Kunst-Steine Die Leichtigkeit in der Schwere

Transkript

1 Kunst-Steine Die Leichtigkeit in der Schwere 1. Kunst mit dem, was da ist Das Wesen der Kunst ist u.a. ein Spiel mit der Verwirrung des Betrachters. Dann, wenn etwas auf den ersten Blick für etwas gehalten wird, das es auf den zweiten Blick gar nicht ist und es doch ist, weil es so gut, so treffend nachgestellt ist, dass die Gewissheit um die Nachahmung der Wirklichkeit immer wieder ins Wanken gerät. Die fotorealistische Malerei oder die Wachsfiguren der Madame Tussaud erzeugen beim Betrachter eine große Faszination. Oft meint der Ausspruch Ich kann nicht malen, ich habe zwei linke Hände die nicht ausgebildete Fähigkeit, Derartiges hervorzubringen. An diesem Mankogefühl setzt die Idee der Kunst-Steine an und bietet eine Möglichkeit, diese zu überwinden. Diese faszinierende Arbeit habe ich zunächst bei der Künstlerin Ruth Gilberger kennen gelernt und war schnell von der Einfachheit und Direktheit ihrer so genannten Private Stones fasziniert. Danach habe ich selbst in nachstehender Weise Steine gebaut und so weiter entwickelt, wie es für meine Arbeit mit Jugendlichen vonnöten war. Dauer: 4 6 Stunden Material: uuzeitungspapier uukrepp- oder Klebeband uukleister und Kleisterschale uuacryl- oder Volltonfarben, Pinsel, Wasserbecher uuheißklebepistole und Ladepatronen Sozialform: Einzel- und Gruppenarbeit Durchführung: 1. Steine finden Es sollen also Steine nachgebildet werden. Kunst-Steine, die aussehen wie echte, schwere, massive Steine, die man sich aber mit Leichtigkeit zuwerfen könnte. Dazu sollen zunächst Steine gefunden werden: die Findlinge auf dem Pausenhof, die Steine in Vorgärten, die Brocken am Straßenrand. 39

2 Kunst-Steine KKWo gibt es große Steine? KKWie sehen diese Steine aus? KKWelcher Stein gefällt dir am besten? Jeder sucht sich einen eigenen Stein. Was macht ihn einzigartig? Welche Form besitzt er? Wie ist seine Oberfläche? Ist er porös, sind Stellen herausgebrochen, gibt es Kanten? Wenn es in der näheren Umgebung keine großen Steine gibt, können auch Bilder von Steinen genommen werden. 2. Steine gestalten Mit Zeitungspapier und Krepp- oder Klebeband werden die gefundenen Steine nachgebildet. Einzelne Zeitungsbögen werden zerknautscht und mit anderen zerknautschten Zeitungsbögen verbunden. Wenn ein Findling nachgebildet werden soll, braucht man schon viel Zeitungspapier. Es können auch Packpapier, Tapetenrollen oder andere Verpackungsmaterialen, wie z.b. Folie genommen werden. Wichtig ist, dass die so entstehende Steinnachbildung durch genügend Klebe- oder Kreppband in der Form gehalten wird und nicht in sich zusammenfällt. Sobald die Form des Steins gestaltet ist, wird sie von mit Kleister bestrichenem Zeitungspapier beklebt. Dies nennt man Kaschieren. Bei derart größeren Werken sollten zwei Ein Stein im Original Ein Pappmaschee-Stein Zeitung und Kreppband Kunst mit dem, was da ist 40

3 1. Kunst mit dem, was da ist bis drei Schichten Zeitungspapier nacheinander kaschiert werden. Um zu sehen, wo bereits kaschiert wurde und wo nicht, empfiehlt es sich, nach jeder Zeitungsschicht Farbe darauf zu malen. Danach muss der Kunst-Stein mindestens einen Tag lang trocknen in der Sonne mit etwas Wind oder mit Hilfe eines Heizlüfters geht es aber schneller. Sobald der Kunst-Stein trocken ist, kann werden zur Steinform. er koloriert werden; dazu sollte er zum Original gebracht werden, damit der Farbton mit Acryl- oder Volltonfarbe ähnlich gemischt und koloriert werden kann. Sobald die Farbe getrocknet ist, können noch Erde und Sand auf den Kunst-Stein mit mattem Klarlack geklebt werden. Auch Moose, Flechten oder Gräser können mit Klebestiften oder Heißkleber angebracht werden. 3. Steine präsentieren Die beste Präsentation ist wohl eine kommentarlose: Den Kunst-Stein einfach neben das Original legen und auf die Reaktion der anderen Schüler, Passanten oder Bewohner warten. Oder aber einen besonderen Ort für den Kunst-Stein finden: Auf einer Mauer, vor einer Tür, auf einem Tisch, unter dem Arm getragen oder auf einer Motorhaube. Und dann wieder auf die Reaktionen der Passanten warten, diese beobachten und vielleicht fotografieren oder filmen. Die Ergebnisse der filmisch-fotografischen Dokumentation können dann auch als Teil einer sich anschließenden Ausstellung genommen werden. Was ist echt, was ist Kunst? Der Stein als Pappmaschee-Nachbildung 41

