirken unter den Völkern. War das eine Illusion, man könne ohne Gewalt Völker befrieden? Im kleinen Bethlehem geboren war zuerst David, dann Jesus Christus; der oder die, die heute irgendwo geboren werden und auf alle Gewaltmittel verzichten, die werden Frieden bewirken. 7 / 8

8 Diese frohe Botschaft haben wir auch 2017 in diese so verworrene Welt zu tragen. Wenn nicht wir, wer macht es dann? Realitätsfern ist die Botschaft jedenfalls nicht und aussichtloser als ein 15 Jahre währender Krieg in Afghanistan mit dem Ergebnis, dass jetzt die Menschen aus dem Land, das man mit Waffen zu befrieden versucht hat, zu uns flüchten, ist die Botschaft des Propheten schon gar nicht. So wollen wir uns heute an den grossen Friedensbogen unseres Glaubens erinnern lassen: Er spannt sich von der Schöpfung, vom Ursprung aller Dinge, bis zur neuen Welt Gottes. Unter diesen Bogen haben wir uns immer wieder zu stellen, von ihm auch zu künden. Die Spannung des Friedens wird gehalten durch den, dessen Geburt wir heute feiern: Jesus Christus. Lasst uns Teil dieser spannenden, weltumspannenden Friedensgeschichte bleiben und jeden Tag neu werden. Mit IHM, mit IHR wird der Friede kommen! Segen für den Leser, die Leserin: Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen. 8 / 8