Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen
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- Hermann Schumacher
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1 Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen Rede von Staatssekretär Markus Sackmann Preisverleihung für den 6. Literaturwettbewerb "wir schreiben" des Volkshochschulverbands im Rahmen der Berufsbildungsmesse 2010 Nürnberg, den Es gilt das gesprochene Wort
2 - 2 - I. Begrüßung Sehr geehrte Damen und Herren. Sehr geehrte Jury-Mitglieder. Sehr geehrte Preisträgerinnen und Preisträger. Unsere Berufsbildung 2010 steht unter dem Motto gestalte deine Zukunft. Sie ist geprägt von der Philosophie, die Zukunft als Chance zu sehen. In meiner Eröffnungsrede habe ich betont, dass es mir ein Herzensanliegen ist, dass wir allen Zukunftschancen ermöglichen. Ich freue mich deshalb sehr, dass ich heute hier sein kann und die Aufgabe übernehmen darf, vier ganz besondere Preise zu überreichen. Denn es geht um Menschen, die es schwerer haben in ihrem Alltag. Um sogenannte lese- und schreibungewohnte Menschen.
3 - 3 - Für all diese Menschen soll die heutige Veranstaltung ein Licht sein, das ihnen den Weg weist. Ein Licht, das ihnen Zukunftschancen zeigt und betont: Sie sind nicht allein!
4 - 4 - II. Analphabetismus/ Auswirkungen und Auswege Lese- und schreibungewohnte Menschen klingt vielleicht schöner als Analphabeten. Die Bedeutung müssen wir aber ganz klar beim Namen nennen: Diese Menschen haben große Schwierigkeiten mit dem Lesen, Schreiben und Rechnen. Mit alltäglichen Dingen, die wir jeden Tag dringend brauchen. Und wenn diese Grundbildung fehlt, dann hat das Auswirkungen auf das ganze Leben: Lesen und Schreiben sind die wichtigsten Voraussetzungen für jede Erwerbstätigkeit. Und sie sind vor allem auch ein Schlüssel für die Anerkennung in unserer Gesellschaft. Analphabeten stoßen zu oft auf Unverständnis. Viele sagen: In Deutschland gibt es eine
5 - 5 - Schulpflicht wie kann es dann sein, dass jemand nicht ausreichend lesen und schreiben kann? Ja, es kann sein. Leider! In Deutschland sind nach Schätzungen 0,6 Prozent der Bevölkerung totale Analphabeten. Und etwa 6 bis 11 Prozent der Deutschen sind sogenannte funktionale Analphabeten [Hinweis: Menschen, die zwar Buchstaben schreiben können, die die Schrift im Alltag aber nicht vernünftig gebrauchen können, den Sinn von Texten nicht oder nicht schnell genug erfassen können]. Weil es in unserer Gesellschaft so viel Unverständnis für Analphabeten gibt, finden viele aus ihrer Situation keinen Ausweg. Sie mogeln sich durch das Leben, in ständiger Angst davor, dass ihre Defizite entdeckt werden. Aber es gibt auch andere: Menschen, die in ihrer besonderen Situation ganz viel Mut und Kraft aufgebracht haben. Die an diesem Schreibwettbewerb teilge-
6 - 6 - nommen haben, obwohl ihnen Buchstaben und Texte früher Angst gemacht haben. Die sich nicht aufgegeben, sondern aktiv die fehlenden Lese- und Schreibkenntnisse nachgeholt haben. Und dafür ist es nie zu spät. Heute gibt es gute Möglichkeiten, die fehlende Grundbildung nachzuholen als junger Mensch auf dem Weg zu einem Schulabschluss, aber natürlich auch als Erwachsener. Der Deutsche Volkshochschulverband (DVV) hat mit seiner Webseite ich-willlernen.de etwas Tolles geschaffen: Hier kann jeder seine Fähigkeiten im Lesen und Schreiben verbessern, natürlich auch unter der Anonymität, die vielen Analphabeten wichtig ist. Die Texte der Seite werden gegebenenfalls vorgelesen. Und wer einmal den Mut aufgebracht hat
7 - 7 - anzufangen, der wird auch dabeibleiben und merken: Grundbildung nachzuholen lohnt sich!
