Was machten die Römer in Österreich?

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1 Was machten die Römer in Österreich? Johannes Divjak Sonja Schreiner Fast ein halbes Jahrtausend, also an die 500 Jahre, haben sich die Römer im Gebiet des heutigen Österreich aufgehalten. 15 v. Chr., noch zur Regierungszeit des Kaisers Augustus, gelangten Tiberius, sein späterer Nachfolger, und Drusus bis Raetien (ungefähr die Gegend des heutigen Vorarlberg). 6 n. Chr. zieht Kaiser Tiberius gegen den Germanenkönig Marbod ins Feld. Bei dieser Gelegenheit kamen zum ersten Mal römische Legionen ins Wiener Becken. Das gut ausgebaute römische Straßennetz garantierte eine schnelle Beweglichkeit und Verschiebbarkeit der römischen Truppen. Soldaten mussten ihr (manchmal sehr schweres) Marschgepäck selbst tragen. Daher konnte man pro Tag kaum mehr als km bewältigen. (Caesar war eine Ausnahme. Sein Biograph Plutarch berichtet von entschieden längeren Gewaltmärschen am Beginn des Gallischen Krieges.) Im Jahr 9 n. Chr. wurden die Grenzen der Provinz Pannonia (östliches Niederösterreich und Ungarn) neu eingeteilt. In den Jahren war die 15. Legion, die legio XV Apollinaris, immer wieder in der Gegend des heutigen Wien (damals: Vindobona). Siedlungstätigkeit durch die Römer ist aber erst nachweisbar. In dieser Zeit hatten die Kaiser in Rom mehrmals gewechselt (Caligula, Claudius, Nero). Als Vindobona im Jahr 97 zu einem von insgesamt 30 Legionsstandorten im imperium Romanum, dem römischen Reich, wird, wird auch die 13. Legion, die legio XIII Gemina, in Wien stationiert. 101 kommt die 14. Legion, die legio XIIII Gemina Martia Victrix, hinzu. Sie ist eng mit Carnuntum verbunden, das 106 mit der Teilung Pannoniens in die Provinzen Pannonia superior und Pannonia inferior Provinzhauptstadt wird. Im Jahr 114 wird die 10. Legion, die legio X Gemina, fix in Vindobona stationiert. Diese militärische Konzentration rechtfertigte, dass Vindobona und Carnuntum während der Markomannenkriege ( ) zu geeigneten Ausgangspunkten für die militärischen Manöver und Feldzüge der Römer wurden.

2 Johannes Divjak Sonja Schreiner: Was machten die Römer in Österreich? 2 Bereits im Jahr 150 hatte Vindobona so große Bedeutung und Bekanntheit erreicht, dass es von Klaudios Ptolemaios (lateinisch: Claudius Ptolemaeus) mit Längen- und Breitengraden geographisch eingeordnet wurde. (Das ist im Übrigen ein schöner Beweis dafür, dass die Kugelgestalt der Erde bereits in der Antike bekannt war. Dieses Wissen ist später wieder verloren gegangen.) Trotz dieser Genauigkeit sehen die Karten des Ptolemaios ganz anders aus als diejenigen, die wir heute gewöhnt sind. Alles wirkt eigentümlich flach gedrückt und gleichzeitig in die Länge gezogen, wie der Kartenabschnitt zeigt, der die Provinzen abbildet, die im Gebiet des heutigen Österreich liegen:

