Über die Dissoziationsneigung traumatisierter Mädchen und Jungen
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- Gitta Bäcker
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1 Über die Dissoziationsneigung traumatisierter Mädchen und Jungen Die Welle- Zentrum für Traumapädagogik Fachtag Hanau, 09.November 2009 Marc Schmid
2 Einleitung Wenn ich die Wahl habe zwischen dem Nichts und dem Schmerz, dann wähle ich den Schmerz. William Faulkner
3 Gliederung 1. Warum neigen traumatisierte Menschen zur Dissoziation? Was ist ein Trauma (Typ-I vs. Typ-II) 2. Woran kann man bemerken, dass jemand dissoziiert? 3. Trauma, Dissoziation und psychische Störungen 4. Dissoziative Störungen nach den psychiatrischen Klassifikationssystemen (ICD-10) 5. Folgen von Dissoziation und komplexer Traumatisierung
4 Gliederung II 6. Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung Dissoziation und Informationsverarbeitung Besondere Bedeutung der Emotionsregulation Körper und Somatisierung Dissoziation und Sinneswahrnehmung Schmerzempfinden/Körperwahrnehmung 10. Auslöser für Dissoziation 11. Was kann man tun? 12. Zusammenfassung und Diskussion
5 Trauma Überwältigendes Erlebnis, welches mit einer ernsthaften Bedrohung für die Sicherheit und körperliche Unversehrtheit des Klienten selbst oder einer nahe stehenden Person einhergeht und sich darin auszeichnet, dass in der Situation intensive Angst, Hilflosigkeit und Entsetzen empfunden wurden.
6 Trauma: Traumatisches Lebensereignis Extreme physiologische Erregung Flucht Freeze Fight Traumasymptome
7 Welche traumatischen Situationen führen zu besonders intensiven Symptomen 1. Dauern sehr lange 2. Wiederholen sich häufig 3. Rituellen Charakter 4. Schwere körperliche Verletzungen 5. Zwischenmenschliche Gewalt 6. Sind schwer nachzuvollziehen 7. Täter ist eine Bezugsperson 8. Täter wird vom Opfer gemocht 9. Opfer fühlt sich mitschuldig 10. Persönlichkeit ist noch nicht gefestigt 11. Beinhalten sadistische Folter 12. Beinhalten sexuelle Gewalt 13. Mehrere Täter 14. Starke Dissoziationen 1.Starke Dissoziation 2. Keine soziale Unterstützung 3. Zerstörung von Bindung (Shalev et al. 1996, 2002,Brewitt et al. 2000, Tuulikki Kulatalathi & Rosner, 2008). 15. Kein unmittelbarer Beistand nach der Tat Bindung! 16. Niemand hat darüber mit dem Opfer gesprochen/ nicht geglaubt
8 Traumatypen nach Terr (1991) Typ I - Trauma Typ II - Trauma Einzelnes, unerwartetes, traumatisches Erlebnis von kurzer Dauer. z.b. Verkehrsunfälle, Opfer/Zeuge von Gewalttaten, Vergewaltigung im Erwachsenenalter, Naturkatastrophen. Symptome: Meist klare sehr lebendige Wiedererinnerungen Vollbild der PTSD Serie miteinander verknüpfter Ereignisse oder lang andauernde, sich wiederholende traumatische Erlebnisse. Körperliche sexuelle Misshandlungen in der Kindheit, überdauernde zwischenmenschliche Gewalterfahrungen. Symptome: Nur diffuse Wiedererinnerungen, starke Dissoziationstendenz, Bindungsstörungen Hohe Komorbidität, komplexe PTSD Hauptemotion = Angst Eher gute Behandlungsprognose Sekundäremotionen (z.b. Scham, Ekel) Schwerer zu behandeln
9 Kindesmisshandlung meist Typ-II Misshandlungsfamilien akkumulieren die meisten psychosozialen Risiken. Armut, beengte Wohnverhältnisse, Arbeitslosigkeit, Bildungsstand (Kienberg Jaudes & Mackay Bilharver 2008, Euers et al. 2009; Finkelhor et al. 2007, 2009). Misshandelnde Eltern sind häufig selbst traumatisiert und mit gewalttätigen Erziehungspraktiken erzogen worden (De Bellis 2002, Schechter 2003). Häufig in Verbindung mit Substanzmissbrauch, -abhängigkeit. Eine externalisierende Symptomatik des Kindes, schwieriges Temperament, erhöht Risiko um ein Vielfaches (Ouyang et al. 2008, Engfie 1991). Leider scheinen kindliche Traumatisierungen auch das Risiko für weitere traumatische Ereignisse auf dem Lebensweg wesentlich zu erhöhen (Classen et al. 2005, Widom et al. 2008).
