Glas Struktur und Eigenschaften
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- Eugen Voss
- vor 8 Jahren
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1 Universität Regensburg Institut für Anorganische Chemie: Lehrstuhl Prof. Dr. A. Pfitzner Demonstrationsvorträge im Wintersemester 2011/ Dozentin: Dr. M. Andratschke Referentinnen: Melanie Spanner, Anne-Kathrin Dachs Glas Struktur und Eigenschaften Struktur des Glases [1 3] Der Aufbau von kovalent gebundenen Gläsern lässt sich mit den von Zachariasen 1932 aufgestellten Regeln verstehen. [1] Beim Kiesel (Quarz) Glas besteht die Grundeinheit, wie beim Kristall, aus Tetraedern, hier aus SiO 4 Tetraedern, die eckenverknüpft sind. In einem Quarzkristall beispielsweise ist es ein regelmäßiges Gitter mit Nah und Fernordnung (s. Abb. 1 (a)). Quarzglas hat lediglich eine Nahordnung, die Tetraeder sind verzerrt. Die Bindungswinkel und Abstände sind unregelmäßig (s. Abb. 1 (b)). Netzwerkbildner geben das Grundgerüst vor, Netzwerkstörer oder wandler werden in dieses eingebaut und unterbrechen die Regelmäßigkeit des Aufbaus. Bildner sind zum Beispiel Siliciumdioxid, Bortrioxid oder nicht oxidische, Stoffe wie Arsensulfid. Netzwerkstörer, wie Natriumbzw. Kaliumoxid oder Calciumoxid, brechen das Grundgerüst auf (siehe Abb. 1(c)). Aluminium und Bleioxid können Netzwerkbildner und störer sein, jedoch sind sie alleine nicht zur Glasbildung fähig. Abb. 1 Zweidimensionale Strukturmodelle von a) kristallinem Quarz, b) Quarzglas, c) Alkalisilicatglas mit Trennstellen im Netzwerk. [2] Aus Übersichtsgründen wurden die nach unten und oben ragenden Sauerstoffatome in der Abbildung weggelassen. Zusammensetzung einiger wichtiger Glasarten [2] Name Natron Kalk Glas (Normalglas) Kali Kalk Gläser (Böhmisches Kristallglas) Zusammensetzung (Masseprozent Angaben) 75,5 SiO 2 12,9 Na 2 O 11,6 CaO 76,2 SiO 2 14,9 K 2 O 8,9 CaO Verwendung gewöhnliches Gebrauchsglas Fensterglas Gläser für feingeschliffene Gegenstände
2 Bor Tonerde Gläser (Duranglas, Jenaer Glas) 74,4 SiO 2 8,5 Al 2 O 3 4,6 B 2 O 3 7,7 Na 2 O 3,9 BaO 0,8 CaO 0,1 MgO Supremax Glas 56,3 SiO 2 20,1 Al 2 O 3 8,9 B 2 O 3 8,7 MgO 4,8 CaO 0,6 K 2 O 0,6 Na 2 O Kali Blei Gläser (Bleikristallglas) 60,0 SiO 2 1,0 B 2 O 3 13,0 K 2 O 1,0 Na 2 O 24,0 PbO 1,0 BaO gegen Chemikalien und große Temperaturdifferenzen beständig Gläser sind temperaturbeständig bis 1000 C Gläser, Lüster und Linsen mit starkem Lichtbrechungsvermögen Versuch 1: Bearbeiten von Glas [3, 4] Geräte: Bunsenbrenner Materialien: mehrere Glasrohre A. Biegen von Glas Das Glasrohr an gewünschter Stelle über dem blauen Kegel der Bunsenbrennerflamme unter ständigem Drehen erhitzen. Wichtig: dabei nicht versuchen, das Glas durch Druck zu biegen, da es sonst an dieser Stelle zerspringen könnte. Unter Einwirkung der Schwerkraft biegt sich das Rohr. B. Glas in die Länge ziehen Das Glasrohr an bestimmtem Bereich über dem blauen Kegel der Bunsenbrennerflamme unter ständigem Drehen erhitzen und dabei das Glasrohr in die Länge ziehen. Das Glasrohr wird an der ausgezogenen Stelle immer dünner. Auswertung von A. und B.: Glas besitzt keinen Schmelzpunkt, sondern der Übergang vom Glas zur Schmelze erfolgt allmählich, in diesem Bereich ist das Glas verformbar, man nennt ihn Transformationsbereich. Da Glas eine amorphe Substanz ist, besitzen die Atome keine geordneten Strukturen wie in einem Kristall, sondern bilden ein unregelmäßiges Muster. Sie verfügen lediglich über eine Nahordnung (s. auch S. 1). 2