3 Johannes Divjak Sonja Schreiner: Was machten die Römer in Österreich? 3 Ein ebenso berühmtes wie aussagekräftiges Beispiel ist die sogenannte Tabula Peutingeriana. Sie zeigt das weitläufige römische Straßennetz. Die Karte hat ihren Namen von einem bedeutenden Mann, dem Humanisten Konrad Peutinger ( ). Sie ist so speziell, dass sie zum UNESCO- Weltkulturerbe gehört. (Zum UNESCO-Welterbe gehört das Weltkulturerbe und das Weltnaturerbe.) Das Original der Tabula Peutingeriana stammte aus dem 4. Jahrhundert n. Chr., ist jedoch leider nicht erhalten. Es gibt aber eine Kopie aus dem 12. Jahrhundert. Conrad Celtis ( ) entdeckte die Karte und übergab sie 1507 an Peutinger. Heute ist die Tabula eines der wertvollsten Stücke im Bestand der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien. Um die Haltbarkeit dieses einmaligen Dokuments zu sichern, bewahrt man es unter spezieller Schutzatmosphäre auf. Die Tabula Peutingeriana ist oft fotografiert, faksimiliert (d.h. auf speziellem Papier als täuschend echter Nachdruck reproduziert) und digitalisiert worden. Man kann sie also als Buch mit vielen bunten Tafeln bewundern, aber auch im Internet ansehen. Auf den nächsten beiden Bildern sieht man die Teile der Tabula, die das heutige Österreich zeigen:

4 Johannes Divjak Sonja Schreiner: Was machten die Römer in Österreich? 4 In der linken oberen Ecke sieht man Carnuntum. Im Kreis im rechten Teil des hier gezeigten Kartenabschnitts befindet sich Rom. In der rechten oberen Ecke sieht man Tulln (Commagene) und Wien (Vindobona).

5 Johannes Divjak Sonja Schreiner: Was machten die Römer in Österreich? 5 In Tulln steht auch ein Standbild des römischen Kaisers, dessen Name besonders eng mit Österreich vor allem aber mit Carnuntum verbunden ist: Marc Aurel. Das Vorbild des Tullner Reiterstandbilds steht in Rom vor den Kapitolinischen Museen. (Das Original steht in einem klimatisierten Raum im Museum, eine exakte Kopie steht in der Mitte der Piazza del Campidoglio, des Kapitolplatzes.) Anstelle eines Schwertes hatte Marc Aurel ursprünglich eine Buchrolle in der Hand. Gerne wird er als der Philosoph auf dem Kaiserthron bezeichnet. Zwischen 171 und 180 war er immer wieder in Österreich und ist im Donauraum (heutiges Serbien) wahrscheinlich an der Pest gestorben. Auf der Marc Aurel-Säule in Rom sind viele Szenen aus den Markomannenkriegen abgebildet. Die Marc Aurel-Säule ist wie die Trajan-Säule ein Geschichtsbuch in Bildern. Ähnliche Säulen gibt es vor der Wiener Karlskirche. Carnuntum erlangte auch deswegen Bedeutung, weil hier 193 der Provinzstatthalter Septimius Severus zum Kaiser ausgerufen wurde. Kaiser Diokletian hielt hier 308 die berühmte Kaiserkonferenz ab. Mit Septimius Severus setzte ein großer wirtschaftlicher Aufschwung in der Region um Wien und Carnuntum ein. Das erklärt auch, dass besonders aus dieser Zeit viele Fundstücke erhalten sind. Ab 235 geht es jedoch aufgrund von Konflikten an den Reichsgrenzen und einem viel zu häufigen Wechsel auf dem Kaiserthron bergab. Zudem zerstört eine Naturkatastrophe in der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts weite Teile des Lagers von Vindobona.

