des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft

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1 Landtag von Baden-Württemberg 16. Wahlperiode Drucksache 16 / Kleine Anfrage des Abg. Lars Patrick Berg AfD und Antwort des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Radongefährdung in privaten und öffentlichen Gebäuden in den Landkreisen Tuttlingen und Schwarzwald-Baar-Kreis Kleine Anfrage Ich frage die Landesregierung: 1. Wann haben im Landkreis Tuttlingen und Schwarzwald-Baar-Kreis letztmals in öffentlichen und privaten Gebäuden zum Schutz der Bevölkerung Radonmessungen stattgefunden? 2. Wie sehen die Radonmessungen aus? 3. Gibt es aus ihrer Sicht öffentliche und private Gebäude, die den Grenzwert von 300 Becquerel Radonkonzentration in der Innenraumluft überschreiten? 4. Wurde seit Veröffentlichung der Radonbroschüre im Jahr 2007 in Baden-Württemberg der bauliche Radonschutz an öffentlichen und privaten Gebäuden verändert, um das Lungenkrebsrisiko zu senken? 5. Ist es richtig, dass erhöhte Radonmessungen in der Konsequenz ein höheres Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, darstellt, als am Ausstoß aus Verbrennungsmotoren beispielsweise von Dieselfahrzeugen? 6. Wie sehen ihre Schutzmaßnahmen sowie die Umsetzung der europäischen Strahlenschutzrichtlinie für Bestandsgebäude und Neubauten konkret aus, um die Radonbelastung in Innenräumen zu senken? 7. Wie hoch schätzt sie bei voller Umsetzung der europäischen Strahlenschutzrichtlinie bis Ende 2018 in nationales Recht die notwendigen Sanierungskosten für mit dem Edelgas Radon belastete öffentliche Gebäude wie Kindergärten, Schulen, Schwimmbäder, Landratsämter in Baden-Württemberg? 8. In welchen Intervallen werden öffentliche und private Gebäude in den Landkreisen Tuttlingen und Schwarzwald-Baar-Kreis auf das Edelgas Radon gemessen? Eingegangen: / Ausgegeben: Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet abrufbar unter: Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen Der Blaue Engel. 1

2 9. Wie viele Radonbrunnen gibt es derzeit in Baden-Württemberg bzw. wie viele wären an öffentlichen und privaten Gebäuden notwendig, sofern nachhaltig Langzeitmessungen durchgeführt würden? Berg AfD Begründung Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) kommt in ihren Studien zu dem Ergebnis, dass ein Grenzwert für die Radon-Strahlungswerte von 100 Becquerel pro Kubikmeter in Gebäuden empfehlenswert sei. Über diesem Wert nehme die Wahrscheinlichkeit für Lungenkrebs mit 10 Prozent pro weiteren 100 Bq/m3 zu. Das Edelgas Radon stellt die größte natürliche Umweltbelastung für Menschen da. Laut Berechnungen der Strahlenschützer sterben jedes Jahr in Deutschland etwa Menschen an den Folgen einer Radon-Exposition. In einzelnen Ge - bieten des Landes liegt die Exposition der Bevölkerung erheblich über den Durchschnittswerten. Radon ist die zweithäufigste Ursache für Lungenkrebs. Am 25. Januar 2018 berichtete BR und am 24. April 2018 berichte Panorama im Ersten zu dieser Problematik. In diesem Jahr muss Deutschland und auch Baden- Württemberg die europäische Strahlenschutzrichtlinie in nationales Recht umsetzen. Der Fragesteller möchte zu dieser Problematik wissen, wie die Landesregierung der Gefahr begegnet, wie sie die Strahlenschutzlinie in Baden-Württemberg umsetzt und ob regelmäßige Langzeitmessungen an öffentlichen und privaten Gebäuden durchgeführt werden und wie hoch