3 Unterhalb der Glastemperatur T g (siehe Abb. 2) befindet sich das Glas in einem festen Zustand, oberhalb der T g erweicht es zunehmend und ist formbar. Erst oberhalb der Schmelztemperatur T s nimmt es die Eigenschaften einer Flüssigkeit an. Als unterkühlte Schmelze wird eine Substanz bezeichnet, die abgekühlt wurde, bevor sie auskristallisieren konnte. [3] Abb. 2 Schematische Darstellung der Temperaturabhängigkeit des Volumens [3] Auch Plexiglas ist nach dieser Definition den Gläsern zuzuordnen. [2] Entsorgung: Glasreste/Glasrohre, falls nicht mehr zu verwenden, in den Glasabfall. Versuch 2: Protolyse von Glas [2, 5] Geräte: Mörser mit Pistill, 3 Reagenzgläser, Spatel, Reagenzglasständer, Bunsenbrenner, Reagenzglasklammer Chemikalien: Flaschenglas (Normalglas) (Glasbruch), Duranglas (Glasbruch), Phenolphthalein, destilliertes Wasser Der gesäuberte Glasbruch wird jeweils zu Glaspulver zerrieben. Achtung: zum Schutz vor Glassplittern wird der Mörser abgedeckt. In die drei Reagenzgläser werden jeweils ca. 5 ml destilliertes Wasser und wenige Tropfen Phenolphthaleinlösung gegeben. Das erste Reagenzglas dient als Vergleichsprobe, in die anderen beiden Reagenzgläser werden jeweils 1 g des Glaspulvers gegeben. Alle drei Proben werden geschüttelt und gegebenenfalls erwärmt. Die Vergleichsprobe ist farblos. Bei Zugabe von Flaschenglas kommt es am Pulver sofort zu einer Rotfärbung, beim Dranglas zu keiner Rotfärbung, auch nach Erwärmen nicht! Das Flaschenglas enthält (formal) Natrium und Kaliumsilicate, die protolysieren, wodurch Hydroxidionen gebildet werden: Na 2 CaSiO 4 + H 2 O NaCaHSiO 4 + Na + + OH Die Rotfärbung lässt sich durch den verwendeten Indikator (Phenolphthalein) erklären, dieser hat seinen Umschlagpunkt im basischen ph Bereich. Da hier Hydroxidionen entstehen, färbt sich die Lösung rot. In feuerfesten Glassorten (hier: Duranglas, s. S. 2) sind die Alkalimetall Ionen weitgehend durch zweiund dreiwertige Metallionen ersetzt, die im Glas eingebunden sind. Entsorgung: Die Lösungen in das Abwasser und die Glasreste in den Glasabfall entsorgen. 3
4 Versuch 3: Boraxperlen/Phosphorsalzperlen (Färben von Glas) [4, 5] Geräte: Magnesiastäbchen, Tüpfelplatte, Spatel, Bunsenbrenner Chemikalien: Natriumtetraborat 10 Wasser (Na 2 B 4 O 7 10 H 2 O), Natriumammoniumhydrogenphosphat (NaNH 4 HPO 4 ), Mangan(II) chlorid 4 Wasser (MnCl 2 4 H 2 O), Eisen(III) chlorid 6 Wasser (FeCl 3 6 H 2 O), Chrom(III) oxid (Cr 2 O 3 ), Cobalt(II) chlorid 6 Wasser (CoCl 2 6 H 2 O) Die zu untersuchenden Stoffe werden jeweils mit einem Spatel in die Mulden der Tüpfelplatte verteilt. Die Magnesiastäbchen zum Glühen bringen und noch heiß in das Natriumtetraborat 10 Wasser/ Natriumammoniumhydrogenphosphat drücken. Anschließend wird das Magnesiastäbchen weiter erhitzt, bis das anhaftende Natriumtetraborat 10 Wasser geschmolzen ist. Nach dem Erkalten werden die Boraxperlen mit destilliertem Wasser angefeuchtet und in die zu untersuchende Substanz getaucht. Diese werden in der Oxidationszone der Bunsenbrennerflamme abermals geschmolzen. Die Phosphorsalzperlen werden in die zu untersuchende Substanz getaucht und