Deutschland ist Trüffelland

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Waldemar Eberhardt
vor 7 Jahren
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1 so. VORREITER Trüffeln sammeln ist in Deutschland verboten, sie anzubauen aber nicht. Der Unternehmer Fabian Sievers verkauft Trüffelbäume und legt die ersten norddeutschen Trüffelplantagen an ganz legal. Mit etwas Glück macht er in einigen Jahren reiche Beute. VON SOPHIE HILGENSTOCK (TEXT) UND AGNIESZKA KRUS (FOTOS UND VIDEO) INKLUSIVE Video Auf der Jagd nach dem schwarzen Gold

v V v v v v Vor etwa zwei Jahren hat es Klick gemacht. Als ich davon hörte, dass man Trüffel anbauen kann, war ich sofort angefixt, erzählt Fabian Sievers.

2 v V v v v v Vor etwa zwei Jahren hat es Klick gemacht. Als ich davon hörte, dass man Trüffel anbauen kann, war ich sofort angefixt, erzählt Fabian Sievers. Für den Hannoveraner änderte sich daraufhin alles. Er kündigte seinen Job in einem Musikgeschäft, absolvierte eine Handvoll Trüffelseminare und machte sich schließlich mit dem Unternehmen Leinebergland-Trüffel, das auf Zucht und Anbau der schwarzen Knollen spezialisiert ist, selbstständig. Sievers ist damit der erste, der in Norddeutschland Trüffelplantagen anlegt. In einer Region, in der die meisten den Edelpilz alles andere als vermuten würden. 99 Prozent der Bevölkerung glauben, dass es in Deutschland keine Trüffel gibt, erklärt Sievers. Dabei sei die begehrte Knolle inzwischen in allen Bundesländern bis auf Bremen nachgewiesen.!, weiß der 40-Jährige. Eine Aussage, die zunächst stutzig macht. Als Trüffelländer gelten Frankreich, Italien und Spanien, allenfalls noch Kroatien oder Slowenien, aber Deutschland? Sievers besteht darauf: Trüffeln sind auch bei uns überhaupt nicht selten. Die unterirdisch wachsenden Pilze haben hierzulande sogar eine einigermaßen lange Tradition. DER VISIONÄR Fabian Sievers will mit seinem Unternehmen den Trüffelanbau in Deutschland bekannt machen. Schon in früheren Jahrhunderten sorgte die Existenz von Trüffeln für Aufsehen. Kurfürst Max Emanuel von Bayern gilt als einer der ersten, der auf den Geschmack der edlen Knolle gekommen ist. Schon Anfang des 18. Jahrhunderts beschäftigte er an seinem Hof einen offiziellen Tartüfl- Jäger, bald darauf gab es Trüffelhunde und -sucher auch in anderen Fürstentümern. Im 19. Jahrhundert wurde die Trüffel, der man seit dem Mittelalter nachgesagt hatte, für Missgeburten und anderes Unheil verantwortlich zu sein,

v v V v v v ständig bekannter und beliebter. Bald gehörte sie wie selbstverständlich zu den Zutaten der deutschen Küche, wie das Praktische Kochbuch aus dem Jahre 1835 beweist. Doch im 20.

3 v v V v v v ständig bekannter und beliebter. Bald gehörte sie wie selbstverständlich zu den Zutaten der deutschen Küche, wie das Praktische Kochbuch aus dem Jahre 1835 beweist. Doch im 20. Jahrhundert war mit dem deutschen Trüffelfieber schlagartig Schluss. Die Nazis hielten die Suche und den Handel von Trüffeln für welsch (fremdländisch) und ließen sie verbieten ein Akt, der bis heute wirkt. Deutschland ist das einzige Land Europas, in dem das Trüffelsammeln verboten ist, sagt Fabian Sievers. Genauer gesagt, man darf den Speisepilz suchen und finden, aber nicht dem Erdreich entnehmen. Anders als bei unseren südeuropäischen Nachbarn, wo einige offiziell Berechtigte die teuren Speisepilze sammeln dürfen, steht die Trüffel in Deutschland unter Naturschutz, manche Arten werden gar auf der Roten Liste als vom Aussterben bedroht geführt. Illegal gesucht und gesammelt wird natürlich trotzdem, nicht zuletzt weil so ein Trüffelfund eine echte Goldgrube ist. Bis zu 9000 Euro zahlen Gourmets für ein Kilo der weißen Albatrüffel, die man in Deutschland allerdings vergeblich sucht. In Deutschland wären sechs bis sieben Trüffelsorten bekannt, aber nicht alle seien essbar, sagt Sievers. Neben der Frühjahrs- und Wintertrüffel macht man hierzulande vor allem auf die Burgundertrüffel (Tuber uncinatum, auch Sommertrüffel genannt) Jagd. Sie rangiert nach der italienischen Alba- und der schwarzen Perigord-Trüffel an dritter Stelle der Trüffelskala und kostet je nach Saison 350 bis 800 Euro. Auch Sievers hat es auf die Burgundertrüffel abgesehen. Um sich nicht strafbar zu machen, baut er die knollige Delikatesse ganz legal an. Das Ziel ist, die heimische Population von Trüffeln fachmännisch anzusiedeln und zu verbreiten, sagt der 40-Jährige. Anderthalb Jahre lang hat er zunächst in Sachen Trüffeln geforscht. Als passionierter Pilzsammler kannte sich Sievers zwar mit Steinpilzen, Maro-

v v v V v v Bekannte Trüffelsorten BITTE SCROLLEN WEISSE ALBATRÜFFEL Die weiße Albatrüffel wächst vor allem in Norditalien, hier vor allem im Piemont.