sie die Sanierungskosten an betroffenen Gebäuden einschätzt, die die Grenzwerte überschreiten. Antwort Mit Schreiben vom 6. Juli 2018 Nr beantwortet das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft im Einvernehmen mit dem Ministerium für Soziales und Integration und dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau die Kleine Anfrage wie folgt: 1. Wann haben im Landkreis Tuttlingen und Schwarzwald-Baar-Kreis letztmals in öffentlichen und privaten Gebäuden zum Schutz der Bevölkerung Radonmessungen stattgefunden? Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft untersuchte in einem BWPLUS-Forschungsvorhaben in den Jahren 2014 bis 2016 Radon in badenwürttembergischen Schulen. Der Abschlussbericht ist über den Fachdokumentendienst FADO Umweltforschung öffentlich zugänglich. Aus diesem Vorhaben liegen aus sieben Schulen im Landkreis Tuttlingen und aus 13 Schulen im Schwarzwald-Baar-Kreis Messdaten vor. Außerdem werden immer wieder Messdosen von Privatpersonen bei der Radon Messstelle (KIT) und anderen Messstellen angefordert. Das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft hat darüber keinen Überblick, da es sich dabei um personenbezogene Daten handelt, die von den Messstellen nur mit Einverständnis der jeweiligen Auftraggeberinnen und Auftraggeber weitergegeben werden dürfen. 2

3 2. Wie sehen die Radonmessungen aus? Bei der Messung von Radon wird zwischen Langzeit- und Kurzzeitmessungen und aktiven und passiven Messverfahren unterschieden. Für eine Bewertung der individuellen Radonsituation in Wohnräumen eignen sich nur Messungen über einen längeren Zeitraum (Langzeitmessungen) mit einem passiven Messverfahren. Dazu werden meist Exposimeter mit Festkörperspurdetektoren (FKSD) eingesetzt. Die Messdauer beträgt in der Regel drei Monate bis zu einem Jahr. Kurzzeitmessungen dauern Minuten bis wenige Tage. Sie können mit Festkörperspurdetektoren (FKSD) oder mit kontinuierlich arbeitenden und direkt ablesbaren Messgeräten durchgeführt werden. Die Messwerte repräsentieren die aktuelle Aktivitätskonzentration während der Probenahmedauer am Messort und unterliegen starken Schwankungen. Aus diesem Grund sind Kurzzeitmessungen vor allem zur Suche nach Eindringstellen von Radon in Gebäude geeignet. 3. Gibt es aus ihrer Sicht öffentliche und private Gebäude, die den Grenzwert von 300 Becquerel Radonkonzentration in der Innenraumluft überschreiten? Die Verfügbarkeit von Radon im Boden wird maßgeblich von den geologischen Verhältnissen bestimmt. Ausschlaggebend sind der Uran-238-Gehalt und die Durchlässigkeit (sog. Permeabilität ) des Bodens für Radon. Das Eindringen des Schadstoffs aus dem Boden in Gebäude hängt aber sehr von der jeweiligen Bauausführung ab. Für den Übergang von Radon aus dem Boden ins Gebäude spielen der Zustand der Gebäudeabdichtung und eventuelle Leckagen eine wesentliche Rolle. Mögliche Eintrittspforten sind undichte Fugen und Risse in den erdberührten Bauteilen, Rohr- und Kabeldurchführungen oder auch Abwasser- und Entlüftungsrohre. Von Bedeutung ist auch, ob das Haus einen Keller oder eine feste und dichte Fundamentbodenplatte besitzt. Auch die individuellen Lebensgewohnheiten (Lüftungsgewohnheiten) haben Einfluss auf die Innenraumkonzentration. Da die Radonkonzentration in einem Aufenthaltsraum daher von vielen verschiedenen Faktoren abhängt, ist eine Überschreitung des Referenzwertes für Radon in Innenräumen schwer zu