4 Pappmaschee-Abdrücke Das Wesen der Dinge Was ist das ästhetische Wesen einer Heizung? Oder eines Steins, einer Mauer, einer Baumrinde? Wie lassen sich Bälle, ausrangierte Tastaturen und Schuhe in etwas Neues verwandeln? Und was entsteht, wenn man die Oberfläche eines Mülleimers, Feuerlöschers oder Strumpfes weiter gestaltet? Kunst mit dem, was da ist in diesem Fall als Pappmaschee-Abdruck von alltäglichen Gegenständen. Dauer: 4 6 Stunden Material: uuhaushaltsfolie uukleister und Kleisterwanne uuheißklebepistole und Ladepatronen uuacryl-, Vollton- oder Wasserfarbe, Pinsel, Wasserbecher Sozialform: Einzel- und Gruppenarbeit Alltagsgegenstände Durchführung: 1. Welche Form... Am Anfang war die Form. Hier zumindest. Und zu Beginn dieser Kunsteinheit werden Formen gesucht, die alltäglich sind und die in einem zweiten Schritt einen Abdruck aus Pappmaschee erhalten sollen. Dazu bietet sich ein Gang durch die Schule an. Oder ein Blick in den eigenen Schuhschrank. Oder in den Keller mit ausgemusterten Gegenständen. 53

5 Pappmaschee-Abdrücke lässt sich kaschieren... Diese Formen werden im zweiten Schritt kaschiert, also mit einer Hülle aus Kleisterpapier bedeckt. Das Beispiel Stein: Ein Stein liegt im Schulgarten. Dieser wird zunächst mit Haushaltsfolie bedeckt, und zwar so, dass sich die Folie wie eine zweite Haut über den Stein zieht. Auf diese Folie wird dann mit Kleister bestrichenes Zeitungs- oder Packpapier in Stücken gelegt und angedrückt. Auch die Schicht aus Kleisterpapier sollte sich wie eine zweite Haut an den Stein und auf die Folie schmiegen. Ist die Fläche dann einmal kaschiert, wird die zweite Schicht aufgetragen. Dazu empfiehlt es sich, die erste Schicht einfarbig zu kolorieren, weil man so am besten erkennen kann, wo für die zweite Schicht noch kaschiert werden muss und wo bereits kaschiert wurde. Bei größeren Objekten sollten drei bis vier Schichten Papier verwendet werden, bei kleinen Objekten (z.b. Schuhe, Gläser, Brillen) genügen zwei bis drei Schichten Papier. Was auch immer kaschiert wird, die Gegenstände sollten nicht mehr benötigt werden und gegen Kleister unempfindlich sein. Denn trotz der Haushaltsfolie die ja eine Trennschicht zwischen dem Objekt und dem Kleisterpapier ist, damit das Papier trocknen kann dringt der Kleister doch manchmal bis zum Objekt vor. in Folie gehüllt und weiterverarbeitet zu Pappmaschee-Abdrücken. Kunst mit dem, was da ist 54

6 2. Kunst mit dem, was um uns ist und in Kunst verwandeln? Sobald das Kleisterpapier getrocknet ist (ein bis zwei Tage, mit Heizlüfter oder in der Sonne geht es schneller), kann die jetzt entstandene Pappmascheehülle von dem Objekt genommen werden. Dabei reißt die Hülle manchmal an kleinen Stellen ein oder muss sogar mit einem Cutter so geschnitten werden, damit sie sich über die Wölbungen stülpen lässt. Das ist aber kein Problem, weil diese Pappmascheehüllen einfach repariert werden können, indem die Risse oder Schnitte mit einem Tacker oder einer Heißklebepistole wieder genäht werden und zur Verschönerung eine Art Pflaster aus Kleisterpapier erhalten. Herauslösen der Form Dann wird die Pappmascheehülle weiter gestaltet. Der Stein kann wie sein Original bemalt werden. Oder er wird zu einem Gesicht oder einer Maske verwandelt. Der Abdruck einer Heizung sieht aus wie eine Heizung aus Pappe. Oder wie der gerippte Panzer eines riesigen Insekts. Und was stellt die kaschierte Brillenform dar? Vielleicht einen urzeitlichen Vogel? Oder den Innenteil eines zweimastigen Schiffes? Oder ein Artistentrapez? Mit Farbe, Pappe und Papier lassen sich aus den Pappmascheeabdrücken Kopien der Originale oder auch neue Dinge gestalten. und kolorieren 55

7 Pappmaschee-Abdrücke Backsteinteich Am Ende dieser Einheit können die Schüler zunächst besprechen, was der Pappmaschee- Abdruck darstellt. Ein Galerierundgang zu den entsprechenden Originalen, wo dann auch die Abdrücke zu sehen sind, rundet diese Einheit ab. und Libellenbürste Kunst mit dem, was da ist 56