Die Malschule ist aus der Zeitschrift Einfach Malen mit Isabelle Nr. 11/2012, Seite 4 9 Male

Transkript

1 Nr. 11/2012, Seite 4 9 Malschule WAS BEDEUTET FARBEN IM FLUSS? Was passiert, wenn man Acrylfarben stark mit Wasser verdünnt? Die Farben beginnen zu fließen und verhalten sich ganz anders als beim trockenen Farbauftrag! Diesem Phänomen und den faszinierenden Möglichkeiten der Bildgestaltung mit flüssigen Farben gehen wir diesmal auf die Spur. mit Überraschungseffekten Fotos: Isabelle Zacher-Finet In den vergangenen Ausgaben haben wir die verschiedenen Qualitäten von Acrylfarbe vorgestellt und gezeigt, wie Deckkraft und Farbintensität variieren können oder wie sich mit Acrylfarben Strukturen erzeugen lassen. Acrylfarbe kann aber noch viel mehr: sie lässt eine recht großzügige Verdünnung mit Wasser zu und behält dabei ihre Leuchtkraft und ihre Eigenschaft, wasserfest aufzutrocknen. Ob Sie mit verdünnter Acrylfarbe, mit Aquarellfarbe oder Tusche malen, bei fl üssigen Farben spielt der fl ießende Zufall eine große Rolle. Bei jeder Arbeit mit fl üssigen Farben entstehen ganz wunderbare Effekte, die nicht vorhersehbar und auch nicht gezielt planbar sind. Diese kleinen Überraschungen, fantastische Formen oder lebendige Farbeffekte, bekommen wir einfach geschenkt! Sie können fl üssigen Farben mitunter bei der Reaktion zuschauen, beobachten, wie die Kraft des Wassers arbeitet, welche Kapriolen die Pigmente schlagen. Dann werden Sie immer wieder vor der Wahl stehen, die Dinge einfach geschehen zu lassen oder einzugreifen. Egal wie Sie entscheiden es ist immer ein spannender Weg zum Bild. Das Ergebnis beim Arbeiten mit fl ießenden Farben wird von vielen Faktoren wie Wassermenge, Lage des Malgrundes oder verwendete Farben bestimmt und ist immer wieder überraschend. Das bedeutet für die Modelle dieser Ausgabe, dass die jeweiligen Effekte bei jedem Leser ganz individuell ausfallen werden. Selbst bei Verwendung der Malvorlage werden sich die Bilder deutlich voneinander unterscheiden und vielleicht sogar viel interessanter und schöner als die Vorlage sein. Auf jeden Fall ist jedes Bild ein Unikat! Oben: Eins von Isabelles Lieblingsbildern in einer für sie ganz ungewöhnlichen Farbgebung. Links: Acrylfarbe in Kombination mit fl ießender Tusche. Unten: Gemalt wurde dieses Bild eigentlich andersherum. Isabelle fand nach Fertigstellung diese Position jedoch spannender. 4 malen

