HESSISCHER LANDTAG. Kleine Anfrage
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- Günter Günther
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1 16. Wahlperiode HESSISCHER LANDTAG Drucksache 16/ Kleine Anfrage der Abg. Kordula Schulz-Asche (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) vom betreffend Selbsttötungen in Hessen und Antwort der Sozialministerin Vorbemerkung der Fragestellerin: Obwohl die Selbsttötungsrate seit der Wiedervereinigung in Deutschland rückläufig ist, liegt sie im internationalen Vergleich immer noch hoch. Durchschnittlich alle 47 Minuten nimmt sich in Deutschland ein Mensch das Leben, Männer häufiger als Frauen; in höherem Lebensalter häufen sich die Suizide. In den letzten Jahren ist allerdings auch eine Zunahme der Suizide bei älteren Frauen zu verzeichnen. Fast jede zweite Frau, die sich das Leben nimmt, ist über 60 Jahre alt. Diese Vorbemerkung der Fragestellerin vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1. Wie hat sich die Suizidrate in Hessen in den letzten zehn Jahren entwickelt (bitte nach Altergruppen und Geschlecht differenzieren)? Die Zahl der Selbsttötungen in Hessen hat sich seit 1994 bis 2003 (letzte verfügbare Zahl) wie folgt entwickelt: Fallzahlen der an vorsätzlicher Selbstbeschädigung Gestorbenen in Hessen 1994 bis 2003: (Quelle: Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Jahr Fallzahl Durchschnittliche Bevölkerung Rate pro Personen , , , , , , , , , ,1 Über die alters- und geschlechtspezifische Verteilung geben die als Anlage 1 beigefügten Darstellungen Aufschluss. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass in den letzten 10 Jahren die Suizid-Rate bezogen auf die Bevölkerungszahl nahezu konstant geblieben ist. Selbsttötungen waren sowohl absolut als auch je Personen der Altersgruppe in allen Altersstufen bei Männern häufiger als bei Frauen. Sie stiegen bei beiden Geschlechtern mit dem Alter je Personen der Eingegangen am 5. April 2005 Ausgegeben am 12. April 2005 Druck und Auslieferung: Kanzlei des Hessischen Landtags Postfach Wiesbaden
2 2 Hessischer Landtag 16. Wahlperiode Drucksache 16/3590 Altersgruppe an. Die Zahl der Selbsttötungen bei Frauen über 60 Jahren hat sich im Zeitraum von 1998 bis 2003 nicht signifikant verändert (Zahlen vor 1998 liegen nicht vor). Frage 2. Gibt es regionale Häufungen von Selbsttötungsfällen in Hessen und worauf werden diese zurückgeführt? Die Verteilung der Selbsttötungsfälle in Hessen stellt die Tabelle in Anlage 2 dar. Frage 3. Welche Angebote der Primärprävention gibt es in Hessen und von wem und wo werden sie angeboten? Angebote zur Primärprävention, also zur Vermeidung von Stimmungslagen, die Selbsttötungen nach sich ziehen, sind der Landesregierung nicht bekannt. Es muss davon ausgegangen werden, dass in den individuellen Entschluss zum Suizid eine Fülle unterschiedlicher biografischer Motivationen eingeht und langfristig summative ebenso wie krisenhaft kurzfristige Faktoren eine Rolle spielen. Es erscheint methodisch und praktisch kaum realistisch, hierauf vorbeugend Einfluss zu nehmen. Frage 4. Ist es nach Erkenntnissen der Landesregierung zutreffend, dass das Hauptmotiv für einen Suizid starke Depressionen sind, unter denen die Menschen leiden? Depressive Menschen sind einem höheren Leidensdruck ausgesetzt als die meisten anderen Menschen. Depressionen schränken in fundamentaler Weise die Lebensqualität ein. Wie bei keiner anderen Krankheit führt die Schwere des subjektiven Leidens oft dazu, dass die depressiven Menschen ihren Zustand als unerträglich erleben und daran denken, sich das Leben zu nehmen. Frage 5. Liegen Untersuchungen zur Inanspruchnahme und der Qualität der Therapie von Depressionen in Hessen vor? Wenn ja, bestätigen diese