Psychisch kranke Migranten/innen und Implikationen für Sucht

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1 Psychisch kranke Migranten/innen und Implikationen für Sucht Thomas Stompe Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, MUW

2 Einleitung Seit den 1960er Jahren übersteigt die Einwanderung nach Westeuropa die Abwanderung deutlich. In zahlreichen Studien zeigte sich, dass Migration der stärkste psychosoziale Prädiktor für den Ausbruch einer psychischen Störung ist. Die meisten psychischen Erkrankungen zeigen eine hohe Rate an Substanzmissbrauch/-abhängigkeit, die die Prävalenz in der Allgemeinbevölkerung deutlich übersteigt. Im Zentrum dieses Vortrags steht die Präsentation und Diskussion der Häufigkeit verschiedener Formen von Substanzmissbrauch bei psychisch kranken MigrantenInnen.

3 Einige Problemstellung Um den Stellenwert des Drogenkonsums bei psychisch kranken MigrantInnen beurteilen zu können, sind folgende Informationen (die nur in Teilbereichen vorhanden sind) erforderlich: Substanzkonsumgewohnheiten in von psychisch gesunden und kranken Menschen in den Herkunftsländern. Substanzkonsumgewohnheiten in von psychisch gesunden und kranken Menschen in den Aufnahmeländern. Substanzkonsumgewohnheiten in von psychisch gesunden MigrantInnen im Aufnahmeland. Haltung von psychisch gesunden MigrantInnen zu verschiedenen Substanzen. Hilfesuchverhalten (Familie, traditionelle Medizinsysteme, medizinische Einrichtungen etc.).

4 Die Prävalenz des Substanzkonsums Weltweit, in Österreich und bei psychisch kranken Menschen

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6 World Countries Ranges for Canabis Means 17,4 to 21,5 (2) 13,1 to 17,4 (4) 8,8 to 13,1 (9) 4,5 to 8,8 (32) 0,2 to 4,5 (62)

7 World Countries Ranges for Amphetamin Means 2,66 to 3,3 (2) 2,02 to 2,66 (2) 1,38 to 2,02 (3) 0,74 to 1,38 (17) 0,1 to 0,74 (60)

8 World Countries Ranges for Ecstasy Means 3,38 to 4,2 (2) 2,56 to 3,38 (1) 1,74 to 2,56 (1) 0,92 to 1,74 (11) 0,1 to 0,92 (61)

9 World Countries Ranges for Kokain Means 2,42 to 3 (3) 1,84 to 2,42 (4) 1,26 to 1,84 (4) 0,68 to 1,26 (23) 0,1 to 0,68 (45)

10 World Countries Ranges for Opiate Means 3,05 to 3,79 (2) 2,29 to 3,05 (0) 1,53 to 2,29 (3) 0,77 to 1,53 (12) 0,01 to 0,77 (102)

11 Alkoholkrankheit in Österreich Ca. 5% der ÖsterreicherInnen (7,5% ; 2,5% ) ab 16 J. sind alkoholkrank = ca Personen Im Laufe des Lebens werden 10% der ÖsterreicherInnen alkoholkrank (jeder 7. Mann und jede 20. Frau) Jahresinzidenz: 0,13 Prozent aller Österreicherinnen (0,2 % ; 0,06% ) = ca Neuerkrankungen pro Jahr.

12 Abhängigkeitserkrankungen in Österreich Nikotin Kaufsucht Alkohol Medikamente pathologisches Glücksspiel Internetabhängigkeit Bulimia Nervosa Illegale Substanzen Anorexia Nervosa

13 Prävalenz des Konsums illegaler Substanzen in Österreich (in %) Cannabis 11,8 Ecstasy 1,9 Biogene Drogen 1,7 Schnüffelstoffe 2,4 Amphetamine 2 Kokain 1,8 LSD 1,6 Heroin 0,

14 Komorbider Substanzmissbrauch bei psychischen Erkrankungen Autoren Primärdiagnose Substanz 12-Monate Lebenszeit Koskinen et al. (2010) Schizophrenie Cannabis 12% 16% Koskinen et al. (2009) Schizophrenie Alkohol 9,4% 20,6% Kedzior et al. (2014) Angststörung Cannabis OR=1,68 Kedzior et al. (2014) Angststörung Alkohol OR=2,60 Jacobsen et al. (2001) PTSD Alkohol 21,6-43,0%

15 MigrantInnen in Österreich

16 Wanderungsgeschichte Österreich ( )

17 EinwohnerInnen mit Migrationshintergrund in Österreich 2012

18 Ausländische Wohnbevölkerung (Gesamt: ) in Österreich nach Staatsangehörigkeit ( ) Europa Deutschland Italien Vereinigtes Königreich Außereuropäische Staaten Afrika Ägypten Nigeria Ex-Jugoslawien Serbien Bosnien Kroatien Mazedonien Slowenien Tunesien Ghana Asien Afghanistan China Türkei Iran Indien Polen Rumänien Russland Slowakei Tschechien Ungarn Philippinen Nordamerika USA

