Predigt an Invocavit: Hebr 4,14-16
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- Silke Baumhauer
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1 1 Predigt an Invocavit: Hebr 4, Lasst uns also festhalten an der Hoffnung, zu der wir uns bekennen. Wir haben doch einen überragenden Obersten Priester, der alle Himmel durchschritten hat und sich schon bei Gott, im himmlischen Heiligtum, befindet: Jesus, den Sohn Gottes. 15 Dieser Oberste Priester ist nicht einer, der kein Mitgefühl für unsere Schwächen haben könnte. Er wurde ja genau wie wir auf die Probe gestellt aber er blieb ohne Sünde.7 16 Darum wollen wir mit Zuversicht vor den Thron unseres gnädigen Gottes treten. Dort werden wir, wenn wir Hilfe brauchen, stets Liebe und Erbarmen finden. Liebe Gemeinde, als ich noch zur Schule ging und so etwa im Konfirmandenalter war, da begann es, daß wir uns viel unterhalten haben über unsere Probleme, Ängste und Hoffnungen. Da wurde über den Freund oder die Freundin gesprochen, über Probleme mit den Eltern oder Lehrern, über Wünsche und Sehnsüchte und sogar übers älter werden. - Eine Angst, die damals schon in der Jugendzeit da war und die mir auch heute noch in allen Altersstufen begegnet, ist die Angst vor Isolation und Einsamkeit. Das unfreiwillige Alleinsein, niemanden haben, mit dem man reden oder mit dem man zusammensein kann, das scheint über Generationen hinweg und früher wie heute eine tiefe menschliche Angst zu sein. - Wir Menschen sind auf ein Gegenüber, auf ein Miteinander angewiesen. Wir brauchen jemanden, mit dem wir uns aussprechen können. Mit dem wir Fragen unseres Lebens und wichtige Entscheidungen bedenken können. Und oft brauchen wir ganz einfach jemanden, an den wir uns anlehnen können, oder der einfach bei uns ist und sei es nur die gewohnte Nähe oder das Gefühl nicht allein dazustehen. Dieses Gefühl allein gelassen zu sein, hatte die Gemeinde, an die der Brief adressiert ist, aus dem wir eingangs der Predigt einen Abschnitt gehört haben. Und diese Christen der dritten Generation damals haben darüber hinaus auch die Erfahrung gemacht, daß es Lebenssituationen gibt, in denen auch die Nähe unter Menschen an ihre Grenzen kommt. Denn es gibt Situationen der Trauer, die kein Wort mehr fassen kann. Es gibt Schuld, die wir gerade unseren besten Freunden oder Angehörigen nicht bekennen können. Es gibt Enttäuschungen, die jegliches Vertrauen in Menschen nahezu unmöglich machen können. Es gibt Ängste, die wir
2 2 keinem mitzuteilen wagen, so gerne wir das vielleicht täten. Es gibt das Gefühl der Sinnlosigkeit, das jede Hoffnung und Zuversicht in menschliche Hilfe fast unmöglich macht. Und genau hier bietet uns unser heutiger Predigttext etwas an, das uns bei genauerem Hinsehen mit tiefer Dankbarkeit erfüllen sollte: Es ist das Angebot oder besser die Zusage der Nähe Gottes wo wir auch sein mögen und in welcher Situation wir uns auch befinden mögen. Den mutlos gewordenen Christen damals, wie heute wird gesagt: Es gibt keinen Ort auf der Welt, an dem Gott nicht anwesend ist. Es gibt keinen Ort, an dem ihr euch von Gott verlassen fühlen müßt. Wir alle dürfen sicher sein, daß wir nicht einsam und verlassen sind - nicht heute und nicht morgen, denn seit Jesus Christus alle Himmel durchschritten hat und auch hier schon auf Erden gelebt hat, gibt es keinen gottverlassenen Ort mehr. Gott ist uns in unserem auferstandenen und lebendigen Herrn Jesus Christus immer nahe und wir können uns in jeder Situation an ihn wenden. - Das zu wissen tut gut! Mit dem allmächtigen Gott reden zu dürfen und alles vor ihn bringen zu dürfen, was uns belastet, das ist alles andere als selbstverständlich. Ich erinnere mich an einen evangelischen Kollegen, der früher als Kind in Afrika als Muslim aufwuchs und