10 Trauma: Traumatisches Lebensereignis Extreme physiologische Erregung Flucht Freeze Fight Traumasymptome
11 Was ist Dissoziation Verlust des Raum und Zeitgefühls, Orientierung Keine Erinnerung Fragmentierte Informationsverarbeitung Sprachlosigkeit/Mutismus Null-Reaktion auf Umwelt Reize dringen nicht durch Bewegungslosigkeit/ keine Gestik Intrusionen, Bilder 1000 Yards Starren, Kein Blickkontakt leerer Blick Lernen ist in dissoziiertem Zustand nicht möglich Keine Mimik, starrer oft ausdrucksloser Gesichtsausdruck Schmerzwahrnehmung ist deutlich reduziert. Verlust des Körpergefühls Innere Leere, Emotionale Taubheit Keine Energie spürbar Unklare Gegenübertragung Depersonalisationserleben Kein Grounding Lediglich automatisierte Handlungsmuster kein geplantes Verhalten
12 Dissoziative Prozesse Fiedler (2002) Gedächtnis / Erinnerung Implizit/prozedural Emotionen Unbewusst Handlungsroutinen Priming Effekte Einzelne Bilder Dissoziation Kein Körpergefühl Thalamus, Amygdala, Sensorischer Cortex D I S S O Z I A T I O N Explizit/deklerativ Kognitionen Bewusst Semantisch Episodisch Autobiographisch Körpergefühl Präfrontaler Cortex, Hippocampus, Temporallappen
13 Bei einer Traumatisierung laufen parallel zwei unterschiedliche physiologische Prozesse ab Übererregungs-Kontinuum Fight oder Flight Alarmszustand Wachsamkeit Angst/Schrecken Adrenalin System wird aktiviert Erregung Serotonerges System verändert sich Impulsivität, Affektivität, Aggressivität Physiologisch Blutdruck (Pulsrate ) Atmung Muskeltonus Schmerzwahrnehmung Dissoziatives-Kontinuum Freeze ohnmächtige / passive Reaktion Gefühlslosigkeit / Nachgiebigkeit Dissoziation Opioid System wird aktiviert Euphorie, Betäubung Veränderung der Sinnes-, Körperwahrnehmung (Ort, Zeit, etc.) Physiologisch Pulsrate Blutdruck Atmung Muskeltonus Schmerzwahrnehmung
14 Dissoziative Prozesse Fiedler (2002) Gedächtnis / Erinnerung Implizit/prozedural Emotionen Unbewusst Handlungsroutinen Priming Effekte Einzelne Bilder Dissoziation Kein Körpergefühl Thalamus, Amygdala, Sensorischer Cortex D I S S O Z I A T I O N Explizit/deklerativ Kognitionen Bewusst Semantisch Episodisch Autobiographisch Körpergefühl Präfrontaler Cortex, Hippocampus, Temporallappen
15 Dissoziation und Trauma 10% der Traumatisierten entwickeln sofort eine chronische Dissoziationsneigung (Overkamp 2002). 50% bei sequentieller Traumatisierung (Murie et al. 2001). Dissoziierende Erwachsene sprechen von stärkeren/häufigeren Kindheitstraumata (Nash et al. 2009). Extreme emotional negativ aufgeladene Familienatmosphären scheinen das Ausmaß der Dissoziationsneigung wesentlich zu beeinflussen (Sanders & Giolas 1991, DiTomasso & Routh 1993). Zusammenhang wird aber auch von anderen biologischen Faktoren und Persönlichkeitsmerkmalen moderiert (Merckelbach & Muris, 2001).
