Der Projektschwerpunkt liegt derzeit auf der sogenannten Josephinischen Bibliothek, einer Spezialsammlung der Universitätsbibliothek der Medizini-
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- Helmut Vogel
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1 DAS KULTURELLE ERBE DER MEDIZINISCHEN UNIVERSITÄT WIEN: ERHALTUNG UND ERSCHLIESSUNG DER JOSEPHINISCHEN BIBLIOTHEK von Bruno Bauer Die 2004 errichtete Medizinische Universität Wien 1 gehört durch ihre über 640 Jahre alte Geschichte zu den ältesten medizinischen Lehr- und Forschungsstädten in Europa. Sie besitzt eine der größten medizinhistorischen Sammlungen weltweit, die sich aus den Beständen des Bildarchivs und der Handschriftensammlung am Institut für Geschichte der Medizin sowie der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien zusammensetzt. Die Besonderheit des kulturellen Erbes der Medizinischen Universität Wien liegt neben der Vielfalt der Quellen (Architektur, Lehrmittel, Instrumente, Literatur, Archivalien, Bildmaterial) darin, dass es sich um einen gewachsenen Bestand handelt, der noch immer in seiner Gesamtheit besteht. Die Erhaltung, Erschließung und verbesserte Zugänglichkeit dieses kulturellen Erbes ist das Ziel von Memoria Medicinae 2, einem von der Medizinhistorikerin Univ.-Doz. Mag. DDr. Sonia Horn geleiteten Projekt an der Medizinischen Universität Wien, an dem auch die Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien beteiligt ist. Zur Unterstützung von Memoria Medicinae wurde ein Sponsoringkonto eingerichtet und die Möglichkeit zur Übernahme einer Buchpatenschaft geschaffen. Von Memoria Medicinae wird derzeit mit Unterstützung der italienischen Fondazione Rinascimento digitale 3 und der Firma Sun Microsystems 4 der Aufbau eines SUN-Center of Excellence 5 für die Digitalisierung des kulturellen Erbes vorbereitet. Für die Darstellung der Scans wurde von der Firma ASOG im Auftrag von Memoria Medicinae und der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien eine Software entwickelt. Parallel dazu werden in Zusammenarbeit mit PINAKES 6, einem Projekt des L Instituto e Museo di Storia della Scienza (IMSS) 7 in Florenz, ausgewählte Bestände wissenschaftlich erschlossen und die relevanten Informationen in eine medizinhistorische Datenbank eingebracht, die für die Öffentlichkeit wie für wissenschaftliche Arbeiten zugänglich sein wird. Der Projektschwerpunkt liegt derzeit auf der sogenannten Josephinischen Bibliothek, einer Spezialsammlung der Universitätsbibliothek der Medizini- Mitteilungen der VÖB 59 (2006) Nr. 2 35
2 schen Universität Wien, bestehend aus ca Büchern. Als Joseph II die Medizinisch-chirurgische Akademie zur Ausbildung von Feldärzten gründete, ließ er auch eine Lehrbibliothek einrichten, in der die Werke berühmter Ärzte gesammelt wurden. Die Lehrbibliothek, die neben einigen Werken der Inkunabelzeit vor allem Bücher des 18. und frühen 19. Jahrhunderts enthält, wurde in Erinnerung an ihren Gründer Josephinische Bibliothek bezeichnet, und stellt einen wesentlichen Teil des kulturellen Erbes an der Medizinischen Universität Wien dar. 8 Diese weltweit einzigartige Sammlung medizinhistorischer Literatur zu restaurieren, digitalisieren und deren wissenschaftliche Tiefenerschließung zu leisten ist das Ziel, das die Universitätsbibliothek und Memoria Medicinae verfolgen. Die wissenschaftlich in der PINAKES-Datenbank bereits erschlossenenen Bände werden auch im österreichischen Verbundkatalog erfasst. Für den Bereich der Restaurierung konnte das Österreichische Staatsarchiv 9 als kompetenter Partner gewonnen werden. Ein optimaler Beginn dieser Kooperation wurde mit der fachgerechten Restaurierung des aus dem Jahr 1555 stammenden Buches De humani corporis fabrica libri septem von Andreas Vesal 10 ( ) gesetzt. Dabei handelt es sich um die zweite, verbesserte Auflage dieses bedeutenden Werkes über die Anatomie des Menschen aus dem Jahr Dieser Titel galt als verbindliches Lehrbuch in der damals durchgeführten Studienreform der medizinischen Fakultät der Universität Wien. Darüber hinaus stellt das Buch von Andreas Vesal, dessen anatomische Illustrationen zum Teil von Tizian, zum Teil von seinem Schüler Stephan von Calcar stammen, einen Meilenstein in der Geschichte der Medizin dar: der Vesal steht für den Beginn der wissenschaftlichen Anatomie in der Neuzeit. Unter dem Motto Besuch beim kranken Vesal folgten am 12. Dezember 2005 zahlreiche Interessenten der Einladung von Memoria Medicinae, im Rahmen einer Sonderführung das Österreichische Staatsarchiv kennenzulernen. Mitarbeiter der Restaurierwerkstätte berichteten über ihre tägliche Arbeit und informierten über die für die Restaurierung des Vesal erforderlichen Arbeitsschritte. Parallel zur Restaurierung wurde der Vesal mit Unterstützung des Diözesanarchivs Sankt Pölten 11 digitalisiert, sodass er in der Online-Version weltweit aufgerufen werden kann. Von Medical Media Services (MMS) 12, einer Serviceeinrichtung an der Medizinischen Universität Wien, wurde ein attraktives Poster mit Abbildungen aus dem Vesal erstellt. Am Dienstag, den 31. Januar 2006, fand dann im historischen Lesesaal des Instituts für Geschichte der Medizin eine denkwürdige Feierstunde statt: der restaurierte Vesal wurde von Gen.-Dir. Hon.-Prof. Dr. Lorenz Mikoletzky, 36 Mitteilungen der VÖB 59 (2006) Nr. 2
