Professionalisierung der Ausbildung in den Gesundheitsfachberufen (Ergotherapie, Hebammenkunde, Logopädie, Physiotherapie)
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- Dominic Claus Dittmar
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1 Professionalisierung der Ausbildung in den Gesundheitsfachberufen (Ergotherapie, Hebammenkunde, Logopädie, Physiotherapie) Präambel Der Bayerische Landesfrauenrat beschäftigt sich mit der Ausbildung der Gesundheitsfachberufe, die der Bundesgesetzgebung unterliegen. Bis heute gelten sie als typische Frauenberufe, genießen wenig Anerkennung und sind schlecht bezahlt. Die Chancen in europäischen Ländern arbeiten zu können sind erheblich gemindert, die Aufstiegsmöglichkeiten gering, und eine Höherqualifizierung wird nicht entsprechend vergütet. Für diese Gesundheitsfachberufe hat der Deutsche Bundestag 2009 eine Modellklausel in die jeweiligen Berufsgesetze eingebracht, die den Ländern eine grundständige Hochschulausbildung parallel zur Fachschulausbildung ermöglichen soll. Die Modellausbildungen sind auf acht Jahre bis begrenzt und betreffen den theoretischen und praktischen Unterricht (2900 Std.), nicht jedoch die praktische Ausbildung (1600 Std.). Das Ausbildungsziel muss erreicht werden, das zur Genehmigung der jeweiligen Berufsbezeichnung führt. Die bisherigen Ausbildungs- und Prüfungsordnungen gelten weiterhin. Die Neuordnung der Ausbildung ermöglicht eine horizontale und vertikale Durchlässigkeit. Die Modellstudiengänge werden evaluiert, die Ergebnisse sollen bis 2015 dem Bundestag vorgelegt werden. 1 Aktuelle Struktur der Ausbildung in den Gesundheitsfachberufen Wie bei den Pflegeberufen findet die Ausbildung dieser Berufe an Berufsfachschulen in Weiterbildungsinstitutionen und an Hochschulen, z.b. für die Lehrtätigkeit an Berufsfachschulen, statt. Die Studiengänge bauen auf der jeweiligen ersten berufsqualifizierenden, schulischen Ausbildung auf und können berufsbegleitend als Teilzeitstudium oder Fernstudium absolviert werden. Die Berufsfachschulen stehen in staatlicher, kommunaler oder privater Trägerschaft und haben sehr unterschiedliche Strukturen. Gründe für die Akademisierung der Ausbildung in staatlich geregelten Gesundheitsfachberufen 1. Das sich dynamisch entwickelnde Gesundheitswesen bedingt neue Anforderungen an die Qualifikation dieser Berufe. Die Aufgaben haben sich erweitert und spezialisiert zu eigenverantwortlichen Ausführungen heilkundlicher Tätigkeiten. Neue Aufgabenfelder entstanden, andere nehmen an Häufigkeit zu: z.b. psychiatrische Erkrankungen, chronische Erkrankungen, Multimorbidität und Palliativmedizin. 1 Beschluss des Bundestages mit Zustimmung des Bundesrates, Drucksache 690/09 vom
2 2. Zusätzliche Herausforderungen entstehen in der freiberuflichen Tätigkeit, in der Präventiv-, Intensivmedizin und Gesundheitsvorsorge, sowie durch die demografische, geriatrische und soziale Entwicklung und die Behandlung von Menschen mit Migrationshintergrund. Hinzu kommt seit einigen Jahren ein Trend zu kürzerer Krankenhausverweildauer von Patienten und frühen Überweisung in ambulante Behandlungen. 3. Die Leitlinie der Gesundheitspolitik Prävention vor Kuration und die notwendigen Sparmaßnahmen wirken sich auf die Aufgabenbereiche und finanziellen Ressourcen der Gesundheitsfachberufe aus. Gefordert sind Sachverstand in Assessment-Verfahren, Effektivität der Therapieformen und Leistungsnachweise. 4. Auf dem Prüfstand stehen neue Aufgabenverteilungen und Kooperationsformen zwischen den Gesundheitsfachberufen und Ärzten. Neue Zuständigkeiten und Kompetenzen sollen durch eine akademische Ausbildung zu entsprechender Qualifikation führen. Die ärztliche An- und Verordnungspraxis kann sich dadurch kostengünstiger und einfacher gestalten. 