prognostizieren. Eine Langzeitmessung ist daher die einzige Möglichkeit, eine dauerhaft erhöhte Radonexposition festzustellen. Im Rahmen des BWPLUS-Forschungsvorhaben Radon in baden-württembergischen Schulen liegen aus 172 Schulen, die über das Land verteilt sind, Mess - daten vor. In 48 der 172 Schulen ist mindestens 1 Aufenthaltsraum/Arbeitsplatz vorhandenen, der den Referenzwert von 300 Becquerel Radon pro Kubikmeter Luft überschreitet. Über Referenzwertüberschreitungen in privaten Bereichen liegen dem Umweltministerium keine Informationen vor. 4. Wurde seit Veröffentlichung der Radonbroschüre im Jahr 2007 in Baden-Württemberg der bauliche Radonschutz an öffentlichen und privaten Gebäuden verändert, um das Lungenkrebsrisiko zu senken? Den am BWPLUS-Forschungsvorhaben Radon an baden-württembergischen Schulen beteiligten Schulen wurden die jeweiligen Messergebnisse mitgeteilt. Über etwaige Konsequenzen und Maßnahmen wird vor Ort entschieden. Auskünfte über die Durchführung oder die Planung von Radonsanierungen können daher nur die jeweiligen Entscheidungsträger vor Ort geben. Zuweilen finden sich Informationen in der Lokalpresse. Die Stadt Lörrach (Südbaden), in der in mehreren Schulen und in der Folge in einem Kindergarten Überschreitungen des Referenzwertes in Aufenthaltsräumen gemessen worden waren, ging mit der Thematik an die Öffentlichkeit und ergriff Maßnahmen zum Schutz vor Radon in ihren Schulen und Kindergärten. Inwieweit auch an Privathäusern oder -wohnungen Sanierungen vorgenommen wurden, ist dem Umweltministerium nicht bekannt. 3

4 5. Ist es richtig, dass erhöhte Radonmessungen in der Konsequenz ein höheres Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, darstellt, als am Ausstoß aus Verbrennungsmotoren beispielsweise von Dieselfahrzeugen? Radon in Innenräumen gilt nach Rauchen als zweithäufigste Ursache für Lungenkrebs (Bundesamt für Strahlenschutz, BfS). Eine Studie aus dem Jahr 2006 (Menzler et al.) schätzt, dass fünf Prozent der in Deutschland auftretenden Lungenkrebstodesfälle einer Radonexposition zugeschrieben werden können. Das Risiko an Lungenkrebs zu erkranken, steigt mit der Radonkonzentration in der Atemluft an. Eine europäische Poolingstudie aus dem Jahr 2005 (Darby et al. 2005) ermittelte für den Anstieg des Lungenkrebsrisikos im Modell einen proportionalen Anstieg von ca. 8 % pro 100 Bq/m3 Radon in der Atemluft (konservativ unter Berücksichtigung aller Unsicherheiten um 16 %). Dabei wird immer von einer längerfristigen, mindestens 30 Jahre bestehenden durchschnittlichen Radonexposition ausgegangen. Dieselabgase (Dieselmotoremission, DME) wurden von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Juni 2012 aus Gruppe 2B (möglicherweise krebserregend für den Menschen) in Gruppe 1 (krebserregend für den Menschen) heraufgestuft. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) in Lyon, die für die WHO die Bewertung vornimmt, sieht es als erwiesen an, dass Dieselabgase Lungenkrebs auslösen können (IARC 2012). Vor allem die Ergebnisse von zwei retrospektiven Studien regten die Hochstufung an (Silverman et al., 2012, Attfield et al., 2012). Sie zeigten, dass Minenarbeiterinnen und -arbeiter, die unter Tage über lange Jahre Dieselabgasen ausgesetzt waren, in Abhängigkeit zur Expositionsdosis bis zu 7-fach häufiger an Lungenkrebs erkrankten. Wie hoch der Beitrag zum Krebsrisiko durch Dieselabgase im normalen Alltag ist, bleibt aber