Roman Gaus und seine «UrbanFarmers» bringen die Landwirtschaft auf das Stadtdach. Seite 8
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- Lieselotte Schäfer
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1 BAS Das Magazin Ihres Energieversorgers 2/2012 Schwerpunkt Roman Gaus und seine «UrbanFarmers» bringen die Landwirtschaft auf das Stadtdach. Seite 8 Tauschen und teilen Mehrfach nutzen statt besitzen: Das spart Ressourcen und Energie. Seite 22 Auf und davon Einfach praktisch: Neun nützliche Ferien-Apps für Ihr Smartphone. Seite 25
2 3 Inhalt 8 4 Spots E-Skateboards und Zweitkühlschränke 8 Schwerpunkt Setzling and the city Knackiges Gemüse und frischer Fisch kommen neuerdings von den Dächern der Stadt. 14 Energieabkommen mit EU Roger Dubach: Unser Mann in Brüssel 16 Vor 70 Jahren im «Strom» «Der Riese Elektrizität» 17 OLED So strahlen organische Leuchtdioden 18 Europäische Stromproduktion Produktionsmix im Ländervergleich 20 Infografik Die Sonne kann Räume kühlen 22 Mehrfachnutzung ist nachhaltig Meins ist deins ist seins Was Sportler leisten Der Energieverbrauch von Olympioniken 25 Urlaubshelfer für das Smartphone App in die Ferien 26 Stromkoch Kalte Köstlichkeiten 28 Leserreise ins Emmental Mit Planwagen und Elektrovelo 30 Preisrätsel Mikrowelle zu gewinnen Galerie Energie Grüner Tunnel der Liebe 28 Titelbild: Zeljko Gataric «Strom» im Internet: Unter Ihr Feedback freut uns: Infel, Redaktion «Strom» Postfach 3080, 8021 Zürich redaktion@strom-zeitschrift.ch
3 8 Fotos: Zeljko Gataric, Getty / David Malan; Quelle: Eidg. Zollverwaltung, SZG (2008), Brooklyn Grange Farm Sieht nicht aus wie ein Bauer, ist aber einer. Roman Gaus will der Landwirtschaft auf den Dächern der Stadt zum Durchbruch verhelfen.
4 9 Schwerpunkt Auf den Dächern der Stadt züchten moderne Bauern Fische, ziehen in deren Wasser Gemüse und bieten so Hand zur Lösung von Umwelt- und Ernährungsproblemen. Herkunft des Schweizer Gemüses (Jahresbedarf) Thailand 2 % Diverse 5 % China 1 % Marokko 2 % Europa 35 % (F/I/E/NL/D/B/TR) Einen Bauern habe ich mir anders vorgestellt. Weder umweht Roman Gaus ein Stallgeruch, noch klebt ihm Ackererde unter den Fingernägeln. Ganz zu schweigen von seiner Arbeitskleidung: Statt Gummistiefeln trägt er sportlich-elegante Schuhe, statt «Übergwändli» ein trendiges Hemd. Und trotzdem besteht er darauf: «Ich bin Bauer, Stadtbauer.» Diese Ergänzung erklärt zwar seine Erscheinung, birgt dafür einen neuen Widerspruch. Denn zurzeit findet Landwirtschaft wie der Name schon andeutet nicht in der Stadt, sondern auf dem Land statt. Da es auf unserer Erde nicht unbegrenzt fruchtbares Ackerland gibt, ist für Roman Gaus klar, dass sich daran etwas ändern muss: «2050 werden neun Milliarden Menschen unseren Planeten bevölkern. Kommt hinzu, dass bereits heute die Mehrheit der Menschen in städtischen Gebieten lebt. Tendenz steigend.» Und das hat weitreichende Konsequenzen: Die Herstellung und der Transport von Nahrungsmitteln belasten die Umwelt in viel höherem Masse als beispielsweise der Privatverkehr. Zurzeit kommen 45 Prozent unseres Frischgemüses aus dem Ausland (siehe Grafik). Roman Gaus ist nicht der Typ, der den Mahnfinger hebt, Roman Gaus ist der Typ, der anpackt. Eben doch ein richtiger Bauer. Sein Ziel: die Nahrungsmittel dort produzieren, wo sie benötigt werden. Sein Weg: die Gründung des Cleantech-Start-ups «UrbanFarmers». Während eines zweijährigen Aufenthalts in den USA ist er 2010 auf das Phänomen der urbanen Landwirtschaft gestossen. In Städten wie New York oder Detroit gedeihen auf Hausdächern und in Industriebrachen Schweiz 55 %
