Zinnfiguren erzählen Geschichte

Transkript

1 Zinnfiguren erzählen Geschichte Sinnvoll, mit Liebe aufgestellt, zeigt Zinn im Kleinen große Welt. Was Joachim Ringelnatz in Versen formuliert, gilt besonders für die Zinnfiguren-Ausstellung in der Städtischen Galerie Mennonitenkirche: lebensnah die vergangenen Zeiten darstellen, das Leben in seiner Vielfalt schildern, in Erinnerung bringen, wie es einmal war. Die Zinnfigur ist altes europäisches Kulturgut und diente über Jahrhunderte Kindern als Spielzeug und Lehrmittel. Die klassische Zinnfigur, wie wir sie heute kennen, entstand im 18. Jahrhundert während der Kriege Friedrichs des Großen: Die Figuren waren flach gegossen, mit einer Vorderund Rückseite und einem Fußbrettchen versehen, zudem waren sie farbenprächtig bemalt. Als Vorbilder dienten meist Soldaten der zeitgenössischen Heere. Der standhafte Zinnsoldat Im 19. Jahrhundert breitete sich die kunsthandwerkliche Fabrikation von Zinnfiguren schnell aus und entwickelte sich zu einem regelrechten Industriezweig. Zentren der Zinnfiguren-Herstellung war zunächst, neben Nürnberg und Fürth, Aarau in der Schweiz und Straßburg im Elsass.

2 Die flache Zinnfigur wurde zum begehrten Spielzeug für Knaben und diente als Lehrmittel. Neben den Zinnsoldaten gab es sehr schöne Serien mit Tieren, Jahrmärkten, Zirkuskünstlern und religiösen Motiven. Nach dem ersten Weltkrieg wandelte sich die Funktion der Zinnfigur: Hauptsächlich Erwachsene beschäftigten sich jetzt mit ihr und machten sie zu einem ernsthaften Sammel- und geschichtlichen Studienobjekt. So ersetzte in der Folge auch die Bezeichnung Zinnfigur nach und nach den überholten Begriff Zinnsoldat. Modepaar Entscheidend für die Verbreitung der Zinnfigur war die Herstellungsart. Seit fast 300 Jahren unverändert wird die Flachfigur in einer sogenannten Offizin (= Zinngießerei) in doppelseitige Formen aus Tonschiefer gegossen. Die Figur wird als Flachrelief in die Formenhälften graviert. So kann man auch aus alten Formen hunderte Exemplare gießen und vertreiben. Das gilt nicht nur für den einfachen Zinnsoldaten als Massenware, sondern auch für andere Themen. Schon früh gaben die Zinnspielwaren-Hersteller religiöse Szenen heraus. Es sind vor allem drei Motive, die häufiger auftreten: Paradies-Szenen, Prozessionen und Krippen. Heute gilt das Sammeln und Präsentieren von Zinnfiguren als schöpferisches Hobby mit viel Liebe zum Detail und zur Geschichte. Ihre Rolle als Spielzeug hat die Zinnfigur längst an andere Materialien und Medien abgetreten.

3 Die Ausstellung zeigt mehrere tausend Zinnfiguren, die Ereignisse und Persönlichkeiten aus der regionalen Geschichte, beginnend von der ersten Besiedelung bis in die Neuzeit darstellen. Ein weiterer Schwerpunkt stellen die Fantasy-Welten mit ihren Märchen und Mythen dar. Die überwiegend nur wenige Zentimeter hohen Figuren sind nach künstlerischen Vorlagen originalgetreu bemalt und häufig in szenische Darstellungen, sogenannte Dioramen, eingebaut. Das erfordert nicht nur eine hohe Kunstfertigkeit, sondern auch ein genaues Studium von Geschichte, Gelände, Kostümen und Uniformen. Themen der Ausstellung Die Ausstellung vermittelt viel Wissenswertes über die Entstehung einer Zinnfigur und ihre Rolle in der heutigen Zeit. Ein Bereich ist den Römern gewidmet, die die Gegend über Jahrhunderte geprägt und in Stadt und Landkreis Neuwied viele Spuren hinterlassen haben. Zentrales Schaustück ist der Brückenschlag Cäsars, der mit seinen Truppen in den Jahren 55 und 53 v. Chr. den Rhein vom Westen her überquert hat. Das Handeln und Treiben am Limes mit all seinen Facetten wird in kleinen Szenen wieder zum Leben erweckt. Cäsars Brückenbau Eine Reise in das Innere Nordamerika wird dem Besucher in einem weiteren Themenbereich ermöglicht. Prinz Maximilian zu Wied führte in den