weiter offen. Der Landesregierung liegen hierzu keine Zahlen vor. 6. Wie sehen ihre Schutzmaßnahmen sowie die Umsetzung der europäischen Strahlenschutzrichtlinie für Bestandsgebäude und Neubauten konkret aus, um die Radonbelastung in Innenräumen zu senken? Das neue Strahlenschutzgesetz (StrlSchG) erlaubt der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates bei neu zu errichtenden Gebäuden in den Gebieten, für die erwartet wird, dass in einer beträchtlichen Zahl von Gebäuden der Referenzwert in Innenräumen überschritten wird ( 121 StrlSchG), zusätzliche bauliche Anforderungen festzulegen. Diese basieren dann direkt auf dem Strahlenschutzgesetz und der aktuell in Erarbeitung befindlichen Ausführungsverordnung und einer ebenfalls in Erarbeitung befindlichen DIN-SPEC-Norm zum radonsicheren Bauen. Außerhalb der ausgewiesenen Gebiete können die nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik erforderlichen Maßnahmen zum Feuchteschutz bei der Errichtung von Gebäuden als für den Radonschutz ausreichend angesehen werden. Zudem wurde der Schutz vor Radon in Innenräumen sanierungsbedürftiger bestehender Gebäude in die Kriterien zum Nachhaltigen Bauen in Baden-Württemberg (NBBW) aufgenommen. Die Anforderungen sehen vor, dass Bauherren Radonmessungen in Aufenthaltsräumen im Keller- oder Erdgeschoss vornehmen und zwar unabhängig von der Art der Sanierungs oder Modernisierungsmaßnahme und unabhängig von der zukünftigen Ausweisung der Gebiete nach 121 StrlSchG. Radonfachpersonen können bei Überschreitung des Referenzwertes konsultiert werden und angemessene Maßnahmen vorschlagen. Architekten- und Ingenieurkammer Baden-Württemberg wurden gebeten, Listen mit Radonfachpersonen vorzuhalten und ggf. selbst Weiterbildungsmaßnahmen für bestimmte Berufsgruppen zu Radonfachpersonen durchzuführen. Damit gehen die Anforderungen über die rein gesetzlichen Pflichten zwar hinaus, sie entsprechen aber dem Ziel des Radonschutzes, die Radonexposition der Bevölkerung langfristig zu senken. 4

5 7. Wie hoch schätzt sie bei voller Umsetzung der europäischen Strahlenschutzrichtlinie bis Ende 2018 in nationales Recht die notwendigen Sanierungskosten für mit dem Edelgas Radon belastete öffentliche Gebäude wie Kindergärten, Schulen, Schwimmbäder, Landratsämter in Baden-Württemberg? Gegenwärtig können keine seriösen Schätzungen oder Kalkulationen zu den Kos - ten für das Land und die Kommunen erstellt werden. Zunächst müssen die Gebiete nach 121 StrlSchG für Baden-Württemberg feststehen, in denen davon auszugehen ist, dass in einer beträchtlichen Anzahl von Gebäuden der Referenzwert überschritten wird. 8. In welchen Intervallen werden öffentliche und private Gebäude in den Landkreisen Tuttlingen und Schwarzwald-Baar-Kreis auf das Edelgas Radon gemessen? Eine regelmäßige Radonmessung ist weder in den bisherigen gesetzlichen Regelungen noch im neuen Strahlenschutzrecht vorgesehen. 9. Wie viele Radonbrunnen gibt es derzeit in Baden-Württemberg bzw. wie viele wären an öffentlichen und privaten Gebäuden notwendig, sofern nachhaltig Langzeitmessungen durchgeführt würden? Der Landesregierung liegen dazu keine Daten vor. Radonbrunnen sind nur eine Möglichkeit, um die Radonbelastung in Gebäuden zu senken. Ihre Anzahl hängt von der Radonintensität unter den Gebäuden, dem Gebäudezustand und den sich anbietenden Ersatzmaßnahmen ab. Untersteller Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft 5