5 10 «grüne Zellen» die, meist genossenschaftlich organisiert, ganze Viertel mit Gemüse aus eigenem Anbau versorgen (siehe auch Kasten Seite 12). Fische als Wasserfilter Als Spin-off-Unternehmen der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) hat «UrbanFarmers» die Idee der nachhaltigen lokalen Nahrungsmittelproduktion weiterentwickelt. Mit seinen Wurzeln in der Wissenschaft, dem Ingenieurwesen, dem Design und der Bautechnologie setzt das sechsköpfige Team um Geschäftsführer Roman Gaus auf eine überraschende Methode: Aquaponic. Wer dabei an Seepferdchen denkt, hat sich vergaloppiert. Aber tatsächlich funktioniert Aquaponic nicht ohne Tiere. Aquaponic macht sich die symbiotische Beziehung von Fischen und Pflanzen zu Nutze: Die Fische wachsen zwar getrennt von den Pflanzen heran, sind aber über einen Wasserkreislauf miteinander verbunden: Sie düngen mit ihren Ausscheidungen die ebenfalls im Wasser gezogenen Pflanzen. Die Pflanzen schwimmen entweder auf Styroporflossen oder stehen in Rinnen eines Röhrensystems. In beiden Fällen sind nur die Wurzeln mit dem Wasser in Kontakt. Über diese filtern die Pflanzen das Wasser, das dann wieder zu den Fischen zurückfliesst. Für die Düngung von fünf Kilogramm Gemüse braucht es etwa ein Kilogramm Fisch. Mit diesem System wollen die «UrbanFarmers» nun auf die Dächer unserer Städte. Ich treffe Roman Gaus nicht auf einem Dach, sondern in einem umgebauten Schiffscontainer, in der «UrbanFarmers Box». Aus dem Schiffs- wurde ein Fischcontainer. Roman Gaus füttert die Fische gerade mit biozertifiziertem Futter. Im kreisrunden Tank, der sich im unteren Teil der Box befindet, tummeln sich zurzeit Regenbogenforellen, die auch bei moderaten Temperaturen gut gedeihen. Das Gemüse schwebt über uns, im lichtdurchfluteten «Oberdeck». Den Fischen steht der kleinste Teil der Gesamtfläche zur Verfügung. Die Frage nach dem Tierschutz drängt sich auf. «Wir halten uns selbstverständlich an das Tierschutzgesetz und kontrollieren die Fischdichte, die Lichtverhältnisse, die Wassertemperatur, den Sauerstoffgehalt sowie die Strömung im Sinne der Tiere und der Qualität. Schliesslich sollen die Fische, wenn sie ausgewachsen sind, genauso frisch und bekömmlich sein wie das Gemüse», entgegnet Roman Gaus. Es versteht sich von selbst, dass in einem solch symbiotischen System Antibiotika und Pflanzenschutzmittel tabu sind. Die Fütterung ist abgeschlossen. Und damit ist auch der grösste Teil der Unterhaltsarbeiten für den Stadtbauern bereits getan. Einzig Frischwasser braucht es «Selbstverständlich halten wir uns an das Tierschutzgesetz.» Roman Gaus Die Regenbogenforelle im Fischtank liefert den Dünger für die Salatköpfe im Gewächshaus. Urban Farming mit Aquaponic pluspunkte Urbarmachung ungenutzter Anbauflächen Keine Transporte in die Städte 90 Prozent weniger Wasserverbrauch im Vergleich zur herkömmlichen Landwirtschaft 100 Prozent biologische Produktion Verzicht auf erdölbasierten Dünger Keine Schädlingsbekämpfung dank geschlossenem System Keine Antibiotika beim Fisch Direkter Bezug zum Nahrungsmittel Wenig Unterhalt dank intelligenter Steuerung Soziales Erlebnis Nutzung von Abwärme Dachdämmung
6 11 Nur die Wurzeln der Pflanzen kommen mit dem Wasser in Berührung. Sie stehen entweder in den Rinnen eines Röhrensystems oder schwimmen auf kleinen Styroporflossen im Wasser. «Wir bevorzugen saisonale und lokale Pflanzensorten.» Roman Gaus von Zeit zu Zeit, wegen der Verdunstung durch die Pflanzen. Dennoch: Diese Aquaponic-Anbaumethode benötigt im Vergleich zu herkömmlicher Landwirtschaft bis zu 90 Prozent weniger Wasser. Das System regelt sich selbst. Entsprechend entspannt steigen wir empor bis unter den fünf Meter hohen Giebel des Gewächshauses und begutachten das junge Gemüse. Zurzeit sind es vor allem Salate, Fenchel und verschiedene Kräuter. Möglich wären über 400 