6 Johannes Divjak Sonja Schreiner: Was machten die Römer in Österreich? 6 Unter Kaiser Konstantin wird das Legionslager zu einer Festungsstadt um- und ausgebaut. Gegen 350, also um die Mitte des 4. Jahrhunderts, ereignete sich im Großraum Wien ein Erdbeben. Gegen Ende des 4. Jahrhunderts kommt es zu Einfällen von Markomannen und Quaden. Im ersten Drittel des 5. Jahrhunderts wohnen zwar noch Menschen im Raum des heutigen Wien, die römische Militärverwaltung zieht sich aber immer mehr zurück. Die Forschungen von Archäologen haben ergeben, dass in den folgenden 500 (!) Jahren keine Besiedlung in Vindobona nachzuweisen ist. Vor allem in den letzten Jahrzehnten ist es gelungen, im Wiener Stadtgebiet immer mehr römische Spuren freizulegen. So kann man im am 10. Mai 2008 neu eröffneten Römermuseum (Hoher Markt), einem Teil des Wien Museum, im Keller eine römische Fußbodenheizung bewundern. Pläne ermöglichen eine gute Übersicht darüber, wo in Wien vor fast 2000 Jahren welche römische Bauten zu finden waren. Rekonstruktionen vervollständigen das Bild der heute nur mehr als Ruinen erhaltenen römischen Bauten. Zahlreiche ausgesuchte Fundstücke geben Einblick in das Leben, das die Römer (Soldaten und Zivilbevölkerung) in unserem Land geführt haben. Darüber hinaus gibt es in der Nähe Wiens ein großes Freilichtmuseum: Carnuntum. Amphitheater können dort ebenso besichtigt werden wie das berühmte Heidentor, von dem nur ein Teil erhalten ist, oder ein nachgebautes Landhaus. So einen Wiederaufbau nennt man Rekonstruktion. Egal, wo in Österreich man Spuren der Römer sucht und hoffentlich findet: Man darf nicht nur die Legionäre sehen oder an römische Reiter mit schönen Rüstungen und prächtigen Pferden denken. Das Leben der Zivilbevölkerung war mindestens genau so interessant. Viele Fundstücke wie Geschirr oder Schmuck belegen das.

7 Johannes Divjak Sonja Schreiner: Was machten die Römer in Österreich? 7 In Österreich lebte nicht anders als heute auch schon vor fast 2000 Jahren ein buntes Völkergemisch. Das ist leicht erklärbar: Zur einheimischen Bevölkerung kamen die römischen Soldaten und natürlich auch Zivilbevölkerung (z.b. Händler). Diese römischen Zuwanderer kamen aber nicht nur aus dem Gebiet des heutigen Italien, sondern auch aus vielen Provinzen (z.b. aus Spanien, aus Kleinasien oder aus Afrika). Das römische Reich umfasste zur Blütezeit von Vindobona und Carnuntum einen so großen Teil der damals bekannten Welt, dass man ohne weiteres sagen kann: Die Römer in Österreich waren Menschen aus aller Herren Länder. Eine Frage ist noch offen: Was machten die Römer also in Österreich? Sie brachten ihre Sprache mit, das Lateinische, und ihre Kultur. Das heißt, sie bauten z.b. Häuser in dem Stil, den sie von zu Hause gewöhnt waren, passten sie aber dem raueren Klima an und brachten Lebensmittel hier her, die es vorher in Pannonien, Noricum und Raetien nicht gegeben hatte. Doch es gab auch Schattenseiten. Denn leider brachten die Römer den Menschen, die hier immer schon gelebt haben, nicht immer den Respekt entgegen, der ihnen gebührt hätte. Für die Römer waren die Menschen, die im Gebiet des heutigen Österreich lebten, sogenannte Barbaren. Das sagten sie auch über die Gallier im heutigen Frankreich oder die Britannier im heutigen England. Solche Völker waren in römischen Augen dazu da, um unterworfen und romanisiert, also im römischen Sinn zivilisiert, zu werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Römer in Österreich über eine lange Zeit sehr erfolgreich waren. Ja, eigentlich sind sie es immer noch. Sie prägten das alltägliche soziale und politische Leben, und sie haben es geschafft, mit ihrem Lebensstil und ihrer Kultur, aber auch mit ihrer Disziplin und ihrer Konsequenz in (fast) allen Lebenslagen bis zum heutigen Tag auf Menschen aller Altersstufen eine ungebrochene Faszination auszuüben. Gerade in den Gebieten, in denen die Römer nicht immer zu Hause waren und die sie erst erobern mussten, trifft das in besonders hohem Ausmaß zu. Fragen & Anregungen an: johannes.divjak@univie.ac.at bzw. sonja.schreiner@univie.ac.at Informationen über uns unter: Die Römer in Österreich (nützliche Links): bzw.