erneut in der Oxidationszone geschmolzen. Die erhaltenen Perlen zeigen in Abhängigkeit vom verwendeten Metallion eine charakteristische Färbung. Färbung: Cr 3+ Co 2+ Fe 3+ Mn 2+ Metallion Färbung Grün Blau gelb (nur im heißen Zustand) Violett In der analytischen Chemie werden zur Stoffunterscheidung diese Perlen sowohl in der Oxidationsals auch in der Reduktionszone untersucht, dabei können die Farben variieren. Beim Erhitzen von Natriumtetraborat 10 Wasser wird wasserfreies Natriumtetraborat (Borax) gebildet. Dieses löst in der Hitze Metalloxide und reagiert mit Salzen, wobei vor allem Metaborate der Metalle gebildet werden. Na 2 B 4 O 7 10 H 2 O Na 2 B 4 O 7 + CoCl 2 6 H 2 O Na 2 B 4 O H 2 O Co(BO 2 ) NaBO HCl + 5 H 2 O Schmilzt man Phosphorsalz, entstehen Meta und Polyphosphate (NaPO 3 ) x (x = 3, 4 und ) unter Abspaltung von Wasser und Ammoniak. Bei Zugabe eines Schwermetallsalzes entstehen die obengenannten charakteristischen Färbungen. Der Einfachheit halber wird im Folgenden nur NaPO 3 geschrieben: NaNH 4 HPO 4 NaPO 3 + NH 3 + H 2 O NaPO 3 + CoCl 2 6 H 2 O NaCoPO HCl + 5 H 2 O 4
5 Versuch 4: Anätzen von Glas [4, 6] Geräte: Kunststoffbecher, Spatel, Rührstab, Pinsel, Glasplatte, Schutzhandschuhe Chemikalien: Fluorwasserstofflösung (Flusssäure) (HF), Calciumhydroxidlösung (Ca(OH) 2 ) zur Neutralisation Achtung: Fluorwasserstoffsäure verursacht schwere Verätzungen!! In einem Plastikbecher werden wenige Milliliter Flusssäure gegeben. Mit einem Pinsel, der in die Lösung getaucht worden ist, wird ein beliebiges Muster auf die Glasscheibe gemalt. Nach einiger Zeit reinigt man die Glasplatte unter fließendem Wasser. Das Muster bleibt auch nach der Reinigung erkennbar. Die Flusssäure greift die Glasscheibe an, sie reagiert mit dem Siliciumdioxid des Glases zu flüchtigem Siliciumtetrafluorid. Daher darf Flusssäure niemals in Glasbehältern aufbewahrt werden. SiO HF SiF H 2 O Entsorgung: Die Fluorwasserstofflösung mit der Calciumhydroxidlösung reagieren lassen und das gebildete Calciumfluorid abfiltrieren. Den Feststoff in den Schwermetallabfall entsorgen und die Flüssigkeit ins Abwasser geben. Lehrplanbezug: An sich findet man das Thema Glas nicht im Lehrplan [7], allerdings kann man bei der Einführung in die Laborarbeit auch einmal Versuch 1 zeigen. Dadurch lernen die Schüler, dass man z. B. U Rohre und Pipetten selber aus einem geraden Rohr herstellen kann. Außerdem erkennen sie, dass nicht jeder Stoff einen Schmelzpunkt hat, sondern wie Glas einen Transformationsbereich. Literatur: [1] W. H. Zachariasen, J. Am. Chem. Soc. 54 (1932) [2] A. F. Holleman, E. Wiberg: Lehrbuch der Anorganischen Chemie, 102. Auflage, Walter de Gruyter Verlag, Berlin, New York, 2007, S , 978 J. Falbe, M. Regitz: RÖMPP Chemie Lexikon, 9. Auflage, Band 2, Georg. Thieme Verlag, Stuttgart, 1990, S [3] H. Scholze: Glas. Natur, Struktur, Eigenschaften, 3. Auflage, Springer Verlag, 1988, S. 4 7 [4] G. Jander, E. Blasius: Lehrbuch der analytischen und präparativen anorganischen Chemie, 16. Auflage, S. Hirzel Verlag, Stuttgart, 2006, S. 162, 259, 260, [5] H. Boeck: Chemische Schulexperimente, Band 1: Anorganische Chemie, 1. Auflage, 2. Druck, 2009, S. 60, 61, 112 [6] goettingen.de/get/text/1967 (aktuell: ) [7] Fach=41 (aktuell: ) 5
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