Veränderung öffentlicher Meinung
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- Frank Kerner
- vor 7 Jahren
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1 Dies ist eine Vorabveröffentlichung von Forschungsergebnissen zur Befragungsstudie "Veränderung der öffentlichen Meinung". Wissenschaftliche Fachbeiträge zur der Studie werden bei Publikation (ca Monate nach Abschluss der Studie) verlinkt auf Veränderung öffentlicher Meinung Wer sich für die öffentliche Meinung interessiert, kommt um Umfragen kaum herum: "Die Bundesbürger halten Merkel für sympathischer, durchsetzungsfähiger und glaubwürdiger als Steinbrück" (Zeit Online, ), "Fast neun von zehn Bürgern begrüßen die Abschaffung der Praxisgebühr" (ARD DeutschlandTrend, Nov. 2012) und "In einer Umfrage von Bild wünschten sich Prozent der Befragten die Kernkraft zurück." (Süddeutsche Zeitung, ). Das Ergebnis der letzten Umfrage stimmt vielleicht misstrauisch. In der Tat erklärt schon der nächste Satz, dass hier "mehr als Leser" der BILD- Zeitung befragt wurden, welche die deutsche Bevölkerung wohl nicht in ihrer Gänze repräsentieren. Setzt eine Bevölkerungsumfragen hingegen auf anerkannte wissenschaftliche Standards, so ist ihr Ergebnis in aller Regel eine gute Schätzung für die Meinung der Bevölkerung. Bei der vergangenen US-Präsidentschaftswahl etwa betrug die Abweichung der schlechtesten Prognosen vom vorläufigen amtlichen Ergebnis nur wenige Prozentpunkte. Viele gesellschaftliche Themen sind natürlich deutlich komplexer als ein Wahlzettel. Typische Bevölkerungsumfragen lassen für solche Komplexität jedoch keinen Raum. Oftmals bleibt nur die Entscheidung dafür oder dagegen. Unabhängig davon, ob es um 10 Euro Praxisgebühr geht oder darum, Bomben auf bewohnte Städte zu werfen. Im Fall eines militärischen Eingreifens wird aus dem überzeugten Ja schnell ein verhaltenes Nein. Etwa dann, wenn die Tagesschau nicht die versprochenen Bildern vom Ende der Diktatur zeigt, sondern tote und verstümmelte Kinder. Der Wissenschaftler Daniel Yankelovich stellte daher schon vor zwei Jahrzehnten die Frage, ob die gängige Umfragepraxis tatsächlich Basis für politische Entscheidungen sein dürfen. Als eindrucksvolles Gegenargument führt er den ersten Versuch einer Gesundheitsreform in den USA unter Bill Clinton an. Hier zeigten alle Umfragen eine Zustimmung von mehr als 70%. Infolge der öffentlichen Diskussion wurde den Bürgern allerdings das vermeintlich Offensichtliche bewusst: Die Reform würde mit höheren Steuern und mehr Bürokratie einhergehen. Die Zustimmungswerte fielen auf unter 30%, die Regierung Clinton scheiterte mit der Reform. Im Nachhinein ist der Meinungsumschwung wenig überraschend. Aber hätte man ihn auch schon rechtzeitig erkennen können? Yankelovich empfiehlt eine pragmatische Lösung: Meinungsforscher sollten nicht nur nach der Meinung fragen, sondern auch danach, wie sicher sich die Befragten bei dieser Beurteilung sind eine Praxis, die sich bislang nicht durchsetzen konnte. Das Vorgehen Um die Entwicklung der öffentlichen Meinung im SoSci Panel adäquat nachzubilden, wurde 12 Monate lang befragt: Monatlich nahmen mehr als 800 Personen an der Befragung teil die bisher größte Befragung im SoSci Panel. So ließ sich zwischen den Monaten die Entwicklung der Meinungen genau verfolgen. Zusätzlich wurde jeder Teilnehmer zweimal befragt: So konnte nicht nur die Veränderung im Mittel aller Befragter beobachtet werden, sondern auch individuelle Meinungsänderungen. Neben der Befragung zu den 18 Themen (von Abtreibung bis zur Zuwanderung von Ausländern) wurde jeder Teilnehmer im Detail zu einem der Themen befragt: So konnte ermittelt werden, wie stark die individuelle Meinung jeweils verankert ist. Also zum Beispiel, wie sicher man sich der Meinung ist, oder wie stark positive und negative Aspekte eines Themas in Konkurrenz treten ob man bei einem Thema also beispielsweise ähnlich viele Vor- und Nachteile sieht.
