Eröffnungsrede. von Regierungschef-Stellvertreter Dr. Thomas Zwiefelhofer, Minister für Inneres, Justiz und Wirtschaft
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- Kristina Holst
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1 R EG IER U N G D ES FÜ R STEN TU M S LIEC H TEN STEIN M IN IS TER IU M FÜ R IN N ER ES,JU S TIZ U N D W IR TS C H A FT Eröffnungsrede von Regierungschef-Stellvertreter Dr. Thomas Zwiefelhofer, Minister für Inneres, Justiz und Wirtschaft am MUT (Mittelständischer Unternehmertag Deutschland 2013) Donnerstag, 10. Oktober 2013 Leipzig Sperrfrist: Donnerstag, 10.Oktober 2013, Uhr Es gilt das gesprochene Wort!
2 2/5 Geschätzte Damen und Herren Es freut mich sehr, dass ich heute die Gelegenheit habe, Ihnen die Wirtschaft des Fürstentums Liechtenstein etwas näherzubringen, und ich bedanke mich herzlich, dass ich als Gastredner heute zu Ihnen sprechen darf. Die Beziehungen zwischen Sachsen und Liechtenstein haben Tradition und verdichten sich gerade: Vor nur drei Monaten nahm eine liechtensteinische Delegation am World- Skills-Wettbewerb teil und schnitt auch gar nicht schlecht ab. In sechs Monaten wird Liechtenstein an der Leipziger Buchmesse vertreten sein. Und auch in sportlicher Hinsicht haben wir mit Leipzig gute Erfahrungen gemacht: Beim Fussball-Länderspiel Liechtenstein-Deutschland im Leipziger Stadion im März 2009 kassierten wir eine 0:4 Niederlage, die sich moralisch gesehen wie Einstand anfühlte. Sie müssen sich vorstellen, dass unsere Mannschaft vor Publikum spielte, das zahlenmässig grösser war als die Einwohnerzahl unseres Landes! Wenn wir Liechtensteiner in ein anderes Land reisen, dann geschieht das immer im Bewusstsein, dass Liechtenstein ein Ministaat ist, der es wagt, sich mit grösseren und schwergewichtigeren Ländern zu messen. Liechtenstein ist etwa 2'000 Mal kleiner als Deutschland - wenn sich Ihnen jetzt der Vergleich von Maus und Elefant aufdrängt, liegen Sie nicht ganz richtig. Bezogen auf das Körpergewicht bedeutet 1 zu 2'000 ein junger Adler zu einem Elefanten. Ein junger Adler - das kann sich doch sehen lassen! Ich möchte Ihnen den Wirtschaftsstandort Liechtenstein vorstellen, indem ich folgenden Fragen nachgehe: Was ist Liechtenstein? Welche Daten und Fakten kennzeichnen den Wirtschaftsstandort Liechtenstein? Welche Vor- und Nachteile weist der Standort Liechtenstein auf? Welche wirtschaftspolitischen Ziele hat sich die Regierung gesetzt? Was ist Liechtenstein? Wahrscheinlich denken Sie bei dieser Frage sofort an den Finanzdienstleistungsplatz. Liechtenstein ist jedoch in erster Linie ein hoch industrialisiertes Land. Das belegen folgende Zahlen: 37 Prozent der Brutto-Wertschöpfung entfallen auf die Industrie und das Waren produzierende Gewerbe, die Finanzdienstleistungen tragen "nur" 27 Prozent dazu bei. Die Industrie und das Waren produzierende Gewerbe beschäftigen zudem rund 38 Prozent aller Arbeitskräfte, was im europäischen Vergleich ausserordentlich hoch ist. Ein Wort noch zum liechtensteinischen Finanzdienstleistungsplatz: Im Jahr 2009 wurde ein umfassender Reformprozess eingeleitet. Liechtenstein hat sich zum OECD-Standard für Transparenz und Informationsaustausch in Steuerfragen bekannt und bisher mit 30 Ländern Steuerinformationsaustauschabkommen (TIEA) und Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) abgeschlossen. Das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Liechtenstein und Deutschland ist seit Dezember 2012 in Kraft. Anfang 2013 wurde die integrierte Finanzplatzstrategie verabschiedet. Sie stellt eine wichtige Voraussetzung dar, um den Finanzplatz aktiv weiterzuentwickeln, wobei der Schwerpunkt auf der Positionierung als Spezialist in der Vermögensstrukturierung und der Vermögensverwaltung liegt.