4 Jahren 1832 bis 1834 eine Expedition in das Land der nordamerikanischen Indianer. Begleitet wurde er vom Schweizer Maler Karl Bodmer und dem fürstlichen Jäger David Dreidoppel. Die Veröffentlichungen des Prinzen und Bodmers Skizzen und Aquarelle gelten auch heute noch als Besonderheit in der Erforschung und bildnerischen Darstellung fremder Kulturen. Max von Wied bei den Indianern Am Deich Vom Mammut bis zur Currywurst könnte man den Ausstellungsteil überschreiben, der ausgewählte Ereignisse aus der langen und wechselvollen Geschichte der Neuwieder Region zeigt. Der Besucher wird eingeladen, in der Eiszeit zu beginnen und sich langsam durch die Jahrtausende und Jahrhunderte bis in unsere Zeit durchzuarbeiten. Dabei begegnen ihm berühmte Persönlichkeiten en miniature, aber auch das ganz normale Leben zwischen Westerwald und Rhein. Über der realen Welt öffnet sich dem Gast im obersten Geschoss der Ausstellung die etwas andere

5 Geschichte, die der Märchen und Mythen. Um Helms Klam aus Herr der Ringe herum entführt sie den Besucher weg von der nüchternen Realität hin in den Bereich der Phantasie und lässt den eigenen Gedanken freien Lauf. Die Ausstellungsstücke haben Freunde und Mitglieder der KLIO - Deutsche Gesellschaft der Freunde und Sammler kulturhistorischer Zinnfiguren e.v. - zur Verfügung gestellt. Neben Einzelsammlern aus der Region sind folgende Sammlergruppen vertreten: KLIO Landesgruppe Rheinland Süd e.v. Zinnfigurenfreunde Koblenz e.v. KLIO Arbeitsgruppe Fantasy. Assocation de figurinistes et collectionneurs de figurines de l Est de la France. Reinhold E. Pfandzelter, Kurator der Ausstellung Veranstaltungen während der Ausstellung Giessvorführung Sonntag, 1. Juli, 11 bis 17 Uhr Führung durch die Ausstellung Dienstag, 3. Juli, 18 Uhr Samstag, 4. August, 14 Uhr Sonntag, 26. August, 14 Uhr Workshop Bemalen von Zinnfiguren Termine für Kinder (Fantasy-Bereich) Dienstag, 17. Juli,14 bis 17 Uhr Dienstag, 24. Juli, 14 bis 17 Uhr Mal-Workshop für alle Dienstag, 14. August, 14 bis 17 Uhr Französischer Vorposten 1797

6 Für Gruppen öffnen wir die Galerie nach vorheriger Anmeldung auch zu anderen als den unten angegebenen Zeiten. Nach Absprache ist dann auch eine zusätzliche Führung möglich. Öffnungszeiten: Dienstag 14 bis 17 Uhr Mittwoch 12 bis 17 Uhr Donnerstag bis Samstag 14 bis 17 Uhr Sonntag/Feiertag 11 bis 17 Uhr Mato Tope Städtische Galerie Mennonitenkirche Schlossstraße Neuwied Telefon 02631/20687 info@galerie-neuwied.de Wildpferde im Neuwieder Becken