16 Dissoziation im Alltag Dissoziation ist aber auch etwas was jeder Mensch manchmal tut. Autobahntrance Zahnarzt Tagträume, Phantasiereisen Langweilige Vorträge.. Dissoziation nur pathologisch, wenn: 1. Prozess nicht mehr willentlich steuerbar 2. Teilhabebeeinträchtigung / Funktionseinschränkung 3. Persönliches Leid
17 Was ist Dissoziation? (Items des FDS-KJ Putnam, 1993) Das Kind erinnert sich nicht an schmerzvolle und traumatische Erfahrungen oder verleugnet diese, obwohl man weiß dass diese passiert sind. Das Kind gerät manchmal in Dämmer- oder Trancezustände oder erscheint des Öfteren wie nicht von dieser Welt. Möglicherweise berichten Lehrer oder Erzieherinnen, dass es sehr häufig Tagträume hat. Das Kind zeigt rasche Veränderungen in seiner Persönlichkeit. Es kann wechseln zwischen scheu und offen, furchtsam und aggressiv. Das Kind ist ungewöhnlich vergesslich oder verwirrt in Bezug auf Dinge die es eigentlich Wissen müsste. Es vergisst den Namen von Freunden, Lehrern und anderen wichtigen Personen verliert Eigentum und verirrt sich leicht.
18 Was ist Dissoziation? (Items des FDS-KJ Putnam, 1993) Das Kind hat plötzliche, heftige Wutausbrüche, oft ohne erkennbaren Grund und zeigt in diesen Phasen eine ungewöhnliche körperliche Stärke. Das Kind zeigt deutlich Schwankungen von Tag zu Tag oder Stunde zu Stunde in Bezug auf Fertigkeiten, Wissen, Lieblingsspeisen. Akademische oder sportliche Fertigkeiten. Das Kind beharrt auf Lügen oder bleibt beim Leugnen von Verhalten, obwohl es sich nachweislich so verhalten hat. Das Kind leidet unter unerklärlichen Verletzungen oder verletzt sich manchmal unverständlicherweise selbst. Das Kind zeigt deutliche Rückentwicklungstendenzen im alters angemessenen Verhalten. Z.B. kann eine Zwölfjährige plötzlich in Babysprache sprechen, am Daumen nuckeln und wie eine Vierjährige agieren und malen. Das Kind wandelt nachts im Schlaf.
19 Gliederung 1. Warum neigen traumatisierte Menschen zur Dissoziation? Was ist ein Trauma (Typ-I vs. Typ-II) 2. Woran kann man bemerken, dass jemand dissoziiert? 3. Trauma, Dissoziation und psychische Störungen 4. Dissoziative Störungen nach den psychiatrischen Klassifikationssystemen (ICD-10) 5. Folgen von Dissoziation und komplexer Traumatisierung
20 Was sind Traumafolgen und Dissoziation?
21 Kriegsneurosen 1000 Yards Starren Kriegszitterer Kriegsgelähmte Desorientierte Kriegsblinde Dissoziative Amnesien Somatisierungszustände Extreme Regressionen Hysterien Fugue Stupor "Maschinengewehre hinter der Front Sigmund Freud 1917 über Militärpsychiater Buch von Riedesser und Verderber (2004) Mabuse Verlag
22 Dissoziation und Glaubwürdigkeit Dissoziation In der Regel freundlich, offen und kooperativ im Gesprächskontakt. Bereitwillige Kooperation bei somatischen Untersuchungen offen für somatische Erklärungen. Keine Erklärungen für Symptome lückenhafte Beschreibung. Verunsichert über Ursache. Belle Indifference Affekt passt nicht zum Symptom und den Folgen (Folgen werden nicht realisiert). Simulation Eher Misstrauisch, unfreundlich, ausweichend im Gesprächskontakt. Sträuben sich gegen für sie unkontrollierbare somatische Untersuchungen. Berichten gerne über alle möglichen potentiellen Ursachen. Relative Sicherheit über die vermeintlichen Ursachen. Affekt und Folgen werden eher überbetont.
23 Bedeutung von Trauma für die Entwicklungspsychopathologie Irgendeine Diagnose Angststörung Depressive Störung Verhaltensstörung 0 Kein Ereignis (32,3%) Ein Ereignis (30,8%) Zwei (22,4%) Drei (7,1%) Vier oder mehr (7,5%) % N = 1420 Copeland et al.2007
24 Trauma-Entwicklungsheterotypie Schmid, Fegert, Petermann in press Bipolare Störungen im Kindesalter Emotionale Störungen Angststörungen Oppositionelles Verhalten Bindungsstörungen Affektive Störungen Störung des Sozialverhaltens ADHS Störungen der Persönlichkeitsentwicklung Dissoziative und Somatoforme Störungen Substanzmissbrauch Selbstverletzung Suizidalität Regulationsstörungen Traumafolgestörungen + biologische Faktoren Geburt Vorschulalter Schulalter Pubertät Adoleszenz
25 Dissoziative Störungen Dissoziative Störungen nach ICD-10: Häufigkeit Dissoziative Amnesie (F 44.0) 3% Dissoziative Fugue (F44.1) < 3 / Dissoziativer Stupor (F 44.2) < 10 / Dissoziativer Trance (F 44.3)? Dissoziative Bewegungsstörungen (F 44.4) ca. 1-3% Dissoziative Krampfanfälle (F 44.5) ca. 1% Dissoziative Sensibilitäts- oder Empfindungsstörung (F.44.6) ca. 3% Dissoziative Identitätsstörung/Multiple Persönl: (F 44.81) <1 / Sonstige und nicht näher bezeichnete Dissoziative Störungen? Depersonalisationsstörung und Derealisationsstörung (F 48.1) ca.3%.