Pflanzensorten bis hin zu Bananen oder Kaffee. «Wir bevorzugen allerdings saisonale und lokale Sorten. Im Winter sind das zum Beispiel Tomaten, Gurken oder Auberginen, im Sommer auch Früchte wie Erdbeeren oder Melonen», schränkt Roman Gaus ein. 60 Kilogramm Fisch und 200 Kilogramm Gemüse fallen während eines Jahres hier an. Bauern, die aufs Dach steigen Die «UrbanFarmers Box» ist jedoch nur der Anfang, ein Prototyp und Anschauungsbeispiel. Das Geschäftsmodell von «UrbanFarmers» visiert Dachfarmen mit einer Grösse ab 500 Quadratmetern an. Im Juli 2012 wird in Basel ein Pilotprojekt auf 250 Quadratmetern fertiggestellt sein: Die weltweit erste Dachfarm nach Aquaponic-Prinzip wird 100 Menschen ganzjährig mit frischem Fisch und Gemüse versorgen. Roman Gaus hat mit seinem Team nicht nur die Planung und den Bau übernommen, sondern liefert auch die Technologie, das Know-how und das Zubehör. «Insbesondere in der Sensorik und der Steuerungssoftware gehen wir neue Wege», ergänzt Roman Gaus, «die Basler Farm wird uns diesbezüglich als Testgelände dienen.» Ziel ist nicht nur ein möglichst hoher Automatisierungsgrad, sondern auch eine hohe Energieeffizienz. Der
7 12 Stromverbrauch der «UrbanFarmers Box» beispielsweise ist vergleichbar mit dem einer althergebrachten 100-Watt-Glühbirne. Mit einer intelligenten Steuerung wären Einsparungen von bis zu 40 Watt denkbar. Auch was die Gebäudeintegration betrifft, hat das Prinzip «Dachfarm» Potenzial. Man denke nur an die Nutzung von Abwärme oder die positiven Dämmeigenschaften. Angedacht ist zudem sowohl die Integration von fotovoltaischen Zellen zur Stromproduktion wie auch von Solarkollektoren zur Warmwasseraufbereitung. Beim Wort Integration denkt Roman Gaus auch noch an etwas anderes: «Der soziale Aspekt ist ganz entscheidend. Unsere Dachfarmen sollen Menschen, die des anonymen Stadtlebens überdrüssig sind, naturnahe Erlebnisse und persönliche Begegnungen ermöglichen.» Die Hauptarbeit soll zwar ein eigens von «UrbanFarmers» ausgebildeter Betriebsleiter übernehmen, die Eigentümer sind aber eingeladen, an der Ernte oder bei der Verteilung der Nahrungsmittel mitzuhelfen. «Ich sehe es an mir selbst, ich will wieder wissen, woher mein Essen kommt.» Wer Roman Gaus so reden hört, spürt das Herzblut und ein gehörige Prise Idealismus. Aber naiv ist er nicht: Eine Dachfarm wie die in Basel soll bei einem Investitionsvolumen von Franken wirtschaftlich betrieben werden können, und seine Firma «UrbanFarmers» will in spätestens fünf Jahren die Gewinnzone erreichen. Roman Gaus ist zwar Stadtbauer mit Leib und Seele, aber von Haus aus auch Ökonom. Matthias Bill «UrbanFarmers Box»: Im umgebauten Schiffscontainer wachsen Fische und Pflanzen zum Verzehr heran. Der Stadtgarten im Laufe der Zeit Urban Farming hat Tradition Ackerland mit Aussicht und Anschluss an die nächste U-Bahn. Amerikanische Grossstädter haben das Gärtnern entdeckt. So innovativ die Idee von Roman Gaus und seinen «UrbanFarmers» auch ist, zumindest die Idee des Gartens oder Ackers im städtischen Raum ist nicht neu. Vom antiken Ägypten über die Hänge von Machu Picchu bis zu den gutbürgerlichen Schrebergärten hat urbane Landwirtschaft eine lange Tradition. Gerade auch während der Weltkriege konnte mit zusätzlichen Ackerflächen in den Städten die Lebensmittelversorgung verbessert werden. Mittlerweile ist Urban Farming zu einer angesagten Freizeitaktivität geworden inspiriert durch die Dachfarmen junger Kreativer in Trendquartieren amerikanischer Grossstädte. Im Zentrum steht neben dem entspannenden Naturerlebnis eine nachhaltige Selbstversorgung entlang den Grundsätzen der biologischen Produktion und der Energieeffizienz.
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