die Aussage, dass weniger als 10 v.h. der Therapie dem Stand der Wissenschaft entspricht? Diesbezügliche Untersuchungen sind der Landesregierung nicht bekannt. Frage 6. Welche Maßnahmen wurden seitens der Landregierung bisher ergriffen bzw. sollten noch ergriffen werden, um die Selbsttötungsrate zu senken? Sinnvolle Maßnahmen können nur auf örtlicher Ebene im Zusammenspiel verschiedener Beteiligter wie Ärzte, Psychologen, Psychotherapeuten, Krankenkassen, Krisendienste (z.b. Telefonseelsorge), Beratungsstellen etc. entwickelt und vorgehalten werden. Örtliche hessische Initiativen sind nicht bekannt. Frage 7. In welcher Form ist die Landesregierung am nationalen Suizidpräventionsprogramm beteiligt? Prävention suizidalen Verhaltens ist nach Auffassung der WHO ein vordringliches gesellschaftliches und gesundheitspolitisches Problem. In verschiedenen nationalen Programmen, regionalen Initiativen und einzelnen Projekten konnte bisher eine deutliche Reduktion der Anzahl der Suizide erreicht werden. In Deutschland existiert im Unterschied zu anderen europäischen Ländern bisher aber kein nationales Suizidpräventionsprogramm. Die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention (DGS) ergriff daher die Initiative für ein solches Präventionsprogramm. Es beteiligen sich Bundestag, Bundes- und Länderministerien, Kirchen, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände, Medienverbände, Dach- und Fachgesellschaften des Gesundheitswesens, wissenschaftliche Einrichtungen und Betroffenenorganisationen (insgesamt mehr als 70 verschiedene Institutionen) an der Entwicklung des Programms. Die Arbeit wird von einem internationalen wissenschaftlichen Beirat und der WHO begleitet. Für die Bundesländer ist das Land Schleswig-Holstein vertreten, über die Diskussionen und Ergebnisse wird regelmäßig in der "Arbeitsgruppe Psychiatrie der Obersten Landesgesundheitsbehörden", in der auch Hessen vertreten ist, berichtet. Frage 8. Ist der Landesregierung bekannt, ob in dieser Statistik auch "Selbsttötungen auf Verlangen" erfasst sind? In der Todesursachenstatistik wird dieser Punkt nicht erfasst, denn es handelt sich dabei um einen strafrechtlichen Tatbestand (Tötung auf Verlangen, StGB 216) und nicht um eine Todesursache. Tötungen auf Verlangen werden in seltenen Einzelfällen aktenkundig. Die hessische polizeiliche Krimi-
3 Hessischer Landtag 16. Wahlperiode Drucksache 16/ nalstatistik weist zwei Fälle für das Jahr 2002 und einen Fall für das Jahr 2003 aus. Die Todesursachenstatistik erlaubt lediglich einen Überblick über die Arten der tödlichen vorsätzlichen Selbstbeschädigung: Rate (pro ) der häufigsten Arten tödlicher vorsätzlicher Selbstbeschädigung in Hessen im Mittel 2001 bis 2003 (Quelle: Gesundheitsberichterstattung des Bundes, X70 X80 X81 X74 X64 X71 X61 X78 Häufigste Arten 2003 Rate pro Vorsätzliche Selbstbeschädigung durch Erhängen, Strangulierung oder Ersticken 5,8 Vorsätzliche Selbstbeschädigung durch Sturz 1,4 in die Tiefe Vorsätzliche Selbstbeschädigung durch Sichwerfen oder Sichlegen vor ein sich bewegen- 1,0 des Objekt Vorsätzliche Selbstbeschädigung durch sonstige oder nicht näher bezeichnete Feuerwaffe 0,9 (Schusswaffe) Vorsätzliche Selbstvergiftung durch und 0,8 Exposition gegen sonstige und nicht näher bezeichnete Arzneimittel, Drogen und biologisch aktive Substanzen Vorsätzliche Selbstbeschädigung durch Ertrinken 0,5 und Untergehen Vorsätzliche Selbstvergiftung durch Exposition 0,5 gegen Antiepileptika, Hypnotika, Antiparkinsonmittel und psychotrophe Substanzen Vorsätzliche Selbstbeschädigung durch scharfen 0,4 Gegenstand Wiesbaden, 22. März 2005 Silke Lautenschläger Anlagen
