VCD-Stellungnahme zum S-Bahn-Gipfel 2018 des Verband Region Stuttgart (VRS)
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- Mathilde Winter
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1 VCD-Stellungnahme zum S-Bahn-Gipfel 2018 des Verband Region Stuttgart (VRS) Vorbemerkung Der Verband Region Stuttgart ist Aufgabenträger für die S-Bahn Stuttgart. Gemäß des bis 2028 laufenden Verkehrsvertrages führt die DB Regio (S-Bahn Stuttgart GmbH) den Betrieb durch, teilweise mit vom VRS beschafften S-Bahn-Zügen. Seit Beginn der Bauarbeiten zu Stuttgart 21 und der Einführung der neuen ET 430- Triebzüge seit 2013 ist die S-Bahn Stuttgart aus dem Takt gekommen. Der VCD hatte dazu erstmals 2013 ein 15-Punkte-Gesundungsprogramm 1 vorgelegt und dieses überarbeitet. Anlässlich des S-Bahn-Gipfels 2018 erfolgt hiermit eine Überprüfung der damals vorgeschlagenen Maßnahmen und eine Kommentierung der aktuellen Entwicklung. 1. Pünktlichkeit Für die Einwohner der Region ist neben der Fahrzeit und dem Fahrpreis die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit das entscheidende Argument für die Verkehrsmittelwahl. Diese Pünktlichkeit hatte sich ab Ende 2012 massiv verschlechtert und konnte seither nur bedingt verbessert werden: Der Zielwert für die 3-Minuten-Pünktlichkeit beträgt 94,5%, für die 6-Minuten-Pünktlichkeit 98%. Diese Pünktlichkeitswerte wurden in den der Auswertung unterliegendem Zeitraum Januar 2012 bis Januar 2018 (73 Monate) für die 3-Minuten-Pünktlichkeit nur in einem Monat (August 2017), für die 6-Minuten-Pünktlichkeit insgesamt in zehn Monaten (davon fünf Monate im Jahr 2012), zuletzt im Urlaubsmonat August erreicht
2 Die jeweils deutliche Verbesserung der Werte im August zeigt, dass die Pünktlichkeit sehr stark von der Zahl der Fahrgäste abhängt. 3-Minuten-Pünktlichkeit Alle Angaben in % Monat Januar 90,85% 87,52% 88,90% 88,70% 89,60% 88,60% 87,20% Februar 84,94% 88,21% 89,60% 89,20% 92,30% 90,10% März 91,30% 89,51% 88,40% 89,60% 91,30% 90,50% April 90,92% 87,54% 86,30% 88,60% 88,40% 89,40% Mai 88,86% 87,09% 86,60% 89,70% 90,60% 86,90% Juni 90,08% 82,60% 86,70% 86,10% 88,10% 90,50% Juli 89,25% 87,30% 86,90% 89,80% 85,50% 90,10% August 91,61% 92,80% 83,10% 93,80% 91,50% 95,80% September 89,27% 85,57% 84,70% 90,40% 87,10% 87,50% Oktober 74,43% 79,33% 73,70% 83,40% 84,70% 82,30% November 80,79% 80,83% 81,30% 85,10% 81,20% 81,90% Dezember 81,67% 86,54% 82,80% 87,30% 89,30% 85,20% Jahresdurchschnitt 87,00% 86,24% 84,92% 88,48% 88,30% 88,23% 6-Minuten-Pünktlichkeit Monat Januar 98,06% 96,52% 96,70% 96,70% 96,70% 96,80% 96,10% Februar 95,52% 97,09% 97,40% 97,00% 98,00% 97,50% März 98,49% 98,06% 96,80% 97,30% 97,50% 97,70% April 98,30% 96,90% 96,20% 96,90% 96,50% 97,20% Mai 97,78% 96,31% 96,20% 97,30% 97,50% 96,40% Juni 98,14% 93,40% 95,90% 95,10% 96,50% 97,50% Juli 97,58% 95,90% 96,70% 97,50% 95,50% 97,40% August 98,19% 97,87% 98,40% 98,30% 97,80% 99,10% September 97,64% 95,98% 95,00% 97,30% 96,20% 96,60% Oktober 90,15% 92,84% 89,00% 94,60% 95,60% 95,00% November 94,25% 94,01% 94,30% 95,60% 93,70% 94,30% Dezember 93,56% 96,11% 94,70% 96,10% 97,30% 95,50% Jahresdurchschnitt 96,47% 95,92% 95,61% 96,64% 96,57% 96,75% Quelle: DB Regio ( Das Jahr 2017 war trotz aller eingeleiteten Maßnahmen im Schnitt nochmals etwas schlechter als Die letzten Monate Dezember 2017 und Januar 2018 mit der erstma- 3