2 Wankelmütige Bürger Für die Stabilität der individuellen Meinung, für die Verankerung der Meinung also, erwiesen sich vor allem fünf Eigenschaften von Meinungen ( Einstellungsattribute ) als relevant: Je einfacher ein Teilnehmer seine Meinung äußern konnte (gemessen anhand der Antwort- bzw. Reaktionszeit) und je ausgeprägter (also je extremer) eine Meinung in der differenzierten Messung war, desto stabiler war die Meinung über einen Zeitraum von 8 Wochen. Hingegen waren mehr Meinungsänderungen zu beachten, wenn ein Befragter das Thema als widersprüchlich wahrnahm, wenn ihm/ihr widersprüchliche Argumente zum Thema bekannt waren und wenn er/sie sich bei der Meinungsäußerung nach eigenen Angaben generell unsicher fühlte. Hingegen erwies sich die Stabilität als weitgehend unabhängig davon, ob Herz und Verstand sich in der Beurteilung einig waren, wie wichtig das Thema dem Befragten war, ob er/sie vom Thema direkt betroffen war oder wie intensiv sich der Befragte mit dem Thema bereits auseinandergesetzt hatte. Und zwar weitgehend unabhängig davon, ob es nun um die NATO-Luftangriffe auf Libyen oder um Kernkraft ging. Abschaffung der Wehrpflicht), stehen mit Meinungsschwankungen nicht in Zusammenhang obwohl diese Faktoren Schwankungen auf individueller Ebene durchaus begünstigen (s. oben). Referenzen Leiner, D. J. (2014). Convenience Samples from Online Respondent Pools. A case study of the SoSci Panel. Verfügbar unter publication/ Yankelovich, D. (1991). A new direction for survey research. International Journal of Public Opinion Research, 8(1), 1 9. Wankelmütige Themen Derart synchrone Meinungsschwankungen treten vor allem bei Themen auf, von denen Menschen weniger direkt betroffen sind (z.b. die Todesstrafe oder die NATO-Luftangriffe auf Libyen), die sie eher für unwichtig halten (z.b. die Legalisierung von Marihuana) und mit denen sie sich bisher wenig beschäftigt haben (z.b. die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften mit der Ehe). Meinungsschwankungen kommt es auch entgegen, wenn ein Thema überwiegend negativ wahrgenommen wird (z.b. der Irak-Krieg 2003) und wenn Gefühle und sachliche Bewertungen sich potenziell widersprechen (z.b. bei der Abschaffung der Wehrpflicht). Eine plausible Interpretation ist, dass die Medienberichterstattung gerade bei solchen Themen einen besonders starken Einfluss auf die Bevölkerungsmeinung hat. Um so interessanter: Eine generelle Unsicherheit gegenüber einem Thema, geringes Wissen oder die Situation, dass mit einem Thema sowohl positive wie auch negative Folgen verbunden sind (z.b. mit dem Euro oder der
3 Meinungen und Schwankungen Die Teilnehmer im SoSci Panel stehen nicht repräsentativ für die bundesdeutsche Wahlbevölkerung sie sind überdurchschnittlich hoch gebildet und überproportional häufig politisch alternativ geprägt. Allerdings, so zeigt ein Vergleich mit repräsentativen Befragungen zur Wahlabsicht, lässt sich anhand des SoSci Panels sehr gut abschätzen, wie stark sich die Meinung zu einem Thema verändert (Leiner, 2014). Die Abbildungen auf den folgenden Seiten zeigen die untersuchten Themen, den Grad der Meinungsschwankungen und den Anteil der Befragten, die ihre Meinung binnen 8 Wochen änderten ( Unterschiedl. Meinung ) sowie den Anteil derer, die sich dieser Änderungen auch bewusst waren ( Bewusste Mn.änderung ). Die Themen sind nach Umfang der monatlichen Meinungsschwankungen geordnet. Diese Schwankung kann als Indiz dafür verstanden werden, dass die öffentliche Meinung zu einem Thema noch nicht besonders gut fundiert ist. Hier ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass einzelne, in den Medien berichtete Ereignisse die öffentliche Meinung kurzfristig verändern. Bei einigen Themen stand eine neutrale Meinungsposition zur Auswahl. In den Diagrammen ist diese Position mit Neutral gekennzeichnet. Unentschlossene steht für den Anteil der Befragten, die keine Meinung äußerten. Die Angaben zur beobachteten Meinungsänderung sind entsprechend korrigiert, um eine Vergleichbarkeit über alle Themen zu gewährleisten.
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