2 Nr. 11/2012, Seite 4 9 Welche Farbe für welche Effekte? Es gibt viele verschiedene fl üssige Farben, deren wesentlichster Unterschied darin besteht, wasserlöslich oder wasserfest zu sein. Wenn Sie auch nach dem Trocknen noch eingreifen, korrigieren oder entfernen möchten, sollten Sie Farben wählen, die nicht wasserfest trocknen wie beispielsweise Aquarellfarbe im Näpfchen oder in Tuben. Wenn der gewünschte Effekt erzielt ist, müssen diese Farben noch fi xiert werden. Selbstverständlich können Sie auch unterschiedliche Farbarten miteinander kombinieren und sich damit noch mehr Gestaltungsmöglichkeiten eröffnen. Wenn Sie dazu bereit sind das, was sich auf der Leinwand ergibt, anzunehmen und keine Korrekturen mehr vorzunehmen, können Sie gleich zu wasserfest auftrocknenden Farben wie verdünnte Acrylfarbe oder Zeichentusche greifen. Die wasserfesten Farben bieten sich vor allem für die Gestaltung des Hintergrunds an, der durch anschließende Übermalungen sicher Isabelles Fantasieblüten nicht wieder angelöst werden soll. Bei grafi schen Details und feinen Linien sind Aquarellstifte unschlagbar. Hierbei haben Sie die Möglichkeit, die Linien unverdünnt stehen zu lassen oder sie mit einem dünnen Pinsel mit Wasser anzulösen. Weitere spannende Effekte lassen sich mit Maskierfl üssigkeit erzielen. Dieses farblose Mittel wird in Linerfl aschen oder Töpfen angeboten (z. B. Mask Liner oder Mask Paint von C. Kreul). Man kann es direkt aus der Flasche oder mit einem Pinsel auftragen und die so bedeckten Stellen vor dem nächsten Farbauftrag schützen. Nach dem Trocknen lässt sich das gummiartige Mittel einfach wieder wegrubbeln und es erscheint das Weiß der Leinwand oder der Farbauftrag, den man geschützt hat. Maskierfl üssigkeit ist ein guter Trick, wenn man dazu neigt, alle Flächen zuzumalen, aber trotzdem etwas Weiß stehen lassen möchte (s. auch Übungsbeispiel S.8). Diese Blüten liebe ich deshalb so sehr, weil sie mir fast gänzlich geschenkt wurden. Ich selbst habe kaum mehr dazu beigetragen als mit Tusche die großen Formen festzulegen. Die wundervollen Effekte innerhalb der Blüte entstanden wie von Zauberhand durch das Wirken der jeweiligen Wassermenge und einen mal großzügigeren, mal sparsameren Farbauftrag. Nach dem Trocknen habe ich dann nur noch die deckenden Details wie die schwarzen Blütenmitten mit unverdünnter Farbe herausgearbeitet. Dadurch wurden aus den fl ießenden Farbfeldern Fantasieblüten. Das hat etwas von einer Entdeckungsreise, bei der es auf das richtige Sehen und Finden der sich ergebenden Formen ankommt Kann ein Beispiel für das Sich-Einlassen auf Überraschungen schöner sein? Es lohnt sich also allemal, die Farben fl ießen zu lassen! Die Wahl des Malgrunds Wenn von fl üssigen Farben die Rede ist, denkt man als erstes an Aquarellfarben auf Papier. Das mit fl üssigen Farben ist aber auch auf vielen anderen Untergründen möglich, unter anderem auch auf Leinwand. Großformatige Arbeiten mit fl üssigen Farben auf Leinwand haben dabei eine ganz besondere Wirkung. Vielleicht liegt das auch daran, dass die meisten Menschen das, was sie da zu sehen bekommen, bisher nur mit Aquarell auf Papier in Verbindung brachten. Die fl ießenden Farben bieten unglaublich viele Möglichkeiten, sei es für ganz abstrakte, freie Arbeiten, für luftige, fl orale Motive oder fi gurative Bildthemen mit grafi schem Charakter. Wer Spaß gefunden hat am experimentellen Charakter der fl üssigen Farben wird auch verschiedene Untergründe ausprobieren wollen. Eigentlich gilt es dabei nur eines zu beachten: fl ießende Farben benötigen einen leicht saugenden Untergrund! Diese Eigenschaften kann man mit kleinen Tricks sogar Glas oder Kunststoff verleihen, von deren glatter Oberfl äche fl üssige Farben sonst einfach abperlen würden. 5

3 Nr. 11/2012, Seite 4 9 Malschule WISSENSWERTES ÜBER FLÜSSIGE FARBEN Das Thema flüssige Farben beschränkt sich keineswegs auf Aquarellfarben und Papier als Malgrund. Mit Wasser lassen sich auch scheinbar feste Farben wie Kreiden und Stifte anlösen. Hier erfahren Sie mehr über die unterschiedlichen Materialien und ihre Einsatzmöglichkeiten. Der richtige Malgrund Für das Arbeiten mit fl üssigen Farben benötigt man einen Malgrund, der diese annimmt. Viele Malgründe stoßen Flüssigkeit jedoch eher ab, weshalb man vor dem unbedingt Tests beispielsweise am Rand des Keilrahmens durchführen sollte. Eine Empfehlung für ein bestimmtes Gewebe lässt sich leider nicht geben, da es vor allem auf die jeweilige Grundierung ankommt. Verhalten sich die Farben auf einem Keilrahmen nicht wie gewünscht, kann man eine spezielle Grundierung auftragen, wie beispielsweise Aquagrund von der Firma Schmincke. Sie können sich natürlich auch eine eigene Grundierung herstellen. Dazu verdünnen Sie etwas Leichtstrukturpaste so weit mit Wasser, bis sie sich gut mit einem weichen Pinsel verstreichen lässt. Diese tragen Sie dann zweimal dünn auf den Keilrahmen auf. Diese Vorgehensweise gilt auch für alle Modelle im Heft. Auf Papier und Pappe verhalten sich fl üssige Farben natürlich ideal. Sehr schöne Ergebnisse erzielen Sie auch auf Textilien. Aus selbst bemalten Stoffen lassen sich zum Beispiel schöne Kissenbezüge und Taschen nähen. Dafür benötigen Sie nicht einmal spezielle Textilfarbe: verdünnte Acrylfarbe trocknet wasserfest auf und bildet keine dicken Schichten, die beim Waschen bröckeln könnten. Holz saugt fl üssige Farben sehr schön auf, und auch das auf Stein, Glas oder Kunststoff ist nicht unmöglich. Hier kommt es darauf an, wie glatt oder porös die Oberfl äche ist. Probieren Sie beispielsweise mal, eine glatte Oberfl äche mit feinem Sandpapier anzuschleifen. In der Ausgabe lernen 8 ging es in der Malschule im Wesentlichen um das Thema Pinselführung. Auch bei fl üssigen Farben gilt: Die Wahl der Arbeitsgeräte ob Pinsel, Messer oder Schwamm und wie sie geführt werden, entscheidet darüber, welche Spur die Farbe auf dem Malgrund hinterlässt. Flüssige Farben lassen sich gut mit Plastikpipetten aus Flaschen oder anderen Behältern entnehmen, um sie mit anderen Farben zu mischen. Auch zu viel entnommene Farben können Sie damit wieder zurückfüllen. 6 malen

