Wie man die Botschaft des Propheten Jesaja versteht

Transkript

1 Evangelisch-Lutherische Freikirche Zionsgemeinde Hartenstein Predigt zum Christfest 2017 über Jes 11,1-10 Pastor M. Müller MIT WEIHNACHTEN BEGINNT DAS PARADIES AUF ERDEN denn der Messias Gottes wird geboren und der Geist Gottes lässt ein Friedensreich entstehen

2 Predigttext (Jes 11,1-10): Und es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen. Auf ihm wird ruhen der Geist des HERRN, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des HERRN. Und Wohlgefallen wird er haben an der Furcht des HERRN. Er wird nicht richten nach dem, was seine Augen sehen, noch Urteil sprechen nach dem, was seine Ohren hören, sondern wird mit Gerechtigkeit richten die Armen und rechtes Urteil sprechen den Elenden im Lande, und er wird mit dem Stabe seines Mundes den Gewalttätigen schlagen und mit dem Odem seiner Lippen den Gottlosen töten. Gerechtigkeit wird der Gurt seiner Lenden sein und die Treue der Gurt seiner Hüften. Da werden die Wölfe bei den Lämmern wohnen und die Panther bei den Böcken lagern. Ein kleiner Knabe wird Kälber und junge Löwen und Mastvieh miteinander treiben. Kühe und Bären werden zusammen weiden, dass ihre Jungen beieinander liegen, und Löwen werden Stroh fressen wie die Rinder. Und ein Säugling wird spielen am Loch der Otter, und ein entwöhntes Kind wird seine Hand stecken in die Höhle der Natter. Man wird nirgends Sünde tun noch freveln auf meinem ganzen heiligen Berge; denn das Land wird voll Erkenntnis des HERRN sein, wie Wasser das Meer bedeckt. Und es wird geschehen zu der Zeit, dass das Reis aus der Wurzel Isais dasteht als Zeichen für die Völker. Nach ihm werden die Heiden fragen, und die Stätte, da er wohnt, wird herrlich sein. Liebe Festgemeinde, liebe Glaubensgeschwister, Wenn wir eine Urlaubsreise an ein Ziel planen, wo wir vorher noch nie waren, machen wir uns unsere Vorstellungen, wie es dort sein wird. Zu Zeiten des Internets haben wir schon Bilder von unserem Urlaubsort gesehen. Aber es bleiben doch noch Fragen offen: Wie 2

3 weit ist der Weg zum Strand, vielleicht? Oder wie wird der Blick aus dem Hotelzimmer sein? Und oft ist es wahrscheinlich so, dass es ganz anders wird, als man es sich vorgestellt hat. So ähnlich wird es auch mit dem Himmel sein. Wie stellen wir uns den Himmel, die Ewigkeit vor? Gott regt unsere Vorstellung auch durch Bilder an, die er uns in seinem Wort vor Augen malen lässt. Jesaja gehört auch zu denen, die durch ihre Worte Bilder in unserem Kopf entstehen lassen. Heute zeichnet uns der Prophet Bilder von Tieren, die friedlich miteinander leben, obwohl das normalerweise nicht der Fall ist. Wir haben von Kälber und jungen Löwen gehört, die friedlich miteinander auskommen und von Kühen und Bären, die zusammen weiden. Vorstellungen, die wir uns von einem Urlaubsziel machen, werden vielleicht manchmal enttäuscht. Im Bezug auf die Ewigkeit wird es genau anders herum sein, sagt Gottes Wort. Es wird noch viel besser werden, als wir es uns hätten jemals vorstellen können. Aber das Überraschende an der Botschaft, die wir heute vor uns haben ist: es geht erst mal noch gar nicht um die Ewigkeit. Der Prophet Jesaja kündigt ein weiteres Mal die Geburt unseres Heilandes an. Und er beschreibt das Friedensreich, was dieser aufrichten wird. Jetzt und hier schon in dieser Welt. Und so können wir die Botschaft des Propheten so zusammenfassen: MIT WEIHNACHTEN BEGINNT DAS PARADIES AUF ERDEN denn der Messias Gottes wird geboren und der Geist Gottes lässt ein Friedensreich entstehen (1.) Jesaja versteckt zunächst die Geburt des Messias hinter dem Bild vom Wurzelspross. Wir kennen die Worte des Propheten als Weissagung: Und es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen (Jes 11,1). Jesaja sagt durch Gottes Geist geleitet voraus, dass der Messias aus der Familie des König Davids stammen wird. Isai war der Vater Davids. Der Prophet verwendet das Bild vom Wurzelspross: aus einer toten Baumwurzel sprießt doch noch ein neuer Zweig hervor und 3