erzogen wurde. Er erzählte von einer Begebenheit, bei der er am Krankenbett eines Verwandten saß und plötzlich einige koptische Christen hereinkamen, um für diesen Kranken zu beten. Dieses Erlebnis war für den früheren Muslim so erstaunlich und fremd, weil diese Christen mit ihrem Gott redeten und ihn direkt um etwas baten. Das gab es so in seiner muslimischen Welt nicht und war undenkbar. Doch war diese Begegnung dann ein Schlüsselerlebnis für ihn, auf dem Weg zum Christentum zu konvertieren. Das direkte Gespräch mit Gott, ihn ansprechen und bitten zu dürfen war auch zur Zeit Jesu eine undenkbare Vorstellung. Nicht einmal den großen und heiligen Namen Gottes durfte man damals ungestraft aussprechen. Allein dem Hohenpriester war es einmal im Jahr gestattet diesen Namen öffentlich zu nennen und ebenfalls allein der Hohepriester durfte einmal im Jahr, am Versöhnungstag das Allerheiligste im Tempel betreten und so in die unmittelbare Nähe Gottes gelangen. Er durfte dann unter allerlei Opfern Gott für das Volk um Vergebung bitten. Und für diesen Dienst mußte selbst der Hohepriester vorher bereits 5 Tage in den Tempel ziehen, um sich durch Reinigungen und Übungen darauf vorzubereiten. Und selbst der Hohepriester, der ja bereits nach strengsten
3 3 Vorschriften lebte, mußte bevor er für das Volk um Vergebung bat seine eigene Sünde bekennen und dafür Gott ein Tieropfer bringen. Wir mögen das heute für Unfug halten oder als steinzeitliche Riten abtun wollen, aber wir sollten mit derartigen Urteilen nicht zu vorschnell sein, handelt es sich dabei doch um denselben Gott, an den auch wir glauben. Für mich sind diese Opferhandlungen eher ein Zeichen dafür, wie ernst es Gott und den Menschen mit ihrer Schuld war und wie heilig und erhaben Gott eigentlich ist. Daß wir heute derartige Opfer nicht mehr bringen müssen und daß wir uns direkt an Gott wenden dürfen, das hat seinen einzigen Grund darin, daß Jesus Christus, der Sohn Gottes selbst für uns zu einem letztgültigen Hohepriester geworden ist, der genau wie wir auf dieser Welt gelebt hat, gelitten hat, zornig war, Angst hatte - der eben Mensch war wie wir und der auch versucht wurde wie wir. Und Versuchung, das heißt vom Wort her zunächst: Suchen - in verkehrter Richtung. Ver-suchen, das ist etwas wie: ver-laufen! Suchen von Antworten und Lösungen an Gott vorbei, ohne ihn. Wer Gott nicht bewußt mit hineinnimmt und hineinläßt in alle entscheidenden Fragen, Hoffnungen und Pläne, sucht an ihm vorbei und erliegt so einer gefährlichen Ver-suchung. - Mit anderen Worten: er entfernt sich von Gott und seinem Willen und sündigt somit. Jesus hat uns daher bitten gelehrt: Führe uns nicht in Versuchung. Oder wie es ein Ruhestandskollege einmal sehr interessant ausgelegt hat: Führe mich in der Versuchung. Denn eigentlich führt Gott nicht in Versuchung, sondern wir entfernen uns von ihm oder werden durch andere Dinge oder Umstände versucht, uns von ihm abzuwenden. Und nicht nur wir, auch Gott weiß, wie schwer wir uns mit der Versuchung tun und wie oft wir ihr immer wieder erliegen, uns von Gottes gutem Willen entfernen. Jesus Christus in hohepriesterlicher Funktion ist bisher der einzige, der es geschafft hat jeglicher Versuchung zu widerstehen, also in ständiger Gemeinschaft mit Gott zu leben. Und er ist auch der einzige Hohepriester, der nicht die Opfer von anderen entgegennimmt, um sie vor Gott zu bringen, sondern der sich selbst für andere opferte. Er, der Sohn Gottes öffnete damit nicht nur für ein Jahr den Vorhang zum Allerheiligsten, zur unmittelbaren Nähe Gottes. Durch ihn und über ihn sind wir auf ewig mit Gott und untereinander verbunden. Denn wo er uns Gott als unseren himmlischen Vater nahegebracht hat, da werden wir durch ihn im Glauben zu Geschwistern.