4 Nr. 11/2012, Seite 4 9 Flüssige Farben und ihre Eigenschaften Aquarellfarben sind unter den fl üssigen Farben wohl die bekanntesten. Sie sind in Näpfen und Tuben erhältlich und müssen zunächst mit Wasser angelöst bzw. verdünnt werden. Die Wassermenge am Pinsel oder auf dem Malgrund und die Menge an Farbe, die man aufgenommen oder angelöst hat, entscheidet über die Deckkraft der Farbe (neben den eigenen Farbeigenschaften hinsichtlich Deckkraft/ Transparenz/ Halbtransparenz). Inzwischen werden auch fl üssige Aquarellfarben angeboten. Aquarellfarbe ist und b l e i b t wasserlöslich. Tropft man beispielsweise Wasser auf bereits getrocknete Aquarellfarbe, wird diese nach kurzer Zeit verlaufen. Es sei denn, man hat sie zuvor mit einem entsprechenden Fixativ behandelt. Vor allem für großfl ächige Arbeiten auf Papier und Leinwand sind Aquarellfarben in stapelbaren großen Näpfen empfehlenswert, da man die Farbe auch mit großen Werkzeugen problemlos aufnehmen kann. Auch Tinten und Tuschen sind fl üssig, zumeist hochpigmentiert und fl ießen traumhaft schön ineinander. Sie bieten ebenfalls viele schöne Kombinationsmöglichkeiten mit anderen Farbarten. Allerdings trocknet nicht jede Tusche wasserfest auf, was Sie den Herstellerangaben entnehmen können. Im Handel sind inzwischen auch sehr fl üssig eingestellte Acrylfarben erhältlich wie die Art Acryl Aqua der Firma C. Kreul, die speziell zum auf Leinwand entwickelt wurden. Auch andere Hersteller bieten fl üssigere Varianten ihrer Acrylfarben an, die an der Bezeichnung fl uid oder liquid erkennbar sind. Dickfl üssigere Farben können Sie in Leerfl aschen mit feiner Öffnung füllen, um damit fast wie mit einem Stift fi ligrane Linien oder Schriften ins Bild zu ziehen. Die Farbe sollte dabei so fl üssig sein, dass sie gut aus der Tube fl ießt, aber nicht so fl üssig, dass sie auf dem Malgrund zerfl ießt. Sie soll als leicht erhabene Linie stehen bleiben. Auch Acrylfarben mittlerer Konsistenz werden zu fl ießenden Farben, indem man sie schlicht mit Wasser verdünnt oder ein spezielles Fluidmedium hinzugibt. Bei starker Verdünnung mit Wasser sollte man eine hohe Qualitätsstufe mit hoher Pigmentierung wählen, da die Farben sonst blass und tot wirken. Fluidmedien haben den Vorteil, dass sie die Farben noch haltbarer machen und ihnen mehr Leuchtkraft verleihen. Außerdem gibt es trockene Farben, die wasservermalbar sind wie Aquarellstifte und Kreiden. Mit ihnen können Sie Flächen oder Linien zeichnen, die anschließend mehr oder weniger mit dem Pinsel mit Wasser vermalt werden. Einmal angetrocknet sind diese Farbfl ächen nicht mehr ganz so leicht anlösbar wie Näpfchenfarbe, sie sind aber auch nicht wirklich wasserfest. Wann muss fixiert werden? Bei der Verwendung von wasserfest auftrocknenden Farben, egal ob fl üssig oder nicht, ist eine Fixierung nicht nötig. Wenn Sie in Mischtechnik jedoch nur eine einzige nicht wasserfest auftrocknende Farbe verwendet haben, müssen Sie das Bild unbedingt fi xieren. Dies ist auch nötig, wenn Sie solche Farbschichten nochmals überarbeiten möchten. Am einfachsten geht das mit einem Sprühfi xativ, egal ob dieses für Pastell, Kohle oder Aquarell empfohlen wird. Sie sollten nicht nur auf ausreichende Raumbelüftung achten, sondern auch auf einen sehr sparsamen Auftrag, so dass die Arbeit nicht im Fixativ ertränkt wird, was zu einem Verlaufen der Farben führen würde. Lieber mehrmals dünn mit Zwi- schentrocknung besprühen. Es muss nicht immer der weiche Haarpinsel sein! Alles kann zum Pinsel werden sogar der Finger! wenn dabei der gewünschte Effekt entsteht. Ideal zum Zeichnen von gebrochenen Linien und für ungleichmäßige Schriften sind Zahnstocher oder Rohrfedern. Die dabei entstehenden Tröpfchen können ausgesprochen dekorativ sein.