19 Opioidkonsum: Tschetschenen, Georgier (Quelle: Dialog) Tschetschenen Manifester Opioidkonsum PTSD, massive Traumatisierungen Moslemischer Hintergrund Intensive Identifikation mit Herkunftsland Handel verpönt Sprachkenntnisse in Betreuung nötig Massive Ängste vor Verfolgung Konstanter Zustrom Georgier Unregelmäßiger Opioidkonsum Depressive Störungen Christlicher Hintergrund Geringe Identifikation Handel geduldet Sprachkompetenz auch Englisch Selten Ängste vor Verfolgung Einwanderung

20 MigrantInnen aus dem Maghreb Einreise über Italien Überdurchschnittlich häufig Benzodiazepinabhängigkeit Cannabinoidkonsum Vorliebe für Clonazepam (Rivotril) Ganz selten anderer Substanzkonsum Sehr häufig Impulskontrollstörungen Spannungslösungsversuch

21 Andere Gruppen Polnische Staatsbürger mit hoch problematischem Alkoholkonsum, die teilweise bis zu 10x pro Jahr abgeschoben werden, teilweise im Unterstandslosenmilieu, teilweise deutliche psychiatrische Grunderkrankung (Schizophrenie, Depression,..) Suchtmittelkonsumierende Frauen aus Tschechien, Slowakei, Ungarn, die in Österreich der Geheimprostitution nachgehen. Teilweise hoch problematischer Mischkonsum (Opioide, Amphetamine, Benzodiazepine, Alkohol,..). Nur punktuelle psychiatrische und suchtspezifische Behandlung Immer wieder Entzugsphasen Wiederkehrende traumatisierende Gewalterfahrungen

22 Substanzmissbrauch bei psychisch kranken MigrantInnen Transkulturelle Ambulanz AKH-Wien ( )

23 Herkunftsländer der MigrantInnen 1. Generation (Transkulturelle Ambulanz, AKH Wien, N=1,726) EU EU neu 108 Ex-Jugoslawien 456 Kaukasusregion 253 Türkei 384 Naher Osten 245 Schwarzafrika 86 Amerika

24 Erstdiagnosen (ICD-10) der MigrantInnen (Transkulturelle Ambulanz, AKH Wien, N=1,726) F0 F F2 143 F3 209 F4 985 F5 18 F6 93 F

25 Behandlungsprävalenz psychischer Störungen in % (Erstdiagnosen) bei MigrantInnen nach Regionalgebieten (N=1.736) F0 F1 F2 F3 F4 F5 F6 F7 EU-alt -- 12,0 20,0 24,0 36,0 -- 8,0 -- EU-neu 7,9 4,0 15,8 18,8 40,6 2,0 10,9 -- Balkanregion 3,1 3,1 9,4 15,8 62,6 1,4 4,5 0,2 Kaukasusregion 3,3 1,4 1,4 7,9 81,8 0,5 3,7 -- Türkei 2,1 0,8 8,9 16,1 83,0 0,5 3,7 -- Naher Osten 1,7 2,6 9,8 9,4 67,1 2,1 6,8 0,4 Schwarzafrika 3,8 3,8 10,1 7,6 68,4 1,3 5,1 --

26 Primärer und komorbider Substanzmissbrauch/-abhängigkeit bei MigrantInnen 1. Generation in % (TA, AKH Wien, N=1,726) Alkohol 6 Cannabis 1,2 Opiode 0,2 Halluzinogene 0,1 Kokain 0,1 mixed 2,

27 Erstdiagnosen und Substanzmissbrauch der MigrantInnen 1. Generation in % (TA, AKH Wien, N=1,726) F0 F1 F2 F3 F4 F5 F6 F ,1 5,9 5,9 4,6 4,4 5,5 5,3 1,9 9,8 6,

28 Herkunftsregion und Substanzmissbrauch der MigrantInnen in % (TA, AKH Wien, N=1,726) 2. Generation EU-15 EU-neu Ex-Jugoslawien Kaukasus Türkei Naher Osten Schwarzafrika Amerika 0 4,3 6,9 5,6 5,1 5,6 4,7 7,5 4,3 3,3 6,5 6,1 8,1 10,3 13,9 16,3 18,

29 Religiöser Hintergrund und Substanzmissbrauch der MigrantInnen 1. Generation in % (TA, AKH Wien, N=1,726) andere 5,2 10 jüdisch 3,1 7,8 muslimisch 4,1 4 christlich 6,7 8,3 ohne Bekenntnis 6,1 10,

30 Zusammenfassung Die 12-Monatsprävalenz für primären und komorbiden Substanz-missbrauch/- abhängigkeit bei psychisch kranken MigrantInnen, die von 1994 bis 2010 in der Transkulturellen Ambulanz der Sozialpsychiatrischen Abteilung AKH Wien vorstellig waren, betrug 10,6%. Davon entfiel der höchste Anteil auf Alkohol. Es finden sich keine signifikanten Verteilungsunterschiede von der Häufigkeit des Alkohol- und Drogenmissbrauchs bei den unterschiedlichen Erstdiagnosen. Der Zusammenhang zwischen Herkunft (Großregion) und Substanzmissbrauch ist dagegen deutlich vorhanden. Der kulturelle und der religiöse Hintergrund scheinen hier eine größere Rolle zu spielen als die Art der primären psychischen Störung. Einschränkend ist festzuhalten, dass es sich hier um Inanspruchnahmezahlen handelt, die reale Prävalenzen nur bedingt widerspiegeln.

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