4 v v v V v v Bekannte Trüffelsorten BITTE SCROLLEN WEISSE ALBATRÜFFEL Die weiße Albatrüffel wächst vor allem in Norditalien, hier vor allem im Piemont. Sie lässt sich nicht züchten und ist nur von Oktober bis Dezember erhältlich. Die Knolle wird roh über die Gerichte gehobelt. Ihr Preis liegt bei 9000 Euro pro Kilo. PERIGORDTRÜFFEL Der schwarze Perigordtrüffel wird in vielen Ländern erfolgreich gezüchtet. Da sie nach de weißen Albatrüffel die höchste Preise erzielt, haben französische Forscher in einer Studie ih Genom entschlüsselt. nen und Champignons aus, Trüffeln waren für ihn aber ein unbeschriebenes Blatt. In den Seminaren des niedersächsischen Pilzexperten Dieter Honstraß lernte er, dass die sogenannten Mykorrhizapilze, zu denen Trüffeln gehören, keinesfalls Schmarotzer sind, sondern in Symbiose mit der Pflanze leben. Sie flechten sich um die Wurzeln des Baumes oder Strauches und liefern ihm aus dem Boden Wasser und Mineralien. Im Gegenzug versorgt der Wirt die Trüffeln mit Kohlenhydraten, an die sie von allein nicht kämen. Von Honstraß erfuhr Sievers auch, wie der Trüffelanbau funktioniert. Gepflanzt wird nicht etwa der Pilz, sondern der Baum, unter dem die edle Knolle wachsen soll. Dazu lässt Sievers die Wurzeln kleiner Setzlinge mit der Burgundertrüffel impfen. Die präparierten Bäumchen verkauft er anschließend über seinen Online-Shop, sofern gewünscht legt er auch ganze Plantagen an. Hainbuchen, Rotbuchen, Linden, Stieleichen und Haselnusssträucher hat er im Angebot, pro Stück kosten sie maximal 39 Euro, für den Kauf von mehreren gibt es Rabatt. Seit April dieses Jahres ist Sievers im Geschäft, als zweiter Unternehmer, der in Deutschland Trüffelbäume herstellt. Der erste war Ulrich Stobbe, Diplomforstwirt aus Frei-

5 v v v v V v burg, der an der dortigen Uni über Trüffelzucht promovierte und daraus gleich eine Geschäftsidee entwickelte. Sievers ist allerdings der erste, der den Trüffelanbau rechtlich abgesichert hat. Mir ist es gelungen, dass Niedersachsen als erstes Bundesland das Anlegen von Trüffelplantagen erlaubt, sagt er stolz. Von der Landwirtschaftskammer habe er es sogar schriftlich, dass es sich beim Trüffelanbau um eine landwirtschaftliche Kultur und nicht um die, in vielen Regionen weniger gewünschte, Aufforstung handelt. Sowohl Privatleuten, die ihren Garten mit einer geimpften Hainbuchenhecke verschönern wollen, als auch Land- und Forstwirten, die größere Flächen bepflanzen wollen, stünde bei der Trüffelernte jetzt nichts mehr im Wege. Allein in Geduld müssen sich die Kunden von Sievers üben. 500 Bäume hat der Hannoveraner seit Gründung seines Shops im April dieses Jahres verkauft, nicht nur in Niedersachsen sondern deutschlandweit. Bis die Trüffelbauern die ersten edlen Knollen im Erdreich finden, können sechs bis acht Jahre vergehen. Im besten Fall bilden sich schon nach drei Jahren Fruchtkörper, erklärt Sievers. Sein Impfstoff sei aus lebenden Pilzbausteinen FEINE NASE, FEINER HUND! Sievers bringt seiner jungen Hündin die Trüffelsuche bei. gemacht und daher sehr potent, eine Erfolgsgarantie gäbe es aber nicht. Natürlich sei auch die Lage entscheidend: Ein kalkreicher, gut entwässerter Boden sowie geschützte Hanglagen sind Umgebungen, die Trüffeln bevorzugen. Das Leinebergland mit seinen malerischen Hügelkämmen eigne sich nach Meinung von Sievers ideal, hier hat er selbst eine Plantage mit rund 600 Bäumchen angelegt. Um den würzigen Wurzelpilz später zu ernten, braucht der

6 v v v v v V Hannoveraner allerdings seine Trüffelhündin Woopie. Als Lagotto Romagnolo ist sie für die Suche der Edelpilze prädestiniert. Woopie hat eine besonders feine Nase, wenig Jagdtrieb und ist sehr folgsam. Außerdem fressen Hunde wie Woopie, anders als jene Schweine, mit denen man früher auf Trüffelsuche ging, ihren Fund nicht gleich auf. Der herbe, nussige Geschmack der Knollen ist im übrigen auch Sievers Sache nicht. Wenn ich die Wahl habe, esse ich lieber eine schöne Waldpilzpfanne als ein Trüffelgericht, gibt der 40-Jährige zu. Den Feinschmecker-Hype um Trüffeln könne er nicht verstehen, ihm gehe es um das wirtschaftliche Potenzial. Deutschland importiert jedes Jahr etliche Tonnen des Edelpilzes und lässt gleichzeitig Millionenwerte in den eigenen Wäldern vergammeln, sagt er. Mit seinem Unternehmen will er der heimischen Trüffel zu einer Renaissance verhelfen. Ob es ihm gelingt, lässt sich in sechs bis acht Jahren sagen. N

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