26 Derealisations- und Depersonalisationsstörungen Ein/e PatientIn kommt sich selbst fremd und unwirklich vor. Der Körper und die gesamte Person wird verändert wahrgenommen. Teilweise berichten die PatientenInnen, dass sie den Eindruck haben gar nicht selbst zu handeln sondern sich zuzuschauen. Alles sei wie durch einen Schleier verdeckt und gedämpft.
27 Konversionsstörungen Plötzlich eintretende Lähmungen- und Bewegungsstörungen ohne somatische neurologische Ursache. Veränderte Wahrnehmung: Sehstörungen, Hörstörungen, Gesichtsfeldeinschränkungen, sensorische Wahrnehmungen auf allen Sinneskanälen. Dinge fühlen, hören, sehen anders aus. Dissoziative (Krampf-)Anfälle oder Ohnmachten ohne neurologisches oder körpermedizinisches Korrelat. Intensivste somatische und neurologische Abklärung sowie (kinder- und jugend-) psychiatrische Differentialdiagnostik sind obligatorisch. Belle Indifference
28 Dissoziative Fugue Eine Person verlässt plötzlich ihre natürliche Umgebung (Wohnung, Bezugspersonen, Arbeitsplatz) reist an einen anderen Ort und kann sich an das vorherige Leben nicht erinnern. Die Personen können in dieser Zeit teilweise aber anscheinend äußerlich normal funktionieren und mit dem Zug fahren etc..
29 Dissoziativer Stupor Eine Person nimmt plötzlich einen völlig oder weitgehend starren Körperausdruck an und reagiert über Tage hinweg nicht auf Ansprache, ist aber wach und zeigt keine Anzeichen einer katatonen schizophrenen Erkrankung.
30 Dissoziative Identitätsstörung Ein Person ändert häufig komplett ihre Persönlichkeitseigenschaften, Entwicklungsstand, Affektausdruck, Schriftbild, Stimme, kognitive Fähigkeiten, physiologische Parameter in Abhängigkeit von der aktivierten Persönlichkeit. Die Persönlichkeiten imponieren mit völlig unterschiedlichen Biografien und Identitäten Die unterschiedlichen Persönlichkeiten sind sich der Existenz der jeweils anderen Persönlichkeiten nicht oder kaum bewusst. Sprechen von sich in der Dritten Person. Die Zahl der Persönlichkeit differiert. In der Literatur sind Fälle mit 24 Persönlichkeiten beschrieben.
31 Dissoziation und psychische Störungen Borderline PTBS Angst Depression Psychose Gesunde Stiglmayr et al DSS-Score
32 Gliederung 1. Warum neigen traumatisierte Menschen zur Dissoziation? Was ist ein Trauma (Typ-I vs. Typ-II) 2. Woran kann man bemerken, dass jemand dissoziiert? 3. Trauma, Dissoziation und psychische Störungen 4. Dissoziative Störungen nach den psychiatrischen Klassifikationssystemen (ICD-10) 5. Folgen von Dissoziation und komplexer Traumatisierung
33 Cave Keine psychische Störung oder ein Symptom kann einer Ursache zugeordnet werden. Jedes Symptom hat eine multifaktorielle Genese (Genetik, biologische Faktoren, Umweltbedingungen, Erziehungsstil kritische Lebensereignisse, Einflüsse von Gleichaltrigen). Alle folgenden Aussagen beziehen sich auf wissenschaftliche Studien und zeigen, dass diese Symptome bei traumatisierten Menschen viel häufiger vorkommen. Ein Kausalzusammenhang zwischen Traumatisierung und einem Symptom besteht aber nie.