3 3/5 Welche Daten und Fakten kennzeichnen den Wirtschaftsstandort Liechtenstein? Liechtensteins Wirtschaft ist breit diversifiziert und ein wichtiger Arbeitgeber in der Bodensee-Region. Diversifikation, Qualität und Innovationskraft sind die Garantien für Erhalt und Ausbau von Arbeitsplätzen sowie eines funktionierenden sozialen Netzes. Auf unserer kleinen Landesfläche von 160 Quadratkilometer sind insgesamt rund 4'000 Betriebe in Industrie, Dienstleistung, Handel und Handwerk tätig. Die meisten von ihnen sind kleine und mittlere Unternehmen, die bis zu 50 Mitarbeiter beschäftigen. Rund 80 Betriebe beschäftigen zwischen 50 und 250 Mitarbeitende. Grosse Betriebe mit 250 und mehr Mitarbeitenden haben wir gerade mal 17. Der grösste Arbeitgeber mit 1'750 Mitarbeitenden am Hauptsitz in Liechtenstein ist die ThyssenKrupp Presta, ein Tochterunternehmen des deutschen Industriekonzerns mit starken liechtensteinischen Wurzeln. Der Name ThyssenKrupp Presta dürfte auch hier in Sachsen nicht ganz unbekannt sein. Rund 4'000 Unternehmen bei einer Einwohnerzahl von 36'500 Einwohnern - das heisst: In Liechtenstein kommt 1 Unternehmen auf 9 Einwohner. Zum Vergleich: In Deutschland beträgt diese Quote 1 zu 27. In Liechtenstein arbeiten rund 36'000 Menschen, also etwa so viele, wie das Land Einwohner hat. Dieses Verhältnis von Arbeitsplätzen zu Einwohnerzahl ist wohl ein internationaler Spitzenwert. Etwa zwei Drittel aller Arbeitsplätze werden von ausländischen Arbeitnehmern eingenommen, gut die Hälfte aller Arbeitnehmer, also rund 18'000 Menschen, pendeln täglich aus der Schweiz, Österreich und Deutschland nach Liechtenstein und wieder zurück. Der Anteil der ausländischen Wohnbevölkerung beläuft sich denn auch auf 33 Prozent. Unser Ausländeranteil ist also rund 10 Mal so hoch wie der Ausländeranteil von Sachsen. Liechtenstein ist nicht nur regional ein wichtiger Werkplatz, sondern sorgt auch international für viele Arbeitsplätze. Die in der Liechtensteinischen Industrie- und Handelskammer zusammengeschlossen rund 30 Industriebetriebe beschäftigen im Inland rund 9'200 Mitarbeitende und weitere ca. 41'000 Mitarbeitende in ihren Auslandsniederlassungen in rund 65 Ländern der Welt. Liechtensteins Industriebetriebe spielen in der Champions-League mit: Viele von ihnen sind in ihren Bereichen und in bestimmten Nischen Technologie- und Weltmarktführer. Die grossen Betriebe sind zu 100 Prozent exportorientiert, denn der liechtensteinische Binnenmarkt ist schlicht zu klein. Rund 22 Prozent der Exporte gehen nach Deutschland. Deutschland ist in Europa der wichtigste Handelspartner für die liechtensteinische Industrie. Die Handelsbeziehungen zwischen Liechtenstein und Deutschland betragen knapp 2 Milliarden Franken, das ist ein Fünfzigstel der Handelsbeziehungen zwischen Deutschland und der Schweiz. Dabei gilt es jedoch zu bedenken, dass Liechtenstein 200 Mal kleiner ist als die Schweiz. Die Exportlastigkeit bringt es mit sich, dass die liechtensteinischen Industriebetriebe weitsichtig und global denken und handeln und die Märkte und Kundenbedürfnisse aufmerk-