5 Nr. 11/2012, Seite 4 9 Malschule KLEINE ÜBUNGEN Fotos: Isabelle Zacher-Finet 2 Eine flüssig aufgetragene und spontan vermalte Farbe eignet sich immer besonders gut als Hintergrund für kleine Zeichnungen und Schriften. Daraus lassen sich ganz schnell kleine Geschenke zaubern, wie die folgenden Beispiele zeigen. Gestalten mit Maskierfarbe Bei diesem Bild werden die Blütenranken zunächst mit Mask Liner (von C. Kreul) auf die weiße Leinwand gemalt (1). Nach dem Trocknen wird der Hintergrund in Orange grundiert (2). Danach erst werden die Konturen der Blüten ebenfalls mit Mask Liner aufgetragen. Zuletzt wird der Mask Liner wieder abgerubbelt (3). 1 3 KLEINE GESCHENKE Mit flüssigen Farben experimentieren Sie können mit fl üssiger Farbe konkrete Farbfelder nebeneinander legen. Sobald sich zwei feuchte Farbfelder berühren, läuft die Farbe dort ineinander und ergibt interessante Mischungen. Ist dieses Verhalten der Farbe nicht gewünscht, müssen die einzelnen Farbfl ächen trocken sein, bevor man an sie heranmalt oder sie gar übermalt Flüssige Farbe lässt sich mit dem Pinsel (oder anderen Werkzeugen) auf trockenen Untergründen konturengenau auftragen. Auf nassen Untergründen dagegen verläuft die Farbe sofort. Flüssige Farben eignen sich hervorragend zum Sprenkeln, indem man sie auf das Bild tropfen lässt oder mit dem Pinsel auf den Malgrund spritzt oder schlägt. Solche Spritzer können als dekoratives, auflockerndes Element dienen oder sie können auch zu abstrakten Formen oder Baumkronen verwaschen werden. 8

6 Nr. 11/2012, Seite 4 9 Auf Papier: Farbverlauf mit Aquarellstiften Um ein Gefühl für den Farbauftrag mit Stiften zu bekommen, sind einfache Formen am besten geeignet. Zeichnen Sie mit farblich zueinanderpassenden Aquarellstiften ein Herz auf ein Stück Papier, indem Sie es in einem Farbverlauf schraffi eren. Die Farben dann mit dem Pinsel vermalen. Ob Sie dabei viel oder wenig Wasser verwenden, entscheiden Sie selbst. Mein Tipp: Probieren Sie einfach beides aus und vergleichen Sie die Ergebnisse. Nach dem Trocknen kann man das Motiv grob ausreißen und auf eine weiße Postkarte kleben oder einen Geschenkanhänger anfertigen. Auf Keilrahmen: Tuscheherz vor wässrigem Hintergrund Als erstes tragen Sie wasserverdünnte Acrylfarbe in Zinnoberrot mit dem Pinsel auf einen Minikeilrahmen auf. Nach dem Trocknen zeichnen Sie dann mit einem Zahnstocher und schwarzer Tusche ein Herz darüber. Zuletzt können sie mit einem Folienschreiber (Gr. S) einen beliebigen Text dazu schreiben. Auf einer passenden Ministaffelei präsentiert, lässt diese liebevolle Botschaft sicher jedes Herz höher schlagen. Auf Holz: Stempelmotiv vor wässrigem Hintergrund Ein beliebiges Holzbrett zunächst mit schwarzer Acrylfarbe deckend bemalen und trocknen lassen. Als nächstes mit ebenfalls deckender Acrylfarbe in Titanweiß mit trockenem Pinsel darüber malen. Dabei ohne Druck arbeiten und die Farbe eher aufbürsten, so dass das Weiß nur Schritt für Schritt deckender wird. Nach dem Trocknen sehr wässriges Magenta schwungvoll mit dem Pinsel auftragen und stellenweise etwas Gelb hinzufügen, sowie etwas Farbe auf den Malgrund tropfen lassen oder schwungvoll sprenkeln. Nach dem Trocknen mit schwarzer Acrylfarbe ein Motiv aufstempeln und an der Rückseite eine Bildaufhängung montieren. 9