4 wächst wieder zu einem neuen Baum heran. Damit deutet Gott an, dass die einstige Pracht des davidischen Königreiches vergehen und die Zustände im Volk Israel jämmerlich und trostlos sein werden. Das Auftreten des Messias wird in einer Zeit des geistlichen Verfalls geschehen. Glaubensmäßig war Israel fast ganz tot, wie ein abgestorbener Baumstumpf. Aber genau dann sprießt plötzlich doch wieder Leben aus diesem toten Baumstumpf auf: der Messias wird geboren wenn alles hoffnungslos und verloren erscheint. Spross ist bei den Propheten Israels ein messianischer Titel. Auch Jeremia verwendet ihn: Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, dass ich dem David einen gerechten Spross erwecken will. Der soll ein König sein, der wohl regieren und Recht und Gerechtigkeit auf Erden ausrichten wird (Jer 23,5). Und auch der Prophet Sacharja: So spricht der HERR Zebaoth: Siehe, es ist ein Mann, der heißt»spross«; denn unter ihm wird's sprossen, und er wird bauen des HERRN Tempel (Sach 6,12). Die Weissagung vom Messias als neuer Trieb aus der toten Wurzel Israel ist bei Jesaja allerdings die dritte in einer Reihe von Weissagungen. Bevor er das vielleicht etwas rätselhafte Bild vom Messias als Spross verwendet, kündigt er die Geburt unseres Retters in klaren Worten an: Siehe, eine Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie nennen Immanuel (Jes 7,14). Und zwei Kapitel später: Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst (Jes 9,5). An unserer Stelle sagt Jesaja noch etwas über den Wurzelspross: Und es wird geschehen zu der Zeit, dass das Reis aus der Wurzel Isais dasteht als Zeichen für die Völker (Jes 11,10). Der Messias als Spross aus einer toten Wurzel soll ein Zeichen für die Völker sein ein Zeichen für dich: Der Messias kommt genau dann, wenn es alles tot und hoffnungslos ist. Unser Zustand ist vergleichbar mit dem des Volkes Israel. Durch unsere Sünde sind wir 4

5 abgestorben und hoffnungslos. Christus macht uns deutlich, wie es um uns steht. Jesaja überrascht uns mit seiner Beschreibung des Messias heute ein zweites Mal: Er wird mit dem Stabe seines Mundes den Gewalttätigen schlagen und mit dem Odem seiner Lippen den Gottlosen töten (Jes 11,10). Der Stab seines Mundes vor allem in der Offenbarung des Johannes wird dieses etwas erschreckende Bild wieder aufgenommen. Genau wie Jesaja den Messias beschreibt hat Johannes Jesus in seinen Visionen geschehen: [Und ich sah] einen, der war einem Menschensohn gleich, angetan mit einem langen Gewand und gegürtet um die Brust mit einem goldenen Gürtel. und er hatte sieben Sterne in seiner rechten Hand, und aus seinem Munde ging ein scharfes, zweischneidiges Schwert (Offb 1,13.16). Und später erklärt Johannes, wozu das Schwert aus dem Mund von Christus dienen soll: Und aus seinem Munde ging ein scharfes Schwert, dass er damit die Völker schlage; und er wird sie regieren mit eisernem Stabe (Offb 19,15). Ein scharfes Schwert ist eine furchteinflößende Waffe. Aber was Christus in seinem Mund führt, ist noch viel gefährlicher als jedes Schwert aus Eisen. Und diese Waffe aus dem Mund des Messias schlägt uns hart: sein Wort schneidet unser Herz auf und macht die ganze Sünde sichtbar, die wir krampfhaft versucht haben, da drin zu verstecken. Und was nun? Wird Christus uns mit dem Schwert aus seinem Mund, seinem Verdammungswort in die Hölle stoßen? Nicht, wenn wir die Gnadenzeit nutzen. Nicht, wenn wir uns dankbar auf unsere Sünde hinweisen und sie uns von ihm vergeben lassen. Denn der Spross Gottes ist ja aufgegangen, weil es so hoffnungslos um uns stand. Der Messias kam, um das zu ändern. Er will uns nicht in die Hölle stoßen, sondern in den Himmel heben. Und deswegen ist es Weihnachten geworden. Deswegen ist unser Heiland geboren. Er will dich nicht schlagen, sondern heilen. Er will dich nicht ver- 5