4 4/5 sam beobachten müssen. Die Forschung und Entwicklung stellt dabei einen wichtigen Faktor dar, um den Werkplatz Liechtenstein florieren und gedeihen zu lassen. Welche Vor- und Nachteile weist der Standort Liechtenstein auf? Ein Ministaat wie Liechtenstein ist darauf angewiesen, dass die umliegenden Nachbarländer seine Souveränität respektieren und ihn als Partner akzeptieren. Liechtenstein kann sich glücklich schätzen, von Nachbarländern umgeben zu sein, die genau das tun. Mehr noch, sie unterstützen und helfen dem kleinen Nachbarn. Liechtenstein hat mit vertraglichen Beziehungen oder mit Mitgliedschaften seine Souveränität gesichert. Dazu zählen der Zollvertrag mit der Schweiz ebenso wie das Abkommen mit dem Europäischen Wirtschaftsraum oder die Mitgliedschaften bei WTO und UNO und weiteren internationalen Organisationen. Einer der wichtigsten Standortvorteile Liechtensteins ergibt sich aus diesen vertraglichen Beziehungen: der offene Zugang zu zwei Märkten, einerseits zum Schweizer Markt über den Zollvertrag mit der Schweiz, andererseits zum EU-Binnenmarkt aufgrund des EWR- Abkommens. Weitere positive Standortfaktoren sind die politische Stabilität, der hohe Standard an Sozialleistungen mit vergleichsweise tiefen Sozialabgaben, die grosse Anzahl an Arbeitsplätzen mit einem für Fachkräfte interessanten Arbeitsmarkt, die tiefe Arbeitslosenquote von aktuell 2,6 Prozent, das gute Bildungsangebot, der schnelle Zugang zu Forschung und Entwicklung, sowie schliesslich eine attraktive Besteuerung von Unternehmen, Patentrechten und Lizenzen. In all diesen Vorteilen verbergen sich auch Nachteile, die sich mit dem Begriff "Abhängigkeit" zusammenfassen lassen. Bei beinah so vielen Arbeitsplätzen wie Einwohnern liegt es auf der Hand, dass wir diese Arbeitsplätze nicht mit eigenen Fachkräften besetzen können. Wir sind deshalb mehr als andere europäische Länder auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen. Weiters ist Liechtenstein aufgrund der zu fast 100 Prozent exportierenden Industrie vom Ausland abhängig. Weltwirtschaftskrisen können deshalb auch in Liechtenstein nicht einfach ausgeblendet werden. Welche wirtschaftspolitischen Ziele hat sich die Regierung gesetzt? Zu den wichtigsten und zentralen Massnahmen zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts zählen unter anderem die Optimierung der Rahmenbedingungen, der diskriminierungsfreie Zugang zu ausländischen Märkten, eine adäquate Migrationspolitik, Massnahmen gegen Arbeitslosigkeit, das Heranbilden eigener Fachkräfte, die Förderung der Innovation sowie die Standortförderung. Bei den Massnahmen zur Reduktion der Arbeitslosigkeit liegt mein Augenmerk insbesondere auf der Vermeidung der Jugendarbeitslosigkeit und dem Verbleib der älteren Berufstätigen im Arbeitsprozess. Der Werkplatz Liechtenstein ist auf Fachkräfte angewiesen. Dieser Bedarf soll einerseits durch die Heranbildung von eigenen Fachkräften und anderseits durch den Zuzug von ausländischen Fachkräften gedeckt werden. Die duale Berufsbildung wurde schon in den letzten Jahren massgeblich verbessert und ausgebaut. Liechtenstein hat eine eigene Voll-