3 ligen Ausweitung des 15-Minuten-Taktes zeigen sogar einen Trend zu einer weiteren Verschlechterung der Pünktlichkeit auf (2018 schlechtester Januar-Wert seit 2012). Dies wird auch bestätigt durch den Vergleich mit der DB-Präsentation von 2017, die für die Monate Januar April eine Spreizung der Pünktlichkeit zwischen 86% und 100% aufzeigte, während bis zum Ende des Jahres dieser Wert wieder auf 81% abgefallen war. Leider wird die 3-Minuten-Pünktlichkeit in der Hauptverkehrszeit in der DB-Präsentation nicht näher behandelt, die VRS-Sitzungsvorlage 268/2018 zeigt auf, dass der Pünktlichkeitswert dort nur 79,3% beträgt, d.h. jeder fünfte Zug hat im Berufsverkehr mehr als 3 Minuten Verspätung, womit häufig Anschlussverluste einhergehen. Dies führt dazu, dass Pendler verstärkt zum PKW als Zubringer zur S-Bahn umsteigen, statt den Linienbus zu nehmen. Eine aktuelle Veröffentlichung des VWI 3 zeigt auf, dass im S-Bahn-Netz von Stuttgart die kundenbezogene Pünktlichkeit um bis zu 10%-Punkte unter der zugbezogenen Pünktlichkeit liegt. Dies bedeutet, dass in der HVZ die reale Pünktlichkeit aus Fahrgastsicht nur bei rund 70% liegt. Der VCD hatte deshalb schon 2015 gefordert, dass die Pünktlichkeitsmessung von der zugbezogenen auf die fahrgastbezogene Pünktlichkeit umgestellt wird. Leider sind hier bislang keinerlei Fortschritte zu erkennen. Ebensowenig wurde eine Entschädigungsregelung für Pendler eingeführt. -> Wir empfehlen, dass im Verkehrsausschuss die Studie des VWI vorgestellt und diskutiert wird. VCD-Beurteilung: Fahrzeuge Positiv ist die zusätzliche Beschaffung weiterer S-Bahn-Fahrzeuge, so dass in der Hauptverkehrszeit mehr Langzüge gefahren werden können. Durch die Stationierung weiterer Züge, u.a. in Schorndorf, konnte dort die Pünktlichkeit erhöht werden. Allerdings stellen die neuen Fahrzeuge ET 430 selbst ein großes Hindernis für einen pünktlichen Betrieb dar, liegt doch die Türoffnungszeit derzeit bei 7 Sekunden (soll auf 5 Sekunden Ende 2018 reduziert werden), gegenüber 3 Sekunden beim ET 423 und rund 1 Sekunde beim ET 420. Leider fehlt in der DB-Präsentation die durchschnittliche Tür- 3 U. Martin, F. Hantsch: Die kundenbezogene Pünktlichkeit im öffentlichen Verkehr, ETR 12/2017, S
4 schließzeit diese lag beim ET420 ebenfalls signifikant unter den heutigen Werten. Diese längeren Aufenthaltszeiten müssen durch andere Maßnahmen ausgeglichen werden, sonst verbleibt die S-Bahn auf einem niedrigen Pünktlichkeitsniveau, insbesondere bei einem durchgängigen 15-Minuten-Takt. Es ist leicht einsehbar, dass auf der Stammstrecke von Stuttgart-Hauptbahnhof bis Schwabstraße bei unterstellt 10 Sekunden längerer Türöffnungs- und Türschließzeit je Halt bei 24 Zügen je Stunde an jedem Halt die Züge vier Minuten pro Stunde länger stehen. Sofern diese längeren Haltezeiten nicht ausgeglichen werden können, muss der S-Bahn- Fahrplan neu unter Berücksichtigung der längeren Haltezeiten aufgestellt werden dies bedeutet längere Fahrzeiten, Anschlussverluste, Fahrzeug- und Personal-Mehrbedarf oder weiterhin eine niedrige Pünktlichkeit unterhalb der vereinbarten Qualitätswerte. VCD-Beurteilung: Infrastrukturstörungen Wir erkennen die Bemühungen von DB Netz zur Erhöhung der Verfügbarkeit an. Allerdings bedeuten 91 Fahrbahn-, 16 Oberleitungs- und 119 LST-Störungen in 2017, dass wöchentlich im Schnitt weiterhin 4,3 Störungen auftreten. Demgegenüber haben die Einflüsse durch Dritte, auch wenn ein Anstieg deutlich ist, nur geringe Auswirkungen, wie der Ausfall von Zugkilometern angesichts von insgesamt 10,8 Millionen. Zugkilometern aufzeigt (Ausfallquote 0,33%). VCD-Beurteilung: Ausdehnung 15-Minuten-Takt Erfreulicherweise haben sich die Fahrgastzahlen sehr positiv entwickelt, trotz der Probleme mit der Pünktlichkeit. Deutlich wird, dass die Fahrgastzahlen einen entscheidenden Einfluss auf die Pünktlichkeit haben. Gerade die Überschreitung der Haltestellenaufenthaltszeiten ist weiter ein Problem. Ein typischer Tag verläuft wie folgt: Bis ca. 7 Uhr besteht eine hohe Pünktlichkeit im S-Bahn-Netz. Dann steigen die Fahrgastzahlen stark an, auf den Mischverkehrsstrecken werden auch Verspätungen ins Netz hereingetragen. Die Verspätungen steigen an und sinken dann erst wieder mit dem Rückgang der Zugzahlen nach der morgendlichen Hauptverkehrszeit. Am Nachmittag nehmen ab 17 Uhr typischwerweise die Verspätungen auch wieder zu. Erst mit dem Rückgang der Zugzahlen nach der HVZ wird dann wieder eine hohe Pünktlichkeit erreicht. 5