5. Empirisch erworbene Behandlungsformen der Gesundheitsfachberufe müssen wissenschaftlich auf ihre Effektivität und Effizienz überprüft werden, um eine Qualitätssicherung und eine auf Evidenz basierende Therapie zu garantieren, die unserem Gesundheitswesen Kosten erspart. Ebenso ist eine ständige Weiterbildung im nicht-akademischen und akademischen Bildungssektor erforderlich. 6. Dringend erforderlich ist eine Qualifizierung der Lehrkräfte für die Ausbildung dieser Berufe. Neben der klinischen Forschung müssen auch moderne Managementaufgaben übernommen werden, die eine spezielle Qualifikation erfordern. 7. In Europa werden Gesundheitsfachberufe seit langem in Studiengängen ausgebildet, die zu einem Bachelor-, Master- oder Promotionsabschluss führen. Auch in Angleichung an die europäischen Länder und den Austausch von Fachkräften in Europa müssen in Deutschland akademische Ausbildungen angeboten werden. Ausgehend von der Bologna-Charta 1999 ermöglichen die international anerkannten Hochschulabschlüsse Bachelor und Master mit ihren gestuften Studienstrukturen ein differenziertes Ausbildungsangebot, das für die Berufe im Gesundheitswesen genutzt werden kann. 8. Für alle Gesundheitsfachberufe fehlt eine Berufskammer, die Qualifikationsanforderungen festlegt und überwacht sowie die Interessen ihrer Mitglieder vertritt 9. Der steigende Bedarf an spezialisierten Gesundheitsfachkräften muss auch Menschen mit Migrationshintergrund in eine qualifizierte Ausbildung einbinden. Die unterschiedlichen Sprachen und interkulturellen Kompetenzen von Fachkräften sind bei der Gesundheitsberatung, Prävention und Therapie in unserer Gesellschaft von großer Bedeutung. Das Potential der Menschen mit Migrationshintergrund wird derzeit nicht ausgeschöpft. Eine Hochschulausbildung für die Gesundheitsfachberufe gibt gerade Frauen, die überwiegend diese Berufe ausüben, eine Chance der Höherqualifikation und damit Anerkennung.
3 Modelle der akademischen Ausbildung in den Gesundheitsfachberufen Seit 2001 gibt es in Deutschland 17 Bachelor Studiengänge in der Physiotherapie und seit 2005 auch Masterstudiengänge. In Bayern wird ab Herbst 2010 der erste ausbildungsbegleitende und berufsbegleitende Studiengang Gesundheitswissenschaft an der Privatschule Medau in Coburg für Physiotherapeuten und Physiotherapeutinnen, Logopäden und Logopädinnen und Ergotherapeuten und Ergotherapeutinnen eingerichtet. Der erfolgreiche Abschluss ist der Bachelor of Science. Unter den Bachelor Studiengängen in Deutschland finden sich berufsbegleitende, ausbildungsintegrierte, sowie Studiengänge, die beides ermöglichen. Zwölf von 17 Studiengängen sind derzeit akkreditiert durch Agenturen, die vom Akkreditierungsrat auf Beschluss der Kultusministerkonferenz eingesetzt wurden. Die Modelle der akademischen Ausbildung für die Berufe der Physiotherapie und Ergotherapie werden derzeit als duale Studiengänge durchgeführt in Kooperation mit einer Hochschule/Fernhochschule mit ausgewählten Berufsfachschulen und in Verbindung mit Kliniken. Für Logopäden ist diese Kooperation noch in Planung. Die Hebammenausbildung wird derzeit als ausbildungsergänzender Studiengang durchgeführt. Das Abschlussexamen beinhaltet die Führung der Berufsbezeichnung und den Bachelor of Science. Ein Masterstudiengang wird berufsbegleitend und flexibel für die Berufsfelder Leitungsfunktionen, Forschung und Lehrtätigkeit angeboten. Es besteht auch die Möglichkeit eines Fernstudiums. Grundständiger Studiengang für die Gesundheitsfachberufe Der Weg zur Erprobung einer primär qualifizierenden Hochschulausbildung der Gesundheitsfachberufe ist seit der Verabschiedung der Modellklausel 2009 in den jeweiligen Berufsgesetzen möglich. Das Hochschulstudium soll modular strukturiert und in Credit Points (European Credit Transfer System, ECTS) berechnet werden. Als mögliche Struktur ist vorgesehen, das Studium prozentual in Kontaktstudium, geleitetes Studium und Selbststudium