34 Biologische Faktoren Genetik, prä- und perinatale Risikofaktoren Soziale Wahrnehmung weniger soziale Kompetenzen Störungen der Empathiefähigkeit Mentalisierung Bindungsstörung Störungen der Interaktion PTSD: Hyperarousal, Intrusionen, Vermeidung Selbstwert, Gefühl d. Selbstunwirksamkeit kognitive Schemata Invalidierende, vernachlässigende Umgebung Typ-II-Traumata Störung der Impulskontrolle Selbstregulation Stresstoleranz Störung der Emotionsregulation Schmid (2008). Dissoziationsneigung/ Sinneswahrnehmung Störungen des Körperselbst Körperwahrnehmung Somatisierung Störung der exekutiven, kognitiven Funktionen
35 Biologische Faktoren Genetik, prä- und perinatale Risikofaktoren Soziale Wahrnehmung weniger soziale Kompetenzen Störungen der Empathiefähigkeit Mentalisierung Bindungsstörung Störungen der Interaktion PTSD: Hyperarousal, Intrusionen, Vermeidung Selbstwert, Gefühl d. Selbstunwirksamkeit kognitive Schemata Invalidierende, vernachlässigende Umgebung Typ-II-Traumata Selbstunwirksamkeitserwartung Störung der Impulskontrolle Selbstregulation Stresstoleranz Störung der Emotionsregulation Schmid (2008). Dissoziationsneigung/ Sinneswahrnehmung Störungen des Körperselbst Körperwahrnehmung Somatisierung Störung der exekutiven, kognitiven Funktionen
36 Biologische Faktoren Genetik, prä- und perinatale Risikofaktoren Soziale Wahrnehmung weniger soziale Kompetenzen Störungen der Empathiefähigkeit Mentalisierung Bindungsstörung Störungen der Interaktion PTSD: Hyperarousal, Intrusionen, Vermeidung Selbstwert, Gefühl d. Selbstunwirksamkeit kognitive Schemata PTSD und Dissoziation Invalidierende, vernachlässigende Umgebung Typ-II-Traumata Störung der Impulskontrolle Selbstregulation Stresstoleranz Störung der Emotionsregulation Schmid (2008). Dissoziationsneigung/ Sinneswahrnehmung Störungen des Körperselbst Körperwahrnehmung Somatisierung Störung der exekutiven, kognitiven Funktionen
37 Dissoziation und Lernen Unter Dissoziation ist kein Lernen möglich, man verliert Zeit- und Körpergefühl und Erinnerung Experimente (Stiglmayer et al. 2008, Ebner-Priemer et al. in press). Einige Autoren diskutieren Dissoziation als die wichtigste Form der desorganisierten Bindung (Liotti 1995). Reduktion der Dissoziationsneigung ist guter Prädiktor für Therapieerfolg (Lynch et al. 2008). Dissoziation kann zu mannigfaltigen Problemen in der Milieutherapie führen. imerke, wenn jemand dissoziiert ist er nicht Verarbeitungsfähig und jegliche therapeutische oder pädagogische Intervention die nicht auf eine Reduktion der Dissoziation abzielt läuft ins Leere!
38 Schmerzwahrnehmung und Dissoziation
39 Dissoziation und Schmerz Fast alle repetitiven Selbstverletzer weisen eine sehr hohe Dissoziationsneigung auf. 80% geben keinen Schmerz während der Selbstverletzung an. Schmerzwahrnehmung ist abhängig von emotionaler Anspannung und Dissoziationsneigung. Viele körperliche Erkrankungen.
40 Pädagogische Probleme durch Dissoziation I Starke Leistungsschwankungen nicht Lernen können Entwicklungsgrad schwankt. Räumliche, zeitliche Desorientierung und Nicht- Erinnerung. Konfabulieren vs. Lügen. Können soziale Rolle unter Druck nicht ausfüllen können daher Gruppendynamiken nicht unterbinden. Retraumatisierungen. Dissoziation führt fast zwangsläufig zur Nichtpartizipation bei wichtigen Gesprächen (Familien-, Hilfeplan).
41 Pädagogische Probleme durch Dissoziation II Nicht spüren der Wut, überraschende heftige Wutausbrüche und körperliche Kraft. Nicht Beachtung der angenehm ruhigen Kinder unheimliche Gegenübertragung führt zum Rückzug der anderen Kinder und evtl. auch Bezugspersonen. Schmerzwahrnehmung v.s. sich spüren - unerklärliche Verletzungen im Alltag - Selbstverletzung, Hochrisikoverhalten, Substanzkonsum. Nichteinhalten und Nichterinnern von Regeln v.a. von jenen wichtigen Regeln, die im Affekt vermittelt wurden. Pädagogische Eskalation durch Nichtreaktion.