5 Mit der weiteren Ausdehnung des 15-Minuten-Taktes sind somit verschiedene, teilweise gegenläufige Effekte zu erwarten: 1. Die Erholungsphasen für das S-Bahn-System in der Stammstrecke werden geringer, da die Vollauslastung mit 24 Zügen pro Stunde in immer längeren zusammenhängenden Perioden gelten wird. 2. Durch den 15-Minuten-Takt erhofft man sich eine Entzerrung der Nachfrage, d.h. eine Reduzierung der Spitzen, was tendenziell zu kürzeren Haltestellenaufenthaltszeiten führen dürfte. 3. Durch den 15-Minuten-Takt werden andererseits noch mehr Fahrgäste erwartet, was Ziffer 2 wieder relativiert. Quelle: Fazit: Es kann von einer weiteren Attraktivitätssteigerung für die S-Bahn bei gleichzeitiger Verschärfung der Pünktlichkeitssituation mit dem durchgängigen 15-Minuten-Takt ausgegangen werden. VCD-Beurteilung: + - 6
6 5. Einführung von ETCS Die oben beschriebene weitere Verdichtung auf einen durchgängigen 15-Minuten-Takt erfordert dringend eine leistungsfähigere Leit- und Sicherungstechnik. Schon 2013 wurde vom VCD die Einführung von ETCS (European Train Control System) anstelle einer konventionellen Signalisierung für die S-Bahn gefordert. Rund fünf Jahre später sind noch immer keine Entscheidungen zur Einführung von ETCS für die S-Bahn Stuttgart getroffen. Sowohl der BVWP 2030 als auch das Klimaschutzszenario der Landesregierung 4 zeigen eine Überlastung der S-Bahn an: Bild: Streckenauslastung Bundesverkehrswegeplan 2030, Zeitraum 6h-22h, Überlastung ab 115% 4 7
7 Bild: Streckenauslastung Klimaschutzszenario 2030, Zeitraum 6h-22h, Überlastung ab 115% Aus VCD-Sicht ist es dringend erforderlich, dass nunmehr rasch Entscheidungen für die Einführung von ETCS für die S-Bahn Stuttgart getroffen werden. Nur so kann eine Verkürzung der Zugfolgezeiten erreicht werden, die als Ausgleich für die systembedingten längeren Haltezeiten der neuen S-Bahn-Triebzüge notwendig sind. VCD-Beurteilung: Fahrgastinformation Mit den neuen Fahrzeugen wurde durch den Einbau von Monitoren, die auch die nächsten Anschlüsse und nächsten Halte anzeigen, die Fahrgastinformation im Zug deutlich verbessert. Positiv ist ebenfalls die stufenweise Umsetzung unseres Vorschlags zur Einführung von WLAN in der S-Bahn. In unseren Vorschlägen von 2013 und 2015 war jeweils enthalten, die Bereiche der Lichtschranken besser zu kennzeichnen und die Fahrgäste über eine Kampagne zu sensibilisieren. 8
8 Eingeführt wurde nur eine Durchsage, die auf das Freihalten hinweist, wenn die Türen wieder blockiert werden. Eine deutliche Farbmarkierung des Lichtschrankenbereichs mit einem Warnanstrich, wie dies in München und bei der S-Bahn Rhein-Neckar erfolgreich umgesetzt wurde, fehlt nach wie vor. Dies ist eine kleine, aber hochwirksame Maßnahme, um die Fahrgäste zu sensibilisieren, diesen Bereich freizuhalten. Die jetzige Markierung in dunkelorange hat keinen Warncharakter. Da die Haltestelleaufenthaltszeiten sehr kritisch sind, verwundert, dass unsere Vorschläge zur besseren Information und Sensibilisierung der Fahrgäste bezüglich des Fahrgastverhaltens nicht umgesetzt wurden. VCD-Beurteilung: Zusammenfassung Nach dem Einbruch der Pünktlichkeit im Jahr 2013 hat sich die Pünktlichkeit auf niedrigem Niveau stabilisiert. Insbesondere im Berufsverkehr liegt die Pünktlichkeit nur bei rund 80%. Bezogen auf die Fahrgastpünktlichkeit werden nur unbefriedigende rund 70% erreicht. Ohne die rasche Einführung von leistungssteigernden Maßnahmen wie dem neuen Leitund Sicherungssystem ETCS und einer Sensibilisierung der Fahrgäste für das richtige Verhalten bei der S-Bahn-Nutzung wird die verkehrlich notwendige und richtige Ausdehnung des 15-Minuten-Taktes die Pünktlichkeitsprobleme der S-Bahn noch weiter erhöhen. Stuttgart, Matthias Lieb Diplom-Wirtschaftmathematiker Vorsitzender VCD Landesverband Baden-Württemberg e.v. 9
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