6 dammen, sondern trösten. Und wer das glaubt, für den beginnt das Paradies auf Erden. Das ist der Grund, warum es Weihnachten geworden ist. Der Messias will sein Friedensreich aufrichten. Jetzt und hier! Bei dir! (2.) MIT WEIHNACHTEN BEGINNT DAS PARADIES AUF ERDEN denn der Messias Gottes wird geboren und der Geist Gottes lässt ein Friedensreich entstehen. Um das zu verdeutlichen benutzt Jesaja wieder ein Bild. Er malt uns Tiere vor Augen, die friedlich miteinander grasen, die sich normalerweise voreinander Reißaus nehmen würden. Wölfe liegen gemütlich bei den Lämmern rum, und Panther halten sich bei den Ziegenböcken auf, ohne sie fressen zu wollen. Das sind Vorstellungen, die wir ganz sicher mit dem Paradies verbinden, mit der Welt, wie Gott sie ursprünglich geschaffen hatte: friedlich, ohne Tod und ohne Blutvergießen. Eine Welt, die wir uns alle herbeisehnen. Und genau das ist Weihnachten. Weihnachten soll das wieder herstellen, was einmal war und was durch die Sünde kaputt gegangen ist. Und wir müssen uns vor Christus eingestehen, dass wir teilweise mit daran Schuld sind, dass diese Welt kein Paradies mehr ist. Unsere Sünde bringt unseren Mitmenschen genau das, was nicht ins Paradies gehört: Streit, Traurigkeit, Tränen, Enttäuschung. Bei uns geht es leider oft noch nicht so friedlich zu wie bei den Tieren, die Jesaja uns hier beschreibt. Doch das Friedensreich des Messias beginnt dort, wo der Geist des Herrn wirkt. Denn dazu hat der Vater seinen Sohn in besonderer Weise mit dem Heiligen Geist ausgestattet. Jesaja beschreibt uns das so: Auf ihm wird ruhen der Geist des HERRN, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des HERRN (Jes 11,2). Der Messias hat das alles gebraucht, um uns aus dem Elend zu reißen. Der Erlöser der Menschheit musste mit diesen Wundergeistesgaben ausgestattet sein, sonst wären wir alle verloren. Und Christus hat alles in die Waagschale geworfen, um uns zu retten. 6

7 Aber Weisheit, Rat, Verstand, Glaubensstärke das sind doch Dinge, die wir auch gut gebrauchen könnten?! Für unseren Beruf! Für so manches, womit das Lebens uns konfrontiert! Und auch unser Zusammensein in der Gemeinde könnte mehr Erkenntnis, mehr Glaubensstärke und mehr geistliche Weisheit verkraften! Aber genau darum geht es in Jesajas Weissagung vom Wurzelspross. MIT WEIHNACHTEN BEGINNT DAS PARADIES AUF ERDEN denn der Geist Gottes lässt ein Friedensreich entstehen. Die Botschaft des Messias lautet nicht. Ich werde euch irgendwann erlösen. Irgendwann seid ihr mal für immer bei mir. Nein, seine Botschaft lautet: Mein Friedensreich beginnt jetzt. Sobald du den Streit und die Enttäuschungen dieses Lebens satt hast. Sobald du deiner Sünde leib bist, so bald soll mein Friedensreich bei dir beginnen. Die Auswirkungen des Geistes Gottes, die der Prophet uns nennt, sind gewaltig: Wohlgefallen wird er haben an der Furcht des HERRN (Jes 11,3). Das größte, was Gottes Geist vollbringt, ist das wir glauben können. Und der Messias freut sich darüber, wenn sein Geist das bei dir bewirkt. Die nächste Auswirkung des Geistes beschreibt Jesaja zunächst mit dem Bild von den friedlichen Tieren und er erklärt das Bild gleich selbst: Man wird nirgends Sünde tun noch freveln auf meinem ganzen heiligen Berge; denn das Land wird voll Erkenntnis des HERRN sein, wie Wasser das Meer bedeckt (Jes 11,9). Dort, wo der heilige starke Geist Gottes wirkt, da wird weniger gesündigt. Dort wo der Messias in den Herzen zu Hause ist, da beginnt DAS PARADIES AUF ERDEN. Dort zieht Frieden ein. Erst in den Herzen und dann auch zwischen uns. MIT WEIHNACHTEN BEGINNT DAS PARADIES AUF ERDEN denn der Messias Gottes wird geboren und der Geist Gottes lässt ein Friedensreich entstehen. Das Paradies ist dort, wo Menschen den Frieden haben, den Christus schenkt. Was Jesaja hier in Gottes Namen ankündigt, erfüllt sich unter uns, weil der Messias für uns geboren wurde. Du sollst zu seinem ewigen Friedensreich gehören und schon jetzt in diesem Frieden leben. Christus freut sich da- 7

8 rüber, wenn man diesen Frieden auch jetzt schon unter uns sehen und spüren kann. Vollständig wird die Weissagung vom Friedensreich ohne Sünde aber in der Ewigkeit erfüllt sein. Erst dann ist die Sünde ganz abgeschafft. Und es wird geschehen zu der Zeit, dass das Reis aus der Wurzel Isais dasteht als Zeichen für die Völker. Nach ihm werden die Heiden fragen, und die Stätte, da er wohnt, wird herrlich sein (Jes 11,10). Von der Weissagung Jesajas vom Wurzelspross kommen die vielen Advents- und Weihnachtsbräuche, die mit Tannengrün zu tun haben. Jeder Adventskranz, jeder Reisigstrauch, jeder Weihnachtsbaum soll uns an den Spross aus der Wurzel Isais erinnern. Den Messias, den er schickte, um uns zu retten. Amen. Predigtlied: (Es ist ein Ros entsprungen LG 34) Zionsgemeinde Hartenstein Kontakt: Pastor M. Müller Kleine Bergstr Hartenstein Tel.: /4211 Funk: 01577/ pfarrer.mmueller@elfk.de Sie finden uns im Internet unter: Die Predigt können Sie auch im Internet nachhören oder lesen. 8