42 Pädagogische Fachkraft fühlt sich selbstunwirksam Eskalation oder Aufgabe Pädagogische Fachkraft interveniert Teufelskreis der dissoziativen Kind dissoziert zeigt keine Reaktion Kind dissoziert noch mehr und zeigt null Reaktion Pädagoge ärgert sich richtig interveniert intensiver Nichtreaktion Kind dissoziert stärker zeigt weiterhin keine Reaktion Pädagogische Fachkraft ärgert sich interveniert erneut
43 Biologische Faktoren Genetik, prä- und perinatale Risikofaktoren Soziale Wahrnehmung weniger soziale Kompetenzen Störungen der Empathiefähigkeit Mentalisierung Bindungsstörung Störungen der Interaktion PTSD: Hyperarousal, Intrusionen, Vermeidung Selbstwert, Gefühl d. Selbstunwirksamkeit kognitive Schemata Invalidierende, vernachlässigende Umgebung Typ-II-Traumata Emotionsregulation Störung der Impulskontrolle Selbstregulation Stresstoleranz Störung der Emotionsregulation Schmid (2008). Dissoziationsneigung/ Sinneswahrnehmung Störungen des Körperselbst Körperwahrnehmung Somatisierung Störung der exekutiven, kognitiven Funktionen
44 Entstehung einer positiven Gegenseitigkeit (Papoušek 2001) Gegenseitigkeit Erleichterung der Selbstregulation Kompensatorische Unterstützung Bestärkung intuitiver Kompetenzen Befindlichkeit der Eltern Selbstsicherheit Entspannung Freude Selbstwert Belohnung Akzeptanz Blickzuwendung Lächeln Vokalisation Anschmiegen Schlaf Feedbacksignale des Säuglings
45 Störungsmodell: Spannungsreduktion Selbstverletzung Parasuizid Dissoziation Konsum Stimulus Emotion Reaktion Spannungsanstieg negiert inadäquat Emotionsphobie Das Dilemma ist, dass diese Patienten entweder zuviel oder zu wenig von ihren Gefühlen wahrnehmen! (van der Hart)
46 Biologische/genetische Disposition zu heftigen Gefühlen Negative Lerngeschichte mit Emotionen Schwierigkeiten im Umgang und bei der Wahrnehmung mit Emotionen, Angst vor Gefühlen Gefühle werden bedrohlich unangenehm erlebt und nicht wahrgenommen oder unterdrückt Bei niederem Erregungsniveau viele Verhaltensalternativen Emotion wird als Überforderung erlebt: Gefühl der Leere, Taubheit Selbstverletzung, Aggression, Substanzkonsum, Suizidversuch Fazit: Normale emotionale Reaktionen im Alltag sollten bemerkt und für eine gute Beziehungsgestaltung nutzbar gemacht werden! Die Signale die Gefühle für die Verhaltenssteuerung geben werden nicht bemerkt und Verhalten wird nicht danach ausgerichtet Bei höchstem Erregungsniveau werden automatisierte Lösungsmechanismen eingesetzt Verhaltensmöglichkeiten sind scheinbar blockiert Anspannungsniveau wird unerträglich In-Albon & Schmid in press Situation bleibt ungeklärt Gefühle werden stärker unangenehm belastende Anspannungsgefühle treten auf Je höher Erregungsniveau desto weniger Verhaltensalternativen andere Personen reagieren dann oft ebenfalls emotionaler
47 Zwei Ebenen der Emotions- und Beziehungsregulation Gegenwärtige Wirklichkeit Wahrnehmung Körperreaktion Gedanken Handlungsdrang Normale Beziehungen Gefühle Aktuelle Gefühlsreaktionen (nicht nur die eigenen) werden heftiger und als potentiell bedrohlich erlebt Vergangenes traumatisches Erleben Wahrnehmung Körperreaktion Gedanken Gefühle Handlungsdrang = Freeze/Fight/Flight Gefährliche Beziehungen Glaubenssätze Selbstbild
48 Wirkungsweise der Milieutherapie Gegenwärtige Wirklichkeit Wahrnehmung Körperreaktion Traumpädagogisches Gedanken Milieu Gefühle Handlungsdrang Wahrnehmung Körperreaktion Gedanken Gefühle Handlungsdrang Förderliche Beziehungsgestaltung Vergangenes traumatisches Erleben Korrigierende Erfahrungen mit Gefühlen und Beziehungen im pädagogischen Alltag. Schutz vor Retraumatisierung und den damit verbunden Gefühlen. Braucht Zeit! Wahrnehmung Körperreaktion Gedanken Handlungsdrang = Freeze Gefühle Glaubenssätze und Selbstbild verändern sich nur durch alternative Beziehungserfahrungen und gute Therapie.