3 Übergabe des Vesal durch Generaldirektor Prof. Dr. Lorenz Mikoletzky an Rektor Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Schütz am 31. Januar 2006 (Abb.: MMag. Margrit Hartl) Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs, an Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Schütz, Rektor der Medizinischen Universität Wien, übergeben. Ergänzend zur vormittäglichen Feierstunde wurde am Nachmittag desselben Tages im Seminarraum der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien auch ein von Memoria Medicinae gemeinsam mit der Universitätsbibliothek organisierter Bibliotheksnachmittag veranstaltet. Das Motto dieses Bibliotheksnachmittags lautete: Die Rückkehr des Vesals. 13 In einem sehr informativen Vortrag schilderte Univ.-Doz. Mag. DDr. Sonia Horn die Entwicklung der Anatomie und erläuterte die medizinhistorischen Bedeutung von Vesals De humani corporis fabrica libri septem. Mitteilungen der VÖB 59 (2006) Nr. 2 37
4 Mittlerweile erfolgte u. a. auch bereits die Restaurierung und Digitalisierung eines augenheilkundlichen Manuskripts des 16. Jahrhunderts 14, das ursprünglich auch gedruckt erscheinen hätte sollen. Dieses wertvolle Einzelstück aus der Josephinischen Bibliothek wurde (15. März bis 21. Mai 2006) in der Ausstellung Botz! Jakob Ruf, ein Zürcher Stadtchirurg und Theatermacher im 16. Jahrhundert im Strauhof Zürich 15 gezeigt. Es ist geplant, dieses Manuskript wie auch eine parallel zur Ausstellung erschienene Quellenedition nach Ende der Zürcher Ausstellung im Rahmen eines weiteren Bibliotheksnachmittags Interessenten vorzustellen. Die besondere Attraktivität des Bestandes der historischen Sammlungen der Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien neben der Josephinischen Bibliothek 16 ist insbesondere die neurologische Bibliothek von Heinrich Obersteiner ( ) 17 hervorzuheben spiegelt sich auch darin, dass allein im Frühjahr 2006 in drei großen aktuellen Ausstellungen weitere Exponate gezeigt werden: MOZART. Experiment Aufklärung Ausstellung des Da Ponte Instituts zum Mozartjahr 2006 vom 17. März bis 20. September 2006 in der Albertina 18 ; Wege zur Gesundheit Steiermärkische Landesausstellung vom 29. April bis 29. Oktober 2006 in Bruck an der Mur 19 ; Die Couch: Vom Denken im Liegen Ausstellung der Sigmund Freud Privatstiftung vom 5. Mai bis 5. November 2006 im Sigmund Freud Museum (Berggasse 19) 20. Dass man auch an der Medizinischen Universität Wien die große Bedeutung des eigenen kulturellen Erbes richtig einzuschätzen weiss, wurde vom Rektor in einer Pressemitteilung am 25. Januar 2006 eindrucksvoll unter Beweis gestellt: Die Medizinische Universität Wien stellt ein Unikum in der österreichischen Wissenschaftslandschaft dar: ein junges Unternehmen mit einer jahrhundertenlangen Geschichte. Die Pflege, Erhaltung und Erschließung unserer eigenen Historie ist auch wichtig für unser künftigen Ziele und Visionen. 21 Mag. Bruno Bauer Universitätsbibliothek der Medizinischen Universität Wien A-1097 Wien, Währinger Gürtel Tel: +43 (0) Fax: +43 (0) bruno.bauer@meduniwien.ac.at 38 Mitteilungen der VÖB 59 (2006) Nr. 2
5 Die Sammlung ist durch einen Zettelkatalog erschlossen, der auch in gedruckter Form vorliegt: Katalog der Josephinischen Bibliothek des Instituts für Geschichte der Medizin in Wien/hrsg. von Erna Lesky. - Photomechan. Reproduktion. - Graz: Akad. Dr.- u. Verl.-Anst., III, 733 S. - ISBN: Vesal.pdf 14 Jakob Ruf: Practica in arte copiosa, um 1550 (Signatur: JB 6.452) home/redirect_sho/strauhof/home/aktuell.html 16 Burkhard Klebel, Erika Dunkl, Gertrud Oswald: Bibliothek des Instituts für Geschichte der Medizin an der Universität Wien. In: Handbuch der Historischen Buchbestände in Österreich. Band 1: Wien, Teil 1. Hrsg. von der Österreichischen Nationalbibliothek. Hildesheim: Olms-Weidmann, S Burkhard Klebel, Wilma Buchinger: Bibliothek des Neurologischen Instituts an der Universität Wien. In: Handbuch der Historischen Buchbestände in Österreich. Band 1: Wien, Teil 1. Hrsg. von der Österreichischen Nationalbibliothek. Hildesheim: Olms-Weidmann, S x.php?id=200&news_ id=340&content_id=show_news_details.php Mitteilungen der VÖB 59 (2006) Nr. 2 39
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