8 - 8 - III. Unterstützung durch Eltern, Unternehmen und Politik Als Staatssekretär im Arbeits- und Familienministerium weiß ich um die Schwierigkeiten, die die jungen Menschen in Deutschland heute haben. Ich weiß, dass die Anforderungen an die Jugendlichen in der Schule und bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz gestiegen sind. Das Stichwort fehlende Ausbildungsreife ist derzeit in aller Munde. Viele Betriebe bemängeln, dass sie ihre Ausbildungsstellen nicht besetzen können, den Jugendlichen würden grundlegende Kenntnisse fehlen. Defizite in Sprache und Grundbildung gibt es nicht nur bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Mir ist wichtig, dass wir alle an einem Strang ziehen:
9 - 9 - Erstens die Eltern. Lebenschancen zu ermöglichen, ist primär eine Aufgabe der Eltern. Die Familie von heute ist vielfältiger denn je, aber sie ist auch unverzichtbarer denn je. Unverzichtbar in der Erziehung und Bildung, unverzichtbar im Vorleben von Werten, unverzichtbar in der Übernahme von Verantwortung füreinander. Unverzichtbar für die Lebenschancen von Kindern. Die Familie ist damit der Kristallisationspunkt unserer Gesellschaft, in dem sich Lebensschule, soziale Kernerfahrung, Herzund Charakterbildung und in einem hohen Maße auch Bildungschancen formen und entwickeln. Familie kann weit mehr erreichen, als es Kita und Schule je können. Zweitens die Unternehmen, die Verantwortung für den Fachkräftenachwuchs in Deutschland übernehmen müssen.
10 Schon jetzt gibt es jährlich immer weniger Schulabgänger. Da dürfen die Unternehmen nicht nur auf die Schulnoten blicken, sondern müssen auch den Mut aufbringen, eher praktisch begabte Jugendliche auszubilden. Wir brauchen jede und jeden! Drittens die Politik. Das bayerische Arbeitsund Familienministerium setzt sich konsequent für die Schaffung optimaler Rahmenbedingungen ein. Wir fördern zahlreiche Maßnahmen, die sozial benachteiligte Jugendliche auf ihrem Weg in ein erfülltes Berufsleben unterstützen und begleiten. Ich nenne hier nur unser erfolgreiches Programm Fit for Work. Seit 2004 haben wir damit über meist zusätzliche betriebliche Ausbildungsplätze für leistungsschwächere Jugendliche unterstützt. Wenn wir alle zusammen an einem Strang ziehen, geben wir Jugendlichen, die leistungsschwächer oder benachteiligt sind,
11 Entwicklungschancen. Sie bedürfen unserer besonderen Unterstützung. Mir ist es wichtig, dass die jungen Menschen spüren, dass sich ihre Anstrengungen lohnen. Dafür ist der Literaturwettbewerb wir schreiben das beste Beispiel. Hier haben über 300 Menschen Texte verfasst und damit gezeigt: Wir haben es geschafft! Wir haben unsere Angst überwunden und Lesen und Schreiben gelernt!
12 IV. Schluss Vier von diesen Texten wollen wir heute prämieren. Es sind ganz persönliche Texte, die Einblick geben in das Leben von Menschen, die es schwer haben. Menschen, die mit wenigen Worten - und in einem Fall vor allem mit Zahlen beschreiben, was in ihnen vorgeht. Ich durfte die Texte bereits im Vorfeld lesen und kann sagen: Sie haben mich wirklich berührt. Frau Ramona W., Frau Ramona Duckert, Herr Zdenko Sisic und Herr Erhard S. [Hinweis: Anrede so gewünscht]. Bei Ihnen möchten wir uns heute bedanken. Für Ihr tolles Vorbild und für Ihren Mut, dass Sie sich ihren Problemen gestellt haben und uns mit ihren Texten zum Nach-
13 denken angeregt haben. Auf Ihre Leistung können Sie stolz sein! Ich wünsche Ihnen, dass die heutige Preisverleihung ein Baustein ist für eine glückliche Zukunft. Dass Sie weiterhin an sich glauben und Ihr Leben aktiv in die Hand nehmen. Gestalten Sie Ihre Zukunft!
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