49 Emotionsregulation Jeder kann wütend werden, das ist einfach. Aber wütend auf den Richtigen zu sein, im richtigen Maß, zur richtigen Zeit, zum richtigen Zweck und auf die richtige Art, das ist schwer. Aristoteles
50 Biologische Faktoren Genetik, prä- und perinatale Risikofaktoren Soziale Wahrnehmung weniger soziale Kompetenzen Störungen der Empathiefähigkeit Mentalisierung Bindungsstörung Störungen der Interaktion PTSD: Hyperarousal, Intrusionen, Vermeidung Selbstwert, Gefühl d. Selbstunwirksamkeit kognitive Schemata Invalidierende, vernachlässigende Umgebung Typ-II-Traumata Körper /Schmerz Störung der Impulskontrolle Selbstregulation Stresstoleranz Störung der Emotionsregulation Schmid (2008). Dissoziationsneigung/ Sinneswahrnehmung Störungen des Körperselbst Körperwahrnehmung Somatisierung Störung der exekutiven, kognitiven Funktionen
51 Körperliche Beschwerden bei traumatisierten und nicht traumatisierten weiblichen Kriegsveteranen % 40 N = Keine PTSD PTSD 5 0 Fibromyalgie Reizdarm (IBS) Unterleibsschmerzen Asthma Dobie et al. 2004
52 Biologische Faktoren Genetik, prä- und perinatale Traumafolgen Soziale Wahrnehmung weniger soziale Kompetenzen Störungen der Empathiefähigkeit Mentalisierung Bindungsstörung Störungen der Interaktion PTSD: Hyperarousal, Intrusionen, Vermeidung Selbstwert ungünstige kognitive Schemata Beziehungen Invalidierende vernachlässigende Umgebung Typ-II-Traumata Störung der Impulskontrolle Selbstregulation Stresstoleranz Störung der Emotionsregulation Dissoziationsneigung Störungen des Körperselbst Körperwahrnehmung Störung der exekutiven kognitiven Funktionen Schmid, 2008 Literatur zur komplexen PTSD vgl. Cook et al., 2003; van der Kolk, 2005
53 Bindungstyp D und psychosoziale Risiken (van Ijzendoorn et al. 1992, 1999) Risikokonstellation Misshandlung Unverarbeitete Verluste der Kindseltern Substanzmissbrauch Jugendliche Mütter Neurologische Auffälligkeiten der Kinder Depressive Mütter Häufigkeit von Typ-D % % 43 % % 35 % %
54
55 Modell der sozialen Informationsverarbeitung 1. Wahrnehmung einer sozialen Situation 2. Interpretation einer sozialen Situation 3. Entwicklung von Handlungsideen (Alternativen) 4. Handlungsauswahl (über die Antizipation der Folgen der einzelnen Möglichkeiten) 5. Eigentliche soziale Handlung Konsequenzen der Handlung und Reaktion der Umwelt
56 Emotionswahrnehmung MacBrain Bildmaterial
57 Bindungsprobleme Traumatisierte Kinder haben oft miteinander unvereinbare kognitive Schemata (vgl. Introjekte): Schema I Ich kann mein Leben nicht alleine bewältigen, daher muss ich jemand Starken an mich binden (Hilflosigkeit) Schema II Ich kann anderen Menschen nicht vertrauen, andere Menschen missbrauchen und manipulieren mich. (Angst)
58 Teufelskreis im Team: Narzissmusfalle Lohmer 2002 Mitarbeiter zieht sich zurück oder reagiert über. Auftreten der Symptomatik, Entwertung des Mitarbeiters. Narzissmusfalle Jugendlicher macht besonderes Beziehungsangebot. Mitarbeiter fühlt sich unwohl, überfordert, emotional stark involviert. Jugendliche/r testet Beziehung aus, Reinszenierung von Abbrüchen, Beziehungserfahrungen. Jugendlicher fordert Beziehung immer stärker und intensiver ein. Hält diese intensiven Beziehungen kaum aus.