4 4 Durch die Taufe sind wir zu Gottes Kindern geworden und im Glauben damit auch untereinander zu Brüdern und Schwestern im Herrn und zu Kindern unseres himmlischen Vaters. Wir dürfen jederzeit zu ihm kommen und sind durch keinen Vorhang oder Verbot von ihm getrennt. Er ist uns immer nahe, d.h. wir sind nie alleine, denn Christus, der Auferstandene ist alle Tage bei uns, bis an der Welt Ende. Als Christ mit Jesus leben zu wollen, das wird jedoch für jeden so lange nur leeres Gerede ohne konkreten Inhalt bleiben, solange wir dies nicht üben. Mit der Nähe Jesu Chrisi und der Erfahrung, daß wir von ihm nicht allein gelassen werden, ist es genauso, wie mit anderen ganz normalen menschlichen Kontakten auch: Wer mit Jesus nicht rechnet, wer nicht beginnt, mit ihm zu reden in stillen Gedanken und in Worten des Gebets, der wird diese Erfahrung der trostvollen Nähe auch nicht machen können. Wer aber die Bibel aufschlägt und dort nach Worten des Trostes, der Wegweisung und der Kraft sucht, der wird Jesus kennenlernen und dem wird sich Jesus auch in seinem Leben zu erkennen geben und ihm in jeder Situation zur Seite stehen. Mit Jesus leben wollen, am Bekenntnis festhalten heißt aber auch, daß wir als Christen genauso wenig wie alle anderen Menschen von Gott ein Schlaraffenland erwarten können. Jesus Christus ist kein Zauberer mit Hokuspokus, er entläßt uns nicht aus der Aufgabe, uns in unserem Leben zu bemühen - aber wir dürfen ihn dabei stets in unserer Nähe wissen und gegen unsere Angst und Einsamkeit auf ihn vertrauen. Wo wir auch leben, was uns auch bewegt und ängstigt - Jesus fühlt mit uns mit, wie kein anderer Mensch mit uns mitzufühlen vermag. 16 Darum wollen wir mit Zuversicht vor den Thron unseres gnädigen Gottes treten. Dort werden wir, wenn wir Hilfe brauchen, stets Liebe und Erbarmen finden. Und wir alle brauchen diese Hilfe und Gnade. Wir alle sind von Kindheit an und auch als Erwachsene immer wieder darauf angewiesen, daß man uns mal etwas durchgehen läßt, etwas vergibt und uns etwas nicht verübelt. Denn das pure Recht und Gesetz ist ohne Gnade und unbarmherzig. Und so leben wir hier in einer ständigen Spannung zwischen der großen Freiheit, in der wir leben und dem Zwang, der daraus entsteht, daß wir uns immer für das Richtige entscheiden müssen. In kaum einem anderen Land der Welt gibt es so viel Freiheit und
5 5 Entscheidungsmöglichkeiten, wie hier in Deutschland, aber wir kennen auch die Kehrseite dieser Entscheidungsfreiheit, daß wir sie eben häufig nicht zum Guten genutzt haben, sondern in den zahlreichen Möglichkeiten auch zahlreiche Versuchungen stecken. Der moderne Mensch unserer Zeit ist wohl auf den ersten Blick gesehen der freieste Mensch aller Zeiten - auf den zweiten Blick aber müssen wir auch sehen, daß heute wie kaum zuvor Menschen an sich selbst verzweifeln. Versöhnung mißlingt häufig, weil wir nicht mehr dazu bereit sind als erste um Verzeihung zu bitten. - Stattdessen haben wir gelernt starr auf unser Recht zu pochen. Und irgendwann drängt sich uns die Frage auf, was wohl alles in unserem Leben hätte besser laufen können. - Doch wir können die Zeit nicht zurückdrehen. Worte einmal ausgesprochen, sind nicht zurückzunehmen. Verletzungen, die wir durch Kurzsichtigkeit begangen haben, vernarben oft nur und werden niemals ganz heil. Was wir in den Situationen der Reue und Selbstvorwürfe brauchen, ist das was Jesus in seiner hohepriesterlichen Funktion uns ermöglicht: Wir können zu der Zeit, da wir Hilfe nötig haben, auf Barmherzigkeit und Gnade hoffen. Bei ihm gibt es keine Gnadenlosigkeit, kein das verzeihe ich dir nie!, das es unter uns Menschen so oft gibt. Wir haben über unseren Hohepriester Jesus Christus immer einen direkten Zugang zu dem Herrn, der über allen Menschen und Gewalten steht und der uns um Christi willen gerne hilft. Und dazu brauchen wir nicht erst irgendwelche komplizierten Anmeldeformulare ausfüllen oder umständlich um eine Audienz zu bitten, wie das bei den hohen Herren unserer Welt üblich ist. - Wir sind durch Jesus Christus direkt eingeladen. Er ruft uns zu: "Kommt, denn es ist alles bereit. Schmecket und sehet wie freundlich der Herr ist. Wohl dem, der ihm vertraut." Amen Pfr. Gunter Bareis, Kirchbergstraße 18, Lauffen a.n.
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