aufzuteilen. Unabdingbar ist die geforderte Zahl der 1600 Stunden der praktischen Ausbildung sowie die staatliche Abschlussprüfung am Ende des sechsten Semesters. Damit soll festgelegt werden, dass reflektierende Praktiker und keine reinen Theoretiker ausgebildet werden. Ziel der Vollzeitstudiengänge ist es, die Studierenden theoretisch und fachpraktisch auf die zukünftigen Tätigkeitsfelder und Anforderungen der Berufe vorzubereiten. Fachkenntnisse, Fertigkeiten, Fähigkeiten und Methoden sollen die Studierenden zu eigenverantwortlichem, evidenzbasiertem therapeutischem Handeln befähigen. Die Studiengänge bauen auf einem interdisziplinären Kerncurriculum auf. Durch die staatlichen Prüfungen am Ende des sechsten Semesters erlangen die Studierenden die Erlaubnis zur Führung der jeweiligen Berufsbezeichnung (s. Berufsgesetze und Erfüllung der Ausbildungs- und Prüfungsordnungen). Die Studiengänge stehen in enger Verzahnung mit einer klinisch-praktischen Ausbildung vor Ort und den so genannten Skill Labs. Im Rahmen der Praktika und durch Praktikumsbegleitung durch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Hochschule wird die Aneignung von Kompetenzen und Fertigkeiten erreicht.
4 Der Modellversuch primär qualifizierender Studiengänge wird von den jeweiligen Berufsverbänden unterstützt. Ob in Zukunft die primäre Hochschulausbildung der richtige Ausbildungsweg ist, wird die Evaluation 2015 ergeben. Eine Entscheidung wird erst 2017 fallen. Masterstudiengänge Aufbauend auf einen erfolgreich abgeschlossenen Bachelorstudiengang können Masterstudiengänge, z. B. in den Feldern Pädagogik, Management, Wissenschaft, in den einzelnen Fachbereichen absolviert werden. Eine Promotionserlaubnis schließt sich an. Masterstudiengänge können auch ohne Berufsqualifikation durchgeführt werden. Nach deren Abschluss muss dann ein einjähriges Praktikum absolviert werden. Position des Bayerischen Landesfrauenrates Der BayLFR befürwortet die Einrichtung eines grundständigen Studienganges für die Gesundheitsfachberufe in Bayern zur Höherqualifizierung typischer Frauenberufe, sowie die Modelle der dualen Ausbildung an Berufsfachschulen und Hochschulen vor Ort mit Durchlässigkeit für einen Bachelor-, Master- oder Promotionsabschluss. Sinnvoll wäre eine Öffnung der Hochschulen in Universitätsstädten, an denen vor Ort eine Berufsfachschule für die entsprechenden Gesundheitsfachberufe bereits existiert. Der BayLFR unterstützt Bestrebungen, die eine angemessene Bezahlung dieser hochqualifizierten aber oft unterbezahlten Berufe erreichen wollen. Der Bayerische Landesfrauenrates fordert: 1. Einrichtung von Modellstudiengängen in Bayern für primär qualifizierende Hochschulstudiengänge 2. Einrichtung von dualen akademischen Ausbildungen der Gesundheitsfachberufe in Bayern 3. Akkreditierung von dualen Studiengängen und weitere Qualitätssicherung 4. Einrichtung einer Berufskammer für Gesundheitsfachberufe 5. Umstellung von derzeit vorhandenen Berufsfachschulausbildungen mit Lernfeldorientierung auf eine modulare Struktur, um eine Durchlässigkeit zu Studiengängen zu ermöglichen 6. Klare und einheitliche gesetzliche Regelungen zur Zulassung von privaten Berufsfachschulen für die Gesundheitsfachberufe 7. Erweiterung der nicht-akademischen Modulangebote zur fachlichen Weiterqualifikation 8. Verpflichtende Weiterbildung für alle Gesundheitsfachberufe 9. Informationsoffensive über diese Berufe hinsichtlich Attraktivität, Aufstiegsmöglichkeiten und Höherqualifikationen
5 10. Unterstützung von Menschen mit Migrationshintergrund, diese Berufe zu wählen München, den 19. November 2010 Hildegund Rüger Präsidentin Bayerischer Landesfrauenrat Hausanschrift: Briefanschrift: Internet: Winzererstraße 9 Postfach München München Telefon (089) , Telefax (089) BayLFR@stmas.bayern.de
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