4 Anlage 1 Alters- und geschlechtsspezifische Todesfallzahlen an vorsätzlicher Selbstbeschädigung im Mittel der Jahre 2001 bis 2003 in Hessen (Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Reihe: Gestorbene in Hessen , eigene Berechnungen) Tod durch vorsätzliche Selbstbeschädigung: Alters- und geschlechtsspezifische Fallzahlen in Hessen im Mittel der Jahre weiblich männlich Fälle unter Altersgruppe u. mehr Alters- und geschlechtsspezifische Mortalitätsraten (pro ) an vorsätzlicher Selbstbeschädigung im Mittel der Jahre 2001 bis 2003 in Hessen (Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Reihe: Gestorbene in Hessen , eigene Berechnungen) Tod durch vorsätzliche Selbstbeschädigung: Alters- und geschlechtsspezifische Rate pro in Hessen im Mittel der Jahre weiblich männlich Fälle unter Altersgruppe u. mehr
5 Alters- und geschlechtsspezifische Todesfallzahlen und Mortalitätsraten (pro ) an vorsätzlicher Selbstbeschädigung im Mittel der Jahre 2001 bis 2003 in Hessen (Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Reihe: Gestorbene in Hessen , eigene Berechnungen) Mittlere Fallzahl Mittlere Rate weiblich männlich insgesamt weiblich männlich insgesamt Alle Altersgruppen 233,7 570,0 803,7 7,5 19,1 13,2 unter 1 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0, ,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0, ,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0, ,0 2,0 2,0 0,0 1,2 0, ,3 13,0 17,3 2,8 8,1 5, ,3 26,7 33,0 3,7 15,9 9, ,3 22,3 29,7 4,1 12,4 8, ,7 38,3 47,0 3,7 15,6 9, ,3 47,7 66,0 6,9 17,0 12, ,7 54,0 71,7 7,3 21,4 14, ,3 47,0 69,3 10,6 21,7 16, ,7 50,7 66,3 7,8 25,0 16, ,3 39,7 57,0 10,2 23,0 16, ,7 48,3 72,0 11,6 23,9 17, ,0 48,0 65,0 10,3 31,5 20, ,7 44,7 61,3 11,9 38,6 24, ,7 38,3 59,0 15,3 47,4 27, ,0 24,0 40,0 16,9 56,1 29, ,3 14,3 26,7 24,8 78,9 39,4 90 u. mehr 9,3 11,0 20,3 28,8 103,3 47,3 Todesfallzahlen und Mortalitätsraten (pro ) an vorsätzlicher Selbstbeschädigung in Hessen 1998 bis 2003 Frauen ab 60 Jahren (Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Reihe: Gestorbene in Hessen , eigene Berechnungen) Jahr Fallzahl Personen Rate pro ,2 12,7 13,8 14,0 13,4 14,9
6 Anlage 2 Standard Mortality Ratio (SMR) für den Tod durch vorsätzliche Selbstbeschädigung auf Ebene der hessischen Kreise und kreisfreien Städte, Hessen aggregierte Fälle der Jahre 1999 bis 2003 (Quelle: Hessisches Statistisches Landesamt, Reihe: Gestorbene in Hessen 1998 bis 2003, eigene Berechnungen) Kreis/kreisfreie Stadt beide Geschlechter zusammen (1999 bis 2003) SMR Konfidenzintervall 95 v.h. untere Grenze obere Grenze Darmstadt 1,09 0,68 1,71 Frankfurt am Main 0,90 0,72 1,13 Offenbach am Main 1,01 0,59 1,72 Wiesbaden 1,23 0,91 1,67 1,15 0,83 1,59 Darmstadt-Dieburg 0,93 0,65 1,32 Groß-Gerau 1,01 0,70 1,44 Hochtaunuskreis 0,74 0,48 1,14 Main-Kinzig-Kreis 0,98 0,73 1,29 Main-Taunus-Kreis 0,86 0,56 1,29 Odenwaldkreis 1,08 0,61 1,87 Offenbach 0,94 0,68 1,29 Rheingau-Taunus-Kreis 1,07 0,71 1,60 Wetteraukreis 1,05 0,76 1,45 Gießen 1,13 0,81 1,58 Lahn-Dill-Kreis 0,89 0,61 1,29 Limburg-Weilburg 1,04 0,68 1,59 Marburg-Biedenkopf 0,96 0,66 1,38 Vogelsbergkreis 1,08 0,65 1,77 Kassel 1,16 0,80 1,66 Fulda 0,82 0,53 1,26 Hersfeld-Rotenburg 1,06 0,65 1,69 Kassel 0,91 0,62 1,34 Schwalm-Eder-Kreis 1,16 0,79 1,69 Waldeck-Frankenberg 1,00 0,64 1,53 Werra-Meißner-Kreis 1,06 0,63 1,74 Land Hessen 1,00 Berechnet wird die "Standard Mortality Ratio" (SMR) als der Quotient aus der im Kreis beobachteten Fallzahl und der gemäß der Altersstruktur des Kreises zu erwartenden Fallzahl unter den altersspezifischen Risiken im Land. Ein SMR unter 1 bedeutet ein unter Berücksichtigung von Unterschieden der Altersstruktur geringeres Risiko im Kreis als im Landesdurchschnitt, ein SMR über 1 ein höheres Risiko als im Landesdurchschnitt.
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