59 Mittlerer Abstand in der Beziehungsgestaltung Der Verstand kann uns sagen, was wir unterlassen sollen. Aber das Herz kann uns sagen, was wir tun müssen. Joseph Joubert Emotionales Engagement Reflektierende/ professionelle Distanz Dammann 2006, Schmid 2007
60 Dialektische Beziehungsgestaltung
61 Gliederung II 6. Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung Dissoziation und Informationsverarbeitung Besondere Bedeutung der Emotionsregulation Körper und Somatisierung Dissoziation und Sinneswahrnehmung Schmerzempfinden/Körperwahrnehmung 10. Auslöser für Dissoziation 11. Was kann man tun? 12. Zusammenfassung und Diskussion
62 Auslöser für Dissoziation Das Problem ist nicht das Dissoziieren in der traumatischen Situation sondern, dass sich nicht selten eine chronische Dissoziationsneigung entwickelt und traumatisierte Menschen in vielen Situationen dissoziieren, die mit dem eigentlichen Trauma nicht direkt zusammenhängen, von den Betroffenen aber wegen der Fragmentierung während des Traumas damit assoziiert werden.
63 Klassisches Konditionieren (Pawlow) Besetzter Reiz physiologische Reaktion Futter Speichelfluss Trauma Panik/Dissoziation Neutraler Reiz besetzter Reiz physiologische Reaktion Ton Futter Speichelfluss Roter Pullover Trauma Panik/Dissoziation Neutraler Reiz Ton Roter Pullover physiologische Reaktion Speichelfluss Panik / Dissoziation
64 Auslöser können sein Jeder mit dem Trauma assoziierte Aspekt eines Gegenstands (Farbe, Form, Konsistenz) Töne, Lichtreflexe, Gerüche, Geschmack, Stimmungen, innere Bilder Körperreaktionen des Kindes Mimik und Gestik des Gegenübers Replikation einer unguten Beziehungserfahrung (Nähe/Distanz) Heftige Emotionen Sekundäremotionen Jegliche Art von Stress / Anspannung bei schwer Betroffenen
65 Dissoziation und Stress
66 Traumapädagogische Krisenanalyse Verstehen kann man das Leben nur rückwärts, leben muss man es aber vorwärts Sören Kierkegaard
67 Dissoziation: Wie helfen? Sicherer Ort Schutz vor heftigen gefährlichen Reizen An Dissoziation als Erklärung für Verhaltensprobleme denken! Auslöser identifizieren und unterscheiden lernen/lehren (was ist gefährlich und was ist ungefährlich). Langfristig keine Verstärkung von Vermeidungsverhalten. Sinnes- und Körperwahrnehmung im Alltag fördern. Klare Übergänge definieren Rituale. Häufig im Hier und Jetzt orientieren. Neuorientieren heftige Sinnesreize!
68 Therapie bei Konversionsstörungen 1. Ausführlichste somatische und neurologische Diagnostik. 2. Ehrenvollen Rückzug ermöglichen. 3. Therapie Kontrakt zur Reduktion des somatischen Symptoms (Klienten haben (fast) immer recht). 4. Stressreduktion, Stabilisierung. 5. Verstärkerentzug. 6. Dann gezieltes Aufbautraining der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. 7. Für Fortschritte extrem verstärken. 8. Rückfallprophylaxe. 9. Gegebenenfalls Traumatherapie.
69 Fazit Chronisch traumatisierte Kinder leiden häufig unter spezifischen Symptomen, da sie grundlegende Fertigkeiten in ihren Ursprungsfamilien nicht erlernen konnten. - Emotionsregulation/Emotionale Validierung - Sensibilität für Sinneswahrnehmung - Selbstwirksamkeit / Selbstwert / Soziale Kompetenzen - Sichere Bindungserfahrungen - Förderung von Resilienzfaktoren Die Arbeit mit schwer traumatisierten Kindern ist emotional sehr belastend und die Mitarbeiter und Therapeuten benötigen hierzu besonders intensive Unterstützung in Form von Intervision/Supervision/spezifische Fallbesprechung (Gegenübertragungsanalysen) sowie einen guten Ausbildungsstand bezüglich der Psychotraumatologie. Eine enge frühzeitige und kontinuierliche Kooperation mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie /-psychotherapie ist unabdingbar. Diese unterentwickelten Fertigkeiten sollten im Rahmen von milieutherapeutischen Angeboten gezielt gefördert werden.
70 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Haltung ist eine kleine Sache, die einen großen Unterschied macht. Sir Winston Churchill
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