5 5/5 zeit-berufsmatura eingeführt, die speziell technisch ausgebildeten jungen Leuten den Weg an Fachhochschulen und Universitäten eröffnet. Die Integration der Zuwandernden hat oberste Priorität in der liechtensteinischen Migrationspolitik. Integration ist eine komplexe Querschnittsaufgabe und eine ständige Herausforderung, zumal Liechtenstein zur Förderung des Wirtschaftswachstums auch in Zukunft auf den Zuzug ausländischer Arbeitskräfte angewiesen sein wird. Ein wichtiger Faktor für eine Volkswirtschaft, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, ist die Innovationskraft. Liechtenstein hat deshalb mit dem Kanton St. Gallen eine Vereinbarung über den gemeinsamen Aufbau und Betrieb eines Innovationszentrums abgeschlossen. Das Innovationszentrum Rheintal "RhySearch" konnte anfangs April dieses Jahres die operative Tätigkeit aufnehmen. Der Aufbau dieses Innovationszentrums wurde von den grossen liechtensteinischen Industriebetrieben tatkräftig unterstützt. Zusammen mit namhaften Kooperationspartnern wie beispielsweise der Eidgenössisch Technischen Hochschule ETH Zürich kann die Innovationsleistung des Werkplatzes Liechtenstein zielstrebig vorangetrieben werden. Eine weitere prioritäre Massnahme für die Stärkung des Wirtschaftsstandorts ist die Standortförderung. Das Eröffnen von neuen Geschäftsfeldern und das Gründen und Ansiedeln von neuen Unternehmen soll nachhaltig unterstützt werden. Seit im Jahr 2004 der Business-Plan-Wettbewerb an der Universität Liechtenstein ins Leben gerufen wurde, wurden hunderte von Businesspläne eingereicht und Dutzende von Firmen gegründet, die in der Zwischenzeit zwischen 2 und 20 Mitarbeiter pro Firma beschäftigen. Diese jungen Firmen erhalten durch das Amt für Volkswirtschaft und das KMU-Zentrum an der Universität massgeschneiderte Unterstützung und Hilfe bei praktischen Fragen. Am 1. Januar 2012 ist das neue Standortförderungsgesetz in Kraft getreten. Dieses Gesetz bezweckt die Förderung des Standortes Liechtenstein und regelt deren Finanzierung und Organisation. Zudem bildet dieses Gesetz die rechtliche Grundlage für Liechtenstein Marketing, eine öffentlich-rechtliche Anstalt, die den Auftrag hat, die Vermarktung Liechtensteins als Wirtschaftsstandort und als Tourismusdestination sicherzustellen. In meinem Ministerium werden derzeit die Grundlagen für eine Standortförderungsstrategie erarbeitet, der nachfolgende Standortförderungsprozess wird darauf aufbauen. Bei der Standortförderung möchte Liechtenstein mit seinen Rahmenbedingungen überzeugen. Eine aggressive Ansiedelungspolitik im Sinne von Firmensitzabwerbung im benachbarten Ausland kommt nicht in Frage. Liechtenstein setzt auf ein möglichst organisches wirtschaftliches Wachsen, so dass sich mittelfristig starke Unternehmen mit starken einheimischen Wurzeln entwickeln. Damit bin ich am Ende meiner Ausführungen angelangt. Ich hoffe, ich konnte Sie ein bisschen neugierig machen auf das Fürstentum Liechtenstein und weise Sie gerne noch auf die zwei Workshops zum Industriestandort Liechtenstein hin, die um Uhr und um Uhr beginnen. Herzlichen Dank für Ihre geschätzte Aufmerksamkeit.
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